Rede der Kulturstaatsministerin Grütters anlässlich des Produzententages zur 68. Berlinale

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Im Wortlaut Rede der Kulturstaatsministerin Grütters anlässlich des Produzententages zur 68. Berlinale

Auf dem Produzententag zur Berlinale hat Kulturstaatsministerin Grütters der Branche auch weiterhin Hilfe in Aussicht gestellt, damit der Film- und Medienstandort Deutschland wettbewerbsfähig bleibt. Bei aller erfreulichen filmpolitischen Entwicklung sei die Erfolgsgeschichte der Fonds nicht ständig fortzuschreiben, betonte Grüters. "Insbesondere die Produzentenallianz muss für die gesellschaftliche Akzeptanz der Förderung immer wieder werben."

Donnerstag, 15. Februar 2018 in Berlin

"Es wird nach einem happy end / im Film jewöhnlich abjeblendt.“ So beginnt ein wunderbares Gedicht mit dem Titel "Danach", in dem Kurt Tucholsky in schnoddriger Berliner Schnauze die klassische Liebesgeschichte aus dem Kino weitererzählt: Auf ein glorreiches Happy End folgt der graue Ehealltag. "Und darum wird beim happy end / im Film jewöhnlich abjeblendt." Zumindest, was politische Ehen – oder sagen wir besser: politische Lebensabschnittspartnerschaften - betrifft, wird nach dem Happy End aber gewöhnlich nicht abgeblendet, ganz im Gegenteil. Nach dem späten Happy End der Koalitionsverhandlungen erwarten Medien und Öffentlichkeit gespannt den Beginn des Beziehungsalltags, und nicht nur die Produzentenallianz fragt, wie es nun weiter geht, wenn die Verbindung zwischen Union und SPD denn, in Gottes Namen, auch den Segen der SPD-Mitglieder bekommt....

Im Internetsprech gibt es für einen derartigen Beziehungsstatus eine prägnante Beschreibung: "Es ist kompliziert." Eben das schränkt mich in meinem Vortrag zu "aktuellen filmpolitischen Entwicklungen", mit dem ich in Ihrem Tagungsprogramm angekündigt bin, natürlich etwas ein. Ich kann Ihnen, solange ich nur geschäftsführend im Amt und nicht für eine zweite Amtsperiode ernannt bin, leider keinen über den Koalitionsvertrag hinausgehenden, detaillierten Ausblick auf die Filmpolitik der kommenden Jahre geben. In Aussicht stellen kann ich aber schon jetzt, dass wir "die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Film- und Medienstandortes Deutschland in seiner thematischen und regionalen Vielfalt nachhaltig sicherstellen" und "die kulturelle und wirtschaftliche Filmförderung mindestens auf dem aktuellen Niveau fortsetzen“ wollen. So steht es wortwörtlich im Koalitionsvertrag, konkretisiert durch die Ankündigung, die bestehenden Förderinstrumente - ich zitiere weiter - "besser aufeinander ab(zu)stimmen" und "eine umfassende Förderung audiovisueller Inhalte (Kino, Serien, High-End-TV, VFX, Animation, Virtual Reality) ein(zu)führen". Für die damit avisierte, weitere Stärkung der deutschen Film- und Medienwirtschaft und des Produktionsstandortes Deutschland habe ich mich in den Verhandlungen stark gemacht.

