Regierungspressekonferenz vom 13. April 2021

Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 13. April 2021

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, Zweite Verordnung zur Änderung der Corona-Arbeitsschutzverordnung, Gesetzespaket zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023, Stadtentwicklungsbericht 2020, Bericht der Bundesregierung zum gesamtdeutschen Fördersystem für strukturschwache Regionen, Entwurf eines Maßnahmenpakets für Bürokratieerleichterungen, Rahmenkonzept „Stiftung Orte deutscher Demokratiegeschichte“), COVID-19-Pandemie, angekündigte Aufstockung der in Deutschland stationierten US-Truppen, geplante Einleitung von Reaktorkühlwasser des Kernkraftwerks Fukushima in den Pazifik, Onlineveranstaltung der USA zum Klimaschutz, Lage in der Ostukraine

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Dienstag, 13. April 2021

Sprecher: StS Seibert, Kautz (BMG), Alter (BMI), Mühlhausen (BMAS), Helmbold (BMVg), Burger (AA)

Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, guten Tag! Wie der Kleine Versprecher der Vorsitzenden gerade schon zeigte, ist heute Dienstag, nicht Mittwoch, ein unüblicher Tag für die Sitzung des Kabinetts. Die Kabinettssitzung hatte heute tatsächlich auch eine besonders große und lange Tagesordnung.

Ich fange an, worauf wahrscheinlich die meisten von Ihnen warten, mit dem Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite und der Formulierungshilfe, die die Bundesregierung für einen Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD gemacht haben. Es geht um das Infektionsschutzgesetz, das, wie Sie wissen, wichtige Befugnisse enthält, um übertragbare Krankheiten zu bekämpfen. Nach der bisher geltenden Gesetzeslage - § 28a dieses Infektionsschutzgesetzes - sind es vor allem die Länder, die in eigener Verantwortung über Art und Umfang der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus befinden. Grundlage für das Handeln der Länder waren in den letzten Monaten - im letzten Jahr, könnte man sagen - die gemeinsamen Beschlüsse der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder und der Bundeskanzlerin.

Wir sind jetzt in einer Phase der Pandemie, in der es wichtig und notwendig ist, schnell bundeseinheitlich mit schützenden Maßnahmen zu reagieren. Es gibt das Auftreten neuer Virusvarianten, das die epidemiologische Lage verändert hat. Es gibt insbesondere die deutlich ansteckendere Virusvariante B.1.1.7. Es gibt stetig steigende Inzidenzen. Wir liegen heute bei einem Wert von 140,9. Wir haben eben auch eine wieder stetig steigende Zahl von Menschen, die auf den Intensivstationen behandelt werden müssen.

Deswegen hat das Kabinett heute eine Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen, und zwar, wie ich gesagt habe, als Formulierungshilfe für die Fraktionen von CDU/CSU und SPD. Künftig soll - das ist das Wichtigste in der Überschrift - eine bundesweit verbindliche Notbremse ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 eingeführt werden, eine Notbremse, die dann eben nicht mehr Auslegungssache ist, sondern die automatisch greift.

Wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen hinsichtlich der Anzahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen der Schwellenwert von 100 überschritten wird, so gelten dort dann ab dem übernächsten Tag zusätzliche Maßnahmen, und zwar eine Vielzahl von Maßnahmen, mit denen Kontakte - das sind Ansteckungsgelegenheiten - reduziert werden sollen. Diese Maßnahmen sind im neu eingefügten § 28b des Infektionsschutzgesetzes zu finden.

Ich will einige davon nennen, kurz zusammengefasst: Kontaktbeschränkungen für private Treffen drinnen und draußen, Öffnungen von Geschäften nur dann und soweit sie der Versorgung des täglichen Bedarfs dienen oder existenziell wichtige Dienstleistungen wie Optiker und Gehörgeräteakustiker enthalten, körpernahe Dienstleistungen nur zu medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken mit Ausnahme der Friseurbesuche, Schließung von Gastronomie und Hotellerie sowie von Freizeit- und Kultureinrichtungen, keine gemeinschaftliche Sportausübung, FFP-2-Masken im öffentlichen Nahverkehr, Ausgangsbeschränkungen im Zeitraum von 21 Uhr und 5 Uhr.

Wenn die Inzidenz mehr als 200 beträgt, dann ist der Präsenzunterricht in Schulen und die Regelbetreuung in Kitas untersagt. Ausnahmen können gemacht werden, und zwar bei Abschlussklassen und bei Förderschulen.

Außerdem soll es der Bundesregierung ermöglicht werden, Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie nach § 28 Absatz 1 und § 28a Absatz 1 durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages zu erlassen. Auch diese Möglichkeit setzt voraus, dass die 7-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100 überschreitet. Die Rechtsverordnungen, die auf dieser Grundlage erlassen werden, können beispielsweise Präzisierungen, Erleichterungen und auch Ausnahmen für geimpfte oder getestete Personen vorsehen.

Der Gesetzentwurf wird in den nächsten Tagen im Bundestag beraten werden, und anschließend wird der Bundesrat beteiligt werden. Der Entwurf ist nicht zustimmungspflichtig.

Das Kabinett hat heute angesichts der pandemischen Lage auch beschlossen, den Anspruch auf Kinderkrankengeld für 2021 weiter auszuweiten. Die Bundesregierung will damit weiterhin Eltern unterstützen, die ihre Kinder pandemiebedingt zu Hause betreuen müssen. Das bedeutet für gesetzlich versicherte Elternteile zehn weitere, zusätzliche Arbeitstage, die sie in Anspruch nehmen können, und 20 zusätzliche Arbeitstage für Alleinerziehende. Das heißt, dass im Jahr 2021 pro Elternteil und Kind insgesamt an 30 Tagen Kinderkrankengeld zusteht; bei Alleinerziehenden sind es nunmehr 60 Tage.

Dieses Kinderkrankengeld soll ja berufstätigen Eltern ermöglichen, Lohnausfälle, die sie dadurch haben, dass sie ein erkranktes Kind häuslich betreuen müssen, auszugleichen. Dieser Anspruch besteht aber eben nicht nur, wenn das Kind krank ist, sondern auch, wenn die Kinderbetreuung zu Hause erforderlich ist, weil die Schule, die Kita oder die Einrichtung für Menschen mit Behinderungen pandemiebedingt geschlossen ist, weil die Präsenzbetreuung untersagt ist oder weil auch einzelne Klassen oder Gruppen in Quarantäne sind.

