Rede von Bundeskanzlerin Merkel zum Event "Action and Solidarity – The Critical Decade" im Rahmen des World Leaders’ Summit der 26. Konferenz der UNFCCC-Vertragsparteien (COP 26) am 1. November 2021 in Glasgow

Rede von Bundeskanzlerin Merkel zum Event "Action and Solidarity – The Critical Decade" im Rahmen des World Leaders’ Summit der 26. Konferenz der UNFCCC-Vertragsparteien (COP 26) am 1. November 2021 in Glasgow

Montag, 1. November 2021 in Glasgow

Sehr geehrter Herr Premierminister, lieber Boris Johnson,
Exzellenzen,

Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts, also am besten bis 2050, zu erreichen – dieses Ziel wurde genannt; und es ist auch dringend notwendig. Aber dafür werden erhebliche Investitionen gebraucht. Und das ist noch untertrieben, denn wir brauchen eine komplette Transformation unserer Art zu leben und zu arbeiten, der Energieerzeugung und der Mobilität. Das ist natürlich eine große Herausforderung.

Wenn es um die Finanzierung geht, dann geht es auch um die Glaubwürdigkeit der Industrieländer. Der vorliegende „Delivery Plan“ von Kanada und Deutschland zeigt, dass die versprochenen 100 Milliarden US-Dollar bis 2023 erreicht werden können. Das muss aber auch wirklich eingehalten werden. Deutschland wird mit Steuergeld in Höhe von sechs Milliarden dabei sein.

Aber das ist nicht ausreichend, um wirklich auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Deshalb ist es richtig, dass wir hier über die nächsten Jahre sprechen, um sozusagen den Reduktionswinkel zu bestimmen. Ban Ki-moon, der frühere UN-Generalsekretär, schätzt, dass wir einen Finanzierungsbedarf in Höhe von 800 Milliarden US-Dollar pro Jahr haben. Es gibt Schätzungen, die noch höher liegen. Es ist klar, dass wir das allein aus Steuergeldern nicht erreichen, selbst wenn wir noch so reiche Industrieländer sind. Wo liegen also die Potenziale für die Finanzierung, über die wir uns sehr schnell klar werden müssen?

Das sind zum einen die Entwicklungsbanken. Natürlich ist die Weltbank ein wichtiger Akteur, aber viele andere Entwicklungsbanken ebenfalls. Mir liegt sehr daran, dass, wenn wir die nationalen Reduktionsziele kennen und sie möglichst an den 1,5-Grad-Pfad anpassen, klar wird, wer welchen Energiebedarf mit welchen Mitteln wann haben wird. Dementsprechend müssen dann die Programme der Entwicklungsbanken aufgelegt werden.

Noch wichtiger ist, denke ich, die Mobilisierung privaten Kapitals. Die beste Möglichkeit dafür ist, dass wir CO2 bepreisen. Sobald CO2 einen Preis hat, können auch private Kapitalgeber wissen, in welche Richtung sie technologisch investieren sollen. Deshalb liegt mir sehr daran, dass wir hierüber weiter sprechen und dazu auch Entscheidungen treffen. Die Europäische Union hat ein solches Bepreisungssystem bereits für den Industriesektor. Andere, zum Beispiel China, führen das jetzt ein. „Action“ und „solidarity“ gehen also Hand in Hand. Aber „actions“ werden nur dann möglich sein, wenn wir auch „solidarity“ wirklich zeigen.

Abschließend noch: Ich höre den Wunsch der Entwicklungsländer, dass von den 100 Milliarden US-Dollar 50 Prozent für die Anpassung verwendet werden sollen. Ich denke, dass wir diesen Ruf sehr ernst nehmen sollten. Denn die aktuellen Schäden aus der Klimakrise sind bereits deutlich ersichtlich.

Danke schön, Herr Premierminister.

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