Im Wortlaut
Themen
- Kabinettssitzung
- Gesetzentwurf zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts
- Änderungen im Ausweisungsrecht
- Bericht der Bundesregierung zu einer Evaluierung der laufenden, mandatierten Auslandseinsätze der Bundeswehr
- Realisierungsentwurf für ein Deutsch-Polnisches Haus in Berlin
- Anpassung der Reise- und Sicherheitshinweise für Kenia
- Freilassung von Julian Assange
- Medienbericht über eine angeblich geplante Streichung von Zugverbindungen
- Entflechtung von Netz und Erzeugung auf dem Fernwärmemarkt
- EEG-Konto
- Forderungen nach einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts
- Bürgerkrieg im Sudan
- Parlamentswahl in Frankreich
- Debatte über Abschiebungen aus Deutschland nach Afghanistan
- Nahostkonflikt
38 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Mittwoch, 26. Juni 2024
Sprecherinnen und Sprecher
- Staatssekretär Hebestreit
- Kall (BMI)
- Hosemann (BMJ)
- Fischer (AA)
- Haufe (BMWK)
- Alexandrin (BMDV)
- Nimindé-Dundadengar (BMF)
- Scharf (BMUV)
(Vorsitzender Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)
StS Hebestreit
Das Kabinett hat heute einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts beschlossen. Damit stärkt die Bundesregierung die Attraktivität Deutschlands als Austragungsort für bedeutende nationale und internationale Schiedsverfahren. Formfreiheit, Videoverhandlungen und Verfahren auf Englisch - so will die Regierung das Schiedsverfahrensrecht an die Bedürfnisse der heutigen Zeit anpassen. Das ist wichtig; denn Unternehmen legen ihre Streitigkeiten immer öfter vor privaten Schiedsgerichten bei.
Bei der Vereinbarung solcher Schiedsklauseln haben Unternehmen künftig mehr Freiheit: Die Schiedsvereinbarungen können nun formlos geschlossen werden. Nur Vereinbarungen, an denen Verbraucherinnen und Verbraucher beteiligt sind, sollen zu deren Schutz weiterhin einem Formerfordernis unterliegen. Die Schiedsvereinbarung musste bisher entweder von beiden Parteien auf einem Dokument unterzeichnet werden oder zumindest in einer Form dokumentiert werden, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellt.
Die meisten Schiedsverfahren werden in englischer Sprache geführt. Landet ein solches Verfahren später bei einem ordentlichen staatlichen Gericht, sollen daher künftig auch Dokumente in englischer Sprache berücksichtigt werden können. Dadurch werden Gerichtsverfahren effizienter und die Parteien sparen Kosten für Übersetzungen.
Schiedssprüche sollen zudem einfacher veröffentlicht werden. Bisher müssen die Parteien vorher zustimmen. Künftig soll ihre Zustimmung als erteilt gelten, wenn sie der Veröffentlichung des Schiedsspruchs nicht innerhalb von drei Monaten widersprechen.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am 6. Juni 2024 klare Konsequenzen für Personen benannt, die hier bei uns Schutz suchen, aber schwerste Straftaten begehen. Der Kanzler hat ausgeführt, dass er nicht länger dulden wird, wenn terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden; denn das sei nicht Weniger als ein Schlag ins Gesicht der Opfer, ihrer Angehörigen und unserer demokratischen Grundordnung. Deshalb sollen die Ausweisungsregelungen so verschärft werden, dass aus der Billigung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgt. Die Länder haben diese Ankündigung sehr begrüßt. Die entsprechenden gesetzlichen Verschärfungen im Ausweisungsrecht sind heute von der Bundesregierung beschlossen worden.
Die Bundesregierung hat auch erstmalig alle laufenden, mandatierten Auslandseinsätze der Bundeswehr gemeinsam evaluiert. Heute wurde der dazugehörige Bericht im Kabinett beschlossen. Auslandseinsätze der Bundeswehr sind seit Jahrzehnten ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik und damit ein wichtiger Beitrag zu Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Welt. Dies gilt auch im Lichte der aktuellen geopolitischen Herausforderungen und der Ausrichtung unserer Streitkräfte auf ihren Kernauftrag, einer zeitgemäßen Landes- und Bündnisverteidigung.
In dem Bericht wurden sieben Auslandseinsätze im multinationalen Kontext, also im Rahmen der Nato, der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen, im Zeitraum von Januar 2022 bis Dezember 2023 genau betrachtet. Die Evaluierung zeigt, dass diese Einsätze relevante Beiträge zu den multinationalen Gesamteinsätzen leisten und zur Sicherheit Deutschlands beitragen. Deutschland wird als verlässlicher Alliierter und Partner geschätzt.
Der Bericht ergänzt damit die regelmäßigen Überprüfungen der Einsätze im Zuge des Mandatierungsprozesses. Er ist ein Beitrag für die weitere politische Diskussion zur künftigen Ausgestaltung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr.
Das Bundeskabinett hat heute den von Kulturstaatsministerin Claudia Roth vorgelegten Realisierungsentwurf für ein Deutsch-Polnisches Haus in Berlin beschlossen. Das Vorhaben ist eines der bedeutsamsten erinnerungspolitischen Projekte unseres Landes. Das Projekt dient auch der Stärkung und Vertiefung der deutsch-polnischen Beziehungen. Es soll Verständigung zwischen Deutschland und Polen durch Gedenken, historisches Wissen und Begegnung schaffen.
Ein wesentliches Anliegen dieses Deutsch-Polnischen Hauses ist es, einen öffentlich zugänglichen Gedenkort zu schaffen, an dem der Opfer der Besatzungsherrschaft des nationalsozialistischen Deutschlands in Polen im Zweiten Weltkrieg gedacht werden kann. Immerhin sind mehr als fünf Millionen polnische Staatsbürger im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen. Daraus erwächst bis heute eine besondere Verantwortung Deutschlands in seinen Beziehungen zu Polen wie auch für ein starkes, demokratisches Europa.
Das Deutsch-Polnische Haus soll mit Dauer- und Wechselausstellungen das Verstehen der deutsch-polnischen Geschichte ermöglichen und ein lebendiger Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit Deutschland und Polen im Herzen der Hauptstadt, also in Berlin, werden und das Erinnern für die Zukunft voranbringen.
So weit mein Bericht aus der Kabinettssitzung von heute Vormittag!
Frage
Herr Hebestreit, Sie haben eben ja schon zusammengefasst: Die Bundesregierung plant, Ausländer, die terroristische Straftaten verherrlichen, schneller auszuweisen, auch ohne Gerichtsurteil. Bereits ein einzelner Kommentar im Internet könne zu solch einer Ausweisung führen, so Nancy Faeser. - Herr Kall oder auch Herr Hebestreit, können Sie ein Beispiel für einen solchen Kommentar nennen, der terrorverherrlichend wäre und dann zu einer solchen Ausweisung führen würde? Wie wird abgesteckt und wie ist da gerade der Prozess, welche Kommentare im Internet als terrorverherrlichend gelten und welche nicht?
Kall (BMI)
Dabei geht es um die strafbare Hasskriminalität. Selbstverständlich steht der Rechtsweg gegen eine Ausweisungsentscheidung offen. Wenn eine Ausländerbehörde entscheidet, dass ein Ausländer ausgewiesen werden soll, kann man sich selbstverständlich vor Verwaltungsgerichten dagegen wehren. Dann wird das rechtlich überprüft. So ist das im Rechtsstaat. Es ist mitnichten so, dass es da sozusagen keine rechtlichen Möglichkeiten für die Betroffenen gäbe. Aber es stimmt: Eine strafgerichtliche Verurteilung ist etwas anderes. Die Strafverfolgung findet dann parallel statt.
