Pressestatements von Bundeskanzler Scholz, der DGB-Vorsitzenden Fahimi und dem BDA-Präsidenten Dulger zur Konzertierten Aktion am 15. September 2022

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BK Scholz: Einen guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute Themen besprochen, die uns alle umtreiben. Viele sorgen sich wegen der stark steigenden Preise. Viele spüren die Inflation beim Einkaufen im Supermarkt, an der Tankstelle, bei der Heizkostenabrechnung. Auch die Betriebe geraten wegen hoher Energiekosten immer mehr unter Druck.

Mir ist wichtig, es noch einmal deutlich zu sagen: Die Bundesregierung lässt niemand mit der Last allein. You’ll never walk alone. Dieses Versprechen gilt.

Wir tun das mit Entlastungspaketen, die jetzt beschlossen sind, alles in allem 95 Milliarden Euro. Wir setzen also viel Geld ein, um für eine Entlastung bei den Bürgerinnen und Bürgern, bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber eben auch bei der deutschen Wirtschaft zu sorgen. Das zeigt, wie entschlossen und schnell die Bundesregierung die notwendigen Entscheidungen trifft, um die Last der hohen Preise zu lindern. Die Maßnahmen helfen insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern, die es am dringendsten brauchen. Sie helfen auch den Unternehmen, damit die Arbeitsplätze sicher bleiben.

Um gute Maßnahmen zu entwickeln, sind der Austausch und die Abstimmung mit den Tarifpartnern, der Wissenschaft und der Geldpolitik wichtig. Deshalb habe ich die Konzertierte Aktion ins Leben gerufen. Heute fand bereits die zweite Sitzung statt. Wir haben über die jüngsten Maßnahmen der Bundesregierung und über weitere Maßnahmen diskutiert, die ebenfalls helfen können.

Ich habe den Tarifpartnern das Angebot unterbreitet, zusätzliche Zahlungen bis zu 3000 Euro von Steuern und Abgaben zu befreien, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer solchen Zahlung besser durch die Krise kommen können. Das ist ein Angebot. Natürlich werden Tarifverhandlungen nicht im Kanzleramt geführt. Zusätzliche Zahlungen müssen nicht in Anspruch genommen werden. Trotzdem ist es eine große Hilfe, wenn das überall in Deutschland und an vielen Stellen stattfindet. Ich bin mir aber sicher, dass sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer freuen werden, wenn sie zusätzlich zum vereinbarten Lohn eine steuer- und abgabenfreie Zahlung erhalten.

Alle Teilnehmer haben über ihre Sorgen wegen der hohen Energiepreise gesprochen. Für manche Betriebe ‑ das wissen wir ‑ ist die aktuelle Situation brenzlig, manchmal sogar existenzgefährdend. Wir nehmen das sehr ernst und arbeiten deshalb ganz intensiv daran, einen Teil der gestiegenen Energiekosten über Förderprogramme ersetzen zu können.

Aber natürlich geht es zuallererst darum, was alles wir tun können, um die Preise überhaupt zu senken. Dazu zählen die Beschlüsse, die wir gefasst haben, damit der Strommarkt nicht so weiterläuft, wie es gegenwärtig der Fall ist. Sie wissen, dass wir vorschlagen, eine Erlösobergrenze für Unternehmen einzuführen, die Strom nicht mit Gas, sondern mit Windenergie, Solarenergie, Biomasse, Wasserkraft, Kohlekraft oder der Nutzung von Atomkraftwerken produzieren, und die darüber hinausgehenden Erlöse abzuschöpfen, um sie für eine Verbilligung des Strompreises, der Netzentgelte, aber auch eine Strompreisbremse einzusetzen. Dieser Vorschlag ist auch deshalb sehr schnell umsetzbar, weil die Vorschläge der Europäischen Kommission ziemlich identisch mit dem sind, was wir in Deutschland entwickelt haben. Darüber freuen wir uns sehr. Das bedeutet auch, dass das jetzt schnell realistisch wird.

Die Bundesregierung hat auch gesagt, dass sie sich mit der Frage der Wärmekosten und der Gaspreise auseinandersetzen wird. Wir wollen eine Expertenkommission einsetzen, die sehr schnell, schon im Oktober, Ergebnisse erzielt. Dafür haben wir Vertreter von Unternehmen aus den Branchen gebeten, dabei mitzuarbeiten. Wir haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gebeten, das zu tun. Wir sorgen dafür, dass alle, die in diesem Bereich etwas beizutragen haben, das tun können. Aber wir wollten unbedingt auch erreichen, dass Vertreter der Konzertierten Aktion mit dabei sind. Deshalb werden wir vier Vertreter dabeihaben. Frau Grimm, Herr Vassiliadis und Herr Russwurm werden diese Kommission als Vorsitzende leiten. Das ist für uns ein guter Beitrag dazu, dass wir in der Tradition der Sozialpartnerschaft eine der ganz drängenden Aufgaben miteinander besprechen, dass wir genügende, intensive Expertise haben, um dazu beizutragen, dass die Preise wieder sinken können, und wie wir es auch schaffen können, diejenigen, die mit den Preisen nicht umgehen können, seien es Unternehmen, seien es Bürgerinnen und Bürger, zu unterstützen. Also: eine große Herausforderung.