Ebenfalls in diesem pandemischen Zusammenhang hat das Bundeskabinett die Zweite Verordnung zur Änderung der Corona-Arbeitsschutzverordnung zur Kenntnis genommen. Damit wird die Arbeitsschutzverordnung an das Bestehen der epidemischen Lage nationaler Tragweite geknüpft und bis längstens 30. Juni 2021 verlängert. Außerdem wird eine Verpflichtung der Arbeitgeber eingeführt, ihren Beschäftigten, und zwar denen, die nicht ausschließlich von ihrer Wohnung aus arbeiten, einmal pro Woche einen Coronatest anzubieten. Beschäftigtengruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko sollen zweimal pro Woche ein Testangebot erhalten.

Die bisherigen freiwilligen Testanstrengungen in vielen Unternehmen und Verwaltungen sind hoch anzuerkennen. Die Testungen sind eine notwendige Ergänzung zum betrieblichen Infektionsschutz. Sie bieten den Beschäftigten zusätzliche Sicherheit, aber sie helfen durch das frühzeitige Erkennen asymptotischer Infektionen eben auch ganz allgemein dabei, Ansteckungsketten zu unterbrechen. Alle weiteren Maßnahmen - die Homeoffice-Regelung, die Begrenzung der Beschäftigtenzahl in geschlossenen Räumen und die Verpflichtung zur Umsetzung von betrieblichen Hygienekonzepten - bleiben bestehen.

Gehen wir von der Pandemiepolitik weg und kommen zu einem ganz wichtigen Thema in der Landwirtschaftspolitik. Das Bundeskabinett hat heute ein Gesetzespaket zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023 verabschiedet. Damit macht sich die Bundesregierung auf den Weg zum Systemwechsel in der Landwirtschaft, zu mehr Umwelt- und mehr Klimaschutz, zu einer größeren Verantwortung für den ländlichen Raum, zur Stärkung von Kleinen und mittleren Betrieben und zur Förderung von Junglandwirten. Dabei bleibt ein wesentlicher Aspekt der Gemeinsamen Agrarpolitik die Einkommenssicherung für landwirtschaftliche Betriebe. Die Bundesregierung schafft mit dem heutigen Beschluss politisch verlässliche Rahmenbedingungen, die einerseits die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft erhalten, aber gleichzeitig eben auch den sich wandelnden gesellschaftlichen und ökologischen Anforderungen und Erwartungen gerecht werden.

Ich glaube, dass sich die Ministerin dazu heute schon geäußert hat. Ich würde es hinsichtlich der Einzelheiten an dieser Stelle jetzt einmal dabei bewenden lassen, aber ich könnte natürlich auf Nachfrage noch ein bisschen nachlegen.

Der Bundesinnenminister, aber eben auch der Minister für Bau und für Heimat - in diesem Fall geht es um den Bau -, hat den Stadtentwicklungsbericht 2020 vorgelegt, und das Kabinett hat diesen Bericht beschlossen. Ein solcher Stadtentwicklungsbericht wird alle vier Jahre dem Bundestag vorgelegt. Dabei geht es um die aktuelle Situation deutscher Städte und Gemeinden und um die Stadtentwicklungspolitik des Bundes. Das sind Daten und Fakten zur Stadtentwicklung in Deutschland.

Diese belegen erst einmal eine weiterhin hohe Attraktivität der Städte für Menschen wie auch für Unternehmen. Vor allem in Großstädten wächst die Bevölkerung. Auch mittlere und Kleine Städte wachsen, am stärksten vor allem jene in Großstadtregionen, aber durchaus auch außerhalb. Bevölkerungsschrumpfung betrifft Klein- und Mittelstädte in peripheren Lagen. Mittel- und Kleinstädte in Ballungsgebieten haben oft eine entlastende Wirkung auf den Wachstumsdruck der Großstädte.

Für die Bundesregierung hat die gute Entwicklung in den Kommunen und die Verbesserung der Lebensqualität für die Bürgern und Bürgerinnen, die dort wohnen, eine hohe Priorität. Die Sicherung einer angemessenen Wohnraumversorgung ist ein zentrales Ziel der Stadtentwicklungspolitik, und zwar für alle Bevölkerungsschichten.

Das wichtigste Instrument der Bundesregierung zur Förderung der Kommunen sind die Städtebauförderprogramme, für die im Jahr 2021 Bundesmittel in Höhe von fast 800 Millionen Euro veranschlagt sind. Hinzu kommen weitere erhebliche Investitionen des Bundes, um bezahlbaren Wohnraum zu fördern, und zwar Investitionen in den sozialen Zusammenhalt, in die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, in die kommunale Infrastruktur, in die Digitalisierung der Städte, in die Entwicklung der Innenstädte, in die - das ist ganz wichtig - Anpassung der Kommunen an den Klimawandel, in die Mobilität in den Städten und zwischen den Städten, in den Schutz von Baudenkmälern, sowie einige weitere Punkte.

Zur Unterstützung der Städte und auch zur Stabilisierung der Konjunktur während der Pandemie wurden unter anderem die Mittel zur Förderung der Städte bei Digitalisierung, Klimaanpassung für Innenstädte und Ortskerne sowie für die kommunale Infrastruktur deutlich erhöht.

Es folgte ein weiterer Bericht, nämlich der erste Bericht der Bundesregierung zum gesamtdeutschen Fördersystem für strukturschwache Regionen. Der informiert über die wirtschaftliche Lage der strukturschwachen Regionen, die derzeitigen Rahmenbedingungen der regionalen Entwicklung und die zahlreichen Aktivitäten des Bundes, um eben strukturschwache Regionen zu stärken. Er gibt vor allem einen umfassenden Überblick über die Programme des sogenannten gesamtdeutschen Fördersystems.

Die Bundesregierung hat ja zum 1. Januar vergangenen Jahres die regionale Strukturförderung neu ausgerichtet, indem sie dieses gesamtdeutsche Fördersystem für strukturschwache Regionen eingerichtet hat. Das war eine von zwölf prioritären Maßnahmen zur Umsetzung der Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“. Konkret geht es dabei um mehr als 20 Programme aus sechs Ressorts, gebündelt unter einem gemeinsamen Dach, mit denen eben die wirtschaftliche Entwicklung, Forschung, Innovation und die Infrastruktur in solchen Regionen unterstützt werden.