Aber es geht um strafbare Hasskriminalität. Das sind beispielsweise Videos, mit denen der Terror der Hamas nach dem 7. Oktober 2023 massiv verherrlicht worden ist. Das sind Äußerungen in Kommentaren, mit denen der Mord an dem Polizeibeamten Rouven Lauer in Mannheim verherrlicht, begrüßt und gefeiert worden ist. Strafrechtlich ist das die sogenannte Billigung von Straftaten, also das Begrüßen und Verherrlichen solcher Taten. Wenn Täter keinen deutschen Pass haben, sollen sie eben künftig ausgewiesen werden. Da haben wir primär Islamisten, sozusagen islamistische Propagandisten, im Blick. Das hat es nach dem 7. Oktober ganz massiv gegeben. Das Bundeskriminalamt ist da ganz massiv gegen Hasskriminalität vorgegangen. Seit dem 7. Oktober sind über 10 000 Hassinhalte auf Betreiben des Bundeskriminalamts gelöscht worden. Ich glaube, es waren 10 700. Die betreffen verschiedene Bereiche der Hasskriminalität, aber eben auch islamistische Hasspostings. Nach der furchtbaren, mutmaßlich islamistischen Tat in Mannheim haben wir das wieder erleben müssen. Die baden-württembergische Polizei führt in dem Zusammenhang viele Ermittlungsverfahren. Da gibt es auch Zahlen, über die das Land Baden-Württemberg informiert hat. Genau solche Fälle haben wir im Blick.
Zusatzfrage
Noch einmal für das bessere Verständnis: Fallen Symbole wie zum Beispiel das rote Dreieck, das ja auch im Zusammenhang mit der Hamas benutzt wird, und Aussagen und Parolen wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ - das hat Nancy Faeser ja auch verbieten lassen und wird vom Innenministerium mit der Hamas in Zusammenhang gestellt - auch unter diese neue Regelung?
Kall (BMI)
Das sind strafrechtlich unterschiedliche Sachverhalte. Da geht es um die Frage, ob das Betätigungsverbot, das gegen die Hamas besteht, greift. Bei der Parole „From the river to the sea“ ist das der Fall, weil sie das Existenzrecht Israels verleugnet. Deswegen ist diese Parole, wenn sie als Kennzeichen der Hamas, als Terrorpropaganda der Hamas eingesetzt wird, in Deutschland strafbar und von dem Vereinsverbot umfasst. Damit beschäftigen sich ja im Moment greift verschiedene Gerichte.
Bei dem Dreieck ist es genauso, wenn es als Hamas-Terrorpropaganda eingesetzt wird. Dafür muss man diesen Kontext aber nachweisen, weil ein Dreieck ansonsten erst einmal ein neutrales Symbol ist. Aber wenn es als Hamas-Terrorpropaganda eingesetzt wird, dann ist das strafbar und kann dann entsprechend auch zu polizeilichem Einschreiten führen. Das ist erst einmal etwas anderes als das Billigen und Verherrlichen von Straftaten. Das sind Fälle, wenn man etwa an Morde und Vergewaltigungen in Israel am 7. Oktober denkt und dann jemand sagt: Das ist genau richtig so, noch mehr solcher Vergewaltigungen sollte es geben. - In die Richtung. Solche Postings gibt es leider auch in größeren Zahlen. Solche Fälle haben wir im Blick.
Frage
Auch zur Frage der Abgrenzung: Wo fängt die Billigung von Straftaten oder Hasspropaganda an, gerade im Hinblick auf den 7. Oktober? Ist es Billigung, wenn jemand schreibt: „Die Aktionen der Hamas sind zwar Terroraktionen, aber sie sind auch eine Reaktion auf vorherige israelische Militäreinsätze“? Wer stellt fest, ob das schon ausweisungsbewehrte Hasspropaganda oder Billigung ist?
Kall (BMI)
Wenn es um Ausweisungen geht, dann beschäftigt sich damit die Ausländerbehörde, die das prüft und eine entsprechende Ausweisungsverfügung erlässt, gegen die dann der Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten offensteht. Am Ende kann das, wie es sich im Rechtsstaat gehört, gerichtlich überprüft werden.
Natürlich hat bei solchen Entscheidungen, gerade auch im Spannungsverhältnis zwischen Strafrecht und Meinungsfreiheit, die Meinungsfreiheit immer ein hohes Gewicht. Dann wird man immer fragen: Ist das jetzt sozusagen Teil einer Debatte, oder ist es der Aufruf zu Hass und zu weiteren Gewalttaten, tatsächlich ein Begrüßen, ein Billigen einer konkreten Gewalttat, eines konkreten Verbrechens, wie zum Beispiel des Mordes an dem Polizeibeamten in Mannheim? Um diese Kriterien geht es dann. Wie gesagt, letztlich sind das rechtsstaatliche Verfahren, an deren Ende Gerichte entscheiden.
Zusatzfrage
Was war der Grund dafür, dass die Eingreifschwelle oder die Sanktionsschwelle gesenkt wurde? Bisher, nach der geltenden Rechtslage, müsste es ja die Werbung oder Billigung mehrerer ähnlich gelagerter Straftaten sein. Jetzt soll Billigen oder Werben für eine einzelne Straftat ausreichen. Was ist der Grund für diese Verschärfung der Sanktionseingreifschwelle?
Kall (BMI)
Vielleicht noch einmal zur Klarstellung: Es geht nicht um die Billigung irgendeiner Straftat, sondern einer terroristischen Tat, also um Personen, die terroristische Taten gutheißen, feiern, verherrlichen und sagen: Genau richtig, wir brauchen mehr solcher terroristischen Taten. - Jetzt ganz grob gesprochen. Es geht um terroristische Straftaten und Personen, die diese öffentlich verherrlichen - auch nicht im privaten Raum, sondern in sozialen Medien und öffentlich. Um diese Fälle geht es.
Frage
Ich habe auch eine Nachfrage zur konkreten Umsetzung und zu den Details der Umsetzung. Wenn ich es richtig verstanden habe, sollen ja offenbar beispielsweise schon „Gefällt mir“-Postings für eine erleichterte Abschiebung reichen. Wird es denn jemanden geben, zum Beispiel die Ausländerämter, die die Ernsthaftigkeit dieser Äußerungen noch einmal überprüfen, oder wird tatsächlich allein das Tippen auf diesen „Gefällt mir“-Button schon ausreichen? Haben Sie nicht die Sorge, dass sich das mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verträgt?
Kall (BMI)
Das ist natürlich geprüft worden. Was die Frage eines Likes angeht: Damit beschäftigen sich gerade Gerichte in einem anderen Kontext, nämlich ob ein Like sozusagen eine Verbreitung eines Inhalts im strafrechtlichen Sinne ist, weil man mit dem Like die Reichweite erhöhen kann. Mit dieser Frage beschäftigen sich gerade Gerichte - ganz unabhängig von diesem Ausweisungstatbestand, den wir schaffen.
Wir haben erst einmal wirklich schwere Fälle im Auge, wo terroristische Taten aktiv durch Kommentare verherrlicht, verbreitet usw. werden. Wir haben mehrfach beschrieben, um welche Fälle es uns da geht. Natürlich wird es sich keine Behörde in Deutschland mit einer Ausweisungsentscheidung leicht machen. Es ist klar, dass das eine schwerwiegende Entscheidung ist, auf die dann in der Regel die Abschiebung folgt oder folgen sollte. Entsprechend streng wird das auch geprüft werden. Wir wollen nur die Möglichkeit dazu schaffen, insbesondere im islamistischen Bereich. Wenn islamistische Hetzer keinen deutschen Pass besitzen, dann erfolgt auf der einen Seite die Strafverfolgung. Auf der anderen Seite wollen wir auch klar sagen: Solche Personen sollen das Aufenthaltsrecht in Deutschland verlieren.
