Rede von Bundeskanzlerin Merkel bei der 21. Konferenz der Vereinten Nationen zum Klimawandel am 30. November 2015

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Sehr geehrter Herr Präsident, lieber François Hollande,
sehr geehrter Herr Generalsekretär,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir treffen uns hier in Paris in unruhigen und sorgenvollen Zeiten. Nicht weit von hier haben Terroristen vor wenigen Tagen die Menschen in Paris und damit uns alle angegriffen. Wir verurteilen Terror – egal, wo er wütet. Wir zeigen durch unsere Anwesenheit: Wir sind stärker als Terroristen.

Heute haben Regierungschefs aus rund 150 Ländern die Möglichkeit, bei allen Kontroversen und Interessenunterschieden ein gemeinsames und sehr konkretes Signal zu senden – ein Signal, das über die Zukunft unseres Planeten entscheidet. Es geht um die Grundlagen des Lebens der Generationen, die nach uns kommen. Wir wissen: Wir müssen heute handeln. Das muss der Anspruch dieser Konferenz sein. Das muss das Ergebnis auszeichnen, das wir in wenigen Tagen erreichen müssen.

Ich möchte zu Beginn allen danken, insbesondere der französischen Regierung und den Vereinten Nationen, die an der Vorbereitung dieses Treffens beteiligt waren. Seit langem haben wir zum ersten Mal die Chance, unser Ziel, das Ziel eines Abkommens, zu erreichen. Nüchtern ausgedrückt heißt dieses Ziel nicht mehr und nicht weniger, als den globalen Temperaturanstieg unter zwei Grad, bezogen auf die Temperaturen zu Beginn der Industrialisierung, zu halten. Das ist ein notwendiges Ziel. Wir wissen aber mit Blick auf kleine Inselstaaten: Das ist immer noch kein ausreichendes Ziel. Daher brauchen wir ein UN-Abkommen, das ambitioniert ist, das umfassend ist, das fair und das verbindlich ist.

Erstens: Was heißt ambitioniert?

Zum ersten Mal haben über 170 Länder – Industriestaaten, Schwellenländer, Entwicklungsländer – nationale Beiträge zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels angemeldet. Die gute Nachricht heißt: Das betrifft 95 Prozent der CO2-Emissionen weltweit. Die schlechte Nachricht heißt: Mit diesen Anmeldungen erreichen wir das Zwei-Grad-Ziel noch nicht. Wir müssen also auf diesem Gipfel ein glaubwürdiges Signal setzen, wie wir das Ziel in den nächsten Jahren erreichen können. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass wir im Laufe des 21. Jahrhunderts eine weitgehende Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaften brauchen.

Zweitens: Was heißt umfassend?

Umfassend heißt: Es geht um eine grundlegende Transformation unseres Wirtschaftens, die alle Sektoren erfasst – die industrielle Produktion, die Mobilität, die Energieerzeugung, die Wärmedämmung, die Energieeffizienz. Deutschland hat sich klare Ziele gesetzt. Wir werden unsere CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent reduzieren. Wir wollen bis 2050 gegenüber 1990 80 bis 95 Prozent Reduktion erreichen. Wir haben schon heute ein ambitioniertes Klimaschutzabkommen mit über 100 Maßnahmen. Die erneuerbaren Energien sind in unserer Energieversorgung bereits die tragende Säule. In diesem Jahr werden es mehr als 27 Prozent sein.

Drittens: Was bedeutet fair?

Fair bedeutet, dass die Industrieländer, gerade was die Entwicklung von Technologien zur Dekarbonisierung anbelangt, eine führende Rolle spielen müssen. Wir haben die Emissionen der Vergangenheit hervorgerufen. Wir müssen die technologischen Entwicklungen beitragen, um die Emissionen in Zukunft zu reduzieren und auch den Entwicklungsländern eine Reduktion zu ermöglichen. Deutschland wird sich an verschiedenen Programmen beteiligen. So werden wir zum Beispiel unsere Forschungsförderung für Clean Energy verdoppeln.

Zudem müssen wir den ärmsten und verwundbarsten Ländern Möglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung dadurch eröffnen, dass wir sie finanziell unterstützen. Hier in Paris müssen wir zeigen, dass wir das, was wir in Kopenhagen versprochen haben, einlösen und ab 2020 100 Milliarden US-Dollar jährlich, und zwar nachhaltig, zur Verfügung stellen, damit andere den Klimawandel schaffen können. Deutschland wird gemessen an 2014 bis 2020 seine öffentlichen Mittel verdoppeln.

Und viertens: Was heißt verbindlich?

Wir brauchen einen Rahmen für ein UN-Abkommen, das verbindlich ist. Und wir brauchen verbindliche Überprüfungen. Deutschland wünscht sich diese nach jeweils fünf Jahren, beginnend vor dem Jahr 2020. Wir wissen, dass die Beiträge der Länder freiwillig sind. Aber es ist auch wichtig, dass wir zu dem stehen, was wir gesagt haben. Keiner dieser Beiträge darf im Laufe der Zeit abgeschwächt werden, sondern die Beiträge müssen verstärkt werden. Wir brauchen eine klare Transparenz, was die Messmethoden anbelangt, damit daraus Glaubwürdigkeit entsteht.

Sehr geehrte Damen und Herren, ambitioniert, umfassend, fair und verbindlich – so sollte und so muss ein globales Klimaabkommen sein. Das ist eine Frage der ökologischen Notwendigkeit und genauso der ökonomischen Vernunft. Das ist eine Frage der Generationengerechtigkeit. Das ist eine Frage der Menschlichkeit, ja, es ist eine Frage der Zukunft der Menschheit.

Deutschland wird seinen Beitrag leisten, damit wir in eine gute Zukunft blicken können. Milliarden Menschen setzen ihre Hoffnung auf die nächsten Tage in Paris. Lassen Sie uns alles tun, damit wir sie nicht enttäuschen.

Herzlichen Dank.