Ich bin sehr froh darüber, dass die Tradition der Sozialpartnerschaft in Deutschland uns schon durch viele Krisen geführt hat. Ich bin sicher, das wird wieder der Fall sein. Deshalb ist es gut, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Unternehmen an einem Strang ziehen. Es ist die richtige Weise, um auf solche Herausforderungen zu reagieren, wie wir sie heute sehen.

Eins ist klar: Wir werden es schaffen, die Herausforderungen, die zum Beispiel mit teureren Energiepreisen und mit den fehlen Flüssen von Gas aus Russland verbunden sind, zu bewältigen. Wir werden durch diesen Winter kommen. Wir haben die technischen Fragen bereits in Angriff genommen durch all die Entscheidungen, die wir getroffen haben ‑ mit dem Bau von Terminals, mit dem Ausbau der Energieimporte, der Gasimporte über die westeuropäischen Häfen, mit zusätzlichen Gasimporten aus Norwegen und den Niederlanden, mit den Möglichkeiten, die sich durch die Gasspeicherung ergeben, mit der Nutzung von Braunkohlekraftwerken und der Nuklearenergie. Wir werden aber auch das Preisproblem in den Griff bekommen und das gemeinsam angehen. Das ist eines der Ergebnisse dieser Sitzung.

Im Übrigen werden wir uns weiter beraten. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung unseres heutigen Gesprächs im November.

Fahimi: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Herr Dulger, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe es schon an anderer Stelle gesagt: Die bisherigen großen Anstrengungen der Bundesregierung sind in der Tat auch sehr in der Breite dokumentiert. Wir haben uns heute auch noch einmal damit befasst, was das dritte Entlastungspaket alles beinhaltet. Uns ist heute aber miteinander klar geworden, dass wir ein hohes Tempo bei der Ergebnisumsetzung und dem Finden der Lösungen brauchen, die das dritte Entlastungspaket jetzt konkret machen müssen.

Die Dynamik der Probleme und Herausforderungen überholt uns quasi von Woche zu Woche. Deswegen ist es wichtig, dass jetzt schnell Entscheidungen getroffen werden, die nach Möglichkeit noch in diesem Jahr entsprechende Entlastungen schaffen. Denn es muss uns in der ersten Etappe vor allem erst einmal gelingen, ohne größere Blessuren in das nächste Frühjahr zu kommen. Die Rezessionsgefahr, die diskutierten Pleitenwellen, die drohenden Strukturbrüche in der Industrie: Das alles kann nicht nur wirtschaftlichen Schaden mit Beschäftigungsverlusten in Deutschland bedeuten, sondern auch ‑ was wir ja gerade nicht wollen ‑ eine gestiegene Abhängigkeit. Deswegen gilt es in vielerlei Hinsicht, all dies zu verhindern.

Das Hauptproblem ist und bleibt die hohe Inflation, und die ist am Ende des Tages vor allem energiepreisgetrieben. Die beste Bekämpfung ist also, die Energiepreise zu drücken, und das ist mit Blick auf den Strommarkt an vielen Stellen schon konkretisiert worden ‑ sowohl in den Entscheidungen der Bundesregierung wie auch gestern mit der Verkündung der Pläne der EU-Kommission, die sich ja in dieser Hinsicht durchaus decken.

Wir, die Gewerkschaften, sind der Auffassung, dass wir in diesem Jahr weitere kurzfristige Maßnahmen mit Blick auf die Kaufkraftstabilisierung brauchen. Das bezieht sich zum einen auf das Angebot, die Aufforderung der Bundesregierung, zusätzliche Zahlungen von bis zu 3000 Euro steuerfrei zu ermöglichen, die für die Beschäftigten eine Entlastung bringen sollen ‑ zusätzlich zu laufenden Tarifverhandlungen bzw. zu eben auch nicht stattfindenden Tarifverhandlungen. Dazu werden wir mit den Arbeitgebern ins Gespräch kommen und praxisgerechte Lösungen finden.

Es muss aber aus unserer Sicht auch eine weitere politische Flankierung durch eine zweite Energiepreispauschale ‑ das haben wir schon an anderer Stelle thematisiert ‑ über 500 Euro plus 100 Euro pro Kind geben. An dieser Stelle bedarf es aus unserer Sicht dann sicherlich noch weiterer Gespräche.

