Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim 25. Deutschen Sparkassentag am 27. April 2016

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Lieber Georg Fahrenschon,

sehr geehrter Herr Breuer,

– ich glaube, Günther Oettinger ist schon weg; nicht, dass ich ihn nicht begrüße, wenn er hier noch irgendwo sitzt –

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

meine Damen und Herren,

ich freue mich, beim Deutschen Sparkassentag wieder dabei zu sein, und begrüße Sie alle. – Ich möchte am liebsten fragen, wo die Vertreter aus Vorpommern, aus Rügen und Greifswald sitzen. –

Dass Sie in Düsseldorf auf dem Messegelände zu Gast sind, hat durchaus symbolische Bedeutung. Denn Sie zeigen damit, dass der Erfolg der Sparkassen aufs engste mit der Wirtschaft, insbesondere mit dem Mittelstand, verbunden ist. Über 40 Prozent aller Unternehmenskredite werden von den Sparkassen vergeben. Sie sind da, wenn es darum geht, den oft langen Weg von der Idee hin zu einem marktfähigen Produkt überhaupt begehbar zu machen. Trotz eines nicht ganz einfachen Umfeldes hat die Finanzgruppe auch 2015 wieder ein gutes Ergebnis erwirtschaftet. Die Sparkassen konnten ihr Kreditneugeschäft mit Unternehmen und Selbständigen um rund 17 Prozent steigern; das kann sich sehen lassen. Damit festigen die Landesbanken, Sparkassen und Verbundunternehmen ihren Stand als verlässliche Stütze des deutschen Finanzmarkts.

Das zeigt sich auch daran, dass deutschlandweit 325.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rund 20.000 Geschäftsstellen für ihre Kunden da sind – für Unternehmer genauso wie für Sparerinnen und Sparer. Sie verwalten auch etwa die Hälfte aller Spareinlagen in Deutschland. Das ist letztlich nur möglich, weil den Sparkassen ein unglaublich hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht wird. Wir wissen alle: Gerade wenn es ums Geld geht, ist Vertrauen unverzichtbar. Für das Funktionieren des gesamten Finanzsystems ist Vertrauen eben auch eine wesentliche Voraussetzung. Und nur mit einem funktionierenden Finanzsystem ist die Kapitalversorgung der Wirtschaft auch wirklich gewährleistet.

Vor diesem Hintergrund – das will ich heute noch einmalwiederholen, obwohl es eigentlich auf jedem Sparkassentag gesagt wird – ist zu verstehen, warum sich die Bundesregierung auch weiter für den Erhalt des Drei-Säulen-Modells ausspricht. In diesem Jahr ist es weniger notwendig, dies zu sagen, als in manchem Jahr vorher, aber man hört es trotzdem, glaube ich, immer wieder gern.

So verschieden die einzelnen Säulen auch sind, so sehr verpflichtet das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger im Grunde alle Akteure im Finanzwesen gleichermaßen zur Verantwortung – zum einen in Form einer soliden Geschäftspolitik. Gerade in Zeiten niedriger Zinsen bedeutet das, nicht jeder geschäftspolitischen Versuchung nachzugeben werden und zum Beispiel nicht zu hohe Risiken bei der Kreditvergabe einzugehen. Zum anderen geht es um das Schaffen zukunftsfähiger Strukturen. Dabei denke ich mit Blick auf Ihre Finanzgruppe vor allem auch an die Konsolidierung im Landesbankenbereich, die ja auch stattfindet.

Der Weg, den die Bundesregierung mit ihren Finanzmarktreformen eingeschlagen hat, war kein einfacher. Aber wir können inzwischen festhalten, dass wir gut vorangekommen sind – und dies nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch europa- und weltweit. Ein leistungsfähiger Finanzmarkt, wie ihn Wirtschaft und Anleger brauchen, muss zumindest drei Kriterien besser gerecht werden: der Stabilität, der Integrität und der Effizienz. Auf alle drei Kriterien möchte ich eingehen.

Zur Stabilität. Ich habe mich seit Beginn der Finanzmarktkrise dafür eingesetzt, dass in Zukunft kein Finanzmarkt, kein Finanzmarktakteur und kein Finanzprodukt ohne angemessene Regulierung und Aufsicht bleiben. Ich glaube, wir können heute sagen, dass wir zwar noch nicht am Ende des Weges angekommen, aber vorangekommen sind. Ich will drei Beispiele dafür nennen.

