Rede von Bundeskanzlerin Merkel im Rahmen der Halbzeitbilanz der aktuellen Amtsperiode des Nationalen Normenkontrollrates (NKR) am 22. Oktober 2019 in Berlin

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Rede von Bundeskanzlerin Merkel im Rahmen der Halbzeitbilanz der aktuellen Amtsperiode des Nationalen Normenkontrollrates (NKR) am 22. Oktober 2019 in Berlin

Dienstag, 22. Oktober 2019 in Berlin

Sehr geehrter Herr Ludewig,
liebe Mitglieder des Nationalen Normenkontrollrates,
sehr geehrter Herr Staatsminister, lieber Hendrik Hoppenstedt,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,
meine Damen und Herren, die Sie alle heute hierhergekommen sind – ich sehe Vertreter der Wirtschaft und will Herrn Wollseifer stellvertretend für alle nennen –,

die Frage, wie viel Staat wir brauchen, wie viele Regelungen wir brauchen, um unser Zusammenleben vernünftig, gedeihlich und sicher zu regeln, treibt Regierungen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland – das sind jetzt 70 Jahre – um. Denn ohne Regelungen ist kein Staat zu machen. Rechtssicherheit ist wichtig. Aber wann genau wird Regulierung zu unnötiger Überregulierung? Wo verläuft die Grenze im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit? Wo rechtfertigt der Aufwand das Mehr an Sicherheit? Oder wie viel Freiheit muss ich lassen, auch wenn damit ein erhöhtes Risiko verbunden ist? Solche Fragen treiben uns alle um. Sehr oft ist, wenn etwas passiert, die Antwort: Die betreffende Regelung war nicht ausreichend. Also gibt es die Tendenz, immer mehr etwas vermeintlich sicherzustellen, um dann festzustellen, dass das Leben wieder neue Kapriolen schlägt und ganz neue Fallkonstellationen auftreten. So kann man sich nach 70 Jahren Bundesrepublik auch völlig zuregeln und damit Freiräume einengen. Dann gibt es auch berechtigte Opposition dagegen.

Mit diesen Fragen befasst sich der Normenkontrollrat täglich. Das sind natürlich auch Fragen, die uns in der Öffentlichkeit immer wieder beschäftigen. Ob bei Klimaschutz, bei Verbraucherschutz oder bei Arbeitnehmerrechten – wenn wir Gesetze erarbeiten, gilt es also sicherzustellen, nicht nur den Zielen gerecht zu werden, die wir mit diesen Gesetzen verfolgen, sondern auch den Aufwand möglichst gering zu halten und den gesunden Menschenverstand nicht abhandenkommen zu lassen. Dabei kommen zum Beispiel auch Digitallabore ins Spiel, weil die Distanz zwischen dem Nutzer bzw. dem Betroffenen des Gesetzes und dem Macher des Gesetzes oft so groß ist, dass man sich nur sehr schwer in die jeweils andere Perspektive hineinversetzen kann.

Nun gibt es ja nicht nur Bundesrecht. Es gibt EU-Recht, kommunales Recht, Länderrecht, es gibt Berufsgenossenschaften, Selbstverwaltungsträger, die im Übrigen manchmal auch Gegenstand von Beschwernissen sind, wenn es um Aufwand und Datenerfassung geht. Viele Unternehmen und Bürger fühlen sich durch all das belastet. Warum ist es so schwierig, Bürokratie abzubauen? Es findet sich wohl kaum eine Regelung, die nicht zumindest einen Nutznießer kennt. Wir müssen nämlich sehen, dass Regelungen manchmal auch kleine Formen von Protektionismus sind. Die sogenannten nicht-tarifären Hemmnisse gibt es nicht nur im internationalen Handel. Als Umweltministerin habe ich viele Erfahrungen gemacht, wie etwa die Betonindustrie von dickeren Gullydeckeln oder die Stahlindustrie von mehr Sprossen im Gully profitieren kann, nachdem irgendwann einmal einer hineingefallen ist. Man kann sich gar nicht ausdenken, was alles passieren kann.

