Rede von Kulturstaatsministerin Grütters zum Auftakt der BKM-Reihe „ZUKUNST! Perspektiven für Kultur und Medien“ mit dem Thema „Kunst und Freiheit“

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Im Wortlaut Rede von Kulturstaatsministerin Grütters zum Auftakt der BKM-Reihe „ZUKUNST! Perspektiven für Kultur und Medien“ mit dem Thema „Kunst und Freiheit“

In ihrer Rede zur Eröffnung der Podiumsdiskussion im Dresdner Albertinum hat die Staatsministerin eine größere Wertschätzung der Kunst gefordet. Die verschiedenen Ebenen des Staates - Bund, Länder und Kommunen - würden die Kultur deshalb so auskömmlich finanzieren, „um sie unabhängig zu machen von Interessen“, hob Grütters hervor. Frei sei die Kunst dann, „wenn sie weder dienen noch gefallen muss, wenn sie sich weder der Logik des Marktes beugen noch in den Dienst eines politischen Anliegens, einer Weltanschauung oder Ideologie stellen muss.“

Donnerstag, 24. Januar 2019 in Dresden

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen - diese Auffassung gehört zweifellos zu den kulturellen Eigenheiten Deutschlands. Man geht hierzulande erst dann zum gemütlichen Teil über, wenn sämtliche Programmpunkte abgehakt sind. Ja, bei uns ist das „gemütliche Beisammensein“ oft sogar sauber als letzter Tagesordnungspunkt auf der Agenda vermerkt.

Zur Feier der Bundeskultur- und medienpolitik haben wir uns ausnahmsweise die umgekehrte Reihenfolge gegönnt: Das 20. Jubiläum der BKM - der Beauftragten für Kultur und Medien - haben wir schon im Oktober 2018 in Berlin gefeiert: in Gesellschaft zahlreicher Weggefährten aus Politik, Kultur und Medien, mit inspirierenden Festreden der Kanzlerin und des Literaturkritikers Volker Weidermann, mit persönlichen Erinnerungen meiner Amtsvorgängerin und Amtsvorgänger, musikalisch umrahmt von Max Raabe und seinem Palastorchester, kurz: mit einer vielstimmigen Revue über die Jahre 1998 bis 2018. Der gemütliche Teil dieses Jubiläums liegt also schon hinter uns, meine Damen und Herren - was aber nicht heißen soll, dass es heute ungemütlich wird. Vielmehr kommt in dieser Reihenfolge zum Ausdruck, dass der Rückblick im Oktober nur ein Auftakt war - und das nun folgende gemeinsame Nachdenken mit Kulturschaffenden und Medienmachern, mit Künstlern und Kreativen über die Zukunft der Bundeskultur- und Medienpolitik der eigentliche Höhepunkt dieses Jubiläumsjahres ist. Zum Nachdenken, zum Diskutieren über die Zukunft habe ich im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „ZUKUNST! Perspektiven für Kultur und Medien“ in verschiedenen deutschen Städten eingeladen. Ich danke Ihnen, liebe Frau Prof. Ackermann, dass Sie diesem Anliegen im Albertinum Raum geben, und freue mich darauf, die ein oder andere Anregung und Handlungsempfehlung mit nach Berlin zu nehmen.

Um „Kunst und Freiheit“ soll es heute gehen, und bevor ich unseren Podiumsgästen das Wort überlasse, will ich dieses weite Feld in aller Kürze und in ganz groben Zügen abstecken - und zwar dort, wo die Kunstfreiheit verhandelt wird: im Verhältnis zwischen Kunst und Markt einerseits und im Verhältnis zwischen Kunst und Politik andererseits.

Im Verhältnis von Kunst und Markt geht es um die Unterscheidung zwischen Wert und Preis. Dass Kunst einen Wert und einen Preis hat und dass die sorgfältige Unterscheidung zwischen beidem keinesfalls nur eine semantische Spitzfindigkeit ist, das ist nicht neu. Eine relativ neue Entwicklung ist aber, dass die eindimensionale Sicht auf den Preis, also auf den Marktwert der Kunst mittlerweile hoffähig geworden ist: Da ist der Hype um zeitgenössische Kunst auf dem Kunstmarkt, der dazu führt, dass den erzielten Preisen oft mehr Aufmerksamkeit gilt als der Substanz, den Inhalten. Hier fehlt die Wertschätzung! Da gibt es Landesregierungen, die Kunstwerke verscherbeln, um mit dem Spekulationsgewinn Spielbanken zu sanieren bzw. zu bauen und Haushaltslöcher zu stopfen. Auch hier fehlt die Wertschätzung! Da ist die im digitalen Zeitalter mittlerweile weit verbreitete „Gratismentalität“, die Urheber geistiger und kreativer Leistungen häufig um ihren fairen Anteil am Ertrag bringt - das Gegenteil von Wertschätzung! Da ist - ein letztes Beispiel fehlender Wertschätzung - die Übermacht der Digitalkonzerne, die Kulturgüter behandeln wie Konsumgüter und die Unterwerfung unter die Marktlogik der Klick- und Verkaufszahlen fördern - und damit eine geistige Monokultur, in der nur das überlebt, was den Massengeschmack bedient.