Erstens: Banken sind heute deutlich robuster als vor der Krise, weil wir unter anderem die Kapitalanforderungen erhöht haben – und zwar risikoorientiert und damit auch differenziert. Damit haben wir uns in Basel und auf europäischer Ebene erfolgreich auch für die Interessen kleiner, risikoarmer Kreditinstitute eingesetzt. Jeder erinnert sich noch: Das war nicht einfach.

Zweites Beispiel: Wir haben eine neue Aufsicht in Europa eingeführt. Auch dabei hat die Bundesregierung darauf gepocht, den Anliegen kleiner und mittlerer Institute Rechnung zu tragen. Wir haben bereits über ein Jahr lang Erfahrungen mit der neuen europäischen Bankenaufsicht sammeln können. Wir sehen, dass sie sich zu bewähren scheint, auch wenn sicherlich noch einiges verbessert werden kann – zum Beispiel mit Blick auf Transparenz und effiziente Entscheidungsstrukturen. Transparenz ist ganz wichtig in diesem Bereich.

Mein drittes Beispiel: Wir haben auch die Regelungen zur Insolvenz von Banken überarbeitet. Ich habe mich stets dafür eingesetzt, Risiko und Haftung als Einheit zu sehen. Wer also Chancen auf Gewinn hat, muss auch das Verlustrisiko tragen. Denn es darf nicht wieder passieren, dass Steuerzahler für Banken einspringen müssen, nur weil diese zu groß sind, um pleitezugehen. Das haben wir immer und immer wieder gesagt. Wir sind jetzt auf dem Weg, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das nicht wieder passiert. Im Übrigen muss das natürlich ebenso im Schattenbankenbereich geschehen.

Wir haben in Deutschland bereits im Jahr 2011 einen Bankenfonds zur Restrukturierung und Abwicklung von Banken eingeführt. Weitere gesetzliche Schritte zur Sanierung und zur Abwicklung folgten. Nun ist genau geregelt, wer wann und wie an den Kosten einer Bankeninsolvenz beteiligt wird. Damit hat sich die Bundesrepublik Deutschland in Europa als Vorreiter erwiesen. Mittlerweile ist die Abwicklungs- und Sanierungsrichtlinie in nahezu allen EU-Staaten vollständig umgesetzt.

Wir sind im Euroraum noch einen Schritt weiter gegangen, indem wir hier mit einer gemeinsamen Abwicklungsbehörde einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus eingerichtet haben. Auch darüber gab es harte Diskussionen. Unser Denken war: Vor allen Dingen müssen erst einmal national die Hausaufgaben gemacht werden. Auch dafür war es gut, dass Deutschland Vorreiter war.

Es zeigt sich aber weiterer Reformbedarf. Die Risiken sind nach wie vor zu hoch. Es gibt noch zu viele schwache Banken in Europa. Und die niedrigen Zinsen – der Präsident hat ja schon davon gesprochen – werden dieses Problem über die nächsten Jahre tendenziell noch verstärken. Deshalb will ich auch ein Wort dazu sagen.

Wenn man sich die Zinsen anschaut, dann kann man verstehen, dass darüber eine breite Diskussion geführt wird. Ich denke, sie muss auch geführt werden. Es hat ja keinen Sinn, das nicht zu thematisieren. Wenn wir uns allerdings Realzins und Gewinnspanne anschauen, dann sehen wir, dass sie sich mit Blick auf frühere Zeiten nicht ganz so unterschiedlich darstellen wie die absoluten Zahlen der Zinsen. Die niedrige Inflationsrate ist natürlich auch für die Kaufkraft von großer Bedeutung.

Was können wir jetzt machen? Die Notenbanken, auch die Europäische Zentralbank, sind unabhängig. Deshalb muss die Kraft der Politik aus meiner Sicht darauf gelenkt werden, Wachstum wieder anzukurbeln – und zwar nicht Wachstum durch Verschuldung, sondern Wachstum durch Strukturreformen. Das heißt, nicht nur auf staatliche Investitionen zu setzen, sondern vor allen Dingen ein gutes Umfeld für private Investitionen zu schaffen, weil dieses Wachstum dann auch die Inflationsrate wieder in Bereiche bringen wird, die es ermöglichen, dass die Notenbanken eine andere Politik betreiben.

