Rede von Staatsministerin Monika Grütters bei der Jahreskonferenz Kultur- und Kreativwirtschaft

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Anrede,

Viele Geistesarbeiter schwören angeblich darauf: Ein kurzer Mittagsschlaf - neudeutsch auch „Power Napping“ genannt - soll der Kreativität ungemein auf die Sprünge helfen. Ich gehe davon aus, dass dies auch den Organisatoren der Jahreskonferenz Kultur- und Kreativwirtschaft bekannt ist, und mache mir deshalb mit Blick auf den Ablaufplan keine Illusionen, was die Erwartungen an eine Rede im biorhythmischen Nachmittagstief betrifft: Politikergrußworten sagt ja man bisweilen eine durchaus schlaffördernde Wirkung nach. Umso mehr freut es mich, ein - trotz oder wegen des anspruchsvollen Konferenzprogramms - nicht nur offensichtlich waches, sondern auch aufmerksames und interessiertes Publikum zu begrüßen. Ich verspreche Ihnen insofern eine echte Alternative zum „Power Napping“, meine Damen und Herren, als auch die politische Gestaltung guter Rahmenbedingungen, von der ich Ihnen gleich kurz berichten will, Kreativität und Innovationsfähigkeit fördert.

Dem Geheimnis der Kreativität, des schöpferischen Geistes auf die Spur zu kommen, das haben bekanntlich schon viele versucht: Neurologen, Psychologen, Wirtschaftspädagogen, Kreativitätsforscher (ja, sowas gibt es!) - und natürlich all jene, die vor einem leeren Blatt Papier oder im so genannten „Brainstorming“ bei Kaffee und Konferenzkeksen vergeblich auf Inspiration warten. Googles Innovationschef Frederik Pferdt hat auf die Frage, wie man Erfindungsreichtum trainiert, in einem Interview einmal gesagt, er helfe Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in ihre Kindheit zurückzukehren. Ich zitiere: „Die Eigenschaften von Kindern sind denen von Innovatoren sehr ähnlich: Neugierde, alles sofort ausprobieren wollen, keine Grenzen zu sehen, zu versuchen, wilde Fantasien in die Realität umzusetzen. Und auch zu scheitern, sich davon aber nicht beirren zu lassen.“ Noch prägnanter, nämlich als simple Gleichung, hat es ein Physiker formuliert: Kreativität sei Intelligenz, die Spaß macht, war Albert Einstein überzeugt.

Davon, meine Damen und Herren, habe ich mir erst gestern, als ich die Kultur- und Kreativpiloten 2016 im Bundeskanzleramt empfangen habe, wieder einmal ein Bild machen können. Jede einzelne der 32 - im doppelten Wortsinn - ausgezeichneten Ideen erzählt von einer „Intelligenz, die Spaß macht“, von der Kraft der Phantasie, die wir - mein Haus in Kooperation mit dem Bundeswirtschaftsministerium - im Rahmen der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft fördern wollen. Ich bin immer wieder begeistert und beeindruckt, was aus dieser Kraft entsteht. Mit Ihren guten Ideen stehen Sie alle, meine Damen und Herren, für die Kraft der Veränderung, die unser Land voran bringt und die uns auch helfen kann, Schritt zu halten mit dem rasanten Tempo technologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Entwicklungen im Zeitalter der Digitalisierung, der Globalisierung und - damit verbunden - der Internationalisierung, um das diesjährige Tagungsmotto aufzugreifen. Dazu ist es wichtig, dass Kreativität sich nicht nur auf „Intelligenz, die Spaß macht“ beschränkt, sondern sich auch mit unternehmerischer Weitsicht zu behaupten weiß. Deshalb unterstützt die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft Künstler und Kreative dabei, ökonomisch erfolgreich zu sein - national wie international - , und ich freue mich sehr, dass es über die bisherige Unterstützung hinaus seit diesem Jahr auch einen eigenen Haushaltstitel in meinem Kulturetat gibt: Bisher stehen für die kulturellen Schwerpunkte der Kultur- und Kreativwirtschaft allein in diesem Jahr 1,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Von der schon jetzt auch international herausragenden Bedeutung der Branche zeugen Zahlen, die die Unesco vor einem Jahr veröffentlicht hat: Die Kultur- und Kreativwirtschaft macht weltweit mehr Umsatz als die Telekommunikationsbranche; sie schafft mehr Arbeitsplätze als die Automobilindustrie in Europa, Japan und den USA zusammen. Allerdings verrät der druckfrische Monitorbericht Kultur- und Kreativwirtschaft, dass die Exportquote der Branche in Deutschland relativ niedrig ist. Als häufigste Barrieren werden die fehlende Erfahrung oder fehlende Kapazitäten für das Management von Auslandsaktivitäten genannt. Auch hier können staatliche Institutionen helfen - und damit meine ich nicht nur das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft, dessen neuer Träger, das u-Institut, tolle Arbeit leistet. Vielen Dank bei dieser Gelegenheit den Geschäftsführern Sylvia Hustedt und Christoph Backes. Ein kleiner Beitrag zum Wachstum und zur Internationalisierung der Branche ist das mehrsprachige Portal „touring artists“, das mein Haus seit einigen Jahren fördert. Wer grenzüberschreitende Projekte plant, erhält hier Informationen zu steuerlichen, sozialrechtlichen, versicherungsrechtlichen und administrativen Fragen.