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten auf der einen Seite, dass der Staat seinen Verpflichtungen nachkommt und eben auch kontrolliert und reguliert. Aber Sinn und Zweck mancher Vorschriften erschließen sich oft nicht jedem. Formulare sind eben oftmals etwas widerspenstig zu dem, was der Mensch mit gesundem Menschenverstand verbindet. All dies hat seinen Preis – seinen Preis in Zeitaufwand und in Kosten.

Deshalb gehen wir seit 2006 diese Sache systematisch an. Wir haben Informationspflichten für die Wirtschaft – also die Zahl der Anträge, Nachweise, Statistiken und dergleichen – deutlich reduziert und auch nicht wieder aufgebaut. Wir haben etwa beim BAföG und bei der Pflegedokumentation Wege gefunden, um Verfahren zu vereinfachen. Wir haben uns vor allen Dingen angewöhnt, bei allen Regierungsentwürfen neue bürokratische Belastungen sowie Entlastungen darzustellen, um dann auch Bilanz ziehen zu können. Damit ist mehr Transparenz geschaffen. Damit das objektiv erfolgt, haben wir 2006 den Normenkontrollrat geschaffen. Wir haben verstanden, dass es eine Daueraufgabe geworden ist und dass sich auch das Spektrum Ihrer Arbeiten immer weiter verbreitert hat.

Ich denke, man kann sagen, dass sich das beständige Bemühen lohnt. Die jährlich wiederkehrenden Belastungen für Bürgerinnen und Bürger sind 2018 insgesamt um rund 700.000 Stunden und um 24,5 Millionen Euro gesunken. Hierbei trägt, so können wir sagen, auch die Digitalisierung Früchte – zum Beispiel die Internetplattform zum Elterngeld. Für die Wirtschaft haben wir 2018 eine Reduzierung der jährlichen Belastung um 405 Millionen Euro erreicht.

Nun hat man, wenn man die Ausführungen von Herrn Ludewig in einer bekannten deutschen Zeitung und unsere Rechnungen verfolgt, manchmal den Eindruck, wir müssten unsere Statistiken noch besser abgleichen. Denn auch hierbei gibt es verschiedenste Rechenmethoden. Aber insgesamt kann man, denke ich, sagen, dass es nur einige wenige Querschläger bei der Bezifferung des Abbaus der Bürokratiekosten gab. Das war in der Legislaturperiode 2013 bis 2017. Ich will den Mindestlohn hervorheben. Alle sagen mir, dass die Berechnungen richtig sind; und dennoch sind sie bei gesundem Menschenverstand nicht so ganz verständlich. Wenn die Tatsache, dass drei Milliarden Euro mehr an Lohn gezahlt werden, damit verbunden ist, dass Mehrkosten für den Erfüllungsaufwand anfallen, dann stimmt das aus der Sicht der Unternehmen natürlich. Aber in der Wahrnehmung der Bürger und auch in der Wahrnehmung der Unternehmen ist das etwas anderes, als wenn sozusagen drei Milliarden Euro anzusetzen wären, weil neue Formulare ausgefüllt werden müssten. Insofern ist die Methodik an dieser Stelle vielleicht noch einmal überdenkenswert. Aber vielleicht kommt es ja auch nicht wieder zu solch einem Gesetzgebungsvorhaben wie dem zum Mindestlohn.

Wenn man sich den Zeitraum ab 2011 anschaut, dann fällt die Bilanz deshalb nicht so toll aus. Wenn man sich den Zeitraum ab 2015 anschaut, dann wird sie besser. Zwischen 2011 und 2014 waren es im Grunde zwei Vorgänge – einer davon ist eben der Mindestlohn –, die uns zurückgeworfen haben. Ansonsten ist alles gut in Fluss.