Dieses Fördersystem ergänzt die Maßnahmen der Länder. Ganz wichtig ist: Die grundgesetzlich festgeschriebene Verantwortlichkeit der Länder für die regionale Strukturpolitik bleibt weiterhin bestehen.

Dann stand das Thema der Bürokratieerleichterung auf der Tagesordnung des Kabinetts. Es wurde ein 22-Punkte-Paket für Bürokratieerleichterungen beschlossen, um Unternehmen, Verwaltungen und Bürgerinnen und Bürgern bürokratische Erleichterungen zu verschaffen. Drei Gebiete, auf denen wesentliche Maßnahmen beschlossen wurden, will ich nennen, zum einen das Basisregister für Unternehmensstammdaten.

Dieses Basisregister ist in Verbindung mit einer bundeseinheitlichen Wirtschaftsnummer ein zentraler Vorschlag zur Reduzierung von Statistikpflichten. Es verknüpft die Unternehmensstammdaten aus verschiedenen Datenbeständen der Verwaltung und ist eine wichtige Voraussetzung, um in der amtlichen Statistik Qualitätsverbesserungen und auch weitere Entlastungen zu erreichen.

Es soll schnellere, verbindliche Auskünfte bei Steuerfragen geben. Das ist für alle Steuerpflichtigen wichtig. Sie sollen künftig eine verbindliche Auskunft zu steuerlichen Sachverhalten innerhalb von drei Monaten erhalten. Wir werden in diesem Zusammenhang prüfen, ob die Zuständigkeit für verbindliche Auskünfte im Zusammenhang mit Organschaften bei der für den Organträger zuständigen Finanzbehörde zentralisiert werden sollte.

Der dritte Bereich umfasst Erleichterungen für Eltern bei der digitalen Beantragung von Familienleistungen. Wir stärken die digitale Verwaltung. Es gibt ein im Jahr 2020 vom Deutschen Bundestag beschlossenes Gesetz zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren bei der Gewährung von Familienleistungen. Wir wollen jetzt alles daransetzen, dass das auch schnell umgesetzt wird, sodass Eltern zum Beispiel bei der Beantragung von Elterngeld viele Papiernachweise nicht mehr vorlegen müssen. Mit der Einwilligung der Antragstellenden können auch wirklich viele Nachweispflichten durch elektronischen Datenaustausch zwischen den Behörden ersetzt werden. Das soll spätestens 2022 in ganz Deutschland möglich sein.

Ein Letztes noch: Das Kabinett hat heute das von der Kulturstaatsministerin vorgelegte Rahmenkonzept zur Weiterentwicklung der Orte deutscher Demokratiegeschichte beschlossen. Das Ziel ist, anhand von historischen Leitlinien und unter Bezug auf konkrete Orte das lange Ringen um Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Deutschland ins Bewusstsein zu rücken. Zentraler Bezugspunkt sind die vielfältigen Orte. Ich nenne jetzt einfach einmal drei, die Sie alle kennen: die Paulskirche in Frankfurt/Main, die Nikolaikirche in Leipzig, das Hambacher Schloss. Es geht aber auch um Kleinere Orte in Deutschland, die für unsere Demokratiegeschichte - für unseren Weg zur Demokratie - bedeutsam und national relevant sind, wo sich in besonderer Anschaulichkeit vermitteln lässt, dass die deutsche Demokratiegeschichte von positiven Erfahrungen ebenso geprägt ist wie von Brüchen und leidvollen Verwerfungen.

Das Rahmenkonzept wird dem Deutschen Bundestag begleitend zur ersten Lesung des Gesetzentwurfes zur Errichtung einer „Bundesstiftung Orte der deutschen Demokratie“ vorgelegt. Sie können es auf der Webseite der Kulturstaatsministerin einsehen.

Danke für die Geduld.

Frage: Eine Frage zunächst den Ergänzungen des Infektionsschutzgesetzes. Stimmt es, dass mit der Ergänzung eine weitere Einschränkung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit beschlossen werden soll? Wenn ja, womit begründen die Bundesländer diesen Schritt?

Kautz: Ich würde sagen, dass das BMI zuständig ist.

StS Seibert: Ich würde auch sagen, dass sich für die grundgesetzlichen Fragen das BMI, das zusammen mit dem BMJV sehr genau darauf geschaut hat, äußern kann.

Alter: Das Infektionsschutzgesetz wird ergänzt, um das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in der Form zu stärken, als dass man das Infektionsrisiko senkt und durch die zu ergreifenden Maßnahmen dazu beiträgt, dass eine optimale oder bestmögliche gesundheitliche Versorgung im deutschen Gesundheitssystem einfach dadurch erhalten bleibt, dass sich das Infektionsgeschehen nicht exponentiell entwickelt.

Ich habe die Frage jetzt ganz anders verstanden, nämlich so, als ob das Infektionsschutzgesetz das Recht auf körperliche Unversehrtheit zusätzlich einschränken soll. Das verstehe ich nicht so ganz. Insofern müssten Sie die Frage vielleicht noch einmal präzisieren.

Frage: Sie sagen jetzt, dass Sie das nicht so ganz verstehen. Es steht aber im Gesetzentwurf, dass hier die Möglichkeiten da sind. Sie müssten den Gesetzentwurf doch kennen und die Frage beantworten können. - Danke.

Alter: Können Sie die Frage noch einmal aus Ihrer Sicht so konkret formulieren, wie ich sie verstehen soll? Ich habe den Gedanken noch nicht so ganz verstanden.

Zusatzfrage: Was konkret zum Recht auf körperliche Unversehrtheit steht im neuen Gesetzentwurf? - Danke.

Alter: Der Gesetzentwurf regelt, wie Herr Seibert das auch schon angedeutet hat, dass ab einer bestimmten Inzidenz bestimmte Maßnahmen bundeseinheitlich in Kraft treten, die dafür sorgen sollen, dass das Infektionsgeschehen eingedämmt wird. Dabei sind unterschiedliche Lebensbereiche berücksichtigt worden, insbesondere solche Bereiche, bei denen sich Infektionsgelegenheiten, Kontaktgelegenheiten ergeben. Das betrifft zum Beispiel private Zusammenkünfte sowohl innerhalb eines Hausstandes als auch im Freien. Das betrifft die Öffnung oder Schließung von Freizeiteinrichtungen, die Beschränkung des Handels, den Öffentlichen Personennahverkehr und Ähnliches.

Das Ziel des Gesetzes besteht allerdings darin, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, das exponentielle Wachstum zu durchbrechen und eine Überlastung des Gesundheitssystems insgesamt zu vermeiden, sodass eine bestmögliche gesundheitliche Versorgung bundesweit sichergestellt werden kann.