Zusatzfrage
Ich habe dazu eine Wissensfrage: Wird das nur für Volljährige gelten, oder kann es sein, dass auch Minderjährige von der Regelung betroffen sind?
Kall (BMI)
Das kann ich Ihnen aus dem Kopf nicht sagen. Das müsste ich nachreichen.
Frage Jung
Nur zum Verständnis: Herr Kall, können Sie uns sagen, was - zum Kontrast - Rechtsextremen oder Menschen, die rechten Terror in Deutschland verherrlichen, hierzulande droht? Die können ja nicht ausgewiesen werden. Welche Strafen drohen den Menschen?
Kall (BMI)
Denen droht die gesamte Palette der Strafverfolgung in Deutschland. Das habe ich auch gesagt. Das steht nebeneinander. Wir haben ja in der ganzen Abschiebedebatte, die wir hier in den letzten Wochen geführt haben, auch immer gesagt: Es gibt kein Entweder-oder zwischen strafrechtlichen Folgen und ausländerrechtlichen Folgen. Insbesondere bei Gewalttätern - das haben wir zu den Abschiebefragen immer gesagt - müssen ja in der Regel zwei Drittel der Haft in Deutschland verbüßt werden, bevor sich die Frage der Abschiebung stellt. Das ist ein Nebeneinander von Strafverfolgung und Ausweisung oder Abschiebung. Das droht allen in gleicher Weise. Rechtsextremisten - das werden in aller Regel deutsche Staatsangehörige sein - droht dann die Strafverfolgung in Deutschland, so wie anderen auch. Bei Menschen ohne deutschen Pass kommt eben die Frage hinzu, ob eine Ausweisung und Abschiebung erfolgen kann.
Zusatzfrage
Wer legt fest, wann etwas als Terroranschlag angesehen wird? Ich erinnere mich an den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipeline. Das haben hierzulande auch Ausländer - in dem Fall zum Beispiel Ukrainer - gefeiert, was aus deutscher Sicht ein Terroranschlag gewesen sein kann. Würde diesen Ukrainern dann auch die Ausweisung drohen?
Kall (BMI)
Was eine terroristische Straftat ist, ist dann auch in dem Zusammenhang zu bewerten. - Der Kollege vom BMJ kann mich korrigieren, wenn ich Unsinn erzähle. - Das ist dann ein Tatbestandsmerkmal dieses Ausweisungstatbestands. Das muss dann im ersten Schritt von den Behörden und dann, wenn es zu verwaltungsgerichtlichen Prozessen kommt, im zweiten Schritt von den Verwaltungsgerichten entsprechend geprüft werden, ob eine terroristische Straftat verherrlicht wurde.
Frage
Herr Kall, Sie haben gerade gesagt, Menschen sollen ausgewiesen werden, wenn so ein Kommentar identifiziert wird, der terrorverherrlichend sein soll. Das soll dann ohne Gerichtsurteil möglich sein. Man kann dann aber auch vor Gericht gehen, man kann dagegen klagen. Hier gibt es ja ein Problem. Es gibt Menschen, vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen und Ausländer, die nicht den gleichen Zugang haben, dagegen zu klagen. Wie reagieren Sie darauf, dass da auch eine Art Ungleichberechtigung entsteht? Der eine wird dann im Zweifelsfall abgeschoben, weil er sich rechtlich nicht wehren kann, und eine andere Person, die das kann, nicht.
Kall (BMI)
Genau. Ich möchte das nochmals betonen: Natürlich besteht Rechtsschutz gegen eine Ausweisungsentscheidung. Dieser Rechtsschutz findet vor den Verwaltungsgerichten statt, weil es eine Entscheidung einer örtlichen Ausländerbehörde ist. Da gibt es dann Mechanismen wie Prozesskostenhilfe und anderes, was bedürftigen Menschen dann auch hilft, solche Verfahren zu führen, so wie das in allen rechtsstaatlichen Verfahren der Fall ist. Das unterscheidet diese Verfahren nicht von anderen. Aber weitere Fragen müssen Sie dann vielleicht an den Kollegen stellen, weil das dann wirklich die Justiz betrifft.
Hosemann (BMJ)
Ich möchte bekräftigen, dass die Vorstellung falsch ist, dass sich jemand in Deutschland vor Gericht nicht durch einen Prozessbeistand artikulieren kann, sondern der Zugang zum Recht ist für alle durch die Institutionen gewährleistet, die gerade schon genannt worden sind: Prozesskostenhilfe in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, und bei strafgerichtlichen Verfahren dann auch die Pflichtverteidigung.
Zusatz
Wir wissen aber dennoch, dass es einen Unterschied gibt, ob man zum Beispiel Zugang zu Geld, aber auch zur deutschen Sprache hat und sich dann vor Gericht wehren kann, oder ob man wenig Geld hat und einen Anwalt zugeordnet bekommt. Das ist ja doch ein Unterschied.
Hosemann (BMJ)
Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, haben dann auch einen Anspruch, dass ihnen in einem solchen Gerichtsverfahren ein Dolmetscher zur Seite gestellt wird.
Frage
Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Herr Fischer, das Auswärtige Amt hat gestern die Menschen in Kenia gewarnt und dazu aufgerufen, nicht in die Nähe von Demonstrationen zu gehen. Haben Sie einen Überblick, wie viele Deutsche im Moment in Kenia sind, wie viele Urlauber vielleicht? Wird erwogen, ob man sie zurückholen muss?
Fischer (AA)
Sie haben zunächst recht. Wir haben unsere Reise- und Sicherheitshinweise angepasst. Die deutsche Botschaft in Nairobi hat gestern auch einen Landsleutebrief an die Deutschen im Land verschickt. Wir raten derzeit allen Deutschen dazu, an sicheren Orten zu bleiben und nicht notwendige Fahrten in Städte, in denen es zu gewaltsamen Protesten kommt, zu vermeiden. Insbesondere raten wir dazu, von Menschenansammlungen und Demonstrationen fernzubleiben und sich auch von Regierungsgebäuden fernzuhalten - in Nairobi, aber auch außerhalb von Nairobi.
Ich möchte von hier aus auch noch einmal alle Deutschen aufrufen, sich in die Krisenvorsorgeliste ELEFAND einzutragen, damit wir einen Überblick haben, wer sich wo aufhält.
Da Sie nach der Zahl der Deutschen gefragt haben: In dieser Krisenvorsorgeliste ELEFAND ist derzeit eine hohe dreistellige Zahl von Deutschen registriert, die angeben, sich in Kenia aufzuhalten. Aber wie immer ist nicht auszuschließen, dass sich zum Beispiel Urlauberinnen und Urlauber nicht eingetragen haben. Deshalb der Appell, sich einzutragen.
Geben Sie mir vielleicht noch die Möglichkeit, grundsätzlich etwas zu den Protesten zu sagen. Wir sind angesichts der Gewalt in Kenia sehr besorgt. Die Bilder von der Erstürmung des kenianischen Parlaments und anderer Gebäude sowie von Toten auf den Straßen sind schockierend. Wir sprechen den Angehörigen der Toten unser Beileid aus. Vielleicht haben Sie es gesehen: Der deutsche Botschafter hat sich bereits gestern Abend in einer gemeinsamen Erklärung mit zwölf seiner Botschafterkolleginnen und -kollegen vor Ort geäußert. Das haben wir auch auf unserem X-Kanal weiterverbreitet.
Aus unserer Sicht ist es so, dass die kenianische Verfassung das Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung ausdrücklich schützt. Aber klar ist natürlich auch, dass Gewalt, Sachbeschädigung und der Bruch des öffentlichen Friedens nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt sind. Wir verurteilen diese Akte der Gewalt ausdrücklich und rufen alle Beteiligten zu maximaler Zurückhaltung auf. Gleichzeitig haben die Sicherheitskräfte natürlich das Recht und die Pflicht, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen, aber natürlich im Rahmen der Gesetze. Die Berichte über den Einsatz scharfer Munition und auch die mutmaßliche Verschleppung von Demonstrantinnen und Demonstranten sind durchaus besorgniserregend.
