Im Wortlaut
Themen
- Anschlag in Magdeburg
- Wahlempfehlung von Elon Musk für die AfD
- Vorschlag der CDU/CSU für eine Verschärfung der Ausweisung von Straftätern
- beschädigtes Kabel in der Ostsee
- Nahostkonflikt
- Absturz eines aserbaidschanischen Flugzeugs in Kasachstan
- Lage in Georgien
- Lage in Syrien
- Umgang mit rechten Streamern
34 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Montag, 30. Dezember 2024
Sprecherinnen und Sprecher
stellvertretende Regierungssprecherin Hoffmann
Harmsen (BMI)
Hosemann (BMJ)
Müller (BMVg)
Deschauer (AA)
May (BMZ)
(Vorsitzende Buschow eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
SRS’in Hoffmann sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)
Frage Krämer
Frau Hoffmann, welche Konsequenzen zieht die Regierung aus dem Anschlag in Magdeburg?
SRS’in Hoffmann
Guten Tag erst einmal, auch von meiner Seite, an die wenigen Getreuen, die es heute hierher geschafft haben!
Die Tat von Magdeburg - das haben wir ja alle so erlebt, und auch der Bundeskanzler, viele andere Regierungsmitglieder und der Bundespräsident haben sich so geäußert - war eine furchtbare Tat, die jetzt zehn Tage zurückliegt. Fünf Menschen wurden getötet, mehr als 200 verletzt. Zum Glück schwebt jetzt keiner der Verletzten mehr in Lebensgefahr. Unsere Gedanken sind weiterhin bei den Opfern, ihren Familien und bei der Stadt Magdeburg, den Menschen in Magdeburg. Ganz Deutschland trauert mit ihnen. Wir sind den Helferinnen und Helfern vor Ort sehr dankbar, die mit großem Mut, sehr schnell und professionell Leben gerettet und Erste Hilfe geleistet haben und auch weiterhin die Angehörigen und alle, die unter dieser Tat leiden und noch lange leiden werden, betreuen.
Für uns steht jetzt im Fokus, diese Tat vollständig aufzuklären, und jetzt komme ich auch etwas konkreter zu Ihrer Frage, wollte das vorher aber doch allgemein noch einmal so gesagt haben. Der Kanzler hat es deutlich gesagt: Da muss jeder Stein umgedreht werden. Sie wissen, dass sich heute der Innenausschuss des Bundestages mit diesem Thema befasst und sich auch die Innenministerin dazu äußern wird. Es gibt eine ganze Reihe von Fragen, die da im Raum stehen, und es ist entscheidend, dass da alles genau untersucht und jedes noch so kleine Detail geprüft wird. Das ist natürlich zunächst einmal Aufgabe der ermittelnden Behörden vor Ort, aber der Bund wird das tatkräftig unterstützen. Dann ist es halt wichtig, dass wir daraus lernen und Konsequenzen für die Zukunft ziehen.
Ich kann aber, da ja die Ergebnisse der Ermittlungen nicht vorliegen, sondern eben ermittelt wird und auch gründlich ermittelt werden muss, jetzt noch nicht konkrete Konsequenzen benennen. Aber natürlich ist klar, dass wir uns dort jeden Aspekt genau anschauen müssen und dann die Konsequenzen ziehen.
Frage
Ich würde Herrn Harmsen einmal fragen, was denn eigentlich der aktuelle Stand ist. Gibt es aus Sicht des BMI irgendwelche Indizien dafür, dass es sich doch um einen terroristischen Anschlag mit internationalen Verbindungen handeln könnte, oder können Sie das mittlerweile halbwegs gesichert ausschließen?
Harmsen (BMI)
Vielen Dank dafür. – Vielleicht eines vorweggestellt: Sie wissen, dass die Ermittlungen auf Hochtouren laufen. Das Bundeskriminalamt unterstützt das, aber das liegt weiterhin in der Verantwortung der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg. Die Ermittlungen führt das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt. Insofern steht es mir, glaube ich, nicht zu, mich hier im Detail zu den Ermittlungen zu äußern.
Was wir, glaube ich, alle gesichert sagen können, ist, dass wir hier einen Tatverdächtigen haben, der in kein bisheriges Raster passt, der in den letzten Monaten und Jahren verschiedentlich auf dem Schirm einiger Behörden aufgetaucht ist. Das wird jetzt alles ermittelt. Das läuft mit Hochdruck. Da wird, wie es die stellvertretende Regierungssprecherin schon gesagt hat, jeder Stein umgedreht. Die Bundesinnenministerin hat ja auch schon angekündigt, dass die Tat vollständig aufgeklärt werden wird und dass alle möglichen Hinweise auf den Tatverdächtigen, die vorgelegen haben, auch Teil dieser Untersuchung sind. Aber inwieweit da jetzt doch internationale oder sonstige Verbindungen vorliegen, kann ich von dieser Stelle aus nicht bewerten. Das müssten Sie die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg fragen.
Zusatzfrage
Wenn ich es richtig verstanden habe, hatte er sich an eine Vielzahl von Behörden gewandt. Ich würde gerne wissen, inwieweit Sie uns mitteilen können, inwieweit Bundesbehörden denn auch darunter waren und inwieweit dort Reaktionen erfolgt waren.
Harmsen (BMI)
Auch das ist Teil nicht nur der Ermittlungen und der Aufklärung, sondern auch Teil dessen, hinsichtlich dessen die Bundesinnenministerin gemeinsam mit den Präsidenten von BAMF, BKA und Bundespolizei sowie dem Vizepräsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz gleich, also ab 13 Uhr, dem Innenausschuss Rede und Antwort stehen wird. Dem möchte ich hier auch nicht vorweggreifen. Das gebietet, glaube ich, der Respekt vor dem Parlament. Die Bundesinnenministerin wird sich direkt im Anschluss, also gegen 15 Uhr, im Bundestag, im Paul-Löbe-Haus, dann auch öffentlich gegenüber den Medien äußern, und ich würde Sie bitten, das abzuwarten.
Frage
Ich habe noch eine Frage an Frau Hoffmann, vielleicht auch an das BMI: Wenn das Sicherheitspaket von Solingen, das ja nicht Gesetz geworden ist, Gesetz geworden wäre, was wäre dadurch in Magdeburg besser gewesen?