Mit Blick auf den noch ausstehenden Eingriff in den Wärmemarkt ist schon auf die Expertenkommission hingewiesen worden. Wir begrüßen das. Wir begrüßen vor allem den Plan, hier bis Ende Oktober Ergebnisse vorzulegen. Ich will an dieser Stelle trotzdem noch einmal nachdrücklich sagen: Ja, es geht um den gesamten Wärmemarkt; es geht insbesondere aber natürlich auch um die Frage der Gaspreise, die mit Blick auf die Privathaushalte wie aber auch auf die Wirtschaft dringend in irgendeiner Art und Weise einer Deckelung bzw. entsprechender Energiekostenzuschüsse bedürfen.

Diese Hilfen und Schutzschirme auch für die Wirtschaft sind ‑ so ist uns mitgeteilt worden ‑ in der Bundesregierung gerade noch in konkreterer Planung. Ich will an dieser Stelle aber auch noch einmal unterstreichen, dass wir mit Blick auf die gesamte Wirtschaft einen entsprechenden Handlungsbedarf sehen, vor allem natürlich auch mit Blick darauf, dass energieintensive Industrien, die in wirtschaftliche Notlage geraten, dringend aufgefangen werden müssen, dass es gegebenenfalls sinnvoll ist, mit Blick auf mögliche Insolvenzen auch noch einmal sicherzustellen, dass vor allem auch noch einmal im Sinne eines Fortführungsziels und nicht eines Abwicklungsziels unterstützt wird, und dass wir aber auch einen Schutzschirm für die Non-Profit-Bereiche unserer Gesellschaft brauchen. Ich glaube, man muss das nicht näher ausführen, wenn man an die Schwierigkeiten denkt, die gerade in diesem Bereich viele Betriebe während der Coronapandemie hatten.

Zuletzt freue ich mich darüber, dass uns auch der Arbeits- und Sozialminister eingeladen hat, jetzt noch einmal die konkreten Anpassungen des Kurzarbeitergeldes für diese aktuelle Situation genauer auszuformulieren. Klar ist: Insgesamt müssen die Bemühungen mit großem Tempo weitergehen. Klar ist: Politische Eingriffe auch für langfristige Preisgestaltungen im Energiemarkt und speziell im Wärmemarkt sind das A und O in den nächsten Wochen. Ich freue mich auf weitere Ergebnisse der Arbeit der Expertenkommission Ende Oktober.

Dulger: Meine Damen und Herren, wir hatten heute ein gutes Gespräch mit dem Bundeskanzler. Der Austausch war von der Einigkeit getragen, dass wir in der jetzigen Situation nur gemeinsam handeln können. Die Sorge in den Betrieben, und damit meine ich Arbeitgeber und Beschäftigte, ist groß. Die Inflation trifft die Menschen und die Unternehmen gleichermaßen. Wir müssen die Inflationstreiber ‑ insbesondere die Energiekosten ‑ schnell in den Griff bekommen. Gleichzeitig brauchen wir in der aktuellen Situation Entlastungen. Wir freuen uns daher, dass durch den Abbau der kalten Progression mehr Netto vom Brutto bei den Beschäftigten ankommen wird.

Wir begrüßen auch die Bereitschaft der Bundesregierung, Einmalzahlungen der Arbeitgeber an ihre Beschäftigten frei von Steuern und Abgaben zu stellen. Auch dadurch kommt mehr Geld in den Geldbeuteln der Beschäftigten an. Mir ist jedoch wichtig festzuhalten, dass nicht alle Unternehmen diese Einmalzahlungen leisten können. Viele Betriebe stehen gerade am wirtschaftlichen Abgrund. Manche Betriebe werden das nicht am ersten Tag und auch nicht in voller Höhe leisten können. Es ist daher richtig, dass wir diese Einmalzahlungen als freiwilliges und flexibles Instrument ausgestalten.

Wir haben aber heute nicht nur darüber geredet, wie wir Härten für die Menschen und Betriebe abfedern können. Wir müssen auch die Ursachen der Inflation adressieren. Die Energiekosten sind hierfür der zentrale Hebel; meine Vorredner haben es eben schon ausgeführt. Wir müssen kurzfristig das Energieangebot verbreitern, wir müssen Kohlekraftwerke aus der Reserve holen, wir müssen mit den Kernkraftwerken in den Streckbetrieb, wir müssen das Design des Strommarktes anpassen, und wir müssen aufhören, aus Gas Strom zu produzieren. Jeder Beitrag für niedrigere Energiekosten ist ein Beitrag für eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft und einen stabilen Arbeitsmarkt. Jeder Tag, den wir hierbei schneller vorankommen, ist ein guter Tag für die Betriebe und ihre Belegschaften.

Die Bundesregierung hat bereits vieles auf den Weg gebracht. Wir freuen uns über die Zusage des Bundeskanzlers, dass es hier kurzfristig noch mehr und noch konkretere Lösungen geben wird. Uns ist bewusst, dass wir uns dabei zeitweise auch von marktwirtschaftlichen Ansätzen trennen. Aber in der jetzigen Situation müssen wir das Notwendige und Mögliche tun, damit das Land weiter stabil bleibt. – Vielen Dank.

BK Scholz: Schönen Dank!