„One in, one out“ – das war die große Neuerung, die wir 2015 eingeführt haben. Ich weiß noch genau, wie wir damals über die Methodik diskutiert haben. Das hat schon seine Folgen gezeigt. Denn alle Ressorts sind jetzt angehalten, Regelungen ständig daraufhin zu überprüfen, ob sie noch aktuell und noch notwendig sind und welche Wechselbeziehungen es gibt. Deshalb kann man eben auch ab und zu etwas auslaufen lassen. Seit Einführung dieser Bürokratiebremse gab es Entlastungen in Höhe von insgesamt 4,2 Milliarden Euro. Ihnen stehen Belastungen in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro gegenüber. Damit haben wir sogar „One in, three out“ erreicht, wenn man es denn auf Englisch abbilden will.

Dennoch bleibt der Makel, dass „One in, one out“ nicht an allen Stellen angewendet wird. Es wird nämlich nicht der Aufwand eingerechnet, der für die Wirtschaft einmalig durch die Umstellung auf neue Regelungen entsteht – etwa neue Software, Schulungskosten, Umrüstung technischer Anlagen, zum Beispiel Abgasfilter, usw. Deshalb sage ich, dass die Forderung des Normenkontrollrates, dass wir auch diesen Umstellungsaufwand mit einbeziehen, berechtigt und nachvollziehbar ist. Ich denke, wir werden in der Bundesregierung weiter darüber diskutieren, dass das der Transparenz halber auch wirklich so geschehen sollte. Immerhin belief sich in den ersten beiden Jahren der jetzigen Legislaturperiode der Umstellungsaufwand auf lediglich 900 Millionen Euro. Das ist viel Geld, aber immerhin weniger als ein Fünftel des Wertes der vergangenen Legislaturperiode. Man kann sich also auch dafür anstrengen, dass der Umstellungsaufwand nicht so kostspielig wird.

Es ist natürlich kritikwürdig, dass die Umsetzung von EU-Recht bei „One in, one out“ nicht einbezogen ist. Ich möchte zwar darauf hinweisen, dass wir „One in, one out“ bislang deutlich übererfüllen würden, wenn wir auch den Aufwand der Umsetzung der EU-Richtlinien mitberücksichtigen würden. Aber in einigen Ressorts gab es die Sorge, dass sie mehr als andere Ressorts von EU-Regeln betroffen seien und deshalb weniger Möglichkeiten hätten, einzuschreiten. Man kann sich, was Regelungen angeht, zwischen den Ministerien zwar austauschen, aber dabei ist man auf die Gabe der anderen angewiesen. Insofern achten die Ressorts natürlich darauf, dass sie ihre Pflichten selbst erfüllen.

Deshalb ist die Botschaft von Ursula von der Leyen, der zukünftigen Kommissionspräsidentin, wirklich gut. Sie sagt, dass sie das Prinzip „One in, one out“ auch in der EU anwenden will. Das wäre ein Riesenfortschritt und käme uns sehr entgegen. Die Juncker-Kommission hat ja bereits etwas getan, was bis dahin in der EU-Praxis gar nicht üblich war. Sie hat nämlich schon einmal 80 Richtlinien gar nicht erst weiterverfolgt, sondern beiseitegelegt und damit die Philosophie, dass mit jeder neuen Richtlinie die Integration Europas besser werden würde, ein wenig ad acta gelegt. Nicht die Zahl der Regelungen in Europa entscheidet über das Können und die Fähigkeiten Europas, sondern es geht doch eher darum, ob es eben gelebte Praxis in vernünftiger Weise sein kann. Daher ist es wirklich sehr, sehr wichtig, dass die neue Kommissionspräsidentin das jetzt fortsetzt und sagt: Wir wenden das Prinzip „One in, one out“‘ an.