Dabei ist der Schutzpflicht für das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes in erforderlichem Maße nachzukommen und dabei insbesondere auch die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems als überragend wichtiges Gemeingut und damit die bestmögliche Krankenversorgung weiterhin sicherzustellen. Das ist im Kern die Zielrichtung des Gesetzes. Dem dienen auch die darin festgelegten Maßnahmen.

StS Seibert: Ich will das ganz kurz noch ergänzen: Wir handeln doch mit dieser Ergänzung zum Infektionsschutzgesetz in Zusammenarbeit mit den Bundestagsfraktionen gerade deshalb, weil sich auf den Intensivstationen medizinische Notlagen verschärfen, weil wir von den dort Arbeitenden - seien es Pfleger, Pflegerinnen, seien es Ärzte, Ärztinnen - ganz klar hören, wie sich die dritte Welle bei ihnen auswirkt, weil wir schon jetzt wissen, dass aufgrund dieser Situation dringend notwendige schwerwiegende Operationen an manchen Orten nicht möglich sind und verschoben werden müssen. Das alles hat damit zu tun, dass wir jetzt handeln müssen, um das Infektionsgeschehen wieder in den Griff zu bekommen, die Welle zu stoppen und am besten umzukehren, damit wir für so viele Bürger wie möglich tatsächlich auch eine Erkrankung verhindern können. Es geht also um die Gesundheit der Bürger und die Leistungsfähigkeit unseres medizinischen Systems.

Zusatzfrage: Ich sehe die Frage immer noch nicht beantwortet. Wohin geht die Einschränkung in die körperliche Unversehrtheit weiter? Sind zum Beispiel Zwangstests von Menschen, die das nicht wollen, nach diesem neuen Gesetz möglich? - Danke.

Alter: Zwangstests sind nach meiner Kenntnis des Gesetzentwurfs nicht vorgesehen. Es ist vorgesehen, dass unter bestimmten Umständen bei Vorliegen eines bestimmten Schwellenwertes Tests vorgenommen werden, um bestimmte Bereiche zu betreten. Aber das ist kein Zwangstest, sondern das ist dann im Prinzip eine Alternative. Wenn ich mich nicht testen lassen will, wird mir der Zugang zu bestimmten Bereichen eben versperrt.

StS Seibert: Um es zu auch noch einmal klar zu sagen: Wir haben ja heute beschlossen, dass die Arbeitgeber, die Unternehmen verpflichtet werden sollen, ihren Mitarbeitern, die in Präsenz arbeiten, ein Testangebot zu machen. Arbeitnehmer werden nicht verpflichtet, dieses Testangebot anzunehmen. Gleichwohl appelliert die Bundesregierung an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, verantwortungsvoll zu handeln und die Angebote zum Testen, die man ihnen macht, im eigenen Interesse, im Interesse ihres Gesundheitsschutzes wie auch im Interesse des Infektionsschutzes insgesamt anzunehmen. Aber es gibt keine Pflicht, sich testen zu lassen, die jetzt aus dieser Veränderung der Arbeitsschutzverordnung entstünde.

Frage: Die Fragen beziehen sich auf Artikel 1 Punkt 10. Dort ist eine Einschränkung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit erwähnt.

Alter: Ich schaue einmal schnell nach, ob ich die entsprechende Passage finde. Vielleicht geben Sie mir eine Minute.

Frage: Habe ich es richtig verstanden, dass diese Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes für die Notbremse nicht im Bundesrat abgestimmt wird?

Alter: Es ist jetzt ein bisschen schwierig für mich, beide Fragen gleichzeitig zu beantworten. Ich kann vielleicht sagen, dass diese Formulierungshilfe, die jetzt vom Bundeskabinett beschlossen wurde, sozusagen in den Deutschen Bundestag geht und dort gelesen wird. Es ist noch in diesem Monat eine Bundesratsbefassung vorgesehen. Insofern handelt es sich um ein Einspruchsgesetz, das auch den Bundesrat durchlaufen wird.

StS Seibert: Wenn ich das noch kurz sagen darf: Die Länder waren in diesen Abstimmungsprozess ganz eng eingebunden.

Alter: Es tut mir leid. Ich finde die entsprechende Passage nicht.

Frage: Seite 14 unten in der Kabinettsvorlage oder Seite 6 unten in der Formulierungshilfe, wenn man die Anschreiben nicht mitzählt.

Alter: Wenn ich das jetzt hier lese, ist das nach meiner groben Einschätzung eine rechtsförmliche Bestimmung, die bei Gesetzen, die man ausfertigt, festlegt, welche Grundrechte im Grundgesetz von diesen Gesetzen betroffen sind. Es geht hier um Gesundheitsschutz; es geht um Maßnahmen, die Infektionsrisiken reduzieren, eindämmen sollen. Insofern ist das hier nach meiner Einschätzung nach dem sogenannten Zitiergebot eine Formulierung, die auf die betroffenen Grundrechte im Grundgesetz Bezug nimmt, die aber wiederum selbst keine Einzelregelung enthalten. Das ist insbesondere wichtig, weil der Bund über dieses Gesetz ja auch ermächtigt wird, über dieses Gesetz hinaus per Rechtsverordnung weitere Regelungen zu treffen - sowohl Verschärfungen als auch Ausnahmen von bestehenden Bestimmungen. Aber all das wird unter Beteiligung des Deutschen Bundestages und des Bundesrats stattfinden.

Frage: Herr Seibert, eine Frage zur verankerten Notbremse. Warum ist der Inzidenzwert bei 100? Die Mehrheit der Wissenschaftler plädiert für eine Null weniger, also eine Inzidenz von 10 für eine Notbremse. Schon nach den Lockerungen bei einer Inzidenz von 50 wurde vor ein paar Wochen Alarm geschlagen. Auch die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die die Kanzlerin beraten, sagen, dass wir bei diesem Kurs keine Chance hätten, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Sie haben ja auch gerade davon gesprochen, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Sind Sie denn der Meinung, dass eine Inzidenz von 99 bedeutet, dass wir die Pandemie im Griff haben?