Wie können wir angesichts der Fixierung auf Preise und Profite die Wertschätzung für die Kunst fördern? Was können wir ihrer Degradierung zur Handelsware, zum Spekulationsobjekt entgegen setzen? Welche politischen Rahmenbedingungen, welchen gesellschaftlichen Nährboden brauchen wir, damit Literatur, Musik, Bildende Kunst, Film, Theater und Tanz auch abseits des Mainstreams gedeihen? Ich bin gespannt auf die Diskussion über das Verhältnis von Kunst und Markt.

Im Verhältnis von Kunst und Politik wiederum ist es nicht Unterscheidung von Preis und Wert, sondern die Trennung des Ästhetischen vom Politischen, die den Freiraum für die Kunst absteckt. Die Zeiten, in denen Dichter und Denker, Maler und Musiker von Geld und Gunst ihrer Gönner abhängig waren, sind zum Glück vorbei. Deutschland hat die Freiheit der Kunst aus gutem Grund in den Verfassungsrang erhoben. In einem sehr noblen, im Artikel 5 des Grundgesetzes heißt es: „Kunst und Wissenschaft (…) sind frei“. Doch die Freiheit der Kunst, kritisch und unbequem sein zu dürfen, die Freiheit vom Zwang, gefallen oder dienen zu müssen, erfordert auch die Bereitschaft einer Gesellschaft, die damit auch verbundenen Zumutungen auszuhalten.

Die Bereitschaft, die Autonomie der Kunst zu respektieren und das Ästhetische vom Politischen zu trennen, schwindet - so scheint es mir - nicht nur dort, wo missliebige Künstlerinnen und Künstler ausgegrenzt, verfolgt, unterdrückt oder hinter Gitter gebracht werden. Um das festzustellen, muss man nicht in den Wahlprogrammen einschlägiger Parteien blättern, die Künstler und Kulturschaffende auffordern, (ich zitiere) „einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern“ oder „zur Identifikation mit unserem Land an(zu)regen“.

Von der Agitation der Rechtsextremen und Rechtspopulisten gegen Kultureinrichtungen und Künstler können Sie gerade hier in Dresden ein trauriges Lied singen. Für Schlagzeilen hat zuletzt auch die Debatte um den Auftritt der Punkband Feine Sahne Fischfilet und die Absage durch die Stiftung Bauhaus Dessau im Vorfeld des Bauhausjubiläums gesorgt. Diese Musik und die Texte dieser Band mögen nicht jedem gefallen - übrigens auch mir nicht. Aber es ist ein fatales Zeichen, wenn allein der Druck der rechten Szene ausreicht, um kulturelle Angebote zu unterbinden.

Agitation gegen Künstler gibt es allerdings auch aus der anderen Ecke des politischen Spektrums. Sie erinnern sich vielleicht daran, – der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen -, dass die Berliner Alice-Salomon-Hochschule entschieden hat, das ihre Fassade schmückende Gedicht „avenidas“ des Schweizer Lyrikers Eugen Gomringer übermalen zu lassen (- was mittlerweile auch geschehen ist). Der Grund: Die Gedichtzeilen „Alleen und Blumen und Frauen und / ein Bewunderer“ erinnerten nach Auffassung einiger Studierender „unangenehm an sexuelle Belästigung“. Man stelle sich vor, nicht der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Hochschule, sondern die Katholische Bischofskonferenz hätte die Übermalung des Gedichts gefordert - wegen „Gefährdung der katholischen Sexualmoral“ zum Beispiel. Dagegen hätten dieselben Studierenden ganz sicher wütend protestiert - und das völlig zu Recht. Denn eine Kunst, die sich festlegen ließe auf die Grenzen des politisch Wünschenswerten, eine Kunst, die den Absolutheitsanspruch einer Ideologie oder Weltanschauung respektierte, die gar einer bestimmten Moral oder Politik diente - eine solchermaßen begrenzte oder domestizierte Kunst würde sich nicht nur ihrer Möglichkeiten, ihrer Freiheit, sondern auch ihres Wertes berauben.

Bei diesen Beispielen will ich es zur Einführung ins Thema bewenden lassen. Frei ist die Kunst dann, wenn sie weder dienen noch gefallen muss - wenn sie sich weder der Logik des Marktes beugen, noch in den Dienst eines politischen Anliegens, einer Weltanschauung oder Ideologie stellen muss. „Kunst ist eine Tochter der Freiheit“, so schlicht und schön hat es einst Friedrich Schiller formuliert. Wo Künstlerinnen und Künstler nicht gefällig sein müssen, wo sie irritieren und provozieren, den Widerspruch und den Zweifel kultivieren dürfen, beleben sie den demokratischen Diskurs und sind so imstande, unsere Gesellschaft vor gefährlicher Lethargie und unsere Demokratie vor neuerlichen totalitären Anwandlungen zu bewahren. Und deshalb finanzieren verschiedene Ebenen des Staates - Kommunen, Länder und Bund - die Kultur so auskömmlich: um sie unabhängig zu machen von Interessen, vom Zeitgeist, vom Markt. Und deshalb lohnt es sich, die mit der Freiheit der Kunst verbundenen Zumutungen und Spannungen auch auszuhalten - und darüber nachzudenken, was Kulturpolitik und Kultureinrichtungen dafür tun können. Dazu lade ich Sie herzlich ein, meine Damen und Herren, und freue mich auf die Impulse, die wir aus der heutigen Podiumsdiskussion dafür bekommen. Ein herzliches Dankeschön unseren Podiumsgästen: Prof. Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Christian Friedel, Schauspieler und Musiker, und der Künstler Wolfgang Tillmans. Sie haben das Wort!

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