Rede von Bundeskanzlerin Merkel anlässlich des virtuellen Empfangs der Preisträgerinnen und Preisträger des 56. Bundeswettbewerbs "Jugend forscht" am 20. September 2021

Rede von Bundeskanzlerin Merkel anlässlich des virtuellen Empfangs der Preisträgerinnen und Preisträger des 56. Bundeswettbewerbs "Jugend forscht" am 20. September 2021

Montag, 20. September 2021

Lieber Herr Baszio,
meine Damen und Herren,
liebe Anja Karliczek,
liebe Preisträgerinnen und Preisträger von „Jugend forscht“,

vergangenes Jahr musste der Wettbewerb und damit auch der Empfang im Bundeskanzleramt pandemiebedingt ja leider vollkommen ausfallen. Umso mehr freut es mich, dass wir heute zumindest auf virtuellem Weg zusammenkommen. Denn „Jugend forscht“ kann ich mir aus meinem Terminkalender gar nicht wegdenken. Was ich hier an Kreativität und Ideenreichtum sehe, begeistert mich immer wieder aufs Neue.

In diesem Jahr kommt noch dazu, dass wir ein Jubiläum feiern können. Vor 50 Jahren stiftete der damalige Bundeskanzler Willy Brandt zum ersten Mal den Sonderpreis für die originellste Arbeit. Diese schöne Tradition habe ich gerne weitergeführt. Damals hatte die Teilnehmerzahl gerade erst die Tausendergrenze überschritten. Wenn man sich überlegt, dass sich zur diesjährigen Wettbewerbsrunde fast 9.000 Forschungstalente angemeldet haben, und zwar trotz Corona, dann sieht man, welche Entwicklung die Sache genommen hat. Dem Forscherdrang tat die Pandemie zum Glück also wenig Abbruch.

Ganz wichtig ist natürlich auch, dass rund 40 Prozent der Anmeldungen von Mädchen kommen. Das ist zwar noch immer nicht die Hälfte, aber der positive Langfristtrend der Zahl der Teilnehmerinnen lässt uns hoffen. Wir brauchen alle Talente in unserem Land. Wir brauchen sie, um den Klimawandel zu bekämpfen, um technologische Transformationen und digitale Revolutionen voranzutreiben. Und wir brauchen sie nicht zuletzt für Fortschritte im Gesundheitsbereich.

Gerade auch die Coronapandemie hat ja gezeigt, wie wichtig Wissenschaft und Forschung für uns alle sind. Dass in relativ kurzer Zeit wirksame Impfstoffe entwickelt werden konnten, ist eine Leistung, die nicht hoch genug geschätzt werden kann. Jetzt ist ja auch ein Buch über das Ehepaar Şahin/Türeci erschienen. Vielleicht hat manch einer von Euch und Ihnen Lust, darin einmal zu lesen, wie man Forschung mit Hochtempo machen kann.

Auf welchen Fachbereich auch immer wir blicken – es gibt also weit mehr als genügend Gründe dafür, dass die Bundesregierung Bildung, Wissenschaft und Forschung zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht hat. So haben wir, Staat und Wirtschaft gemeinsam, es in den letzten Jahren immer wieder geschafft, mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren. Im Jahr 2019 waren es 3,2 Prozent. Das klingt vielleicht nicht nach allzu viel, aber das entspricht fast 110 Milliarden Euro. Damit zählt Deutschland weltweit zur Spitzengruppe der innovationsstarken Länder. Wir wollen natürlich, dass das auch bleibt. Daher haben wir uns mit 3,5 Prozent sogar ein noch ehrgeizigeres Ziel gesetzt.

Wenn ich auf Sie als jungen Forschungsnachwuchs schaue, dann lässt mich das auch wirklich optimistisch in die Zukunft blicken. „Lass Zukunft da“ – so lautet ja auch das diesjährige Wettbewerbsmotto. Wie sich Zukunft erschließen lässt, haben Sie in zahlreichen Projekten aufgezeigt. Dabei geht es zum Beispiel um Medizintechnik und Künstliche Intelligenz, um Umwelttechnik oder erneuerbare Energien. Die Vielfalt und Detailschärfe Ihrer Arbeiten sind – das muss man sagen – beeindruckend. Sie sind hier heute mit dabei, weil Sie bei „Jugend forscht“ ausgezeichnet wurden – aber vor allem auch, weil Sie sich selbst mit großartigen Ideen ausgezeichnet haben. Deshalb möchte ich Ihnen allen sehr, sehr herzlich gratulieren.

„Jugend forscht“ wäre aber auch nicht möglich ohne das Mitwirken vieler Ehrenamtlicher – sei es in der Wettbewerbsleitung, in der Jury oder bei der Projektbetreuung in den Schulen. Deshalb an alle, die damit zu tun haben, ein großes Dankeschön. Die Umstellung auf Online-Formate war sicherlich eine besondere Herausforderung. Sie haben es aber geschafft, dass in diesem Jahr die Wettbewerbe in den Regionen und Ländern stattfinden konnten.

Als Bundeskanzlerin darf ich, wie gesagt, jedes Jahr einen Sonderpreis für die originellste Arbeit verleihen. Dieser Sonderpreis geht in diesem Jahr an Jakob Nolte aus Laubach in Hessen. Er hat die Flora in seiner Heimatregion kartiert, einer umfassenden Vergleichsanalyse unterzogen und dazu sogar botanische Literatur aus dem 19. Jahrhundert zu Rate gezogen. Der Titel seiner Arbeitsergebnisse lässt für die Entwicklung der heimischen Flora nicht viel Gutes erahnen. Er lautet: „Ausmaß des Rückganges von Vielfalt und Abundanz der Blütenpflanzen im Offenland“. Da klingt bereits Handlungsbedarf in Sachen Naturschutz an. Jedenfalls bin ich schon gespannt darauf, gleich Näheres darüber zu erfahren.

Vorher möchte ich Jakob Nolte aber noch sehr herzlich zu seiner Leistung und seiner Auszeichnung gratulieren. Das gilt natürlich auch für alle anderen Preisträgerinnen und Preisträger. Meine Bitte: Bleiben Sie alle weiterhin so findig und neugierig. Denn das macht sich nicht nur bei „Jugend forscht“ bezahlt, sondern ganz sicher auch später im Beruf. Und: Deutschland braucht Sie.

Herzlichen Dank.

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