Jeder sollte sozusagen seinen Aufgabenbereich sehen. Diese Diskussion müssen wir vor allen Dingen auf europäischer Ebene führen, aber auch bei uns zu Hause. Ich versuche realistische Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dabei muss ich mich auf dem Feld bewegen, auf dem ich etwas ausrichten kann. Die Deutschen waren immer diejenigen, die die Unabhängigkeit der Notenbanken hochgehalten haben. Die Inflationsrate von zwei Prozent ist übrigens auch von einem Deutschen einmal als Richtwert genannt worden. Das ist keine Erfindung der neuesten Zeit. Wir müssen also, wie gesagt, versuchen, ein günstiges Investitionsumfeld zu schaffen, um wieder in diesen Bereich zu kommen.

Ich habe den Reformbedarf erwähnt. Wir müssen also weiterarbeiten und werden stets darauf achten, dass bei Regulierungen nicht alles über einen Kamm geschoren wird, sondern dass kleine und große Banken in Europa differenziert betrachtet werden. Denn die Betrachtung muss risikoorientiert sein. Deshalb gibt es auch eine gemeinsame Initiative des deutschen und des britischen Finanzministers, wonach überprüft werden soll, an welchen Stellen weitere regulatorische Erleichterungen für kleine Banken angebracht sind.

Sehr wichtig ist eine saubere Trennung von Staatsrisiken und Bankenrisiken. Die Bundesregierung spricht sich daher für eine risikoadäquate regulatorische Behandlung von Staatsanleihen in Europa aus. Das kann nicht in einem Schritt erfolgen, sondern das ist ein schrittweises Vorgehen, bei dem wir alle Risiken in den Blick nehmen müssen.

Die EU-Kommission hingegen möchte eine einheitliche europäische Einlagensicherung schaffen. Wir glauben nicht, dass dieser Zeitpunkt gekommen ist. Vielmehr muss jetzt darauf geachtet werden, Risiken nicht weiter zu vergemeinschaften, sondern Risiken abzubauen. Das ist das Gebot der Stunde. Insoweit ist noch viel zu tun.

Angesichts weltweiter Finanzströme und -verflechtungen reicht es nicht, wenn wir uns nur auf Europa konzentrieren. Denn die Finanzkrise war eine internationale und wahrlich nicht nur eine europäische Krise, wenngleich sie dazu geführt hat, dass ein globaler Test unserer gemeinsamen Währung, des Euro, stattgefunden hat, für dessen Sicherung wir dann ja auch viele Maßnahmen durchführen mussten.

Wir brauchen also weitere Schritte bei der internationalen Regulierung – aus Gründen der Stabilität und auch fairer Wettbewerbsbedingungen. Ich denke, wir spüren, dass das ein permanenter Prozess sein wird. Denn wir erleben, dass selbst internationale Absprachen, die wir treffen, in der Umsetzung wieder zu Unterschieden führen können, was das sogenannte level playing field anbelangt. Hierbei muss also Europa möglichst mit einer einheitlichen Stimme sprechen.

Wir werden uns während der deutschen G20-Präsidentschaft im nächsten Jahr dafür einsetzen, dass die laufenden Reformvorhaben konsequent umgesetzt und abgeschlossen werden. Wir wollen den deutschen G20-Vorsitz auch für eine Analyse nutzen, wie die neuen Regeln wirken und wo wir stehen.

So viel zum Stabilitätskriterium. Jetzt zum zweiten Kriterium, dem der Integrität der Finanzmärkte.

Die Bedeutung von Vertrauen für funktionierende Finanzmärkte habe ich bereits betont. Es gab auch nach der Finanzkrise genügend Entwicklungen, die gewiss nicht vertrauensstiftend wirkten. Denken wir zum Beispiel an bekannt gewordene Manipulationen von Referenzzinssätzen, an Cum-Ex-Geschäfte oder auch an die Umgehung von Sanktionen. Die mögliche Verwicklung einiger Banken in Offshore-Geschäfte über Briefkastenfirmen in Panama ist nur das letzte Beispiel, das eine Menge Fragen aufwirft.

Die Vorkommnisse zeigen einmal mehr, dass Anonymität und Intransparenz für Steuerbetrug, Geldwäsche und illegale Finanzströme ein geradezu idealer Nährboden sind. Wir müssen genau da ansetzen, um kriminellen Geschäftspraktiken den Boden zu entziehen. Deshalb werden wir wie alle EU-Staaten ein Register der wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen einrichten, mit dem wir innerhalb der Europäischen Union mehr Transparenz über die Hintermänner von Briefkastenfirmen schaffen können.