Wir haben es mit der Eskalation einer politischen Krise zu tun. Wir glauben, dass es der richtige Weg ist, sie im Dialog zu lösen. Das hat Präsident Ruto in seiner gestrigen Rede an die Nation auch den Demonstrantinnen und Demonstranten angeboten. Er hat angeboten, den letzte Woche begonnenen nationalen Dialog fortzuführen, und versichert, diese Ergebnisse, die dann aus dem nationalen Dialog herauskommen, auch umsetzen zu wollen. Das ist das, woran wir auch den Präsidenten und die Regierung messen werden.
Zusatzfrage
Darf ich noch einmal nachfragen, ob Sie präzisieren könnten? Sie sprachen von einer hohen dreistelligen Zahl von Deutschen in ELEFAND. Haben Sie eine Übersicht, wie viele Urlauber derzeit in Kenia sind?
Fischer (AA)
Ein Teil davon sind sicher Urlauberinnen und Urlauber. Aber der größte Teil derjenigen, die in den ELEFAND-Listen eingetragen sind, sind normalerweise vor Ort ansässige Deutsche. Wir stellen aber immer wieder fest, dass Urlauberinnen und Urlauber sich nicht in diese ELEFAND-Listen eintragen. Gleichzeitig stehen wir natürlich mit den Reiseunternehmen in Kontakt und haben einen gewissen Überblick, wo sich Deutsche aufhalten. Das ist ja überwiegend in den kenianischen Urlaubsgebieten.
Zusatzfrage
Aber noch einmal: Die Zahl haben Sie nicht, wenn Sie schon mit den Reiseveranstaltern in Kontakt sind?
Fischer (AA)
Wie gesagt, wir stehen in engem Kontakt. Wir sind dabei, uns einen genauen Überblick zu verschaffen.
Frage
Thema Assange: Vom AA hatten wir ja schon eine Reaktion bekommen. Mich würde noch einmal die Reaktion des Kanzlers und auch des Vizekanzlers interessieren. Herr Scholz hatte ja auch mal die Freilassung von Herrn Assange gefordert. Begrüßen Sie - oder auch Herr Haufe - den Deal, den er jetzt mit den Amerikanern gemacht hat? Herr Habeck hat ja, bevor er Minister war, die Freilassung gefordert. Als Minister hat er das nie wiederholt. Wie ist jetzt seine Haltung?
StS Hebestreit
Der Bundeskanzler begrüßt die Lösung dieses Falles und dass Herr Assange jetzt auch wieder in Freiheit ist. Es zeigt auch, dass unser stetes Beharren darauf, dass es eine ordentliche Gerichtsbarkeit gibt und auch in Großbritannien nach Recht und Gesetz geurteilt wird, berechtigt gewesen ist.
Haufe (BMWK)
Ich konnte mit dem Minister heute noch nicht dazu sprechen. Der Minister hat ja heute auch eine Regierungsbefragung. Vielleicht äußert er sich dazu noch einmal in dem Rahmen. Ansonsten bin ich mir sicher, dass er in keinem Wort hinter den gesagten Äußerungen zurückstehen wird.
Zusatzfrage
Herr Hebestreit, es gab jetzt, glaube ich, kein Urteil des britischen Gerichts, sondern das ist ja ein Deal mit den Amerikanern gewesen, die die Anklage zurückgenommen haben. Herr Assange hat sich ja jetzt in einem Punkt im Sinne des Spionagegesetzes der Amerikaner schuldig sprechen müssen. Sehen Sie das als Erfolg für die Pressefreiheit, dass Assange jetzt da ist, oder als eine große Gefahr dadurch, dass sich Herr Assange, der sich als Journalist sieht, da jetzt schuldig gesprochen hat?
Herr Fischer, PEN Berlin spricht davon, dass der Mann der am längsten in Unfreiheit befindliche politische Gefangene der westlichen Welt war. Sehen Sie das auch so?
StS Hebestreit
Ich glaube, wichtig ist, dass Herr Assange jetzt frei ist und in Freiheit leben kann und dass man einen Weg gefunden hat, bei dem er auch nicht darum fürchten muss, wenn er weiterhin unterwegs ist, noch in die USA ausgeliefert werden zu müssen. Insofern ist das, glaube ich, eine auch aus seiner Sicht gute Entwicklung nach vielen Jahren, in denen es für ihn alles andere als gut gewesen ist. Aber ich will mich hier nicht zu einer weiteren Beurteilung, sowohl was das Verfahren als auch was die Vorwürfe angeht, äußern. Insofern will ich es auch dabei belassen. Wichtig ist, dass er jetzt frei ist und dass er diese Freiheit auch genießen kann.
Fischer (AA)
Dem würde ich mich anschließen. Ich meine, Sie wissen - das haben wir hier auch schon öfter diskutiert -, dass es Unterschiede in dem Verständnis dessen gibt, was Pressefreiheit ist. Da gibt es Unterschiede zwischen unserer Sichtweise und der amerikanischen Sichtweise. Es hat ja zum Beispiel hier in Deutschland ein Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2007 gegeben, in dem sozusagen zwischen den Geheimhaltungsinteressen des Staates und der Pressefreiheit abgewogen wird. Offensichtlich kommen wir dabei in Deutschland zu einem anderen Ergebnis, als es die Prüfung in den USA ergeben hat. Aber genau auf dieser Grundlage unseres Verständnisses von Pressefreiheit haben wir diesen Fall ja immer wieder gegenüber unseren amerikanischen und britischen Kollegen angesprochen. Wie Sie ja gesehen haben, hat die Ministerin gestern auch erklärt, dass sie sehr froh ist, dass dieser Fall nun endlich eine Lösung gefunden hat.
Frage
Darf man die Auffassung des Auswärtigen Amtes der Ministerin so verstehen, dass sie aus humanitären Gründen froh ist, dass Assange jetzt auf freiem Fuß ist, dass sich aber, was die Pressefreiheit und die Unterschiede in der Rechtsauffassung zwischen Pressefreiheit und Spionagevorwürfen angeht, hier dann doch die US-Rechtsauffassung durchgesetzt hat und das kein Grund zur Freude wäre?
Fischer (AA)
Es ist eine gute Nachricht, dass Herr Assange jetzt endlich draußen ist. Das Gerichtsverfahren hat sich viel zu lange hingezogen. Dass es Unterschiede zwischen Deutschland und den USA im Verständnis von Pressefreiheit gibt, habe ich ja schon zum Ausdruck gebracht.
Zusatzfrage
Ja, und genau das war die Frage. Vor dem Hintergrund des Kriteriums Pressefreiheit versus Spionagevorwurf: Dieser Deal und das, was implizit aus deutscher Sicht zugestanden wurde, kann dann doch kein Grund zur Freude sein, oder?
Fischer (AA)
Ich würde sagen, ich überlasse es Ihnen, sich die Antwort aus dem, was ich gesagt habe, selber zu erschließen.
Frage
Welche Rolle würden Sie dem Auswärtigen Amt bei dieser Freilassung - nennen wir das jetzt mal - zukommen lassen? Sie haben ja immer wieder behauptet, dass Sie sich für Herrn Assange im Sinne der deutschen Auffassung eingesetzt haben. War das wirklich so?
Fischer (AA)
Wir haben das nicht nur behauptet, wir haben es echt auch getan. Wir haben uns zum Beispiel von hier so geäußert. Die Ministerin hat sich in dem Sinne geäußert. Wir haben das Thema auch immer wieder bei Gesprächen mit unseren amerikanischen und britischen Kolleginnen und Kollegen angesprochen. Bei einigen war ich sogar dabei.