SRS’in Hoffmann
Ich kann vielleicht allgemein etwas dazu sagen. Sozusagen mit einer Was-wäre-wenn-Konstruktion tue ich mich jetzt etwas schwer. Aber klar ist, dass der Bundeskanzler der Meinung ist, dass die Sicherheitsbehörden mehr Kompetenzen brauchen. Die Bundesregierung hat ja auch die Gesetzentwürfe auf den Tisch gelegt und ist der Meinung, dass die dringend beschlossen werden sollten. Dabei geht es ja um eine Stärkung der Bundespolizei, um biometrische Erkennung von Gesichtern und Stimmen von Terrorverdächtigen. Das gilt auch für die vom Verfassungsgericht verlangten Konkretisierungen des BKA-Gesetzes im Bereich der Terrorismusbekämpfung. Es geht um die rechtssichere Speicherpflicht von IP-Adressen, die im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus essenziell ist und inzwischen vom Europäischen Gerichtshof nicht nur für zulässig, sondern für erforderlich erklärt wurde. Das alles umfasst also die Gesetzentwürfe, die auf dem Tisch liegen und von denen wir der Meinung sind, dass sie so rasch wie möglich beschlossen werden sollte. Sehen Sie mir nach, dass ich das jetzt hinsichtlich eines Falles, in dem die Ermittlungen, wie gesagt, ja noch gar nicht abgeschlossen sind, an dieser Stelle nicht durchdekliniere.
Harmsen (BMI)
Dem würde ich mich anschließen.
Frage
Frau Hoffmann, Sie sagten gerade so locker-flockig dahin, die rechtssichere Speicherung von IP-Adressen sei Teil des BKA-Gesetzes beziehungsweise der Novellen im Sicherheitspaket. Das war ja ausdrücklich nicht Teil der vorgelegten Novellierung, sondern die Koalition hatte sich bislang auf Quick-Freeze geeinigt gehabt. Da würde ich dann doch gerne nachfragen, ob es sich hierbei um eine Veränderung der Position der Bundesregierung handelt.
SRS’in Hoffmann
Das waren zwei voneinander getrennte Sätze, das BKA-Gesetz und die IP-Adressen. Aber die Position ist, dass wir eine rechtssichere Speicherpflicht von IP-Adressen brauchen.
Zusatzfrage
Entschuldigung, aber das war bislang nicht Teil des Sicherheitspaketes. Diese Position gibt es innerhalb dieses Sicherheitspakets, nach dem gefragt wurde, nicht. Daher stelle ich die Nachfrage: Ist es eine Veränderung der politischen Position dieser Bundesregierung, dass sie sich nun ausdrücklich für eine IP-Adressenspeicherpflicht ausspricht?
SRS’in Hoffmann
Ich kann Ihnen jetzt nicht mehr als das sagen, was ich hier gesagt habe, aber das reiche ich nach.
Zusatz
Vielleicht können die Kollegen vom BMJ oder BMI an der Stelle etwas ergänzen.
Harmsen (BMI)
Ich kann ergänzen, dass die Bundesinnenministerin, die ja Teil dieser Bundesregierung ist, aber nicht allein die Bundesregierung ist, sich ja schon seit Längerem genau dafür ausgesprochen hat und das auch weiterhin tut.
Hosemann (BMJ)
Ich habe nichts zu ergänzen.
Frage
Wird die Unterstützung der AfD durch Elon Musk, Trumps Regierungsberater, als bewusste Einmischung in den Wahlkampf gewertet?
SRS’in Hoffmann
Grundsätzlich gilt ja Meinungsfreiheit, auch bei X. So haben wir uns hier ja auch in der vergangenen Woche schon eingelassen. Wahlen werden ja in Deutschland von den Wählerinnen und Wählern mit ihrem Gang zur Wahlurne entschieden, und die Wahlen sind eine deutsche Angelegenheit.
In der Tat ist es so, dass Elon Musk versucht, durch seine Einlassung Einfluss auf die Bundestagswahl zu nehmen. Seine Meinung zu äußern, steht ihm, wie gesagt, frei. Diese Meinung muss man jetzt nicht teilen. Ich glaube, es ist gut, grundsätzlich noch einmal darauf hinzuweisen, dass hier eine Wahlempfehlung für eine Partei ausgesprochen wird, die vom Verfassungsschutz unter dem Verdacht beobachtet wird, rechtsextremistisch zu sein, und die bereits als in Teilen rechtsextremistisch erkannt worden ist.
Zusatzfrage
Macht Elon Musk das Gleiche wie Wladimir Putin?
SRS’in Hoffmann
Das haben wir hier sehr, sehr ausführlich, muss ich sagen, bereits in der letzten Regierungspressekonferenz diskutiert. Darauf möchte ich an dieser Stelle noch einmal verweisen. Ich kann es aber noch einmal grob umreißen: Wir sehen seit längerer Zeit massive Versuche Russlands, die öffentliche Diskussion in Deutschland mit hybriden Methoden zu beeinflussen, Menschen zu verunsichern und ihr Vertrauen in demokratische Institutionen und Verfahren zu zerstören. Der Ursprung dieser Kampagnen wird häufig verschleiert. Die Attribuierung ist eine nicht einfache Sache, aber in vielen Fällen ist es auch gelungen, diese Art von Manipulationskampagnen auf das direkte Umfeld des Kreml zurückzuführen. Dort wird sehr häufig mit Bots und der Verzerrung von Diskussionen im Internet versucht, Meinungsmache zu betreiben. Der Begriff dafür lautet Foreign Information Manipulation and Interference, also FIMI. Die Bundesregierung ist seit längerer Zeit damit befasst, solche Kampagnen aufzudecken und sie transparent zu machen.
Was wir hier von Herrn Musk sehen, sind die Äußerungen einer Privatperson, die ich hier jetzt nicht weiter kommentieren möchte, als ich das getan habe.
Frage
Gibt es denn irgendwelche Konsequenzen, die man daraus zieht, dass sich die Privatperson Elon Musk jetzt so massiv einmischt? Gibt es also zum Beispiel Bestrebungen seitens der Bundesregierung oder vom Auswärtigen Amt, zu sagen, man ziehe sich von X zurück, man poste da nicht mehr die Statements, einfach, um auch ein Zeichen zu setzen, dass man sich davon distanziert?
SRS’in Hoffmann
Es ist ja eine Frage, die uns immer begleitet hat, seit Elon Musk X übernommen hat, und die uns auch in Bezug auf soziale Medien grundsätzlich wichtig ist, dass wir immer wieder abwägen, ob es für uns als Bundesregierung und für den Bundeskanzler richtig ist, in diesen sozialen Medien unterwegs zu sein. Wir sehen halt, dass es ein sehr hohes Gut ist, unsere Informationen möglichst breit streuen zu können, und dass die sozialen Medien letztlich ein wichtiger Baustein unserer Kommunikationsstrategie und unseres Anliegens sind, die Regierungspolitik zu erklären. Insofern ist das immer eine Abwägung. Wir sehen natürlich, was auf X passiert - mit großer Sorge. Aber gleichzeitig ist es eben wichtig, abzuwägen, was passiert, wenn wir diese Kanäle verlassen und damit auch die Nutzer nicht mehr erreichen können. Im Rahmen dieser Abwägung sind wir im Moment der Meinung, dass es richtig ist, dort zu sein.