Der Bundesfinanzminister hat – das ist Ihnen bekannt – einen 10-Punkte-Plan vorgestellt, in dem es unter anderem um stärkere Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen geht. Wir wollen, dass staatliche Sanktionen entweder von vornherein abschreckend wirken oder im Falle des Falles im Nachhinein greifen. Aber natürlich wünsche ich mir, dass die Marktteilnehmer von sich aus stärker Verantwortung für die Integrität ihrer Märkte übernehmen. Wir führen ja oft diese Diskussion: Kaum, dass wir eine Regulation eingeführt haben, heißt es, es ist zu viel davon. Aber Sie müssen auch uns in der Politik verstehen. – Jetzt bin ich vielleicht gerade am falschen Veranstaltungsort. Wir sagen ja nichts Schlechtes über jemanden, aber die Landesbanken waren auch nicht immer ganz gefeit vor verschiedenen Dingen. – Jedenfalls sind wir gezwungen, politisch zu handeln, weil es auch kein Verständnis dafür gäbe, wenn wir nichts regulieren würden.

Der Bundesfinanzminister unterstreicht in seinem 10-Punkte-Plan noch einmal, auch auf internationaler Ebene zu handeln, um gegen Steuerbetrug, Geldwäsche und illegale Finanzströme vorzugehen. Immerhin hat auf deutsche Initiative nun auch die G20 beschlossen, daran zu arbeiten, den Steueroasen das Wasser abzugraben und einen globalen Datenaustausch über die wirtschaftlich Berechtigten von Briefkastenfirmen zu ermöglichen. Das sind deutliche Fortschritte, die man sich vor einigen Jahren noch nicht hätte vorstellen können.

Jetzt zum dritten Kriterium, nämlich einem effizienten Finanzmarkt. Effizienz heißt für mich an dieser Stelle, dass man möglichst passgenaue Produkte möglichst günstig anbieten kann – ob es nun um Investitionsmittel für Unternehmen geht oder um Möglichkeiten der Altersvorsorge für private Sparer. Ich denke, dass wir in Deutschland relativ gut dastehen. Es gibt eine breite Palette von Angeboten an Finanzprodukten. Die Kredite hierzulande sind günstig. Aber natürlich wissen wir, dass Gutes immer noch besser werden kann. Es gibt im Augenblick eine Diskussion über Produkte der Altersvorsorge. Wir könnten uns vorstellen, dass manche Produkte noch etwas preiswerter sein könnten, denn die Niedrigzinsen kommen den Sparern ohnehin relativ teuer zu stehen.

Meine Damen und Herren, auch Jahre nach der Finanzkrise bleibt immer noch sehr viel zu tun, was die Regulierung und die Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen betrifft – sowohl hier bei uns als auch international. Das hat auch – damit beschäftigen Sie sich ja auch auf diesem Sparkassentag – sehr viel mit neuen technologischen Möglichkeiten zu tun, wie sie die Digitalisierung mit sich bringt. Diese stellt auch auf den Finanzmärkten manch etabliertes Geschäftsmodell infrage. Ich denke, es war eine weise Entscheidung, das Thema Digitalisierung auf diesem Sparkassentag in den Mittelpunkt zu rücken.

Was Digitalisierung bedeutet, lernen wir, die wir schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel haben, etwas langsamer als die, die noch jung sind. Ich finde, es ist eine tolle Idee, dass die Auszubildenden hier in großer Zahl vertreten sind und in einen solchen Sparkassentag hineinschnuppern können, aber sicherlich auch selbst eine bestimmte Atmosphäre hineinbringen. Die Leichtigkeit, mit der sie mit der Digitalisierung umgehen, macht einen manchmal sprachlos und ist auch wunderschön. Wir müssen einfach verstehen, dass sich sozusagen die Herangehensweisen der Menschen durch die Verschmelzung täglicher Dinge mit neuen digitalen Möglichkeiten sehr verändern werden.