Zusatzfrage
Also „claimen“ Sie auch eine Mitverantwortung für diesen guten Ausgang?
Fischer (AA)
Ich habe gesagt, wir haben uns für Herrn Assange eingesetzt, und wir sind froh, dass er jetzt auf freiem Fuß ist.
Frage
Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium. Es geht um das Thema Zugverbindungen und mögliche Streichungen von Strecken unter anderem in Ostdeutschland. Ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben. Es gab vor ungefähr drei oder vier Minuten eine Zurückweisung der Deutschen Bahn, die gesagt hat, diese Berichte treffen nicht zu. Mich würde einmal interessieren, welchen Stand der Dinge das Verkehrsministerium hat betreffend die drei im „Spiegel“ genannten Strecken.
Das zweite Thema sind die Trassenpreise, die ja ursächlich dafür sind, dass man überhaupt in diese Streichungsdiskussion hineinkommt. Mich würde interessieren, ob vonseiten des Verkehrsministeriums, vielleicht auch vonseiten des Finanzministeriums, zum Thema Förderung der Trassenpreise im Bundeshaushalt eine Linderung des Problems vorgesehen wird oder eine anderweitige politische Lösung auf dem Tisch liegt.
Alexandrin (BMDV)
Der Zurückweisung kann ich mich anschließen. Ein in Rede stehendes Schreiben war nicht mit dem BMDV abgestimmt. Uns liegen auch keine konkreten Informationen zu etwaigen Ausdünnungen auf bestimmten Strecken vor. Im Gegenteil: Der Bund hat als Eigentümer der DB AG natürlich ein veritables Interesse daran, dass der Schienenpersonenverkehr in ganz Deutschland reibungslos erfolgt. Dazu gehört eben auch, dass keine Region abgehängt wird. Das haben wir gegenüber der Deutschen Bahn AG auch mehrfach deutlich gemacht. In Gesprächen wurden einseitige Kürzungen, beispielsweise in Ostdeutschland, auch verneint.
Zum Thema Trassenpreise: Sie kennen die Grundproblematik, die sich im System ergibt. Wir wissen auch, dass Trassenpreisförderungen, seien sie für den Schienengüterverkehr oder für den Schienenfernverkehr, keine dauerhafte Lösung sein können. Deswegen werden Wege geprüft, wie man das aktuelle Trassenpreissystem langfristig überarbeiten kann.
Zusatzfrage
Ich habe eine Nachfrage dazu. Warum kann das keine dauerhafte Lösung sein? Geht man jetzt noch einmal an das Eisenbahnregulierungsgesetz von 2016 heran? Gibt es da vielleicht Ansatzpunkte?
Alexandrin (BMDV)
Zu den Details kann ich mich noch nicht äußern. Warum ist das keine dauerhafte Lösung? - Eine Trassenpreisförderung ist immer nur Ausdruck einer Unterstützung eines ineffizienten Systems. Wir haben nun mal im Trassenpreissystem in Deutschland aktuell eine Unwucht, weil wir auf Druck der Länder vor mehreren Jahren die Trassenpreise im Schienennahverkehr gedeckelt haben. Das führt dazu, dass Preissteigerungen, die immer mal wieder stattfinden - Energiepreissteigerungen, aber eben auch andere Kostensteigerungen, die sich normalerweise im normalen Rahmen bewegen würden -, unverhältnismäßig auf andere Verkehrsarten umgelegt werden oder sich dort unverhältnismäßig hoch auswirken. Deswegen die Aussage, dass das keine dauerhafte Lösung sein kann, hier mit Trassenpreisen zu unterstützen.
Gleichwohl setzen wir uns in den aktuellen Haushaltsverhandlungen auch dafür ein, hier kurzfristig unterstützen zu können. Aber, wie gesagt, dauerhaft wird man eine Überarbeitung der Trassenpreise in Betracht ziehen müssen.
Frage
Ich habe eine Frage an das BMF. Es geht um die 20 Milliarden Euro, die bis 2027 der Bahn versprochen waren. Allein dieses Jahr sollten noch 5,5 Milliarden Euro für sanierungsbedürftige Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Ist das jetzt eigentlich schon durch, damit die Bahn planen kann, damit genau so etwas nicht passiert, worüber wir gerade reden?
Nimindé-Dundadengar (BMF)
Zu dem Zusammenhang, den Sie hier jetzt aufstellen, würde ich an das BMDV verweisen, ob das wirklich so zutrifft.
Hinsichtlich der Unterstützung der Bahn hatte sich unter anderem der Finanzminister in der Vergangenheit schon geäußert. Hinsichtlich dieser Unterstützung habe ich jetzt keinen neuen Stand. Die Bundesregierung arbeitet entsprechend daran weiter.
Vielleicht noch zu der Frage der Kollegin, weil Sie auch das Finanzministerium angesprochen haben: Der Kollege hat sich dazu ja schon ausführlich geäußert. Es gilt hier das Ressortprinzip. Soweit die Maßnahmen den nächsten Haushalt betreffen würden, wissen Sie, dass wir die aktuellen Haushaltsverhandlungen von dieser Stelle aus nicht kommentieren.
Zusatz
Ich habe die Frage gestellt, weil es in dem besagten „Spiegel“-Bericht genau um diese 20 Milliarden Euro geht, weil die Bahn ja massiv verschuldet ist und das BMF das Eigenkapital erhöhen wollte, aber bei dem Geld nicht garantiert sei, dass das für die sanierungsbedürftige Infrastruktur ausgegeben wird, sondern laut Bundesverkehrsministerium auch einfach im Konzern versickern könnte.
Alexandrin (BMDV)
Da würde ich gerne einhaken und widersprechen. Sie bringen hier verschiedene Punkte und Aspekte durcheinander. Wenn Sie die Eigenkapitalerhöhung der Deutschen Bahn ansprechen, dann gab es im letzten Haushaltskompromiss eine Einigung darüber, dass das Eigenkapital der Deutschen Bahn bis 2029 um bis zu 20 Milliarden Euro erhöht wird. Eine Auszahlung in diesem Jahr ist in Vorbereitung. Das dürfte in Kürze erfolgen.
Bezüglich der Bindung, dass diese Milliarden ausschließlich in die Infrastruktur fließen werden, laufen aktuell die Vorbereitungen, dass dies per Vereinbarung geregelt wird. Es gibt hier mehrfach die Aussage der Deutschen Bahn, dass dies sehr wohl in die Infrastruktur fließen wird. Nicht umsonst hat der Bund ja auch extra eine Steuerungsgruppe im Ministerium eingerichtet, die zukünftig bei der Mittelverwendung der Deutschen Bahn sehr genau hinschaut, um sicherzustellen, dass die Interessen des Eigentümers in diesem Sinne gewahrt bleiben. Denn die größte Baustelle, die wir momentan haben - das merkt jeder, der mit dem Zug unterwegs ist; jetzt im Zuge der EM noch einmal besonders verstärkt -, ist, dass wir ein sehr veraltetes Netz haben, das über die letzten Jahrzehnte stark unterfinanziert war. Die Auswirkungen spüren wir heute sehr deutlich.
Wir haben einen erheblichen Finanzierungsmehrbedarf, einen Investitionsstau, der sich da über die letzten zehn Jahre hinweg gebildet hat, den wir aktuell unter Hochdruck abzuarbeiten versuchen, insbesondere eben auch, und dabei spielen die Eigenkapitalerhöhungen wieder eine Rolle, durch einen massiven Mittelaufwuchs bei der Deutschen Bahn. Allein bis 2027 konnten wir den Mehrbedarf in Höhe von 45 Milliarden Euro, der hier beziffert wurde, auf bis zu 30 Milliarden Euro deckeln. Das sind bis zu 75 Prozent des bezifferten Mehrbedarfs. Das ist das größte Investitionsprogramm für die Schiene, das es seit Jahrzehnten überhaupt gab.
