Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim Empfang der Preisträgerinnen und Preisträger des 54. Bundeswettbewerbs "Jugend forscht" am 19. September 2019 in Berlin

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Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim Empfang der Preisträgerinnen und Preisträger des 54. Bundeswettbewerbs "Jugend forscht" am 19. September 2019 in Berlin

Donnerstag, 19. September 2019 in Berlin

Sehr geehrter Herr Baszio,
lieber Herr Parlamentarischer Staatssekretär, lieber Thomas Rachel,
meine Damen und Herren,
vor allem liebe Preisträgerinnen und Preisträger von „Jugend forscht“,

ich möchte Sie alle hier im Kanzleramt ganz herzlich willkommen heißen. Das ist eine gute Tradition.

„Frag nicht mich - frag Dich!“ – Dazu hat die diesjährige Wettbewerbsrunde aufgerufen. Und genau das haben Sie auch getan; und zwar nicht nur Sie, sondern viele andere mit Ihnen. Sie sind auf eine knifflige Frage gestoßen und haben sich selbst gefragt, was die Antwort darauf sein könnte. Sie haben sich nicht nur gefragt, sondern Sie haben gelesen, gerechnet, getüftelt, erprobt, nachgedacht und damit genau das gezeigt, was man Forschergeist nennt.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen erging, aber mir ist es früher als Naturwissenschaftlerin oft so ergangen, dass man auch eine Durststrecke hat, nicht genau weiß, wie es weitergeht; und plötzlich und ganz unerwartet hat man dann eine Idee, was man ausprobieren könnte. Das Gefühl, wenn das klappt, ist natürlich großartig. Sie mussten bestimmt auch beharrlich sein und an der Sache dranbleiben. Dabei sind wirklich tolle Ideen entstanden.

Jakob Rehberger und Jonas Münz zum Beispiel haben eine bemerkenswerte Maschine entwickelt, mit der man mit Ultraschallwellen kleinste Verunreinigungen an Titanschrauben von Knochenimplantaten entfernen kann. Tara Moghiseh überlegte sich, wie die Untersuchung weißer Blutkörperchen von Leukämiekranken mit Hilfe künstlicher Intelligenz schneller und günstiger erfolgen kann, und hat dazu Algorithmen programmiert. Neben dem Thema Gesundheit war natürlich auch Umweltschutz ein großes Thema des Wettbewerbs. Paul Kunisch und Thomas Derra haben ein neuartiges und kostengünstiges Bindemittel entwickelt, um Ölteppiche auf Gewässern zu bekämpfen, und zwar mit einer höheren Saugkraft als es bisher möglich war.

Ich denke, schon allein diese drei Beispiele zeigen, dass Sie einerseits Forschung auf höchstem Niveau betreiben und damit andererseits auch Verantwortung dafür übernehmen, dass unsere Welt besser wird. Sie wollen Ihren Teil dazu beitragen, indem Sie Probleme nicht nur beschreiben, sondern auch lösen und damit das Leben von Menschen verbessern können. Dafür haben Sie auch viel Zeit eingesetzt. Ich habe Sie hierher ins Bundeskanzleramt eingeladen, um dafür einfach danke zu sagen.

Es macht mich froh, wenn ich sehe, wie viele engagierte und kluge Köpfe auch an diesem immerhin schon 54. Wettbewerb teilgenommen haben. Noch nie gab es so viele angemeldete Forschungsprojekte wie in dieser Runde – über 6.600. 12.150 junge Forscherinnen und Forscher haben sich angemeldet. Das ist ein Riesenerfolg und erfordert natürlich auch viel Organisationsgeschick. Deshalb geht der Dank nicht nur an Sie, die Sie geforscht haben, sondern auch an alle, die das überhaupt ermöglicht haben. Das sind über 5.000 Lehrer und Ausbilder, über 3.000 Fach- und Hochschullehrer sowie Experten aus der Wirtschaft. Sie haben gemeinsam ein weiteres Kapitel in der Erfolgsgeschichte von „Jugend forscht“ geschrieben. Danke also dafür.

Natürlich gilt der Dank auch dem diesjährigen Paten, dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik in Chemnitz. Ich habe von Ministerpräsident Kretschmer gehört, dass Chemnitz ein sehr, sehr guter Austragungsort war. Ich finde es sehr schön, dass Sie sich dazu bereiterklärt haben.

Ich finde, die rege Teilnahme kann uns mit Blick auf den Forschungsstandort Deutschland zuversichtlich stimmen. Ich bin mit meiner Zuversicht nicht allein, denn die OECD hat in ihrer internationalen Studie „Bildung auf einen Blick“ festgestellt, dass Deutschland bei den MINT-Fächern stark ist. 40 Prozent der Anfänger eines Bachelorstudiums oder einer gleichwertigen Ausbildung haben sich 2017 für Mathematik, Ingenieur- und Naturwissenschaften oder Informatik entschieden. Das sind so viele wie in keinem anderen Land dieser Studie.