StS Seibert: Wir haben ja aufgrund des Beschlusses von Bund und Ländern die Situation, dass wir bereits eine Notbremse haben, die ab 100 ansetzt. Wir haben erlebt, dass diese eben nicht bundeseinheitlich, sondern durchaus mit unterschiedlichen Nuancen - manchmal waren es auch mehr als Nuancen - umgesetzt wurde. Wenn wir jetzt also zu einer bundesgesetzlichen Lösung kommen, wo die Umsetzung der Maßnahmen, die die Notbremse ausmachen, automatisiert wird und nicht mehr Auslegungssache ist, ist das aus unserer Sicht ein erheblicher Schritt nach vorne, um tatsächlich der Ausbreitung der Infektion zu begegnen. Das wird nicht das Einzige sein, was uns im Kampf gegen die Pandemie voranbringt. Aber eine konsequente und stringente Umsetzung - bundesweit und ohne Ausnahmen - bringt uns voran. Dennoch muss der Kampf gegen die Pandemie natürlich weiter obenan stehen. Dazu muss jeder in seinem eigenen Verhalten beitragen, auch in den Regionen unter 100.

Zusatzfrage: Dass es eine bundeseinheitliche Umsetzung geben soll, ist verständlich. Ich habe mich auf den Inzidenzwert bezogen. Warum ist er so hoch? Die Wissenschaft - - –

StS Seibert: Es schließt an den an, den es in den bisherigen Beratungen zwischen Bund und Ländern schon gab.

Unser Ziel mit dieser heutigen gesetzlichen Maßnahme wie auch mit allem anderen, was wir im Rahmen der Coronapandemiepolitik tun, ist natürlich, deutlich unter 100 zu kommen. Unser Ziel ist, auch deutlich unter 50 zu kommen. Das ist ganz klar.

Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Stellungnahme kurz nach der Kabinettssitzung auch ganz klar gesagt: Während wir jetzt die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, was das betrifft, sozusagen auf eine neue Basis stellen, vor allem in den Regionen mit einer Inzidenz von über 100, läuft ja mit täglich wachsender Kraft die Impfkampagne. Wir werden natürlich, wenn wir bei der Bekämpfung der Ausbreitung der Infektionen vorankommen, die Früchte dieser Impfkampagne auch um Wochen früher ernten, als wenn wir einerseits impfen und andererseits nicht von diesen Inzidenzen von 140, 150 herunterkommen.

Alter: Ich möchte gern noch ergänzen. Sie wissen es möglicherweise, aber der Vollständigkeit halber ist es wichtig zu sagen, dass die Maßnahmen, die gegen das Infektionsgeschehen zu treffen sind, ja nicht erst ab der Inzidenz von 100 greifen, sondern sie greifen viel früher, nämlich schon ab einer Inzidenz von 50, und zwar nach § 28a des Infektionsschutzgesetzes. Denn es handelt sich jetzt ja nur noch um die Ergänzung, ab welcher Schwelle der Bund mit einheitlichen Maßnahmen eingreift.

Das bedeutet also insbesondere, dass die Bundesländer auf regionaler Ebene in der Entwicklung zwischen einer Inzidenz von 50 und 100 nach eigenem Ermessen und regionalen Gegebenheiten handeln sollen und können. Erst dann kommt die Bundeseinheitlichkeit zum Tragen.

Frage: Herr Seibert, wenn der Bund doch jetzt so stringent gegen Corona und die Pandemie vorgeht, warum haben Sie dann auf eine Testpflicht auch für Beschäftigte verzichtet? Denn die Länder ihrerseits sind ja mit Blick auf die Schulen, für die es ja eine Testpflicht für Lehrer und Schüler gibt, eigentlich schon einen Schritt weiter. Warum hat der Bund, wenn er jetzt energischer vorgehen will, darauf verzichtet, das auch für Beschäftigte verpflichtend zu machen?

StS Seibert: Vielleicht möchte das BMAS, aus dem diese Änderung der Arbeitsschutzverordnung kommt, dazu etwas sagen.

Mühlhausen: Zunächst zum Thema einer Testpflicht: Wir wissen auch durch das Monitoring, dass bereits 84 Prozent der Beschäftigten ein Coronatestangebot begrüßen. Daher gibt es erst einmal nicht die Annahme, dass dies in Zukunft nicht genügend viele Beschäftigte wahrnehmen werden. Darüber hinaus wurde nun die Testangebotspflicht im Rahmen des Arbeitsschutzes geregelt.

Die rechtlichen Hürden für eine Testpflicht sind sehr hoch. Die Mitwirkungspflichten der Beschäftigten im Arbeitsschutz würden eine solche Testpflicht nicht abdecken. Aber wie es Herr Seibert hier schon deutlich gemacht hat - das hat auch der Bundesarbeitsminister heute Morgen getan -, sind jetzt natürlich alle Beschäftigten, die in Präsenz arbeiten, aufgefordert, das Testangebot vom Arbeitgeber anzunehmen. Dies geschieht vielfach ja auch schon, was erfreulich ist.

Zusatzfrage: Ich hatte die Frage Montag schon einmal gestellt. Danke jetzt für die inhaltliche Begründung. Trotzdem noch einmal die Frage an Herrn Seibert: In der Abwägung der Rechte oder des Eingriffs in Rechte ist man jetzt ja zu einem anderen Schluss gekommen als zum Beispiel in Hinsicht auf Lehrer. Warum ist das der Fall?

StS Seibert: Die allgemeine Testpflicht im Bereich der Schulen, wo es Präsenzunterricht gibt, auch der Berufsschulen, knüpft sich daran, dass man Infektionsherde möglichst frühzeitig erkennen will, wie sie eben gerade in den Schulen in den vergangenen Wochen vermehrt aufgetaucht sind. Wir haben auch hier vom Präsidenten des Robert-Koch-Instituts gehört, dass es eben ein besonderes und früher so nicht gemessenes Infektionsgeschehen unter jungen Menschen gibt, unter Schülern und Kitakindern. Darauf reagiert die Testpflicht für Lehrpersonal wie auch Schüler bei Teilnahme am Präsenzunterricht.

Frage: Herr Seibert, was ist der Unterschied zwischen Präsenz in der Schule und Präsenz in einem Großraumbüro? In der Schule müssen mindestens zwei Coronatests pro Woche vorgelegt werden. Im Büro muss ein Coronatest angeboten werden.

StS Seibert: Ich will dazu jetzt nicht ins letzte Detail gehen. Schule ist - das gilt erst recht mit Blick auf Kita - ein Lebensbereich, ein Arbeitsbereich, in dem es besonders schwierig ist, notwendige Abstände zu halten. Das ist in Büros, in denen Erwachsene miteinander umgehen, durchaus einfacher. Das ist eine Erklärung, die ich Ihnen dafür geben kann.