Zusatzfrage
Gäbe es so etwas wie eine rote Linie?
SRS’in Hoffmann
Ich kann jetzt nicht fest formulieren. was so eine rote Linie wäre, sondern unsere Methode ist die, dass wir uns das wirklich praktisch täglich anschauen. Wir befinden uns da untereinander in ständigen Diskussionen und wägen das immer wieder neu.
Frage
Frau Hoffmann, Sie haben gerade die Meinungsfreiheit angesprochen. Nun hat Herr Musk den Bundeskanzler auch persönlich beleidigt. Ist das für Sie akzeptabel?
Eine zweite Frage: Gab es irgendwelche Kontakte mit der Trump-Administration, um sich vielleicht von diesen Äußerungen zu distanzieren?
SRS’in Hoffmann
Zu den Äußerungen von Musk hat sich der Kanzler selbst schon geäußert, und das will ich von dieser Stelle aus nicht kommentieren. Meinungsfreiheit umfasst ja auch den größten Unsinn. Insofern will ich das hier in keiner Weise irgendwie weiter kommentieren.
Bezüglich der Kontaktaufnahme kann ich Ihnen von dieser Stelle aus im Moment nichts sagen.
Frage
Frau Hoffmann, dieser Gastbeitrag von Elon Musk in der Zeitung „DIE WELT“ hat auch bei uns sehr viele Schlagzeilen produziert. Es ist auch in der Medienlandschaft in Deutschland spekuliert worden, ob sich der Kanzler in seiner Neujahrssprache darauf beziehen werde. Ist das der Fall?
SRS’in Hoffmann
Da muss ich Sie jetzt noch um ein bisschen Geduld bitten. Die Neujahrsansprache wird ja ab heute Nacht um Mitternacht verfügbar sein, und sie wird morgen ausgestrahlt. Insofern gibt es da eine Sperrfrist, und die kann ich jetzt an dieser Stelle auch nicht brechen.
Zusatzfrage
Der Kanzler war auch schon „not amused“, als Elon Musk geschrieben hat, nur die AfD könne Deutschland retten. Er hat auch in der Pressekonferenz Stellung dazu genommen. Wie sehr hat ihn dieser Gasbeitrag in der „WELT“ persönlich geärgert?
SRS’in Hoffmann
Es geht hier nicht um persönliche Befindlichkeiten des Kanzlers. Das ist ein ganz anderes Thema; das würde ich da gar nicht einordnen wollen. Der Kanzler kommentiert jetzt nicht redaktionelle Entscheidungen, die getroffen wurden, auf gar keinen Fall.
Frage
Ich habe es, ehrlich gesagt, noch nicht genau verstanden, was mehr wiegt, die Meinungsfreiheit oder die Einflussnahme? Was ist aus Ihrer Sicht wichtiger?
SRS’in Hoffmann
Ich verstehe jetzt die Frage, ehrlich gesagt, nicht. Können Sie das konkret auf etwas beziehen? Welche Abwägung betrifft das?
Zusatzfrage
Sie haben bei der Bewertung des Gastbeitrages - - -
SRS’in Hoffmann
Ich habe den Gastbeitrag überhaupt nicht bewertet. Das möchte ich ganz klar sagen.
Zusatzfrage
Aber Sie haben gesagt, es gebe Meinungsfreiheit in Deutschland, sie sei ein hohes Gut. Sie haben aber auch gesagt, dass Musk damit eine politische Einflussnahme auf den Wahlkampf macht.
SRS’in Hoffmann
So ist es.
Zusatzfrage
Meine Frage ist jetzt: Welcher dieser beiden Punkte ist der Wichtigere, der Schwerwiegendere? Ist die Meinungsfreiheit das wichtigere Gut, oder ist die Einflussnahme, die politische Einflussnahme aus dem Ausland, hier das, was schwerer wiegt?
SRS’in Hoffmann
Das würde ich nicht gegeneinander aufwiegen wollen; das würde ich gar nicht abwägen wollen. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Wir sehen hier den Versuch einer Einflussnahme. Ob die tatsächlich gelingt, ist noch eine völlig andere Sache. Aber wir sehen den Versuch einer Einflussnahme. Das ist ganz offensichtlich.
Frage
Ich wollte noch einmal ganz kurz an diesen Sachverhalt der Beleidigung anknüpfen. Denn Sie haben jetzt noch einmal die Meinungsfreiheit als hohes Gut betont. Gleichzeitig habe ich das so in Erinnerung, dass die Meinungsfreiheit - Herr Hosemann möge mich korrigieren, falls ich da falsch liege - ihre Grenzen im Strafrecht findet. Beleidigungen sind üblicherweise möglich, aber unter gewissen Voraussetzungen, gerade was Amtspersonen angeht, unter Umständen strafwürdig. Allerdings wäre es wahrscheinlich ein Antragsdelikt. Was können Sie uns dazu sagen? Hat Herr Scholz Strafanzeige gegen Herrn Musk wegen Beleidigung gestellt?
SRS’in Hoffmann
Nein, das hat er nicht. Und das, worauf Sie sich beziehen, ist ja etwas, was bereits Wochen zurückliegt und zu dem wir uns schon mehrfach geäußert haben. Das ist gar nichts Aktuelles.
Zusatzfrage
Solange es weiterverbreitet wird, gibt es ja weiterhin die Möglichkeit, einen Strafantrag zu stellen. Insofern ist diese Möglichkeit auch heute noch aktuell.
SRS’in Hoffmann
Der Kanzler hat sich dazu ja schon geäußert.
Zusatzfrage
Was nicht heißt, dass sich der Sachverhalt nicht verändert.
Dennoch eine andere Frage dazu: Die Bundesregierung macht ein bisschen den Eindruck, wenn ich das hier so offen sagen darf, dass sie gar nicht weiß, wie sie jetzt mit Musk und Ex-Twitter umgehen soll. Gibt es irgendwelche Initiativen, die Sie uns vermelden können, wie Sie zukünftig mit der speziellen Konstruktion umzugehen gedenken, dass Herr Musk gleichzeitig Plattformeigentümer und Verbreiter seiner eigenen Meinung ist?
SRS’in Hoffmann
Ich habe hier schon ziemlich ausführlich gesagt, wie wir das einordnen und einschätzen. Im Übrigen ist für diese großen Plattformen wie X die EU-Kommission zuständig, für die es ja mit dem DSA auch eine Gesetzgebung gibt.
Frage
Eine Frage an Frau Hoffmann und Herrn Harmsen vom BMI: Die Union zieht mit dem Vorschlag in den Wahlkampf, jemanden bereits bei zwei geringen Straftaten - nehmen wir als Beispiel zweimal Diebstahl - abzuschieben. Mich würde die Haltung der Bundesregierung dazu interessieren und auch die Einschätzung, für wie umsetzbar man das eigentlich hält.