Als ich vor einem Jahr hier bei Ihnen zu Gast war, konnte ich eine beachtliche Aufstockung der Fördermittel ankündigen. Heute kann ich sagen, dass der DFFF 2018 wahrscheinlich so gut gefüllt sein wird wie nie zuvor -  aller Voraussicht mit 125 Millionen Euro. Hinzu kommt der massive Aufwuchs, den ich 2016 für die kulturelle Filmförderung erreichen konnte. Sie liegt mir - wie Sie wissen - als filmpolitische Ermutigung zum Experiment besonders am Herzen. Rechnet man alle Fördermaßnahmen zusammen, stehen jährlich rund 150 Millionen Euro allein für die Produktionsförderung bei der BKM zur Verfügung. Damit ist Deutschland im internationalen Standortwettbewerb ganz vorne mit dabei. Der DFFF hat entscheidend zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Filmstandorts Deutschland beigetragen. Seit seinem Start in 2007 bis Ende Dezember 2017 wurden 1.187 Filme mit rund 651 Millionen Euro gefördert. Allein in Deutschland sorgten diese Fördergelder für Folgeinvestitionen in Höhe von rund 3,8 Milliarden Euro. Die Erweiterung des DFFF, die ich 2017 gemeinsam mit dem damaligen Bundesfinanzminister Schäuble erreicht habe, macht den Filmstandort Deutschland noch attraktiver und soll der deutschen Filmbranche mehr große nationale und internationale Aufträge bescheren - nicht zuletzt, damit unsere hervorragend ausgebildeten Filmkünstler in Deutschland eine Zukunft haben und ihre Kreativität der Filmkunst "made in Germany" widmen, wie wir sie auf der diesjährigen Berlinale mit gleich vier deutschen Filmen im Wettbewerb (alle vier von der BKM gefördert!) in Top-Form erleben. Außerdem haben wir den DFFF I damit um konkurrierende Großproduktionen entlastet, so dass wir weiterhin auch kleine und mittlere Produktions-unternehmen bedienen können. Die erste DFFF II-Produktion haben wir übrigens bereits 2017 gefördert. Das möchten wir 2018 fortsetzen, und ich kann Ihnen versichern: Trotz der langwierigen Regierungsbildung und der aktuell immer noch vorläufigen Haushaltsführung können Anträge gestellt und sukzessive bewilligt werden. 

Erlauben Sie mir - über die aktuellen filmpolitischen Entwicklungen hinaus - in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung zu den aktuellen filmpolitischen Forderungen in der Pressemitteilung der Produzentenallianz zu den Koalitionsverhandlungen Ende Januar: Auch in der Erfolgsgeschichte des DFFF ist ein "Happy End" keine jederzeit wiederholbare Selbstverständlichkeit. Wenn eine Branche derart massiv mit Steuergeld unterstützt wird wie die Filmbranche, dann ist das alles andere als ein Selbstläufer. Um die politische, aber auch gesellschaftliche Akzeptanz dieser Förderung müssen wir immer wieder werben, und mit "wir" meine ich nicht nur die Politik, sondern auch Sie, verehrte Produzentinnen und Produzenten, und insbesondere die Produzentenallianz, lieber Herr Thies. Bei aller Aufgeschlossenheit für Ihre Belange: Ob es im Hinblick auf Vertrauen und Akzeptanz sonderlich hilfreich ist, unmittelbar nach den Gesprächen zum DFFF II via Pressemitteilung erneut das Lied des Untergangs der deutschen Filmwirtschaft anzustimmen, sollte die Förderung nicht auf 35% des German Spend aufgestockt werden, wage ich zu bezweifeln – zumal durch die Kumulation mit Länderförderung, FFA-Förderung und ggf. der kulturellen Filmförderung häufig Förderquoten von 40% und mehr erreicht werden. Da wünscht man sich dann doch ein wenig mehr "kurt-tucholsky-hafte" Zurückhaltung in der Lautstärke Ihrer Lobbyarbeit - nach dem Motto: "Es wird nach einem happy end / im Film jewöhnlich abjeblendt" ...

