Sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Annette Widmann-Mauz,
sehr geehrte Mitglieder der Jury,
sehr geehrte Gäste und Projektteilnehmer,
meine Damen und Herren,
ich möchte Sie alle ganz herzlich im Bundeskanzleramt willkommen heißen. Wir verleihen heute schon zum dritten Mal den Nationalen Integrationspreis. Wir ehren mit diesem Preis Menschen, die sich in herausragender Weise für die Integration in Deutschland engagieren.
Wir wissen ja, dass die Integration jedes einzelnen Menschen ein sehr komplexer Prozess ist, der in verschiedenen Phasen erfolgt. Deshalb nimmt die Jury auch immer eine bestimmte Phase der Integration in den Blick. 2017 ging es um das Ankommen. Damals haben wir Andreas Hollstein ausgezeichnet. Als Bürgermeister hat er Vorkehrungen dafür getroffen, dass in der Stadt Altena viele Menschen schnell eine Bleibe und vielfältige Unterstützung finden konnten. 2018 stand die religions- und herkunftsübergreifende Vermittlung von Werten wie Toleranz und Gleichberechtigung im Mittelpunkt. Dafür wurde das Projekt „Brückenbau - Vielfalt begegnen!“ ausgezeichnet.
In diesem Jahr – 2019 – nehmen wir mit dem Preis eine weitere Integrationsphase in den Blick. Es geht um das Mitgestalten. Es ist ja auch unser Ziel, dass Frauen und Männer, die zu uns gekommen sind und länger, vielleicht sogar für immer bei uns bleiben, ihre Fähigkeiten in unsere Gesellschaft einbringen und unser Zusammenleben mitgestalten können. Kurz: Sie sollen sich hier in unserem Land eine echte Perspektive aufbauen können.
Wir gehen dabei von einer Integration aus, die wir als ein Geben und Nehmen verstehen – für diejenigen, die hier Fuß fassen wollen, genauso wie für unsere Gesellschaft, die durch neue Erfahrungen, durch neue Traditionen und durch neue Herangehensweisen auch reicher wird. Deshalb ist Integration für beide Seiten ein Gewinn, wenn es gut läuft. Aber vor dem stehen meistens auch Herausforderungen; und es geht nicht immer alles so, wie man sich das idealerweise vorstellt.
Ich finde, die Jury hat zehn wunderbare Projekte nominiert. – Ich sehe hier schon viele Menschen mit Zetteln in der Hand; und wir werden gleich etwas darüber hören. – Dazu gehören beispielsweise eine Start-up-Unternehmerin, die einst selbst nach Deutschland geflüchtet und heute Arbeitgeberin für Migrantinnen und geflüchtete Frauen ist, oder auch Apothekerinnen und Apotheker in Rheinland-Pfalz, die ausländische Kolleginnen und Kollegen bei der Approbation als Apotheker in Deutschland begleiten, sowie ein Landrat, der dafür gesorgt hat, dass alle Behördenprozesse des Ausländer- und Asylrechts sowie die Integrationsmaßnahmen zum Deutschlernen oder für die Arbeitsmarktintegration im wahrsten Sinne des Wortes unter einem Dach stattfinden. Ich stelle es mir ziemlich schwer vor, wenn man in Deutschland ankommt und alles erst einmal darauf absuchen muss, wo man welche Stelle findet, welche Öffnungszeiten es gibt und wann jemand noch Zeit hat. Insofern bin ich gespannt, mehr darüber zu hören.
Ich will jetzt auch nicht schon alles verraten, sondern will nur sagen, dass dies drei von zehn Beispielen sind, die wir gleich näher kennenlernen werden – dass dies drei Geschichten sind, die davon erzählen, wie Integration gelingen kann, wenn man offen füreinander ist und sich aufeinander einlässt.
Ich möchte heute aber auch nicht die andere Seite ausblenden, die einen Schatten auf unser Zusammenleben wirft. Es gibt viele antisemitische und rassistische Taten und Vorfälle in unserem Land, die auch Unruhe unter denen, die zu uns kommen, auslösen. Insofern müssen wir eine Gesellschaft sein – da gehe ich thematisch noch einmal ein Jahr zurück –, in der die Wertevermittlung für alle gilt – für die, die hier schon immer gelebt haben, genauso wie für die, die zu uns kommen. Denn unsere Gesellschaft beruht darauf, dass die Würde des Menschen nur gewahrt werden kann, wenn wir unsere Grundwerte auch wirklich einhalten. Ansonsten werden wir kein glückliches Land sein können. Wenn wir nur allein an den Angriff in Halle denken, dann kann man nur sagen: Das ist eine Schande für unser Land. Niemand soll sich bei uns wegen seiner Herkunft oder seiner Religion gedemütigt oder ausgegrenzt, bedroht oder verfolgt fühlen.
Dazu mahnt auch der 9. November. Wir haben uns ja vorgestern, am 9. November, noch einmal der doppelten Geschichte des 9. Novembers besonnen. Er ist ein Schicksalstag der deutschen Geschichte. Einerseits gibt es die große Freude über den Mauerfall vor 30 Jahren – einen Glücksmoment. Wer ihn erleben konnte, der wird sich immer merken, wo man damals gerade war und wie es war. Aber der 9. November markiert auch einen Tiefpunkt unserer Geschichte: die Reichspogromnacht 1938 – im Übrigen 20 Jahre nach Ausrufung der Weimarer Republik. Danach folgte der Zivilisationsbruch der Shoa. Es ist wichtig, dass wir die Würde jedes einzelnen Menschen so verteidigen, auch weil das die Lehre aus dieser Zeit ist.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir in ganz Deutschland auf Millionen von Bürgerinnen und Bürgern zählen können, die sich überall im Lande für ein gutes Zusammenleben einsetzen. Viele von ihnen helfen Einwanderern und Geflüchteten, in ihrer Nachbarschaft, in Vereinen, im Arbeitsleben oder in der Schule Fuß zu fassen. Deshalb möchte ich Ihnen, die Sie heute hier sind, stellvertretend für viele andere, auch einfach ein Dankeschön sagen. Ich weiß, dass solches Engagement nicht jeden Tag einfach ist, dass es Fortschritte und Rückschläge gibt und dass Sie sicherlich von vielen Menschen gefragt werden: Was macht Ihr denn da? Warum verbringt Ihr denn Eure Freizeit mit so etwas? – Ich sage einfach: Danke. Das macht unsere Gesellschaft stark.
Die, die hier nominiert wurden, sind sozusagen eine Auswahl aus vielen, die sich engagieren. Ich weiß nicht – aber die Jury wird es uns ja sagen –, ob es immer so ganz einfach ist, herauszufinden, was nun besonders gut ist. Jedenfalls richte ich einen herzlichen Dank an Herrn Weise, an Frau Roth, an Frau Foroutan, an Herrn Khedira und an Herrn Mansour. Sie bringen sich ein, Sie machen sich die Mühe. Das ist schön. Zum Schluss müssen Sie sich sogar entscheiden. Es ist auch schön, dass Sie das für uns tun. Ich sage einfach: Wir sind froh, dass Sie diese Arbeit auf sich genommen haben. Wir sind dankbar dafür, dass es so viele Projekte gibt. Ich sage noch einmal: herzlich willkommen. Und jetzt bin ich gespannt darauf, was wir hier noch erfahren werden. Ich werde dann später noch einmal kommen, um ein Projekt besonders auszuzeichnen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.