SRS’in Hoffmann
Diese Äußerung aus dem parlamentarischen Raum, zumal in Wahlkampfzeiten, kommentiere ich jetzt von dieser Stelle nicht. Ich bitte um Verständnis.
Harmsen (BMI)
Ich kann vielleicht allgemein sagen, dass wir seit 2016 ein Ausweisungsrecht haben, das darauf abstellt, dass eine Abwägung aus Ausweisungsinteresse auf der einen Seite und Bleibeinteresse auf der anderen Seite erfolgen muss. Das geht auf höchstrichterliche Rechtsprechung zurück. Insofern muss man sicherlich genau schauen, wie das rechtlich umsetzbar ist.
Die Bundesregierung selber hat in den letzten Jahren im Ausweisungsrecht Verschärfungen vorgenommen, zuletzt vor allen Dingen mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz und dem Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit, wo man versucht hat, das Ausweisungsinteresse bei bestimmten Verhaltensweisen beziehungsweise bestimmten Delikten regelhaft festzulegen.
Am Ende bleibt aber, dass es immer eine Abwägung zwischen Ausweisungsinteresse und Bleibeinteresse sein muss. Insofern ist das der Rahmen, in dem sich das bewegt. Eine konkrete Bewertung dieses Vorschlags aus dem politischen Raum würde ich aber hier auch nicht vornehmen.
Frage
(zum beschädigten Ostseekabel) Da wollte ich erst einmal ganz allgemein das BMI oder Frau Hoffmann fragen, ob es eigene Erkenntnisse der Bundesregierung dazu gibt. Es gab gestern Erkenntnisse der finnischen Ermittler.
SRS’in Hoffmann
Uns liegen keine eigenen Erkenntnisse zu diesem jüngsten Vorfall vor. Natürlich begrüßen wir die Anstrengungen Finnlands, diese Ereignisse aufzuklären. Aber etwas Eigenes dazu können wir jetzt von dieser Stelle aus nicht beitragen.
Zusatzfrage
Dann hätte ich eine Folgefrage, vielleicht an das Verteidigungsministerium. Es wurde von Herrn Rutte eine stärkere Präsenz der Nato zum Schutz der Ostsee angekündigt. Ist die Bundeswehr an diesen Plänen oder Gedankenspielen auch beteiligt?
Müller (BMVg)
Sie haben richtig angesprochen, dass Generalsekretär Rutte dies so verkündet hat. Ich möchte es einmal so sagen: Wenn die Nato nach dem Abstimmungsprozess, der aktuell diesbezüglich läuft, etwas zu verkünden hat, dann wird es erst einmal die Nato tun.
Natürlich sind wir als Anrainerstaat immer auch Teil dieser Abstimmungen. Ich möchte aber hinzufügen, dass die deutsche Marine nicht erst seit den Vorfällen der vergangenen Monate, sondern insbesondere nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, im Grunde „all in“ in der Ostsee ist.
Wir haben die Operation Baltic Guard. In dieser Operation ist jedes Marineschiff angewiesen, egal ob Übung oder nur Transit, zur Lageaufklärung im Ostseeraum beizutragen, um das Lagebild zu vervollständigen.
Darüber hinaus hat die Nato vier ständige maritime Einsatzverbände. Diese befinden sich auch temporär an der Ostsee. Wir sind immer Teil dieser Verbände mit Fregatten, mit Korvetten. Teilweise fliegen unsere Seefernaufklärer über die Ostsee und tragen maßgeblich zu diesem Lagebild bei. Wie gesagt, aktuell sind wir an den Abstimmungen beteiligt. Zu verkünden habe ich hierzu nichts.
Zwei Punkte darüber hinaus:
Sie wissen, dass wir das CTF Baltic haben, das bei Aktivierung im Grunde auch für den baltischen Raum die Aufgabe übernimmt, das Lagebild zu vervollständigen oder zusammenzuführen und auch maritime Operationen zu führen. Natürlich hat das CTF Baltic auch hier - bei Aktivierung durch die Nato - die Möglichkeit, zu diesen Belangen beizutragen.
Der zweite Beitrag ist, dass die Nato in diesem Jahr das Maritime Center for Security of Critical Undersea Infrastructure, CUI, aufgestellt hat. Dazu gibt es eine Webseite der Nato mit einer guten Erklärung. Hier geht es genau um den Schutz kritischer Infrastruktur.
Deutschland und Norwegen haben sich abgestimmt, dass man dieses Konzept noch durch CUI-Hubs erweitern könnte - es sind fünf Hubs, die aufgestellt werden -, um regional verstärkt für den Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur Verantwortung zu übernehmen. Deutschland hat angeboten, für die Ostsee Verantwortung für dieses Hub zu übernehmen und Norwegen, soweit ich weiß, für das Nordmeer. Dieser Prozess ist noch in der Abstimmung. Aber das sind alles Maßnahmen, die wir im Nato-Rahmen, im Bündnisrahmen, schon leisten.
Ich glaube, der Inspekteur der Marine hat einmal gesagt: Wir sind „all in“. - Aktuell sind wir in der Ostsee also schon mit allem, was geht, vertreten. Wir entziehen uns aber nicht der weiteren Abstimmung, unseren Anteil zu leisten.
Zusatzfrage
Können Sie sagen, wie lange der Abstimmungsprozess der Nato vermutlich dauern wird?
Müller (BMVg)
Das kann ich nicht sagen. Wie gesagt, der Federführer ist hier die Nato. Ich spreche auch ungern über die Nato-Themen, wenn es die Nato nicht vorweggenommen hat. Deswegen würde ich Sie bitten, sich hier an die Nato zu wenden.
Harmsen (BMI)
Vielleicht darf ich das ergänzen: Für das Küstenmeer und die ausschließliche Wirtschaftszone übernehmen auch Bund und Landesbehörden der Polizei die Überwachung auf See und aus der Luft. Die Bundespolizei konzentriert sich bei der Seeüberwachung schon jetzt verstärkt auf die Bereiche kritischer Infrastrukturen, gerade in der ausschließlichen Wirtschaftszone.
Natürlich ist wegen der Bedrohungslage seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine das Thema Ausspähungs- und Sabotageaktivitäten gegen kritische Infrastrukturen ein Schwerpunkt der Tätigkeit der Bundespolizei. Sie überwacht dabei insbesondere militärische Einheiten Russlands, aber auch Schiffe der sogenannten Schattenflotte.
Frage
Herr Harmsen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, wurden ja mit der Potsdam-Klasse erstmals wieder mit Kanonen bewaffnete Küstenwachboote beschafft. Da sollten auch ältere Schiffe nachgerüstet werden. Vielleicht können Sie uns dazu etwas sagen. Denn ich stelle mir Bundespolizei gegen russische Marine als etwas Ungleiches vor.