Es ist auch gerade wieder auf der Hannover Messe zu sehen: Im Grunde hat ein Wettlauf eingesetzt, in dem es für unsere gesamte Wirtschaft um die Frage geht, ob wir eines Tages die verlängerte Werkbank von Unternehmen sind, die nur mit Hilfe von Daten den Kunden und seine Wünsche bedienen, oder ob es unsere Unternehmen unter Nutzung digitaler Möglichkeiten schaffen, Kunden genauso nah bei sich zu halten und auch als Industrieunternehmen ihre differenzierten Wünsche zu bedienen. Das bedeutet, Daten über Kundenwünsche, Daten, die bei der Nutzung von Dingen anfallen, müssen unmittelbar ins Unternehmensgeschehen eingebunden werden. Daraus entstehen völlig neue Produkte. Das heißt, Daten werden selbst zum Rohstoff und vielleicht zu einem wesentlichen Teil der Wertschöpfungskette.

Ich denke, dass wir das schon ganz gut beherrschen, wenn man sich das im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge betrachtet. Ein Fahrstuhl beispielsweise akkumuliert sehr viele Daten, woraus man etwas Gutes machen kann, zum Beispiel die Notwendigkeit der Wartung des Fahrstuhls anpassen. Das alles ist langsam „state of the art“. Aber in der Frage, wie wir das Ganze mit individuellen Käufer- oder Kundenwünschen zusammenbringen, ist die Schlacht noch nicht geschlagen. Der Wettlauf findet weiter statt.

Deshalb ist ein geeigneter regulatorischer Rahmen sehr wichtig. Er ist genauso wichtig im Industriebereich wie er für Sie und Ihre vielen Kundenbeziehungen wichtig ist. Wir müssen jetzt aufpassen – Günther Oettinger wird Ihnen darüber berichtet haben –, dass wir in Europa die richtige Balance zwischen individuellem Schutzbedürfnis, Datenschutz und der Fähigkeit, Kundenwünsche zu bedienen, finden. Wir müssen uns realistisch eingestehen, dass wir beim Big Data Mining, bei der Verarbeitung großer Datenmengen, noch nicht an der Weltspitze sind, dass die größten Internetfirmen ihren Sitz nicht in Europa haben – das gilt nicht nur für Deutschland – und dass wir deshalb auf industrieller Seite sehr schnell aufholen müssen, um Anschluss zu bekommen. Das gilt für Sie im Bankenbereich natürlich auch.

Zum Thema Sicherheit. Derzeit erarbeiten wir in der Bundesregierung eine neue Cyber-Sicherheitsstrategie. Hierbei geht es auch um den Schutz sogenannter kritischer Infrastrukturen. Dazu zählen die Energieversorgung, der Verkehr, das Gesundheitswesen und eben auch der Finanzsektor. Wir haben das IT-Sicherheitsgesetz unter anderem mit verbindlichen Mindestanforderungen an die IT-Sicherheit auf den Weg gebracht. Ich bitte Sie, Verständnis zu entwickeln. Denn es ist für uns mit Blick auf kritische Infrastrukturen wirklich sehr wichtig, dass wir eng zusammenarbeiten. Es ist kein Makel, wenn die Sicherheit von außen angegriffen wurde – das geschieht unentwegt – und wenn man das auch bekanntgibt. Denn es ist absolut notwendig, dass wir lernen, unsere kritischen Infrastrukturen zu schützen. Würde das verschwiegen, dann könnten wir auch nicht lernen, wie auf Angriffe zu reagieren ist, was eines Tages zu dramatischen Ergebnissen führen könnte.

Es ist aber auch klar, dass angesichts der scheinbaren Grenzenlosigkeit des Internets nationale Regelungen allein nicht ausreichen. Das heißt, wir brauchen in vielen Fragen zumindest europäische Lösungen. Es ist ein großer Erfolg, dass wir uns in Europa auf eine Datenschutz-Grundverordnung verständigen konnten. Damit vermeiden wir auf der einen Seite Wettbewerbsverzerrungen innerhalb Europas, auf der anderen Seite sind wir mit unserem Binnenmarkt ein wirklich guter Ansprechpartner für internationale Investitionen. Wir müssen jetzt aber aufpassen, dass diese Datenschutz-Grundverordnung, die ja unmittelbar gilt – natürlich mit Übergangsfristen –, mit den vielen unbestimmten Rechtsbegriffen, die darin enthalten sind, nicht immer nur zugunsten des Datenschutzes, sondern vielmehr auch zugunsten der Datenoffenheit interpretiert wird. Deshalb wird das noch viel Arbeit bei der Implementierung mit sich bringen.

