Rede von Kulturstaatsministerin Grütters zum Festakt „20 Jahre BKM

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Herzlich willkommen im Humboldt Forum! Sie alle als amtierende Staatsministerin für Kultur und Medien zum Festakt „20 Jahre BKM“ begrüßen zu dürfen, wäre wahrlich schon Freude und Ehre genug! Geradezu euphorisch aber stimmt mich, dass die Musik heute im Humboldt Forum spielt - und das nicht nur dank Max Raabe und seinem großartigen Palast-Orchester! Vielen Dank für diesen wunderbaren musikalischen Auftakt! Ich gebe zu: Es war nicht ganz ohne Risiko, rund 600 kultur- und medienpolitische Mitstreiterinnen und Mitstreiter der vergangenen 20 Jahre ausgerechnet hierher zum Feiern einzuladen. Schließlich durfte man sich auf Deutschlands größter Kulturbaustelle bis vor ein paar Monaten auch als Besucher nur in Schutzkleidung blicken lassen. Und eine Festgarderobe aus orangem Bauarbeiterhelm, neonfarbiger Reflektorenweste und stahlkappenverstärktem Schuhwerk wollten wir Ihnen bei aller Liebe zur Bundeskulturpolitik dann doch nicht zumuten … .

Trotzdem hat dieser Ort sich als Bühne und Kulisse - neudeutsch: als Location - unserer Jubiläumsfeier geradezu aufgedrängt, und ich danke unseren Gastgebern – Ihnen und Ihrem Team, lieber Herr Prof. Dorgerloh –, dass wir heute hier feiern dürfen. Denn das Humboldt Forum steht als ambitioniertestes Kulturvorhaben unseres Landes in vielerlei Hinsicht exemplarisch für die ebenso erfreuliche wie erfolgreiche Entwicklung der Bundeskulturpolitik in den vergangenen 20 Jahren: Zum einen, weil das Humboldt Forum – wie ja auch die Bundeskulturpolitik - viele geistige Mütter und Väter hat, die heute zahlreich hier vertreten sind. Zum anderen, weil die Geburt der im Fachsprech „BKM“ genannten Institution - so wie auch die Entstehung des Humboldt Forums - von heftigen Kontroversen begleitet war. Stichwort: „so überflüssig wie ein Marineministerium für die Schweiz“ (- eine selbstbewusste Einlassung aus dem Bundesland, das heute ebenso selbstbewusst den ersten Heimatminister auf Bundesebene stellt).

Exemplarisch für die Bundeskulturpolitik steht das Humboldt Forum aber vor allem als Forum der Verständigung – als Museum der Weltkulturen, das zur Reflexion des eigenen Standpunkts wie auch zum Perspektivenwechsel einlädt. Dass wir im Herzen der deutschen Hauptstadt nicht uns selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern das Eigene im Austausch mit dem Anderen definieren, offenbart das Selbstverständnis der Kulturnation Deutschland im 21. Jahrhundert. Es zeigt, dass wir gelernt haben, mit den tiefen Abgründen und Brüchen in unserer Geschichte umzugehen – und deshalb freue ich mich heute ganz besonders, dass zahlreiche Botschafter, darunter auch der Botschafter des Staates Israel, uns zur Jubiläumsfeier die Ehre erweisen. Statt in reiner Selbstbezüglichkeit zu verharren, empfiehlt Deutschland sich heute als Partner in der Welt: als treibende Kraft einer Verständigung der Völker, eines Dialogs der Weltkulturen, und zwar unter dem Symbol des Christentums, unter dem Kreuz auf der Kuppel des Berliner Schlosses. Denn Dialogfähigkeit bedeutet nicht Standpunktlosigkeit, im Gegenteil: Verständigung braucht Haltung. Und unsere Haltung der Offenheit, der Freiheit und auch der Barmherzigkeit, der Solidarität hat ihre Wurzeln auch und insbesondere in unserem christlichen Menschenbild. Die kontroverse Debatte, die das Humboldt Forum mit dem Kreuz auf der Kuppel schon vor der Eröffnung ausgelöst hat, darf man im Übrigen getrost als gutes Vorzeichen für ein Museum neuen Typs sehen, das sich künftig als Katalysator öffentlicher Meinungsbildung profilieren soll.