Harmsen (BMI)
Es geht ja hier, wie ich das sagte, überwiegend um Aufklärungs- und Überwachungstätigkeiten. Das Zusammenspiel zwischen Militär und Polizei ist da relativ klar geklärt. Insofern geht es jetzt nicht darum, die Bundespolizei in bewaffnete Einsätze gegen russisches Militär zu schicken.
Insgesamt kann ich Ihnen zum Fortschritt der Modernisierung der Bundespolizeischiffe hier keinen aktuellen Stand geben. Das müsste ich nachreichen. Im Übrigen gilt, dass wir uns zu Details dieser Ausrüstung der Polizei grundsätzlich nicht äußern, schon aus einsatztaktischen Gründen.
Zusatzfrage
Eine Nachfrage zu dem Thema Schattenflotte - ich weiß jetzt gar nicht, wer dafür zuständig ist; ich vermute das BMI wegen des Schutzes der AWZ -: Viele Tanker der Schattenflotte sind ja nicht unbedingt auf neuestem Stand, sondern eher rostige Kähne, die unterwegs sind. Gibt es eine rechtliche Möglichkeit, denen die Durchfahrt durch die AWZ zu verwehren?
Harmsen (BMI)
Wenn Sie jetzt auf den Zustand von Schiffen anspielen, dann weiß ich nicht, ob wir da das zuständige Ministerium sind oder eher das Verkehrsministerium. Es gibt natürlich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten auch auf See gefahrenabwehrrechtliche Aspekte. Das muss man sich im Einzelfall ansehen. Aber von systemischen Überlegungen in dieser Hinsicht habe ich keine Kenntnis.
Frage
(zum Nahostkonflikt) Frau Deschauer, die Weltgesundheitsorganisation hat den Angriff auf das letzte verbliebene Krankenhaus in Nordgaza scharf verurteilt. In dem Krankenhaus waren Hunderte von Patienten, die verschleppt worden sind. Man weiß nicht, wohin sie verschleppt worden sind. Es kursieren in den sozialen Netzwerken Bilder, auf denen zu sehen ist, dass diese Patienten und das medizinische Personal entkleidet worden sind und in der Kälte durch die Ruinen laufen mussten. Ich hätte gern eine Reaktion dazu.
Und es sind in den letzten zwei Tagen mindestens sechs Babys erfroren, weil Hilfslieferungen nicht nach Nordgaza hereinkommen. Dazu hätte ich auch gern eine Reaktion.
Deschauer (AA)
Vielen Dank für Ihre Frage, mit der Sie auf die weiterhin sehr dramatische Lage im Gazastreifen, insbesondere für die Zivilbevölkerung, hinweisen. Wir, die Bundesregierung, das Auswärtige Amt, kennen entsprechende Berichterstattungen. Ich kenne jetzt nicht persönlich jedes einzelne Bild, das Sie geschildert haben.
Aber ich muss es doch noch einmal so einordnen: Die Lage für die Menschen im Gazastreifen, insbesondere für die Zivilbevölkerung, ist dramatisch. Die Äußerung der WHO, dass insbesondere zivile Infrastruktur wie Krankenhäuser einem besonderen Schutz unterliegen, haben wir zur Kenntnis genommen, und das gilt natürlich auch in völkerrechtlicher Hinsicht.
Gleichwohl berichtet die israelische Seite ihrerseits davon - das ist zumindest unsere Erkenntnis -, dass sie gegen terroristische Strukturen vorgegangen ist. Die Bundesregierung ruft dazu auf - und das tut sie schon seit langem, insbesondere in solchen dramatischen Fällen, die wir im Einzelnen nicht bis ins Letzte nachvollziehen können; das wissen Sie -, dass Israel sich an die Maßgaben des Völkerrechts hält, dass Israel größtmöglichen Schutz von zivilen Strukturen, Einrichtungen, insbesondere der Zivilbevölkerung, walten lässt, gerade in diesen Zeiten.
Sie sprachen auch Berichterstattungen zur dramatischen Lage von kleinen Kindern, von Babys, an. Das sind natürlich erschütternde Berichte. Auch hier werde ich sie nicht im Einzelnen von dieser Stelle - sehen Sie es mir nach - verifizieren können. Aber allein die Lage, dass Kleinstkinder, Babys, in einer so schwierigen Lage sind, dass nicht genügend humanitäre Hilfe zu ihnen gelangt, dass sie hungern, dursten und frieren, ist erschütternd. Wir rufen die israelischen Stellen wie bisher nachhaltig dazu auf, humanitären Zugang zu ermöglichen.
Frage
Seit über einem Jahr appelliert die Bundesregierung an die Vernunft von Israel, dass Israel sich an das Völkerrecht halten soll. Diese Szene, die der Kollege gerade angesprochen hat, ist ja durch die Welt gegangen. Ich frage Sie jetzt: Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass der Staat Israel jetzt auf das Völkerrecht achten wird?
Deschauer (AA)
Ich glaube, ich bin hier eben mit einem eindringlichen Appell zu hören gewesen, der natürlich immer damit verbunden ist, dass man versucht, Dinge zu verbessern und zu verändern, und das im Rahmen unserer sehr intensiven Krisendiplomatie, die seit über einem Jahr stattfindet.
Ich glaube, wir haben das hier schon einmal gesagt: Wenn wir nicht glauben würden, dass wir mit unserer Arbeit - und mit eindringlichen Appellen und Gesprächen und unserem Tun auch im Kleinsten - gelegentlich Schritte verändern können, dann wären wir, glaube ich, fehl am Platze. Ich weiß, dass das alles sehr unbefriedigend ist, dass natürlich die Lage für die Menschen vor Ort weiterhin dramatisch ist.
Wenn wir im Zeitverlauf dieses schreckliche Jahr für viele Menschen im Nahen Osten Revue passieren lassen, dann stellen wir fest, dass es Situationen gab, in denen auch durch Krisendiplomatie insbesondere der Außenministerin und der gesamten Bundesregierung zumindest sehr kleine Schritte nach vorne gegangen werden konnten, was die Lieferung von humanitärer Hilfe angeht. Das ist nicht genug, aber ich glaube, daraus schöpfen wir zum Jahresende in der Bilanz eines gerade außenpolitisch schwierigen Jahres die Hoffnung und die Kraft, intensiv weiter daran zu arbeiten.
Frage
Russland hat zugestanden, dass es beim Absturz eines aserbaidschanischen Flugzeugs in Kasachstan eine Rolle gespielt hat. Ich bitte um eine Reaktion dazu.