Nun geht es in der Tat, wie Herr Ludewig schon angedeutet hat, auch immer wieder darum, wie wir Gesetze und Regulierungen verständlich machen können. Da liegt es eben auf der Hand, auch diejenigen, die davon betroffen sind, mit einzubeziehen. Deshalb ist ein sehr wichtiger Punkt die Lebenslagenbefragung des Statistischen Bundesamtes gewesen. 2017 wurden fast 10.000 Einzelinterviews geführt, um die jeweiligen Erfahrungen mit Recht und Verordnungen einzuholen. Es wird also nicht nur einmal eine kleine Stichprobe gemacht, sondern das ist schon ein sehr umfassender Prozess. Dann sieht man auch sehr genau, womit Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen unzufrieden sind. In zehn Themenworkshops im Kanzleramt haben wir mit Betroffenen sowie mit Fachleuten nach neuen Lösungen gesucht – etwa bei den Themen Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Ehrenamt und Arbeitslosengeldbezug. Das Ergebnis dieser Diskussionen waren ziemlich viele praktikable Vorschläge, die 2018 in einem Arbeitsprogramm zusammengefasst wurden, das wir jetzt umsetzen.

Die umfassendsten Neuerungen – diese sind in Ihren jüngsten Statistiken noch nicht enthalten, weil das Gesetz ja noch auf dem Weg ist – sind nun in einem dritten Bürokratieentlastungsgesetz per Kabinettsbeschluss auf den Weg gebracht worden. Allein mit diesem Gesetz wollen wir die Wirtschaft um weitere rund 1,1 Milliarden Euro pro Jahr entlasten; und damit mehr, als mit den beiden Vorgängergesetzen zusammen. – Ich möchte Hendrik Hoppenstedt an dieser Stelle ganz herzlich danken. Er hat den Finger immer wieder in die Wunde gelegt und gesagt: Kommt mir nicht wieder mit 200-Millionen-Gesetzen an, sondern das muss jetzt wirklich etwas sein, das auch sichtbar ist. – Wir werden unter anderem ein elektronisches Verfahren für Krankschreibungen einführen. Das Einreichen des gelben Zettels beim Arbeitgeber wird sich damit erledigen. Wir werden auch Steuerpflichtige bei der Archivierung von Steuerdaten entlasten – und natürlich noch einige andere Dinge tun.

Die Ministerien bereiten derzeit weitere Maßnahmen vor. Dabei geht es zum Beispiel darum, die Beantragung familienpolitischer Leistungen zu erleichtern oder das komplizierte System der Einfuhrumsatzsteuer zu vereinfachen. Das wäre im Übrigen aus vielerlei Gründen – auch solchen der Wettbewerbsfähigkeit – sehr wichtig, wie ich etwa beim Besuch des Hamburger Hafens lernen konnte. Allerdings muss man sagen, dass wir da als Bund gar nicht autark agieren können, sondern dass wir dann auch immer an die Ländersteuerverwaltungen geknüpft sind. Das sind hehre Institutionen, aber ehe sich alle Bundesländer auf das gleiche Verfahren und die Umstellung der Software geeinigt haben, kann es auch eine Weile dauern.

Zu den Themen, die das Bundeskanzleramt innerhalb der Bundesregierung koordiniert, zählt neben dem Bürokratieabbau auch die Digitalisierung. Hier will ich deutlich machen, dass das, was Herr Ludewig gesagt hat, wirklich essenziell ist: Wir müssen die Perspektive der Nutzer viel mehr in den Blick nehmen. Nicht nur durch die Art, wie wir Gesetze fassen, können wir die Perspektive der Nutzer mit einbeziehen. Über die Digitalisierung haben wir auch die Möglichkeit, die Erreichbarkeit der Verwaltung besser zu gestalten, so dass jeder die Dienstleistungen mit der Verwaltung dann abwickeln kann, wenn er Zeit hat; und das nicht nur zu den Öffnungszeiten der Verwaltung. Das ist für die Bürger natürlich ein Riesenfortschritt.