So wird im Humboldt Forum sichtbar, meine Damen und Herren, was auch die Entwicklung der Bundeskulturpolitik in den vergangenen 20 Jahren bestimmt hat: Kultur ist nicht mehr nur Liebhaberei für Schöngeister und Besserverdiener, sondern integrative Kraft in einer zunehmend pluralistischen - und zunehmend polarisierten - Gesellschaft. Kultur ist Modus gesellschaftlicher Selbstverständigung – gerade dort, wo die Klüfte tief und die Fronten verhärtet sind, wo unterschiedliche Lebensvorstellungen und Weltanschauungen sich unversöhnlich gegenüberstehen und die Kraft des besseren Arguments gegen Mauern aus Ressentiments und Vorurteilen stößt. Ob Literatur, Theater, bildende Kunst, Musik, Tanz oder Film, ob in Museen und Gedenkstätten, Projekten und Initiativen: Kultur kann Verbindendes sichtbar machen, wo das Trennende die Wahrnehmung beherrscht, Kultur kann Perspektiven verschieben und Vorstellungsräume erweitern – und damit auch die Grenzen der Empathie. Kulturelle Vielfalt, in der sich auch sperrige, unbequeme, provozierende und irritierende Positionen in Freiheit entfalten können, ist deshalb das Beste, was wir populistischer Einfalt entgegensetzen können. Und zweifellos brauchen wir, um unsere demokratische Kultur der Verständigung gegen ihre Verächter zu verteidigen, die Lehren aus der Aufarbeitung unserer Vergangenheit, die Vielstimmigkeit unabhängiger Medien, die Ideen der Kultur- und Kreativwirtschaft, die Phantasie und auch den Widerspruchsgeist der Kunst – und eine Kultur- und Medienpolitik, die dafür Raum und Rahmenbedingungen schafft.

In diesem Sinne hat BKM sich in den vergangenen 20 Jahren hohes Ansehen und breites Vertrauen erarbeitet. Das ist auch und insbesondere das Verdienst meiner Vorgängerin und meiner Vorgänger im Amt: Michael Naumann hat die notwendige, mit der ketzerischen Überschrift „Verfassungsfolklore“ versehene Grundsatzdebatte über die Rolle des Bundes im Rahmen der Kulturhoheit der Länder geführt. Julian Nida-Rümelin hat die Bundeskulturstiftung gegründet und damit der Förderung der künstlerischen Avantgarde - neben der Kulturerbeförderung und der Institutionenbetreuung - den Weg geebnet. Christina Weiss war es, die mit dem Hauptstadtfinanzierungsvertrag die Akademie der Künste und die Kinemathek zum Bund geholt (und damit an seine Pflichten für die Hauptstadtkultur erinnert) hat. Bernd Neumann wiederum verdanken wir insbesondere die Neuaufstellung der Filmförderung und Denkmalschutzsonderprogramme, die im ganzen Land bedeutende Kulturdenkmäler erhalten helfen.

Auf eine bundeskulturpolitische Erfolgsgeschichte zurückschauen können wir heute nicht zuletzt auch

  • dank allzeit verlässlicher Rückendeckung aus dem Kanzleramt - dank Ihrer verlässlichen Rückendeckung, verehrte Frau Bundeskanzlerin -,
  • dank parteiübergreifender Unterstützung aus dem Deutschen Bundestag,
  • dank einer konstruktiven Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen im Rahmen des kooperativen Kulturföderalismus, den wir künftig mit einer eigenen Kulturministerkonferenz weiter stärken wollen,
  • und natürlich insbesondere dank der bei BKM versammelten Fachkompetenz, die mich immer wieder beeindruckt: dank engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für „ihre“ kultur- und medienpolitischen Themen brennen.

Mittlerweile ist die BKM damit übrigens endlich auch auf Twitter und Instagram vertreten, und ich darf Ihnen heute verraten, dass unter den Vorschlägen, die es hausintern für den Namen unseres Accounts gab, nicht nur @BundesKultur hoch im Kurs stand. Durchaus Anklang fand auch ein zweiter Vorschlag – nämlich: @KultBehoerde. Wir kamen dann aber überein, dass BKM für den Kultstatus noch zu jung und für den Behörden-Status zu agil ist – und dass Selbstironie in den sozialen Netzwerken nicht unbedingt als solche erkannt, geschweige denn geschätzt wird.

Jedenfalls denken wir bei BKM nicht daran, uns auf den Lorbeeren der vergangenen 20 Jahre auszuruhen: Wir bleiben Verteidiger der Vielfalt und Hüter der Freiheit für Kultur und Medien – in der Hoffnung, dass es im Deutschland des 21. Jahrhunderts niemals so weit kommen möge, für derlei demokratische Grundüberzeugungen Kult- (und damit Ausnahme)status reklamieren zu dürfen... . Im demokratischen Tagesgeschäft ist es meist der Streit um Kleinteiliges, das Ringen um Kompromisse, der Pragmatismus des kleinsten gemeinsamen Nenners, der das Miteinander wie auch die Schlagzeilen beherrscht. Das mag langweilig, anstrengend, bisweilen auch aufreibend sein; doch gerade die nüchterne Distanz zu Utopien und Weltanschauungen schützt die Freiheit des Einzelnen. Nicht minder wichtig aber ist, als Gesellschaft im Gespräch, in der Verständigung über die „großen Fragen“ zu bleiben. Dazu brauchen wir Kultur und Medien, und dazu kann und soll Bundeskultur- und -medienpolitik auch in Zukunft beitragen. In diesem Sinne: Auf viele weitere erfolgreiche Jahre!