Ich kann Ihnen aber auf jeden Fall versprechen, dass es auch nach dem "Happy End" des vergangenen Jahres mit guten Nachrichten weitergeht, nämlich mit weiteren Verbesserungen des DFFF II. Wir beabsichtigen insbesondere, in beschränktem Umfang Auslandsdreharbeiten als zuwendungsfähig anzuerkennen und die Einstiegsschwelle für deutsche Herstellungskosten für animierte Filme zu senken. Gerade letzteres ist allerdings nicht ganz leicht, denn die EU-Kommission muss davon erst noch überzeugt werden. Ich bin aber optimistisch, dass wir die Zustimmung für eine Lösung bekommen, um den Produktionsstandort Deutschland nachhaltig und dauerhaft international wettbewerbsfähig zu halten. Um auch den nichtstaatlichen Teil der Finanzierung zu sichern, werde ich mich außerdem, sollte ich im Amt bleiben, auf europäischer Ebene weiterhin mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die territoriale Vergabe von Lizenzen und ein hohes Niveau beim Urheberrechtsschutz im digitalen Binnenmarkt bestehen bleiben.

Auf dem filmpolitischen "Schirm" haben wir natürlich auch die Entwicklungen des digitalen Zeitalters mit seinen neuen Erzählformen und -möglichkeiten. Spätestens seit große und international anerkannte deutschsprachige Regisseure und Autoren damit Zuschauer- oder Festivalerfolge feiern, sind solche neuen Formate, sind Serien, auch kulturpolitisch relevant. Ein filmwirtschaftlicher Flickenteppich wird uns in diesem Bereich aber nicht weiterbringen. Denn damit bleibt auch die Förderung Flickwerk. Für eine nachhaltige Förderung brauchen wir eine kohärente Strategie. Im Koalitionsvertrag haben wir uns deshalb, wie eingangs schon erwähnt, deutlich positioniert: Wir wollen die bestehenden Förderinstrumente mindestens auf ihrem aktuell hohen Niveau fortführen und die Serienförderung (Stichwort GMPF) ausbauen. Dabei wollen wir einen kohärenten Ansatz verfolgen. Eine umfassende Förderung audiovisueller Inhalte - also auch von Serien und High End TV - und die bestehenden Förderinstrumente sollen besser aufeinander abgestimmt, im Idealfall also zusammengeführt werden. Nicht zuletzt erleichtert eine Filmförderung aus einer Hand auch den bedarfsgerechten Einsatz der Haushaltsmittel. Und um es ganz klar zu sagen: Die Zuständigkeit innerhalb der Bundesregierung für diese ambitionierten medienpolitischen und filmwirtschaftlichen Fragen liegt bei der BKM.

Klarstellen will ich in diesem Zusammenhang aber auch: Das Engagement der BKM für die wunderbaren Kinos und die große Leinwand bleibt davon unberührt. Kulturstätten sind gerade in sehr kleinen Städten dünn gesät, und vielfach ist das Kino der einzige Ort, der Menschen aus ihren digitalen Echokammern und Filterblasen holt und zum Perspektivenwechsel anregt. Filmtheater, die Kino als Gemeinschaftserlebnis, als sinnlichere Alternative zum einsamen Serienkonsum auf der heimischen Couch attraktiv machen, die filmbegleitende Veranstaltungen anbieten, die sich in der Kinder- und Jugendarbeit engagieren, sich für das Filmerbe einsetzen und den "Perlen" einer vielfältigen Filmkunst landauf landab ein Publikum verschaffen - solche Filmtheater stärken die Fähigkeit einer Gesellschaft zur Reflexion und Verständigung - und damit gewissermaßen auch die gesellschaftliche Immunabwehr gegen populistische Vereinfacher. Deshalb wollen wir - auch hier zitiere ich gern noch einmal den Koalitionsvertrag - "den Kulturort Kino auch außerhalb von Ballungsgebieten durch ein kofinanziertes ,Zukunftsprogramm Kino‘ stärken und erhalten."