Zusatzfrage: Gibt es noch andere Erklärungen? Denn viele Menschen fragen sich, warum die Arbeitnehmer in Großraumbüros, in Fabriken, in Betrieben immer noch so leicht davonkommen.

Mühlhausen: Vielleicht kann ich aus Sicht des BMAS etwas dazu sagen. Die folgenden Regelungen mit der Testangebotspflicht für Arbeitnehmer sind ja nicht die einzigen Regelungen, die wir zum Schutz der Beschäftigten getroffen haben, sondern die Coronaarbeitsschutzregelungen, beispielsweise auch das verpflichtende Angebot von Homeoffice, wenn keine zwingenden Gründe dagegensprechen, sind ja ein Bestandteil in einem größeren Regelwerk. Wir verpflichten beispielsweise auch dazu, Mindestabstände einzuhalten und Atemschutzmasken zu tragen, die auch vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden müssen. Es muss regelmäßiges Lüften gewährleistet werden, Handhygiene.

Man darf also die Testangebotspflicht, denke ich, auch nicht als einzige Maßnahme des Arbeitsschutzes verstehen, sondern sie bettet sich in die Coronaarbeitsschutzregelung ein, die schon seit Beginn der Pandemie immer wieder dem aktuellen Pandemiegeschehen angepasst wird.

Frage: Aber die Testpflicht, die Pflicht, dieses Angebot zu machen, kommt ja nun sehr spät, nachdem schon lange darüber geredet worden ist, und sie ist im Verhältnis zu der Testpflicht an Schulen doch sehr reduziert.

StS Seibert: Jetzt reden wir über die heute im Kabinett beschlossene Verpflichtung der Arbeitgeber, Tests anzubieten. Ich habe vorhin gesagt - ich will das gern noch einmal ausführen -: Wir sind den vielen, vielen Arbeitgebern und auch den Wirtschaftsverbänden sehr dankbar für die großen Fortschritte, die dabei in letzter Zeit gemacht worden sind. Gerade in den letzten Wochen sind Tausende von Betrieben dazugekommen, die auf freiwilliger Basis ihren Mitarbeitern Tests anbieten. Gleichwohl ist die Bundesregierung angesichts der pandemischen Situation, in der wir uns befinden, zu dem Schluss gekommen, dass wir noch mehr Beteiligung von noch mehr Unternehmen und Betrieben brauchen. Deswegen wird jetzt die Testangebotspflicht eingeführt. Aber ich will die großen freiwilligen Testanstrengungen vieler Unternehmen ausdrücklich hervorheben, die sich gerade in den letzten Wochen auf den Weg gemacht haben.

Frage: Zwei Fragen, ohne Rückfrage - - –

Vorsitzende Welty: Nein. Eine Frage und gegebenenfalls eine Nachfrage.

Zusatzfrage: Dann noch einmal zu der Frage des Kollegen: Welche konkreten Belege haben Sie dafür, dass es an den Schulen notwendig ist, eine Testpflicht zu haben, und in den Firmen nicht? Auf welche wissenschaftlichen Studien und wissenschaftlichen Erkenntnisse stützen Sie sich bei dieser unterschiedlichen Behandlung?

StS Seibert: Ich verweise auf die zahlreichen Aussagen aus der Wissenschaft, ganz besonders auch auf das, was der Präsident des Robert-Koch-Instituts zur Betroffenheit von Kindern und Jugendlichen durch die dritte Welle der Pandemie gesagt hat.

Zusatz: Herr Wieler sagt, dass das allgemein auf die Bevölkerung zutrifft und nicht nur auf Kinder.

StS Seibert: Ja, aber wir haben Ihnen doch jetzt hier gerade gesagt, was den Lebens- und Arbeitsort Schule auszeichnet.

Frage: Es geht um die Grenzkontrollen nach Tschechien beziehungsweise an der Grenze zu Tschechien. Zurzeit gilt, dass die Kontrollen bis mindestens zum 14. April fortgesetzt werden. Werden die Kontrollen dann aufgehoben, oder werden sie verlängert?

Alter: Tschechien ist seit knapp zwei Wochen kein Virusvariantengebiet. Wir haben in Tschechien eine Infektionsentwicklung gesehen, die im Vergleich zum Zeitraum einige Wochen zuvor, als der Bundesinnenminister gezwungen war, vorübergehende Grenzkontrollen zur Tschechischen Republik einzuführen, deutlich gesunken ist. Die Grenzkontrollen zur Tschechischen Republik werden mit Ablauf des morgigen Tages auslaufen und nicht verlängert. Der Bundesinnenminister hat immer gesagt, dass vorübergehende Grenzkontrollen im Herzen Europas Ultima Ratio seien und auch nur so lange erhalten blieben, wie es unbedingt notwendig sei. Die derzeitige Situation ermöglicht es uns, im Rahmen einer intensiven Schleierfahndung die notwendigen Kontrollmaßnahmen im Grenzraum sicherzustellen.

StS Seibert: Aber vielleicht füge ich noch hinzu, dass zu den heutigen Beschlüssen des Bundeskabinetts auch der Beschluss über die Fünfte Verordnung zur Verlängerung der Coronavirus-Schutzverordnung gehört. Neben den geltenden Test- und Quarantäneregeln soll durch Limitierung der Reisebewegungen der Eintrag von besorgniserregenden Virusvarianten nach Deutschland verhindert werden.

Das galt bisher - es wurde ja schon in der Frage gesagt - bis zum 14. April. Diese auf 14 Tage begrenzte Verlängerung der Coronavirus-Schutzverordnung dauert nun also bis zum 28. April.

Frage: Die US-Gesundheitsbehörde hat vorgeschlagen, Impfungen mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson auszusetzen, weil im Zusammenhang damit Thrombosen festgestellt wurden, ähnlich also wie bei AstraZeneca.

Werden deshalb die nun auch nach Deutschland ausgelieferten Dosen erst einmal nicht eingesetzt?

Kautz: Mir ist bislang noch nicht bekannt, dass das in Deutschland so sein sollte. Sie wissen, dass das PEI die Impfkampagne überprüft, entsprechende Warnungen erst nimmt und eventuell auch auf Deutschland beziehen würde. Aber bislang ist mir darüber nichts bekannt.