Trotzdem brauchen wir immer noch mehr davon, da wir einen Fachkräftemangel in diesen Bereichen haben. Im IT-Bereich zum Beispiel konnten in diesem Jahr rund 59.000 Stellen nicht besetzt werden. Deshalb möchte ich Sie ermuntern, nicht einfach alles beiseitezulegen, nachdem Sie einen Preis bei „Jugend forscht“ gewonnen haben, sondern auch ein Stück weit Ihre eigene Geschichte daraus zu machen und vielleicht eine Ausbildung in diesen Bereichen anzunehmen.

Wir haben riesige Aufgaben – Klimaschutz, Erhaltung der Artenvielfalt, Einsparung von Energie und anderes; all das werden wir nur mit Forschung und Innovation erreichen. Es wird sehr oft darüber gesprochen, welche Gesetze man zur Bewältigung dieser Aufgaben machen soll. Aber wenn der Wohlstand erhalten bleiben soll, dann müssen wir interessante, spannende Forschungsergebnisse haben und in Bereiche vordringen, in die wir noch gar nicht vorgedrungen sind.

Dazu brauchen wir natürlich auch vernünftige Rahmenbedingungen für Menschen, die forschen. Da darf ich Ihnen für Ihre Zukunft sagen, dass wir da schon vorgesorgt haben. Denn wir zählen heute weltweit zu den fünf Ländern, die am meisten Geld für Forschung und Entwicklung ausgeben. Das muss man ja sehen: Wir haben weit über 180 Länder; und wir gehören zu den fünf besten.

Das Forschungsministerium hat drei große Wissenschaftspakte geschlossen. Damit haben wir für die nächsten zehn Jahre, also für die Perspektive bis 2030 – für die Zeit, in der Sie studieren werden, in der Sie eine Ausbildung machen werden, in der Sie ins Berufsleben eintreten werden –, schon jetzt 160 Milliarden Euro veranschlagt, die in das Wissenschaftssystem einfließen werden. Ich glaube, das ist eine ganz gute Grundlage für Sie, weil Sie sagen können: Hier wird wirklich investiert; und zwar sowohl in die Hochschulentwicklung als auch in die Entwicklung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Für diejenigen, die an einem Fraunhofer-Institut, Max-Planck-Institut, Leibniz-Institut oder Helmholtz-Institut arbeiten, ist es natürlich ganz wichtig zu wissen: Wir bekommen jedes Jahr drei Prozent mehr. Das bietet Sicherheit. Daher kommen auch international anerkannte Forscher zu uns zurück – oder manche gehen gar nicht erst weg. Das ist ja genau das, was wir brauchen.

Nun habe ich hier nicht nur die Aufgabe, allen, die Preise gewonnen haben, zu gratulieren, sondern ich habe immer auch eine spezielle Möglichkeit; und das ist die Verleihung des Sonderpreises für die originellste Arbeit. Es ist natürlich immer schwierig herauszufinden, welche Arbeit das ist. Aber ich habe ja auch Helfer, die mich bei der Auswahl unterstützen. Die Preisträger, die ich gerne besonders ehren möchte, sind Anton Fehnker und Simon Raschke aus Münster. Es kann aber nur einer da sein. Wer ist das? – Anton Fehnker. Wir senden ganz herzliche Grüße nach Armenien, glaube ich, wo Simon Raschke im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres tätig ist. Es gibt ja heute moderne Kommunikationsmittel, mit denen er auch ein bisschen etwas davon mitbekommen kann.

Es sieht hier schon aus wie auf einer Autobahnbaustelle in Miniatur. Die Forschungsfrage, die ja wirklich spannend ist, lautet: „Wie bekommen Straßen Sixpacks?“ Ich würde einmal sagen, „Sixpack“ ist noch die bestmögliche Formulierung, die man dafür finden kann. Denn eigentlich ärgert man sich ja, wenn es unter einem so „rippelt“; und zwar zum Leidwesen von Auto- und besonders von Radfahrern, die es ja noch mehr merken. Wie diese Muster zustande kommen, hat sich manch einer schon gefragt, der auf so einer Strecke gefahren ist. Aber wie manches andere ist das gar nicht so einfach zu beantworten. Ich weiß es jedenfalls noch nicht und bin deshalb richtig gespannt darauf – und würde erst nach der Präsentation den Preis verleihen, damit ich einmal sehen kann, ob es sich lohnt. Dann wollen wir also einmal schauen.

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