Weil es manchmal aber auch schlicht an Geld mangelt, will ich es nicht versäumen, Sie auf das EU-Programm „Kreatives Europa“ aufmerksam zu machen. Für den Zeitraum 2014 bis 2020 stehen hier fast 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung - zum Beispiel zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Künstlern und Kreativen, zur Fortbildung oder auch für Festivals und Events. Nach langer Vorbereitung steht im Rahmen dieses Programms in Kürze auch ein Bürgschaftsfonds bereit, der kleineren und mittleren Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in der EU hilft, leichter an Kredite zu kommen. Nutzen Sie diese Chance, meine Damen und Herren! Ran an die Fördertöpfe!

Europa ist übrigens der zweitgrößte Wirtschaftsmarkt für Kultur- und Kreativleistungen nach der Region Asien-Pazifik, und zwar, so die Unesco, keineswegs nur wegen bedeutender Unternehmen, sondern auch aufgrund der über 5.500 Kunstschulen, aufgrund besucherstarker Museen und aufgrund der einzigartigen Dichte des kulturellen Erbes - womit auch die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kulturpolitik noch einmal eindrucksvoll belegt wäre.

Für Sie, meine Damen und Herren, dürfte vor allem interessant sein, was die Kulturpolitik tut, um jene Freiheit zu ermöglichen, die es Ihnen - um die Worte des Google-Innovationschefs noch einmal aufzugreifen - erlaubt, in die Kindheit zurück zu kehren: neugierig zu sein, zu experimentieren, der Fantasie keine Grenzen zu setzen und sich vom Scheitern nicht beirren zu lassen. All das setzt aus naheliegenden Gründen voraus, dass man von kreativer Arbeit leben kann, wozu der urheberrechtliche Schutz kreativer Leistungen einen unentbehrlichen Beitrag leistet. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sich professionelles kreatives Schaffen auch im Zeitalter des Internets lohnt, denn dies ist die Grundlage für kulturelle und journalistische Vielfalt und für eine prosperierende Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland und Europa. Die Rahmenbedingungen müssen mit den Nutzungsmöglichkeiten im digitalen Zeitalter Schritt halten.