Zusatzfrage: Die bayerische Landesregierung hat bereits angekündigt, dass sie den Impfstoff von Johnson & Johnson weiterhin einsetze. Ist das einem Bundesland möglich, oder bedarf es dazu einer bundesweiten Regelung?

Kautz: Wir präferieren eine bundesweite Lösung. Das PEI ist, wie Sie wissen, zum Beispiel auch nicht auf Landesebene aufgestellt.

Frage: Gibt es Zahlen darüber, wie viele der bisher Impfberechtigten in unserm Land das Impfangebot angenommen haben? Wie hoch ist die Quote?

Kautz: Wir haben ein Impfdashboard, auf dem Sie jeden Tag die Zahlen ablesen können. Sie können im Netz draufgehen, sehen, wie viele das Impfangebot angenommen haben und es da ablesen.

Zusatzfrage: Aber da sehe ich nicht, wie viele berechtigt sind.

Kautz: Ich weiß allerdings nicht, wer bislang ein Impfangebot bekommen hat. Es ist ja von Land zu Land unterschiedlich, wie das geregelt wird, wie die Leute eingeladen werden, auf welchem Wege, ob sie persönlich angesprochen werden, ob sie allgemein angesprochen werden. Insofern können Sie keine Quote ablesen.

StS Seibert: Zumal jetzt die Hausärzte glücklicherweise mit ins Spiel gekommen sind und natürlich ihrerseits ihre Patienten ansprechen. Darüber haben wir dann, denke ich, auch keine zentralen Erkenntnisse.

Frage: Ich möchte noch einmal zu dem Impfstoff von Johnson & Johnson nachfragen: Ab wann soll bei uns eigentlich mit diesem Impfstoff geimpft werden? Wie ernst nehmen Sie die Warnungen beziehungsweise das Aussetzen der Impfungen mit diesem Impfstoff in den USA?

Kautz: Ehrlich gesagt ist mir das Datum, ab dem der Impfstoff von Johnson & Johnson eingesetzt wird, gerade nicht präsent. Prinzipiell nehmen wir solche Warnungen im internationalen Rahmen aber natürlich immer ernst und gehen dem nach.

Frage: Herr Seibert, Großbritannien hat heute weitreichende Lockerungsschritte eingeführt. Was haben die Briten besser gemacht, was können wir von ihnen lernen?

StS Seibert: Ich übe mich hier üblicherweise und auch ganz grundsätzlich nicht in Vergleichen mit anderen Ländern. Großbritannien hatte, wie Sie sicherlich wissen, monatelang Ausgangssperren und strengste Beschränkungen, in einer Zeit, als wir das zumindest flächendeckend nicht hatten. Großbritannien hat eine sehr erfolgreiche Impfkampagne, die auch darauf beruht, dass Großbritannien zwar seinerseits Impfstoff aus der Europäischen Union geliefert bekommt, aber keinen Impfstoff an andere Teile der Welt abgibt. Das sind zumindest einmal Fakten. Großbritannien hat - dazu habe ich mich neulich schon geäußert - eine hohe Zahl von Menschen, die an Corona verstorben sind. Wir freuen uns über jedes Land, das seinen Weg aus der Pandemie heraus schnell und zügig findet, und haben das für Deutschland mit unserer Politik auch als Ziel.

Zusatzfrage: Gibt es irgendetwas Konkretes, was Sie von den Briten zu übernehmen gedenken?

StS Seibert: Ich bleibe dabei, dass ich jetzt nicht - - - Wir beobachten sehr genau, wie andere Länder durch die Pandemie kommen. Wir haben unsere Politik immer wieder den Notwendigkeiten, den verschiedenen Wellen angepasst. Heute gab es eine ziemlich bedeutende Anpassung durch das bundeseinheitliche Vorgehen bei den schwer betroffenen Kreisen. Ich habe jetzt keinen Grund, sozusagen das Maß an anderen Ländern zu nehmen. Ich glaube auch nicht, dass andere Länder das an uns so tun.

Frage: Ist die von Washington angekündigte Truppenaufstockung um 500 Menschen ein Wert an sich, oder gibt es konkrete Erfordernisse für diesen Schritt?

Helmbold: Erst einmal vielen Dank. Heute hat ja der US-Verteidigungsminister Austin Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer besucht. Beide haben sich über aktuelle sicherheits- und verteidigungspolitische ausgetauscht. Wie Sie schon sagen: Besonders erfreulich ist heute die Nachricht, dass die USA ihren Truppenpräsenz in Deutschland nicht reduzieren, sondern um etwa 500 Soldatinnen und Soldaten aufstocken wird. Das ist erst einmal ein Signal der Verbundenheit. Zu konkreten Details kann ich im Moment keine Auskunft geben; das ist auch alles sehr frisch. Ich kann aber Werbung dafür machen, sich die Statements von US-Verteidigungsminister Austin und unserer Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer noch einmal genau anzuhören.

Frage: Hat die Verteidigungsministerin die US-Drohnenmorde weltweit via der Relaisstation Ramstein angesprochen?

Helmbold: Mir sind zu den konkreten Inhalten des Gesprächs im Moment keine Details bekannt. Das ist auch ganz frisch, das sind neue Informationen, die ich hier zum Besten gegeben habe. Bezogen auf die Details liegen mir keine weiteren Informationen vor.

Zusatz: Es hätte ja sein können, dass Sie an der Vorbereitung des Gesprächs beteiligt waren und wissen, ob der Ministerin dieses Thema wichtig ist.

Helmbold: Wie ich sagte: Mir liegen keine Details dazu vor.

Frage: Zur Agrarreform: Die Agrarministerin wurde vor ein paar Monaten ja dafür gescholten, dass sie behauptet hat, es habe da einen Systemwechsel gegeben; denn es geht ja nur um kosmetische Änderungen. Jetzt haben auch Sie davon gesprochen. Warum tun Sie das?

StS Seibert: Ich verweise darauf, dass die Landwirtschaftsministerin sich dazu heute schon ausführlich vor der Presse geäußert hat - ich weiß nicht, ob Sie das verfolgt haben oder vielleicht auch nachlesen können. Darin sind natürlich auch viele Details enthalten.