Deschauer (AA)
Ich möchte zunächst in dieser ebenfalls schwierigen Lage den Angehörigen, den Hinterbliebenen derjenigen Menschen, die bei diesem Flugzeugabsturz den Tod gefunden haben, seitens des Auswärtigen Amts das aufrichtige Beileid der Bundesregierung ausdrücken. Das ist ein schwieriger und sehr dramatischer Vorfall für sehr viele Menschen, die sicherlich in der Zeit zwischen den Jahren zu ihren Liebsten reisen wollten und dabei den Tod gefunden haben. Ich kenne die Berichterstattung, die Sie ansprechen, laut der sich Putin in einem Telefonat gegenüber Präsident Aliyev geäußert hat, und ich kenne auch die Äußerung des aserischen Präsidenten. Ich möchte das vielleicht einmal so einordnen: In der Gesamtschau hätte dieser Vorfall, dieser tragische Tod von so vielen Menschen vermutlich nicht stattgefunden, wenn Russland nicht im inzwischen dritten Kriegswinter seinen schrecklichen Angriffskrieg gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine führen würde.
Zusatzfrage
Würden Sie eine internationale Untersuchung befürworten, um Aufklärung zu bekommen, was genau passiert ist?
Deschauer (AA)
Ich glaube, die Aufklärung dieses Absturzes - Herr Aliyev spricht von einem Abschuss und nennt auch die entsprechenden Indizien - über Kasachstan ist jetzt zunächst eine Sache der Stellen der involvierten Länder, insbesondere, wenn ich das korrekt verfolgt habe, Aserbaidschans. Insofern scheint die Aufklärung dort jetzt auf dem Wege zu sein.
Aber noch einmal: Wir sprechen hier von einer Situation, die, soweit wir das hier nachvollziehen können, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht stattgefunden hätte, wenn Putin nicht seinen schrecklichen Angriffskrieg fortführen würde. Das nehme ich jetzt zum Jahresende auch noch einmal zum Anlass, in aller Deutlichkeit für die Bundesregierung zu fordern, im dritten Kriegswinter sein menschenverachtendes, brutales Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine einzustellen - das ja, wie wir sehen, auch noch andere Menschen in Mitleidenschaft nimmt.
Frage
Frau Deschauer, in Georgien ist gestern der neue Präsident vereidigt worden. Frau Baerbock hatte sich schon kurz nach Weihnachten geäußert und dabei auch eine Suspendierung des EU-Beitrittsprozesses in den Raum gestellt - sie hat gesagt, darüber müsse man beraten. Da ging es auch um Einschränkungen oder zum Beispiel die Rücknahme der Visumsfreiheit. Wie ist da der aktuelle Stand und wie geht es da weiter?
Stößt man nicht, wenn man die Visumsfreiheit wieder zurücknimmt, auch diejenigen vor den Kopf, die letztlich weiterhin für den Beitritt sind?
Deschauer (AA)
Vielen Dank für die Frage. Auch das möchte ich erst einmal noch etwas grundsätzlicher einordnen. Das war ja schon vor den Weihnachtstagen ein Thema, und Sie sagen es richtig: Die Außenministerin hatte sich wegen der schwierigen Entwicklung in Georgien vor einigen Tagen, nämlich am 26. Dezember, noch einmal geäußert. Für alle, die es noch nicht nachvollziehen konnten, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, weil dies auch noch einmal sehr gut die Positionierung der Bundesregierung beschreibt.
Wir beobachten die Entwicklung in Georgien mit großer Sorge. Wir haben stets betont, dass wir Georgien ebenso wie andere Länder im EU-Beitrittsprozess unterstützen und seinen Platz in der Europäischen Union sehen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Nun müssen wir feststellen, dass Georgien sich in einer sehr schwierigen Krise befindet. Ich möchte es noch einmal klar benennen: Es ist eine Gruppierung, die dafür die Verantwortung trägt, und das ist der Georgische Traum.
Wie Sie richtigerweise sagen, finden natürlich intensive Überlegungen statt, wie man mit so einer Situation umgeht. Das findet natürlich im EU-Kreis statt, und die Ministerin ist dazu im engen Austausch. Es gab vor Weihnachten auch noch einen EU-Außenrat - ich meine am 18. Dezember -, der sich auf unsere Initiative hin mit dem Thema Georgien beschäftigt hat. Auch da hat man die Entwicklung in Georgien mit großer Sorge betrachtet.
Die konkreten Schritte, über die wir aus deutscher Perspektive jetzt nachdenken beziehungsweise die wir zum Teil auch schon angegangen sind, sind die folgenden: Wir haben die Zusammenarbeit mit Behörden des Landes heruntergefahren, und das betrifft auch ganz konkret Unterstützungsprojekte mit einem Umfang von mehr als 200 Millionen Euro, die ausgesetzt wurden. Gleichzeitig beraten wir auch mit den EU-Partnern über weitere Maßnahmen. Da braucht es natürlich immer EU-Einigkeit, das kennen Sie. Zu den Maßnahmen, die im Gespräch sind, gehören zum Beispiel Fragen wie die Rücknahme der Visafreiheit für georgische Verantwortungsträger bis hin zu gezielten Sanktionen. Wie die Ministerin ausgeführt hat, sind wir der Ansicht, dass wir in der EU aufgrund der immer autoritäreren Politik des Georgischen Traums auch eine förmliche Suspendierung des georgischen Beitrittsprozesses überlegen müssen. Das sind im Maßnahmenkatalog die Überlegungen beziehungsweise auch die konkreten Schritte, die wir schon angegangen sind.
Zu Ihrer Frage, ob das nicht die Falschen treffen würde: Ich glaube, mit der Aussage, dass wir uns die Frage stellen, ob es eine Rücknahme der Visafreiheit für georgische Verantwortungsträger gibt, habe ich das schon beantwortet. Natürlich ist uns bewusst, dass ein Großteil der georgischen Bevölkerung - das sieht man ja auch auf den Straßen - weiterhin ein stark pulsierendes europäisches Herz hat und gerade nach Europa strebt. Insofern ist es immer eine Abwägungssache und auch eine Überlegung, die wir jetzt anstellen, wie wir diejenigen, die für diesen schwierigen Kurs verantwortlich sind, adressieren können.
Ein letzter Punkt, der noch einmal in das Nationale hineingeht: Unabhängig von möglichen restriktiven Maßnahmen der EU werden wir auch einzelfallbezogen innerhalb der Bundesregierung prüfen, inwieweit einreiseverhindernde Maßnahmen veranlasst werden können. Dazu stehen wir auch mit den Kollegen des BMI im engen Austausch.