Natürlich müssen wir überhaupt erst die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Chancen der Digitalisierung genutzt werden können. Das heißt, wir brauchen flächendeckende Hochgeschwindigkeitsnetze. Alle sind, glaube ich, einverstanden, dass wir bis 2018 mindestens 50 Megabit pro Sekunde für jeden Haushalt haben wollen. Das ist für heutige Anwendungen schon recht gut. Aber wir alle wissen: Das wird natürlich absolut nicht ausreichen. Wir müssen auch für die Zeit nach 2018 klare Ausbauziele definieren. Wir haben jetzt erst einmal durch die Versteigerung von Frequenzen einen großen Schub für ein Förderprogramm vor allem für ländliche Regionen bekommen. Dieses Förderprogramm mit insgesamt 2,7 Milliarden Euro für den Breitbandausbau wird also gerade auch denen zugutekommen, die außerhalb von Ballungszentren wohnen. Wir haben auch ein Gesetz für einen effizienten Netzausbau auf den Weg gebracht. Es gibt vor allem beim Tiefbau viele Sparpotenziale, die wir nutzen müssen.

Jetzt haben wir die leistungsfähige Infrastruktur, wir haben den rechtlichen Rahmen – nun muss man auch sämtliche Möglichkeiten nutzen. Das heißt, wir brauchen auch das entsprechende Personal, wir brauchen die Fachleute dafür. Ich bin sehr erfreut darüber, dass wir sowohl bei der Ausbildung in Berufen, die in Bereichen der IT-Technologie angesiedelt sind, durchaus Fortschritte verzeichnen als auch eine sich gut entwickelnde Start-up-Szene haben. Die Entwicklung der Start-up-Szene fördert die Bundesregierung mit verschiedenen Maßnahmen. Wir haben jetzt gerade zwei neue Instrumente zur Wachstumsfinanzierung mit einem Fördervolumen von insgesamt 725 Millionen Euro eingeführt. Wir ergänzen damit bereits bestehende Programme wie zum Beispiel den High-Tech-Gründerfonds.

Meine Bitte an Sie: Seien Sie offen gegenüber Start-ups. Es besteht ja ein kultureller Unterschied zum Vorgehen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Wir werden nur dann, wenn wir es schaffen, Start-ups auch wirklich einen kulturellen und gesellschaftlichen Rückhalt zu geben, mit Entwicklungen in anderen Kontinenten, in Amerika und auch in Asien, mithalten können.

Die Bundesregierung hat ihre Mittel für Forschung und Entwicklung in den vergangenen gut zehn Jahren kontinuierlich erhöht: seit 2005 insgesamt um 65 Prozent. Wir lassen uns vom Drei-Prozent-Ziel leiten. Drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen also in Forschung und Entwicklung investiert werden. Ein Drittel kommt dabei aus dem staatlichen Bereich.

Dem jüngsten Ranking des Weltwirtschaftsforums zufolge hat sich die Position Deutschlands verbessert, was die Wettbewerbsfähigkeit anbelangt. Wir sind nun die Nummer vier der weltweit wettbewerbsfähigsten Standorte. Aber ich glaube, jedem von Ihnen fällt etwas ein, das wir noch besser machen könnten. Wir können im Augenblick zufrieden sein. Georg Fahrenschon hat das auch gesagt. Die wirtschaftliche Lage präsentiert sich als stabil. Wir rechnen mit einem Wachstumsplus von 1,7 Prozent für dieses Jahr. Wenn man sich aber überlegt, wie niedrig der Erdölpreis ist, wenn man sich überlegt, wie breit angelegt die Geldpolitik ist, dann scheinen 1,7 Prozent Wachstum nicht überragend zu sein, so wie auch die Wachstumsraten der anderen europäischen Länder nicht überragend sind. Deshalb kann man durch Bürokratieabbau und viele andere Dinge sicherlich noch einiges tun.

Unser Arbeitsmarkt ist wirklich stabil – 31 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, rund 43 Millionen Erwerbstätige. Die Momentaufnahme zeigt auch eine gesunkene Schuldenstandsquote und einen annähernd ausgeglichenen Staatshaushalt. Wir haben die Mittel zur Investition in Infrastrukturen, in Bildung und Ausbildung, in Forschung und Innovation erheblich erhöht. Der Ist-Zustand ist also recht gut. Aber wenn wir uns die Risiken der Zukunft anschauen, wenn wir uns die Dynamik anderer Regionen anschauen, wenn wir uns verdeutlichen, was ich über die Digitalisierung und die Industrie 4.0 oder das Internet der Dinge gesagt habe, dann wissen wir, dass große Aufgaben vor uns stehen, auch wenn heute keiner genau sagen kann, wie es in zehn Jahren aussehen wird. Hinzu kommt der demografische Wandel.