Wir werden bis 2022 in dem hier schon genannten OZG, dem Onlinezugangsgesetz, 575 Verwaltungsdienstleistungen von Bund und Ländern digital anbieten – Elterngeld, Kindergeld, Wohngeld; wie viele Tische und Stühle darf man auf dem Bürgersteig vor dem Café aufstellen? Letzteres ist zwar keine Bundesaufgabe, aber eben auf der kommunalen Ebene durchaus sehr wichtig; und das soll sich dann mit möglichst wenigen Klicks klären lassen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch etwas ansprechen, was mich sehr beschäftigt; nämlich die Frage: Welchen „sense of urgency“, welche Dringlichkeit, verspüren eigentlich die Verwaltungen und die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands, wenn es darum geht, auf die digitale Art, unser Leben zu gestalten, umzusteigen? Lassen Sie es mich so sagen: Dieser „sense of urgency“ ist im europäischen Vergleich nicht besonders hyperausgeprägt. Im letzten Jahr haben wir Dänemark im Zusammenhang mit der Diskussion über das Onlinezugangsgesetz als Beispielland zu einer Konferenz eingeladen. Ich muss Ihnen sagen: Mein Gespräch mit dem damaligen dänischen Ministerpräsidenten war einfach nur ernüchternd. In Dänemark hat man längst keinen Briefverkehr mehr, es gibt keine Postkästen. Man hat sich eine Weile lang einmal im Jahr noch die PIN zugeschickt, aber das war auch der einzige Brief, der jemanden erreicht hat. Das kann man sich bei uns hierzulande noch kaum vorstellen. Das ist aber in unmittelbarer Nachbarschaft bereits Realität; und jetzt rede ich noch gar nicht von Estland.

Ich habe im Gespräch mit der estnischen Präsidentin, die die Digitalisierung vehement nach vorne treibt, über die Datenschutz-Grundverordnung gelernt, dass die Erfüllung dieser Verordnung, was für uns so ein Drama ist, in Estland überhaupt kein Drama ist. Warum ist das so? Weil dort alles digitalisiert ist. Dort hat jeder Verein alles in einer bestimmten Art registriert. Alle Handelsregister, alle Personenregister, alle Kraftfahrzeugregister – alle sind nach der gleichen Methodik digitalisiert. Daher ist es bei all den Angaben, die aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung geliefert werden müssen, nicht mehr so, dass irgendein Verein mühselig irgendwelche Zettel ausfüllen muss, sondern man kann auf die nötigen Informationen einfach zugreifen; und mit einem Klick ist die Sache erledigt.

Sie sagte auch, sie wisse genau, warum das in Deutschland so ist. In Dänemark beschäftigen sie sich nämlich intensiv mit Deutschland und gucken, was bei uns anders ist als bei ihnen. So suchen sie dann wieder Modelle, wie sie bei uns andocken können und uns Dienstleistungen präsentieren können; das ist für sie also auch ein Geschäftsmodell. Deshalb müssen sie verstehen, was wir alles aus ihrer Sicht ein bisschen komisch und veraltet machen, damit sie wissen, wie sie uns dann beraten können. Finnland geht jetzt gemeinsam einen Weg mit Estland. Und sie schaffen sich auch europäische Verbündete. Portugal wäre als ein weiteres Land zu nennen. Wir sind also umrundet von Ländern, die sehr viel „drive“ in der Sache haben. Deshalb müssen auch wir uns wirklich voranbewegen.

Wir haben deshalb kürzlich im Digitalkabinett verabredet, die Modernisierung der deutschen Registerlandschaft zu beschleunigen. Dabei geht es nicht nur um das Ausländerzentralregister, sondern auch um andere. Wir wollen uns auch mehr auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger zubewegen, was wir über die Digitallabore auch machen können.

Wir brauchen auch Praxistests. Genau daran arbeiten wir seit 2015 unter der Überschrift „wirksam regieren“. So wurden in Zusammenarbeit mit Bürgerinnen und Bürgern zum Beispiel die Verständlichkeit von Formularen und der Kleinanlegerschutz im Vermögensanlegergesetz durch klarere Informationen verbessert. Wir müssen auch immer wieder bereit sein, bestehende Regelungen neu zu justieren, wenn wir erkennen, dass der Vollzug zu viele Schwierigkeiten mit sich bringt.