Weil die Nutzung und Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte im digitalen Zeitalter nicht an Ländergrenzen halt macht, ist es sinnvoll, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sich auf gemeinsame Regelungen verständigen. Deshalb begrüße ich es sehr, dass die EU-Kommission nun im Rahmen ihrer Strategie für den digitalen Binnenmarkt konkrete Regelungsvorschläge zur Anpassung des EU-Urheberrechts an die Herausforderungen der digitalen Welt vorgelegt hat. Sie hat sich beispielsweise der Frage angenommen, wie Urheberund Rechteinhaber künftig angemessen an den Erlösen beteiligt werden können, die ihre Werke marktmächtigen Online-Plattformen bescheren. Auch wenn einvernehmliche Lösungen wie zuletzt bei GEMA und Youtube natürlich positiv und im Sinne der Kreativwirtschaft sind, müssen wir darüber nachdenken, wie Plattformen stärker in die Pflicht genommen werden können.

Marktmächtige Online-Plattformen sind heute Teil der Wertschöpfungskette und generieren Erlöse aus kreativen Leistungen, bieten aber auch die Möglichkeit für Kreative, ihrerseits Erlöse zu erzielen. Sie haben sich insbesondere durch Werbeeinnahmen zu umsatzstarken Unternehmen entwickelt, ohne dass die Rechteinhaber (also Urheber, Künstler und Verwerter), deren Inhalte von Internetnutzern auf den Online-Plattformen hochgeladen und konsumiert werden, angemessen an den Erlösen beteiligt werden. Die Kommission hat eine Regelung vorgeschlagen, die diesen Entwicklungen entgegenwirken soll.

Eine weitere Voraussetzung für die Freiheit, die Raum schafft für kreative Leistungen, ist die soziale Absicherung über die Künstlersozialversicherung.
Sie muss auch in Zukunft als stabile und verlässliche Rückendeckung für den einzelnen erhalten bleiben. Das gleich zu Anfang dieser Legislaturperiode auf den Weg gebrachte Gesetz zur Stabilisierung des KSV-Abgabesatzes hat dazu beigetragen, dass der Künstlersozialabgabesatz nicht nur stabil blieb, sondern im Jahr 2017 sogar von 5,2 auf 4,8 Prozent sinken kann - ein wichtiges kulturpolitisches Signal und ein ganz entscheidender Beitrag zur breiten, öffentlichen Akzeptanz der Künstlersozialkasse.

Da das nächste Panel schon auf Sie wartet, meine Damen und Herren, will ich es bei diesen Beispielen belassen - allerdings nicht ohne noch meine persönliche Antwort auf die Frage im Titel des nächsten Panels „kreativ. kooperativ. innovativ - what’s next?“ zu Protokoll gegeben zu haben. Sie drängt sich insofern geradezu auf, als Kunst und Kultur ihrem Ruf und ihrem Selbstverständnis als gesellschaftliche Avantgarde leider in Sachen Gleichberechtigung bis heute keine Ehre machen. Deshalb habe ich einen Runden Tisch „Frauen in Kultur und Medien“ ins Leben gerufen, der im Dezember zum ersten Mal tagt und praxisorientiert Ansätze zur Förderung von Chancengleichheit entwickeln soll. Immerhin: Bei den Kreativpiloten haben wir einen erfreulich hohen Frauenanteil. Deutlich mehr als die Hälfte der gestern ausgezeichneten Projekte haben eine Geschäftsführerin.

Kreativ. Kooperativ. Innovativ. What’s next? - Ich finde, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern, gehört hier ganz oben auf die Agenda - und zwar allein schon deshalb, weil eine Gesellschaft an Innovationskraft, an Problemlösungskompetenz einbüßt, wenn die Potentiale von Frauen verkümmern. Deshalb freut es mich, hier bei der Jahreskonferenz Kultur- und Kreativwirtschaft so viele Frauen zu sehen - und zwar nicht nur als Tagungsgäste, sondern auch auf dem Konferenzprogramm: als Rednerinnen und Gesprächspartnerinnen bei den Podiumsdiskussionen.

Ob Frau oder Mann: Kreativität ist und bleibt Intelligenz, die Spaß macht!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen heute und für die Zukunft vor allem eines: Viel Spaß!