Frage
Ich habe eine Frage an das Verbraucherschutzministerium und an das BMWK. Bei der jüngsten Konferenz der Verbraucherschutzminister der Bundesländer wurde der Bund ja gebeten, eine Entflechtung von Netz und Erzeugung auf dem Fernwärmemarkt nach dem Vorbild der Strom- und Gasnetze zu prüfen. Heute hat Bundeskartellamtspräsident Mundt gesagt, dass er Vorteile einer Entflechtung auf dem Fernwärmemarkt nicht so richtig sehe. Teilen Sie diese Einschätzung?
Eine kurze Anschlussfrage noch an das BMWK: Sehen Sie eigentlich nach dem notwendigen Zuschuss zum EEG-Konto Handlungsbedarf beim EEG?
Haufe (BMWK)
Ich fange einmal mit dem Thema der Fernwärme und der Gasnetze, die ja damit zusammenhängen, an. Wir befinden uns ja momentan in einem Konsultationsprozess mit Kommunen und mit Verbänden über die weitere Nutzung. Wir befinden uns ja insgesamt in einem großen Umstellungsprozess im Rahmen der Wärmewende. Kommunen müssen entscheiden, wie sie ihre Gasnetze weiter betreiben wollen. Fernwärme ist in vielen Regionen Deutschlands sehr nachgefragt. Gleichzeitig geht es darum, zu schauen, wie sich die Gasnetznutzung in den nächsten zehn, 15 oder 20 Jahren weiterentwickeln wird. Kommunen und vor allen Dingen unterschiedliche Stadtwerke haben da unterschiedliche Vorstellungen, unterschiedliche Anforderungen. Das ist regional und lokal sehr unterschiedlich. Wir befinden uns ja, im Rahmen Gesamtdeutschlands gesehen, auch im baldigen Aufbau eines Wasserstoffnetzes. Auch dabei spielen Gasnetze eine Rolle. Das heißt, das ist also ein ganz komplexer Prozess, der sich dort abspielt.
Zu dieser einzelnen Frage, ob wir eine Entflechtung vornehmen, kann ich Ihnen jetzt im Moment keine neue Auskunft geben, sondern das ist sicherlich auch eine Frage, die wir im Rahmen der laufenden Konsultationen klären müssen. Das ist ein Aspekt, der immer wieder in die Debatte eingebracht wird, aber ich habe dazu jetzt keinen neuen Wissensstand.
Hosemann (BMJ)
Wir sind seit 2021 nicht mehr für den Verbraucherschutz zuständig.
Scharf (BMUV)
Genau, das ist hier hinten das BMUV! – Nein, den Ausführungen des Kollegen haben wir an dieser Stelle aber nichts hinzuzufügen. Es ist richtig, dass bei der letzten VSMK-Sitzung das Stichwort Fernwärme auch aus Verbraucherschutzsicht ein Thema war, aber nicht im Zusammenhang mit den Netzen.
Haufe (BMWK)
Dann hatten Sie ja noch nach dem EEG-Konto gefragt. Die Übertragungsnetzbetreiber erstellen da ja regelmäßig neue Preisprognosen und legen Gutachten dazu vor, wie sich die Preisentwicklung entsprechend zeigt. Es ist ja bekannt, dass da jetzt eben ein Mehrbedarf entstehen wird. Wir befinden uns ja innerhalb der Regierung sowieso gerade in den Haushaltsgesprächen. Das heißt, auch die Aufstellung des KTF, aus dem das EEG-Konto finanziert wird, muss in diesem Rahmen natürlich geklärt werden. Die Mehrbedarfe sind bekannt, sind kommuniziert, auch im parlamentarischen Raum. Das ist jetzt Teil der Gespräche.
Sie haben jetzt gefragt, ob das EEG entsprechend geändert werden muss. Schauen Sie sich einmal an, wie oft wir das EEG in den letzten Jahren geändert haben, in welchem Umfang wir das EEG geändert haben! Wir haben vor eineinhalb Jahren die größte EEG-Reform vorgelegt, die es jemals in der Geschichte dieses Gesetzes gab. Das heißt, es ist unsere Daueraufgabe, natürlich die Wirksamkeit dieses Gesetzes immer wieder zu überprüfen und an den Fortschritt der Energiewende anzupassen. Das bedeutet natürlich, sowohl Kostenfragen als aber eben auch die ganzen technischen Fragen, die Preisbildung genauso wie auch die große technische Realisierung immer wieder in den Blick zu nehmen. Momentan geht es vor allen Dingen darum, dass wir jede Menge Hemmnisse abbauen. Das haben wir bereits getan, und da sind wir auch noch nicht am Ende angelangt.
Zusatzfrage
Noch einmal zu den Fernwärmenetzen: Verstehe ich es richtig, dass Sie also eine Entflechtung doch auch als Möglichkeit ansehen? Lehnen Sie das also nicht kategorisch ab? Ich frage auch deshalb, weil damit natürlich auch eine große Verunsicherung in der Branche verbunden ist.
Haufe (BMWK)
Die Fernwärmeförderung an sich liegt gar nicht in unserem Haus, sondern im Bauministerium. Wenn das noch jemand ergänzen möchte, dann lade ich gerne dazu ein. Aber ich kann mich, wie gesagt, zu dieser Entflechtung jetzt nicht genau äußern, weil es, glaube ich, im Rahmen dieses Konsultationsprozesses nicht sinnvoll wäre, jetzt irgendwelche Positionen zu beziehen, sondern wir schauen in der Debatte gerade sehr breit, wo die Reise hinsichtlich der Zukunft der Gasnetze hingehen muss. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Interessen, die auch sehr berechtigt sind.
Frage
Die Betreiber fossiler Gasnetze wollen ja ihr fossiles Gasnetz aufrechterhalten. Das ist aber nicht zukunftsfähig; das ist klar. Sind das trotzdem berechtigte Interessen, Herr Haufe, wie Sie gerade meinten?
Wie viele der bisherigen fossilen Gasnetze in Deutschland sind überhaupt ready für grünen Wasserstoff?
Haufe (BMWK)
Rein technisch gesehen ist eigentlich in einem großen Teil der Gasnetze auch die Wasserstoffnutzung möglich, weil das auch immer damit zusammenhängt, inwieweit man hier Gasbeimischungen vornimmt. Es ist ja nicht so, dass man automatisch zu 100 Prozent Wasserstoff durch ein Gasnetz fließen lässt, sondern man wird auch unterschiedliche Mischungsverhältnisse wählen, gerade auch in der Anfangszeit.
Letztlich muss man, technisch gesehen, vor allen Dingen die Dichtungen an Gasnetzen ändern. Wir haben es mit unterschiedlichen Dichten zu tun, wenn wir jetzt schon so chemisch werden wollen. Wasserstoff hat einfach eine andere Dichte als die bisherige Methangasmischung. Das ist eigentlich die Herausforderung, die die Gasnetzbetreiber haben, wenn sie eben auf Wasserstoff umstellen wollen. Das ist jetzt also gar nicht so ein riesengroßer Schritt. Das heißt nicht, dass jeder Meter des Gasnetzes in Deutschland tatsächlich auch dafür geeignet ist. Ich kann Ihnen die genaue Zahl aber noch nicht sofort nennen.
Sie haben jetzt aber generell nach der Zukunft der Gasnetze gefragt. Mit „berechtigten Interessen“ meine ich natürlich, die Versorgungssicherheit sicherzustellen. Das ist ja das entscheidende Kriterium. Die Kommunen in Deutschland und damit auch die Stadtwerke müssen im Moment Wärmeplanungen aufsetzen und damit die zukünftige Wärmeversorgung, die eben klimaneutral sein muss, nämlich auch per Gesetz sein muss, sicherzustellen. In diesem Rahmen muss man schauen, welche Gasnetze dann quasi von welchem Energieträger genutzt werden. Dabei geht es, ehrlich gesagt, gar nicht um fossile Stadtwerke. Die Stadtwerke in Deutschland sind sich sehr, sehr wohl bewusst, vor welche Aufgabe sie stehen. Wann ein Gasausstieg kommen wird, ist klar, nämlich spätestens zwischen 2040 und 2045.