May (BMZ)
Auch das Entwicklungsministerium hat die Zusammenarbeit mit der georgischen Regierung geprüft und kurz vor Weihnachten Projekte im Umfang von insgesamt 237 Millionen Euro gestoppt. Der Grund dafür ist, dass es das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit war, Georgien auf dem europäischen Weg zu unterstützen, und das mit der aktuellen Regierung leider nicht mehr möglich ist. Das ist für die Personen, die jetzt auch bei Kälte und trotz gegen sie gerichteter Gewalt auf die Straße gehen, wirklich ein herber Rückschlag. Wir wollen deswegen nicht die komplette Zusammenarbeit einstellen; vielmehr wollen wir an Projekten, bei denen der Nutzen für die mehrheitlich proeuropäisch eingestellte Bevölkerung überwiegt und durch die auch die Annäherung an Europa weiter unterstützt werden kann, weiterarbeiten. Wir haben im Sommer beispielsweise ein Unterstützungsangebot für zivilgesellschaftliche Organisationen aufgesetzt. Bei den Projekten, die wir jetzt gestoppt haben, überwog aber die Tatsache, dass wir nicht sehen, wie wir mit der aktuellen Regierung auf dem europäischen Weg weiter zusammenarbeiten können.
Frage
An das AA und an das BMZ: Es gibt jetzt schon verschiedene Vorstöße, Kontakt aufzunehmen und sich ein Bild von der Lage in Syrien zu machen. Können Sie uns auf den aktuellen Stand bringen, was die Bundesregierung - konkret das Auswärtige Amt und das BMZ - gerade tut?
Deschauer (AA)
Ich fange vielleicht einmal an. - Dieses Thema war hier ja auch schon vor den Feiertagen intensiv im Gespräch. Sie haben mitbekommen, dass sich die Außenministerin mit den Vorstellungen der Bundesregierung in Form eines Acht-Punkte-Plans dazu geäußert hat, wie wir als Bundesregierung auf die volatile Lage in Syrien blicken, die einerseits einen Grund zum Aufatmen nach so vielen Jahren schrecklicher Assad-Herrschaft gibt, gleichzeitig aber für viele Menschen in der Region und im Lande - gerade Minderheiten - auch große Sorgen hinsichtlich der Frage aufwirft, wie es wohl weitergehen mag.
Ich möchte jetzt nicht noch einmal über den Acht-Punkte-Plan referieren, aber ich glaube, er beschreibt unsere Maßgabe, dass dort ein inklusiver Übergangsprozess stattfinden muss, der insbesondere Minderheiten ethnischer und religiöser Art, aber natürlich auch Frauen einbezieht, der darauf Wert legt, dass die territoriale Integrität Syriens gewahrt bleibt und der in dieser sehr schwierigen Lage natürlich auch das Thema humanitäre Hilfe in den Vordergrund stellt. Für diese Maßnahmen sind wir mit unseren internationalen Partnern, aber auch mit regionalen Partnern intensiv im Gespräch. Sie haben die Reise der Ministerin mitbekommen, die sich am 20. Dezember just darüber mit ihrem türkischen Amtskollegen intensiv ausgetauscht hat und einen Sonderkoordinator ernannt hat, der im intensiven Gespräch ist und der auch in der Region, in Jordanien vor Ort war. Sie haben auch mitbekommen, dass eine Delegation des Auswärtigen Amtes mit Beteiligung von anderen Vertretern der Bundesregierung bereits vor Ort war und sich auch mit HTS-Vertretern ausgetauscht hat. Wir müssen die Lage jetzt weiter eng beobachten und müssen weiter eng im Gespräch sein. Wir werden die neue Übergangsführung an ihren konkreten Taten messen, und das bedeutet, wie ich beschrieben habe, insbesondere die Einbeziehung von allen relevanten Gruppen in einen Übergangsprozess.
Ich sprach die humanitären Bedarfe an: Die sind massiv, gerade in den Regionen, in denen Assad die Herrschaft hatte und teils auch keine Hilfe zugelassen hatte. Das Auswärtige Amt leistet in Syrien allein in 2024 humanitäre Hilfe im Umfang von bis zu 220 Millionen Euro, die wir flexibel und bedarfsorientiert in allen Landesteile zur Verfügung stellen können. Die Ministerin hat kürzlich auch eine weitere Erhöhung der Mittel für humanitäre Hilfe um acht Millionen Euro angekündigt.
Zusammengefasst: Wir sind auf allen Kanälen aktiv, führen diplomatische Gespräche und beobachten die Region genau, und wir können dort jetzt auch an die guten und engen Kontakte anknüpfen, die wir über die Jahre in die Region etablieren konnten, gerade weil wir als glaubwürdiger Makler gelten, wenn ich das so sagen darf, und eben nicht versucht haben - wie einige bereits das Wort geredet hatten -, mit der Assad-Regierung ins Geschäft zu kommen und eine Normalisierung anzustreben.
May (BMZ)
Dazu kann ich ergänzen, dass das Entwicklungsministerium jetzt ein Paket über 60 Millionen Euro in Auftrag gegeben hat, um vor allem im Bildungsbereich zu unterstützen. Es geht aber auch darum, dass Binnenvertriebe und Aufnahmegemeinden durch Kurzzeitjobs Einkommen erhalten können, und auch die syrische Zivilgesellschaft wird unterstützt. Aus Sicht des Entwicklungsministeriums ist es wichtig, jetzt in diesem historischen Fenster, das sich geöffnet hat, Syrien und die syrische Bevölkerung zu unterstützen; denn wir sehen die Möglichkeit für eine positive Entwicklung hin zu einem Syrien, in dem unterschiedliche Volksgruppen und auch Männer und Frauen friedlich und gleichberechtigt zusammenleben können.
Frage
Gibt es inzwischen Überlegungen zur Terroreinstufung der HTS? Hat sich da irgendetwas an der ersten Haltung geändert?
Harmsen (BMI)
Wir prüfen die Lage vor Ort natürlich genau. Die Kollegin vom Auswärtigen Amt hat das ja auch gesagt: Wir werden die Lage weiter genau beobachten und die neue Regierung an ihren Taten messen. Es gibt dazu natürlich Überlegungen, aber es gibt jetzt keinen Stand, den ich hier kundtun kann, der wirklich konkret wäre.
Deschauer (AA)
Ich stimme den Ausführungen des Kollegen zu, kann aber vielleicht noch kurz ergänzen und noch einmal einen Schritt zurück gehen: Die HTS ist ja von den Vereinten Nationen eingestuft worden und wird folglich auch von der EU als Terrororganisation gelistet. Wir kennen die dschihadistischen Ursprünge der HTS, und gleichzeitig sehen wir die Schritte - zumindest nach dem, was wir bisher wahrnehmen können -, mit denen die HTS-Führung in der vergangenen Zeit versucht hat und auch jetzt versucht, sich davon klar zu distanzieren. Das werden wir genau beobachten. Da kommt es am Ende mehr auf die konkreten Taten als auf die Worte an. Das ist unser Blickwinkel auf den politischen Übergangsprozess.