Wenn Sie von kosmetischen Veränderungen sprechen, dann halte ich das für unangebracht, denn es geht um viele Milliarden Euro, die künftig anders verwendet werden, als sie in der Vergangenheit verwendet wurden. Ich nenne einfach einmal folgende Eckpunkte: Für die Jahre 2023 bis 2026 sollen ausgehend von 10 Prozent bis 2026 15 Prozent der jährlichen Direktzahlungen in die zusätzliche Förderung der ländlichen Entwicklung - die sogenannte zweite Säule - fließen. 25 Prozent davon werden künftig an konkrete Umwelt- und Klimaleistungen geknüpft, die erbracht werden müssen. Das ist nicht kosmetisch, das sind viele Milliarden. Ich könnte Ihnen jetzt weitere Beispiele nennen, aber ich würde eigentlich am liebsten auf das sehr ausführliche Statement der Ministerin verweisen.

Als weiteren Teil des Gesetzpakets hat die Bundesregierung heute den Gesetzentwurf über die geltende Konditionalität beschlossen. Damit wird jeder geförderte Hektar an höhere Umwelt-, Klima- und Tierschutzauflagen geknüpft. Einige Punkte, die in diesem Gesetzentwurf enthalten sind, sind zum Beispiel Regelungen zum Erhalt von Dauergrünland, die Festlegung, dass mindestens drei Prozent der Ackerflächen als nicht produktive Flächen oder als Landschaftselemente vorzuhalten sind, und die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorgaben wird effizienter und einfacher gestaltet.

Ich verweise also auf das, was die Landwirtschaftsministerin dazu gesagt hat, und denke, dass Sie das von Ihrem Gedanken abbringen könnte, dass es sich um reine Kosmetik handelt.

Zusatz: Ich beschäftige mich ja mit dem, was die Umweltverbände sagen und was Ihre eigene Umweltministerin sagt. Wenn immer noch der größte Milliardenbatzen nicht für ökologische Landwirtschaft ausgegeben wird, dann hat das ja ganz wenig mit Systemwechsel zu tun.

Vorsitzende Welty: Sollte da noch eine Frage kommen?

StS Seibert: Ich glaube, wir sind jetzt im Bereich der Statements. - Die Bundesministerin hat ihres gemacht; ich habe versucht, Ihnen ein paar Elemente zu nennen, die durchaus begründen, warum es sich um einen wirklich nachhaltigen Weg zum Systemwechsel in der Landwirtschaft handelt, hin zu mehr Umwelt- und zu mehr Klimaschutz. Dabei, glaube ich, müssen wir es jetzt belassen.

Das Landwirtschaftsministerium, das heute nicht da sein kann, wird Ihnen sicherlich bei Bedarf gern noch Detailfragen beantworten.

Frage: Das japanische Kabinett hat entschieden, Millionen Liter von gereinigtem Reaktorkühlwasser in den Pazifik abzulassen. Der japanische Premierminister verspricht einen transparenten Prozess im Zusammenhang mit dieser Maßnahme in Fukushima. Wie steht die Bundesregierung zu dieser Entscheidung?

Burger: Wenn wir dazu eine Bewertung hätten, dann müsste ich sie Ihnen zumindest für den Bereich des Auswärtigen Amts nachreichen. Mir liegt dazu im Moment nichts vor.

Frage: Dutzende EU-Parlamentarier und europäische Firmenchefs haben heute einen offenen Appell an die US-Regierung gerichtet, das Ziel für die Treibhausgasreduzierung bis 2030 auf 50 Prozent im Vergleich zu 2005 zu setzen. Hat die Bundesregierung auch Forderungen an die US, mit denen sie zu Bidens Klimatreffen nächste Woche geht?

StS Seibert: Ich kann für die Bundesregierung die nationalen wie auch die europäischen Ziele - die verschärften europäischen Ziele - zu den CO2-Emissionen bekräftigen. Ich habe hier keine Forderungen an die amerikanische Regierung. Wir haben es sehr begrüßt, dass die neue amerikanische Regierung unter Präsident Biden sich gleich nach seinem Amtsantritt wieder dem Pariser Klimaabkommen zugewandt hat. Darin haben wir nicht nur ein wichtiges Symbol, sondern auch einen wirklich guten Schritt gesehen.

Frage: Zum Thema Ukraine: Herr Seibert, wie besorgt ist die Bundeskanzlerin über die Berichte über einen russischen Truppenaufmarsch? Es gab ja Forderungen der G7-Außenminister und auch des Nato-Generalsekretärs nach einem Rückzug.

StS Seibert: Sie kennen sicherlich die gestrige gemeinsame Erklärung der G7 - Deutschland ist einer der G7-Staaten - und des EU-Außenbeauftragten dazu. Darin wird Russland unmissverständlich aufgefordert, zur Deeskalation beizutragen und seinen Verpflichtungen aus internationalen Abkommen nachzukommen. Darin steht:

„Wir … sind zutiefst beunruhigt angesichts der laufenden umfangreichen Verstärkung russischer Streitkräfte an den Grenzen der Ukraine und auf der illegal annektierten Krim.

Diese großangelegten und im Vorfeld nicht angekündigten Truppenbewegungen stellen bedrohliche und destabilisierende Maßnahmen dar.“

Ich will jetzt nicht die gesamte Erklärung der G7-Außenminister wiederholen. - Wir hatten gerade gestern in der Regierungspressekonferenz ja darüber gesprochen, dass die Bundeskanzlerin neulich in ihrem Telefonat mit Präsident Putin ebenso gefordert hat, dass diese eskalierende Maßnahme abgebaut werden soll. Das ist eine eskalierende russische Maßnahme, und die G7-Erklärung macht das in noch größerem Detail deutlich, weil sie darauf verweist, zu welchen Transparenzmaßnahmen, was militärische Bewegungen anbetrifft, Russland sich entsprechend den Grundsätzen der OSZE eigentlich verpflichtet hat.

Zusatzfrage: Was sind die Folgen daraus?

Nachdem die Bundeskanzlerin mit Herrn Putin telefoniert hat: Plant sie auch ein Treffen oder ein Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten?

StS Seibert: Ich berichte ja nicht vorher über Planungen für Kontaktaufnahmen oder Telefonate, sondern berichte, wenn solche stattgefunden haben. Darauf möchte ich Sie dann verweisen.

Zusatzfrage: An das Auswärtige Amt: Können Sie bestätigen, dass es entweder heute oder morgen ein Sondertreffen der Nato-Außenminister geben wird, an dem auch Herr Maas teilnimmt und in dessen Rahmen es ein Briefing über den russischen Truppenaufmarsch geben wird?

Burger: Ich habe jetzt, Stand 13.55 Uhr, keine Terminankündigungen mitgebracht. Wir halten Sie aber auf dem Laufenden, wenn es dazu etwas mitzuteilen gibt.