Zusatz
Ich würde mich über die Nachreichung bezüglich der Zahl freuen.
Haufe (BMWK)
Ja.
Frage
Ich habe eine Frage an den Herrn Regierungssprecher. Die SPD-Fraktion hat sich gestern für eine generelle Aufhebung der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen ausgesprochen. Erwägt die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts?
StS Hebestreit
Wenn ich das richtig weiß, wird das innerhalb der Koalitionsfraktionen behandelt, nicht zuvörderst innerhalb der Regierung. Es gab da eine Kommission, die einen Bericht vorgelegt hat. Jetzt wird das im Rahmen der Koalition, also innerhalb des Deutschen Bundestags, diskutiert, und alles Weitere, was das Verfahren angeht, wird entschieden. Die Regierung steht da beiseite. Insofern müssten Sie Ihre Fragen auch im Bundestag und den Bundestagsfraktionen stellen.
Zusatzfrage
Man kann natürlich trotzdem eine Frage nach der Haltung der Bundesregierung stellen. Insofern gebe ich sie auch gerne an das Justizministerium weiter. Liegt bisher schon eine Einschätzung von Ihnen vor, wie man mit diesem Ergebnis der Arbeit dieser Expertenkommission, das, glaube ich, schon seit zwei Monaten vorliegt, umgeht? Es ist ja zu hören, dass Sie eher an dem jetzigen Kompromiss zum § 218 festhalten wollen. Ist das so?
Hosemann (BMJ)
Der Bericht wird weiterhin ausgewertet. Ich kann Ihnen hier noch keine Einschätzung mitteilen. Der Bericht ist ja auch sehr umfangreich. Wir sind natürlich als Verfassungsressort an die Auslegung des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht gebunden, und gerade auch im Hinblick darauf werten wir den Bericht aus.
Zusatzfrage
Ich habe ja wieder blöderweise mehrere Fragen in eine gepackt. Die zweite haben Sie nicht beantwortet. Ist das Justizministerium tatsächlich eher dafür, an dem bisherigen Kompromiss zu § 218 festzuhalten?
Hosemann (BMJ)
Wir werten das noch aus und geben bis dahin keine Tendenzen ab.
Zusatz
Es gibt also keine grundsätzliche Einordnung.
Hosemann (BMJ)
Es gibt im Augenblick keine grundsätzliche Einordnung.
Frage
Meine Frage betrifft den Sudan. Zurzeit herrscht das Gesetz des Dschungels im Sudan. Abu Dhabi unterstützt dieses Gesetz. Wird eigentlich ein bisschen Druck auf Abu Dhabi ausgeübt, damit diese Politik aufhört? Die mischen immer überall mit - in Libyen, im Sudan, im Jemen und überall.
Fischer (AA)
Lassen Sie mich so anfangen: Der Bürgerkrieg in Sudan ist furchtbar und verursacht viel zu viele Opfer. Wenn Sie sich recht erinnern, haben wir deshalb gemeinsam mit Frankreich - im Februar war das, glaube ich - eine Geberkonferenz veranstaltet. Gleichzeitig haben am Rande politische Gespräche stattgefunden. Es ging vor allen Dingen darum, dass ein Friedensprozess auf die Spur gesetzt wird, an dem sich alle Stakeholder beteiligen, und dass ausländische Unterstützung für die verschiedenen Fraktionen eingestellt wird. Leider sind die Gesprächsprozesse aufgrund des derzeit nicht vorhandenen Einigungswillens der Bürgerkriegsparteien in Sudan nicht besonders weit fortgeschritten. Aber unser Appell gilt natürlich weiter, dass alles getan werden muss, um die zivile Bevölkerung in Sudan zu schützen, und dass dieser Konflikt, den die Bürgerkriegsparteien gegen ihre eigene Bevölkerung führen, beendet werden muss.
Sie wissen vielleicht, dass wir auch als Europäische Union einige der Akteure bereits auf Sanktionslisten gesetzt haben und dass wir den Druck hochhalten, um die Generäle endlich an den Verhandlungstisch zu bekommen.
Frage
Ich hätte nur einmal eine kurze Frage vor dem Hintergrund der Neuwahlen in Frankreich, der ersten Runde am Sonntag. Wäre es denn weiterhin in jedem Fall eine Priorität für die Bundesregierung, zum Beispiel den Deutsch-Französischen Ministerrat fortzusetzen? Die Frage geht entweder an Herrn Hebestreit oder an das Auswärtige Amt.
StS Hebestreit
Natürlich arbeiten wir eng und vertrauensvoll mit unserem wichtigsten, engsten Partner in Europa zusammen, und das ist Frankreich. Jetzt warten wir erst immer die Wahlen ab. Nach den Wahlen müssen wir dann sehen, wie sich das Verhältnis weiter gestaltet, aber da bleiben wir grundsätzlich zuversichtlich. Auch ein solches bewährtes Format wie der Deutsch-Französische Ministerrat, der sich ja regelmäßig trifft, damit wir uns miteinander austauschen und auch in Bezug auf Europa, wo beide Länder ja eine wichtige Rolle spielen, absprechen, ist sicherlich ein Format, das den bilateralen Beziehungen sehr dienlich ist und insofern auch nicht auf dem Spiel steht.
Zusatzfrage
Sie haben gesagt, das stehe nicht auf dem Spiel. Das heißt, die Annahme ist, dass es weitergeht. Das wäre schon richtig, oder?
StS Hebestreit
Ja, klar!
Frage
Ich habe eine Frage; ich weiß nicht, ob an das Auswärtige Amt oder das BMI oder die Bundesregierung insgesamt. Im Zuge dieser Debatte um mögliche Abschiebungen nach Afghanistan hieß es an dieser Stelle ja schon einmal, dass Sie auf gewisse Kooperationen mit den Herkunftsländern angewiesen sind. In diesem Zusammenhang wollte ich fragen, inwieweit Sie mit dem nach wie vor hier nach meiner Kenntnis akkreditierten afghanischen Botschafter kooperieren.
Fischer (AA)
Zum afghanischen Botschafter kann ich mich vielleicht äußern. Es ist so, dass der Herr seinen Posten im Februar 2021, also vor der Machtübernahme der Taliban, übernommen hat. Er vertritt den Staat Afghanistan. Diplomatische Beziehung bestehen zwischen den Staaten. Deutschland hat auch die diplomatischen Beziehungen zu Afghanistan nicht abgebrochen. Das ändert aber nichts daran, dass wir wie alle übrigen Länder weltweit das menschenverachtende De-facto-Regime der Taliban nicht als rechtmäßige Regierung Afghanistans anerkennen. Der Herr ist sozusagen, wenn man so will, jemand, der noch von der Republik Afghanistan aus der Vor-Taliban-Zeit übrig geblieben ist.
Zusatzfrage
Aber was macht denn ein Diplomat, der jetzt hier alle Vorrechte genießt, wenn er das Land nicht vertritt?
Fischer (AA)
Er ist halt akkreditiert worden, und wir haben sozusagen die neue Regierung nie anerkannt. Er hat die alte Regierung vertreten. Das ist der Zustand.
Es gibt immer einmal wieder solche Fälle. Erinnern Sie sich zum Beispiel an die polnische Exilregierung, die den ganzen Kalten Krieg über in London amtiert hat und auch bis in die Siebzigerjahre von verschiedenen Ländern anerkannt worden war und auch diplomatische Beziehungen gepflegt hat. Das ist ein ungewöhnlicher Fall in der Diplomatie, aber kein Einzelfall.