Damit kommen wir nun auch zu dem Punkt „ex ante“ und „ex post“. Wir werden in den nächsten Jahren über 300 Gesetze in ihrer Wirkung evaluieren. Wir müssen, wenn Sie uns einen Erfüllungsaufwand ex ante voraussagen, den Ehrgeiz haben, Ihnen zu beweisen, dass der Aufwand ex post viel kleiner ist. Das wäre ja schon einmal ein richtiger Ansporn, um zu sagen: Da müssen wir doch vorangehen.

Ich habe mich eben beim Zuhören gefragt: Wir haben doch, als der Normenkontrollrat zu arbeiten begann, alle bestehenden Gesetze schon einmal auf ihren Erfüllungsaufwand hin bewertet?

(Zuruf Ludewig)

  Ach, das war zu wenig; der schmale Bereich.

(Zuruf Ludewig: Das war die Bestandsmessung.)

  Aber die Bestandsmessung war schmaler, als Sie heute die Messungen machen?

(Zuruf Ludewig)

  Verstehe. Und es ging damals nur um Informations- und Berichtspflichten, nicht? Damit hat sich damals, wenn ich mich richtig erinnere, das Statistische Bundesamt befasst; und das könnte jetzt ja auch wieder eine Rolle in der Methodik spielen. Staatsminister Hoppenstedt hat mir aber zugeflüstert, dass man jetzt dabei sei, eine Methodik zu entwickeln. Ich würde diese Methodik aber auch wieder auf möglichst neutrale Füße stellen. Der Verursacher eines Gesetzes sollte mit seiner Bewertung nicht zu viel zu tun haben, würde ich jetzt einfach einmal sagen. Das sollte er schon allein deshalb nicht, weil er ja von Haus aus als befangen eingeschätzt wird, worunter die Glaubwürdigkeit der Zahlenangaben leiden würde. Ich glaube aber, ich habe hier etwas gesagt, was im Staatssekretärsausschuss noch nicht „common ground“ ist. Aber vielleicht kann es das ja dadurch, dass ich es jetzt gesagt habe, noch werden.

Damit bin ich dann auch schon bei der Rubrik „Dank“ angelangt. Wenn man einmal sieht, wo wir 2006 begonnen haben – nämlich nur bei den Berichtspflichten – und wo wir inzwischen hingekommen sind – nämlich bei der Prüfung des Erfüllungsaufwands; und damit sehr viel näher am Menschen –, dann zeigt sich die Strecke, die wir zurückgelegt haben. Nur wenn wir dort ansetzen, wo sich Menschen wirklich betroffen fühlen, wird sich eben auch der Eindruck einstellen, dass irgendetwas vereinfacht worden ist. Zusätzlich zu dem, was wir machen, setze ich noch sehr viel Hoffnung in die Digitalisierung. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass Sie in letzter Zeit ein bisschen unruhig waren, weil die Zeiten, die wir Ihnen zur Bewertung der Auswirkungen eines Gesetzes eingeräumt haben, sehr kurz waren. Das hing ein bisschen mit der Eile zusammen, unter der wir im Augenblick arbeiten. Ich glaube, das wird sich auch wieder normalisieren.

Also: Danke für Ihre Geduld mit uns, danke für Ihre Bereitschaft, sich auch immer wieder auf neue Pfade zu begeben, und für die Zeit, die Sie für diese Arbeit im Normenkontrollrat aufwenden. Das hat insgesamt zu einer sehr viel transparenteren Rechtsetzung geführt. In einer Zeit, in der Gefühle und Fakten immer in einem gewissen Wettstreit miteinander sind, würde ich sagen: Wenigstens auf der Faktenbasis haben wir Einiges vorzuweisen. Das muss sich dann allerdings auch noch in der Gefühlswelt widerspiegeln. Und deshalb müssen wir noch weiter hart arbeiten.

Herzlichen Dank und alles Gute.

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