Weil wir uns gerade in einem historischen Zeitfenster befinden, das die Möglichkeit eröffnet, dass die Menschen in Syrien endlich in Frieden und gemeinsam leben können, sind wir auch in dieser Fragestellung dabei, uns mit den USA und mit unseren internationalen Partnern im EU-Rahmen auch zum Umgang mit der HTS weiter abzustimmen.
Hosemann (BMJ)
Noch eine letzte Ergänzung: Die Fragestellung hat verschiedene Facetten. Darüber, ob die HTS eine terroristische Vereinigung im Sinne des deutschen Strafgesetzbuches ist, entscheiden Strafgerichte. Das Bundesministerium der Justiz hat schon vor geraumer Zeit eine allgemeine Verfolgungsermächtigung erteilt, aber letztlich ist es eine Frage der Justiz, zu bewerten, ob die HTS eine terroristische Vereinigung im Sinne des deutschen Strafgesetzbuchs ist.
Frage
Herr Hosemann, würde Herr al-Dschulani, sollte er nach Deutschland kommen, erst einmal verhaftet, und würde dann die Justiz ihren Gang gehen?
Hosemann (BMJ)
Die Verfolgungsermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz präjudiziert nicht, ob der Anfangsverdacht einer Straftat in Bezug auf eine konkrete Person vorliegt. Ich denke, es gibt manchmal das Missverständnis, dass wir damit quasi der Justiz die Entscheidung abnähmen oder jemand zumindest festgenommen werden müsste. Eine Verfolgungsermächtigung bedeutet einzig, dass die Justiz ihrer Arbeit nachgehen, ihre Bewertungen anstellen und den Prüfvorgang vornehmen darf.
Frage
Ich habe eine Frage an das BMI. Der Bundespräsident hat daran appelliert, dass der Wahlkampf ohne Gewalt stattfinden möge. Ich recherchiere schon seit Langem für eine große Reportage über rechte Streamer, die insbesondere ein Klima von Hass und Hetze in den alten Bundesländern, aber wahrlich nicht nur dort befördern, und habe mit zwei Landespolizeien unterschiedlicher Bundesländer Kontakt aufgenommen und festgestellt, dass es keine einheitliche Linie im Umgang mit diesen rechten Streamern gibt. Auch im Vorfeld der Bundesinnenministerkonferenz stand dieses Thema nicht auf der Tagesordnung.
Gewinnt dieses Thema für die Innenministerin jetzt an Dringlichkeit oder Aktualität, nachdem der Bundespräsident den Appell in Bezug auf den Wahlkampf geäußert hat?
Harmsen (BMI)
Die Bundesinnenministerin hat sich mehrfach und zu verschiedenen Gelegenheiten immer ganz klar dahingehend geäußert, dass Gewalt in der Politik insgesamt nichts verloren hat, sondern dass Politik vom Streit in der Sache lebt, aber eben nicht von Gewalt, Hass und Hetze.
Konkret zu den von Ihnen angesprochenen rechten Streamern liegen mir jetzt keine Erkenntnisse vor. Aber es ist gerade im Wahlkampf sicherlich auch keine politische Aufgabe, das auf die Agenda zu heben, sondern die Polizeibehörden, aber auch die Strafverfolgungsbehörden insgesamt und die Justiz schauen sich diese Dinge im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten natürlich an und werden sie verfolgen, wo sie strafrechtlich relevante Aspekte feststellen. Zu Ihrem konkreten Thema liegen mir jetzt aber keine Erkenntnisse vor.
Zusatzfrage
Es geht auch um die systematische Verbreitung von Fake News und denunziatorischer Berichterstattung. Darüber hinaus sind es teilweise auch AfD-Mitglieder, die das tun, mit 150 000 Abonnenten bei YouTube. Als ich das recherchiert und mit den jeweiligen Landespolizeistellen gesprochen habe, schien mir, dass es keine einheitliche Linie gebe, zum Beispiel in der Frage, ob man einen Presseausweis braucht oder nicht usw. Mir schien es so zu sein, dass es auf der Landesebene sehr viele ungeklärte Fragen gebe.
Harmsen (BMI)
Ich muss nachfragen. Was meinen Sie? Wofür braucht man einen Presseausweis und wofür nicht?
Zusatz
Um sogenannte Berichterstattung bei Demonstrationen durchzuführen.
Vorsitzende Buschow
Das war, denke ich, vor allen Dingen ein Diskussionsbeitrag. Haben Sie noch eine Nachfrage?
Zusatz
Nein.
Frage
Ich hänge mich kurz an, weil es gerade um rechte Streamer auf YouTube ging. Es gibt auch Portale, die kleiner als YouTube sind. YouTube unterliegt dem DSA, Twitch zum Beispiel nicht. Es gibt andere, noch kleinere Portale, die gerade in diesen Szenen sehr beliebt sind.
Herr Harmsen, inwieweit wird im Vorfeld der Bundestagswahl systematisch auf solche linksextreme, rechtsextreme oder wie auch immer extreme Portale und deren Nutzern geschaut? Gibt es eine spezifische Art von Beobachtung solcher Vorfälle, die möglicherweise wahlkampfgefährdend sein könnten?
Harmsen (BMI)
Sie wissen, dass die Polizeibehörden, aber auch Verfassungsschutzbehörden im Rahmen ihrer jeweiligen gesetzlichen Aufträge tätig werden. Darin mischen wir als BMI uns nicht ein, sondern die Behörden schauen sich das an. Ich nehme an, dass sie sich dabei auch das Thema des Wahlkampfs genauer anschauen, das natürlich verstärkt in den Fokus von Extremisten verschiedener Couleur rückt. Aber konkret kann ich Ihnen dazu nichts sagen.
Zusatzfrage
Hintergrund der Frage ist, dass es in dem Bereich sehr viele unterschiedliche Kompetenzen gibt. Das hat beispielsweise das Digitale-Dienste-Gesetz ganz gut aufgezeigt. Für Medienregulierung sind die Länder zuständig, in der praktischen Durchführung insbesondere die Landesmedienanstalten. Die Beobachtung von Aktivitäten, die tatsächlich wahlkampfgefährdend wären, obliegt hingegen möglicherweise Polizeibehörden oder Verfassungsschutzämtern.
Wie stellen Sie sicher, dass aus diesen vielen Bruchsteinen tatsächlich eine Bruchsteinmauer wird?
Harmsen (BMI)
Ich tue mich schwer, jetzt für alle beteiligten Behörden insgesamt zu antworten. Wie gesagt, haben wir im Zuständigkeitsbereich des BMI das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt, die im Rahmen ihrer jeweiligen gesetzlichen Aufträge zuständig sind. Zu der Frage, wie das koordiniert oder zusammengesetzt wird, kann ich Ihnen im Augenblick nichts sagen.