Zum Schluss, meine Damen und Herren, noch ein Wort zur aktuellen Debatte über sexuelle Belästigung und Gewalt in der Filmbranche, aber auch in anderen Kultursparten. Was da in den vergangenen Wochen und Monaten ans Licht kam – die schweren Fälle von Machtmissbrauch und Demütigungen einerseits, die Mischung aus (verständlicher) Scham der Opfer und nicht entschuldbarem Schweigen der teilweise vorhandenen Mitwisser andererseits -, was da Erschütterndes ans Licht kam, erlaubt kein Weiter so nach dem Motto "The Show must go on." Die Einrichtung einer solchen Anlaufstelle, an die Betroffene sich vertrauensvoll wenden können, ist das Mindeste, was Opfer sexueller Gewalt oder Belästigung in der Film- und Kulturbranche erwarten dürfen! Ich bin deshalb gerne bereit, dabei zu helfen, eine zentrale und unabhängige Anlaufstelle nicht nur für den Filmbereich, sondern für den gesamten Kulturbereich zu etablieren. Konkret: Ich werde die Aufbauphase einer solchen Anlaufstelle kurzfristig bereits mit bis zu 100.000 Euro aus meinem Etat finanzieren und damit quasi in Vorleistung gehen. Ich sehe hier aber ganz klar auch und vor allem die Filmwirtschaft in der Pflicht und Verantwortung. Die Mittel aus meinem Etat sind als Impuls gedacht, damit möglichst schnell ein Hilfsangebot für Betroffene im Kulturbereich entsteht. Langfristig aber stehen die Arbeitgeber in der Pflicht - gesetzlich, im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht, aber auch moralisch. Sie haben primär dafür Sorge zu tragen, dass Opfer sexueller Belästigung schnell und unkompliziert Hilfe bekommen. Die ARD hat vergangene Woche nach Gesprächen zwischen dem ARD-Vorsitzenden Ulrich Wilhelm und mir ebenfalls finanzielle Unterstützung zugesagt, und ich erwarte, dass sich auch die Produzentenallianz und die FFA an der Finanzierung der Anlaufstelle beteiligen. Es liegt ja in unser aller Interesse, dafür zu sorgen, dass das völlig inakzeptable Verhalten einzelner nicht eine ganze Branche in Verruf bringt.

All die Filmschaffenden, die ihren Karriereweg mit Anstand und Integrität bestreiten, verdienen es, dass ihre Erfolge ungetrübt glänzen, wenn vom deutschen Film die Rede ist - gerade nach einem Filmjahr wie 2017, in dem der Marktanteil des deutschen Films in Deutschland (vor allem dank Kassenschlagern wie "Fack ju Göhte 3") erfreulicherweise gestiegen ist und in dem es auch international viel Anerkennung gab: zum Beispiel für "Aus dem Nichts" von Fatih Akin oder für "Western" von Valeska Griesebach. Und mit vier deutschen Wettbewerbsbeiträgen und insgesamt 82 deutschen bzw. deutsch-koproduzierten Filmen lässt die Berlinale auch auf ein glänzendes Filmjahr 2018 hoffen. Sicherlich wird auch hier der eine oder andere Beitrag Kurt Tucholsky recht geben: "Es wird nach einem happy end / im Film jewöhnlich abjeblendt".

Für die erfolgreiche Entwicklung des deutschen Films insgesamt ist allerdings weit und breit kein "Happy End" in Sicht (mal abgesehen von Michael Hanekes "Happy End", einer französisch-deutsch-österreichischen Koproduktion, die gerade im Kino zu sehen war). Das macht aber nichts, denn es gibt etwas, was noch viel besser ist, als ein Filmerfolg mit "Happy End": Filmerfolge ohne Ende. Im Vertrauen auf die unerschöpfliche Fantasie der Filmschaffenden, auf den unternehmerischen Mut der Filmwirtschaft und auf die Verlässlichkeit der Filmförderung ist das eine durchaus realistische Zukunftsprognose! Sie können sich jedenfalls darauf verlassen, meine Damen und Herren, dass die BKM für Filmerfolge ohne Ende auch weiterhin fest an der Seite der deutschen Filmbranche steht! In diesem Sinne: Auf die 68. Berlinale und auf ein erfolgreiches Jahr für den deutschen Film!