Wir spüren auch alle, dass gerade in puncto Sicherheit die Situation sehr ernst geworden ist. Es geht um Sicherheit vor terroristischen Bedrohungen; es gibt neue Bedrohungen, asymmetrische Bedrohungen. Der IS ist eine große Herausforderung für uns alle – sowohl innerhalb Europas als auch außerhalb Europas. Wir müssen Fluchtursachen eindämmen. Das heißt zum Beispiel, mehr für Klimaschutz und im Bereich der Entwicklungspolitik zu tun. In der Entwicklungspolitik gilt es, vielleicht ab und zu auch neue Wege zu gehen. Denn wenn wir uns gerade mit Blick auf afrikanische Länder die Effekte anschauen, die wir über Jahrzehnte erreicht haben, dann muss man sicherlich auch noch einmal über die Effizienz von Entwicklungspolitik nachdenken.

Wir müssen die globale Handels- und Finanzmarktarchitektur verbessern. Wir haben – so stellen wir es jedes Jahr auf den G20-Treffen fest – auf der einen Seite mehr Handelsabkommen – dabei ist natürlich auch das geplante Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein wichtiger Punkt –, aber wir haben auf der anderen Seite im nichttarifären Bereich eine Vielzahl protektionistischer Maßnahmen, die nicht gerade dazu beitragen, dass die Wachstumsmöglichkeiten voll genutzt werden.

Wir müssen auch die europäische Wirtschafts- und Währungsunion stärken und damit, wie ich schon sagte, eben auch die Voraussetzungen für eine weniger lockere Geldpolitik schaffen. Das heißt also, es mangelt auch nicht an Herausforderungen, die wir nur im europäischen Verbund stemmen können. Allerdings müssen wir dann auch darauf achten, dass die richtigen Entscheidungen gefällt werden. Dabei ist insbesondere die Verquickung von Haftung und Risiko, die unmittelbare Verbindung von beidem, sehr wichtig.

Wir wissen: Wir werden unsere Werte, die uns so viel bedeuten, nur leben können, wenn wir auch eine starke Wirtschaft haben. Eine starke Wirtschaft ist auch die Voraussetzung dafür, dass nach uns kommende Generationen auf unserem Wohlstand aufbauen und ihn mehren können. Da das ohne funktionierende Finanzmärkte nicht möglich ist, kommt natürlich auch den Sparkassen eine zentrale Bedeutung zu. Globalisierung auf der einen Seite, aber eben auch Bindung an die Region, Bindung an die Heimat, Verständnis für die Tradition, Verständnis für die individuelle Firmengeschichte oder auch die Situation der privaten Kunden – das ist essenziell, um Globalisierung vernünftig gestalten zu können.

Dazu würde ich sagen: Wer kann das besser als Sie? Jedenfalls gehören Sie zu der Spitze absolut dazu. Ich bin sehr gerne heute beim Sparkassentag wieder dabei, weil die Säule unseres Finanzsystems, die Sie verkörpern, eine Säule ist, die nah am Menschen steht, mit all den Herausforderungen, die auch Sie haben. Aber warum sollten die Sparkassen keine haben? Sonst wäre es ja ungerecht im Leben verteilt. Ihre Herausforderungen haben Sie in der Vergangenheit ja immer gut bewältigt.

Ich wünsche Ihnen eine gute Hand auch für die jetzt anstehenden Entscheidungen und uns weiterhin kritisch-konstruktive Diskussionen. Das Gute ist: Wenn die Sparkassen ein bisschen kritisieren, dann hört die Politik sehr genau hin, weil Ihre Verbundenheit zum politischen System – sei es auf lokaler, sei es auf Landes-, sei es auf Bundesebene – immer gegeben ist.

Für unsere Anliegen in Europa werben, müssen wir gemeinsam. Und wir müssen vor allen Dingen auch – das sage ich mit Blick auf einige Vorhaben in Europa – immer mit einer Zunge sprechen. Es hat keinen Sinn, wenn man zu Hause für das eine ist und in Europa etwas anderes verkündet. Das gilt aber nicht für Anwesende im Raum.

Alles Gute und herzlichen Dank für die Einladung.