Zusatzfrage
Dann vertritt er also eine Exilregierung?
Fischer (AA)
Na ja, er vertritt den Staat Afghanistan.
Frage
Herr Fischer, ich habe eine Frage zum Gazakrieg. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat gesagt, dass, selbst wenn die Hamas die Geiseln freilässt, der Krieg weitergeht. Nun hat sich ja die Bundesaußenministerin bei einer Sicherheitskonferenz in Israel dafür ausgesprochen, dass die Geiseln freigelassen werden, und gesagt, damit wäre der Krieg zu Ende. Wie sieht die Bundesregierung diese Äußerung des Ministerpräsidenten?
Fischer (AA)
Wir wissen schon, dass es hier um den Biden-Plan geht, den Sie ansprechen. Der ist auch vom UN-Sicherheitsrat unterstützt und indossiert worden, wie wir das so sagen. Dieser Plan stellt derzeit die beste Grundlage dar, um den schrecklichen Krieg in Gaza zu beenden. Wir erwarten von allen Parteien, dass sie sich jetzt maximal konstruktiv verhalten und den Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, annehmen, damit das Leid der Geiseln, aber auch das Leid der Menschen in Gaza endlich beendet wird.
Zusatzfrage
Waren diese Äußerungen des Ministerpräsidenten hilfreich in dieser Hinsicht?
Fischer (AA)
Der Biden-Plan basiert, wie gesagt, auf der Grundlage israelischer Vorstellungen. Das ist das, woran wir auch hinsichtlich der israelischen Seite festhalten. Gleichzeitig ist es so: Wenn die Hamas ihre Zustimmung zu dem Plan geben würde - das waren jetzt auch die Erkenntnisse aus der Reise der Ministerin nach Israel -, dann könnte es sehr rasch zu einem Waffenstillstand kommen.
Frage
Ärzte ohne Grenzen hat gestern wieder mitteilen müssen, dass einer ihrer Mitarbeiter in Gaza und Israel getötet wurde. Welche Reaktion gibt es darauf von Ihrer Seite?
Fischer (AA)
In dieser Auseinandersetzung sind schon viel zu viele humanitäre Helfer getötet worden. Sie wissen, dass wir seit Langem daran arbeiten, einen Waffenstillstand herzustellen, der auch die Gewalt im Gazastreifen beenden würde. Das war sozusagen auch Ausgangspunkt der Reise der Ministerin und auch Ausgangspunkt ihrer Rede bei der Herzliya-Sicherheitskonferenz, in der sie Eckpunkte für die langfristige Sicherheit Israels skizziert hat. Darin hat sie auch noch einmal klargestellt, dass es langfristige oder dauerhafte Sicherheit für Israel nur geben wird, wenn auch die Palästinenserinnen und Palästinenser in Frieden leben können. Genauso können die Palästinenserinnen und Palästinenser nur in Frieden und Sicherheit leben, wenn auch Israel sicher ist. Beides geht Hand in Hand.
Zusatzfrage
Ärzte ohne Grenzen meinte, dass der Mann auf einem Wege zu einem Rettungseinsatz war, auf dem Fahrrad. Er wurde dann offenbar bei einem Drohnenangriff getötet. Verurteilen Sie jetzt diese Tötung?
Fischer (AA)
Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist weiterhin furchtbar. Es gibt große Probleme bei der Verteilung von Hilfsgütern. Die hängen halt auch damit zusammen, dass die Absprachen, die sogenannten „deconflicting“-Maßnahmen, offensichtlich nicht gut funktionieren. Das ist möglicherweise ein weiteres Beispiel dafür, dass diese Maßnahmen nicht funktioniert haben. Natürlich ist es so, dass humanitäre Helfer keine Ziele sein dürfen.
Um das aber völkerrechtlich genau einzuordnen, müssen wir erst einmal die genauen Umstände des Angriffs kennen, und die liegen mir nicht vor. Aber gleichzeitig, wie gesagt, sind alle Konfliktparteien dazu aufgerufen, sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten. Das gibt bestimmte Regelungen vor.
Zusatzfrage
Sie bezweifeln jetzt also nicht den Bericht von Ärzte ohne Grenzen?
Fischer (AA)
Ich habe den Bericht von Ärzte ohne Grenzen nicht bezweifelt. Ich bezweifle nicht, dass ein weiterer Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen bei dem Konflikt ums Leben gekommen ist, nur kenne ich die genauen Hintergründe des Angriffs nicht. Aber, wie gesagt, humanitäre Helfer sind grundsätzlich kein Kriegsziel.
Frage
Herr Fischer, Sie kennen die Berichterstattung darüber, dass zwei hochrangige UN-Offizielle Israel gewarnt haben, dass sie die Arbeit von UNRWA und anderen Hilfsorganisationen in Gaza einstellen werden, wenn nicht mehr für die Sicherheit der humanitären Helfer getan wird. Als wie ernsthaft bewerten Sie diese Warnung? Was, erwarten Sie, soll die israelische Regierung tun, damit die Arbeit weitergehen kann?
Fischer (AA)
Die Äußerungen der beiden von Ihnen genannten Personen sind mir so nicht erinnerlich. Ich habe sie nicht vorliegen. Aber was doch klar ist, und das haben wir immer wieder gesagt, und ich habe es ja gerade auch schon gesagt: Die humanitäre Lage in Gaza ist furchtbar, und dazu gehört eben auch, dass es bezüglich der Möglichkeiten für die Hilfsorganisationen, Hilfe zu den Menschen zu bringen, immer schwieriger geworden ist und weiterhin schwierig ist, weil Dinge passieren, wie Sie sie angesprochen haben, dass Hilfsorganisationen - das war ja nicht der erste Vorfall - mindestens ins Kreuzfeuer geraten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren, weil Hilfskonvois geplündert werden. Es ist die Verantwortung derjenigen, die dort aktiv sind - das heißt also, Israels -, auch sicherzustellen, dass Hilfsgüter und Hilfstransporte zu den Menschen kommen können. Gleichzeitig ist es natürlich so, dass sich die Hamas nicht hinter diesen Hilfskonvois verstecken darf und diese damit zu Zielen machen darf. Das heißt, es gilt, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Hilfe die Menschen erreicht, und dafür braucht es ein Mindestmaß an Sicherheit und ein Mindestmaß an Absprachen mit den Hilfsorganisationen, damit diese ihre Suppenküchen und ihre Krankenhäuser sicher beliefern können und die Menschen sicher versorgen können.
Zusatzfrage
Nur ein kurzer Hinweis: Die Warnung und die Ankündigung seitens UN-Offizieller, dass Hilfe eingestellt werde, wurde gestern von Associated Press international verbreitet. Vielleicht können Sie eine Reaktion darauf dann noch nachliefern.
Fischer (AA)
Ich glaube, ich habe Ihnen die Antwort ja gegeben. Auch wenn mir die Statements hier nicht direkt vorliegen, ist meine Antwort, glaube ich, ja sehr klar geworden: Es braucht bessere Mechanismen, damit im Gazastreifen Hilfe sicher ausgeliefert werden kann.
Kall (BMI)
Ich habe eine kurze Nachreichung zu der Frage, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen Minderjährige ausgewiesen werden können. Da ist es so, dass Ausländerbehörden in Deutschland immer das Bleibeinteresse gegen das Ausweisungsinteresse abwägen müssen. Das ist entsprechend auch im Gesetz geregelt. Bei Minderjährigen gilt ein besonders hohes Bleibeinteresse. Das ist in § 55 Absatz 2 Nummer 1 des Aufenthaltsgesetzes so geregelt. Das heißt, das Bleibeinteresse ist bei Minderjährigen besonders hoch zu gewichten.