Pressekonferenz von Kanzlerin Merkel zum Treffen des Europäischen Rats (Freitag)

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel

StS Seibert: Meine Damen und Herren, willkommen zu dieser Abschlusspressekonferenz zu diesem Europäischen Rat. Das Wort hat die Bundeskanzlerin.

BK‘in Merkel: Meine Damen und Herren, wir haben unseren Rat beendet. Über einen Teil der Ergebnisse hatte ich Ihnen heute Nacht schon berichtet. Heute früh wurde das Assoziierungsabkommen in seinem politischen Teil von der Ukraine und von uns als Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterschrieben. Es ist die Einigung auf eine gemeinsame Wertebasis, auf Demokratie, Menschenrechte, auf Rechtsstaatlichkeit. Es ist auch ein Zeichen der Solidarität, und es ist eine sehr konkrete Basis für die Zusammenarbeit der EU mit der Ukraine, zum Beispiel im Rahmen des politischen Dialogs, der sich natürlich auch auf die innenpolitisch notwendigen Reformen konzentrieren und erstrecken soll.

Natürlich ist die Unterstützung der Ukraine für uns auch weiter im Fokus. Deshalb wird daran in vielen Facetten gearbeitet, jetzt vorrangig auch beim IWF. Damit verbunden sind auch die Auszahlungen der makroökonomischen Hilfsleistungen der Europäischen Union.

Die OSZE-Mission hat weiter Priorität; daran wird auch in diesen Stunden gearbeitet. Sie wissen, dass wir uns gestern Abend auch auf weitere Sanktionen geeinigt haben. Die Veröffentlichung der Namen im Amtsblatt der EU wird im Laufe des Nachmittags erfolgen.

Wir haben uns dann gestern - darüber hatte ich noch nicht berichtet - mit der Wirtschaftslage im Rahmen des Europäischen Semesters befasst. Dies ist eigentlich eine Diskussion, die schon einen ganzen Rat ausfüllen könnte. Insofern will ich hier noch einmal einige Eckpunkte nennen, die für uns sehr wichtig sind.

Wir können sagen: Die Eurozone hat die Rezession verlassen. Wir haben erste Wachstumssignale. Ungleichgewichte werden abgebaut, und die Konsolidierung schreitet voran

2014 wird das Defizit der Eurozone insgesamt wieder unter 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Dennoch haben wir gestern festgestellt, dass die Erholung nach wie vor fragil ist und dass die Stabilisierung der Arbeitslosigkeit leider auf einem sehr, sehr hohen Niveau erfolgt. Deshalb muss nach wie vor genau an diesem Punkt gearbeitet werden. Hierfür ist natürlich besonders wichtig, dass wir die industrielle Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.

Wir müssen sagen, dass wir in der Zeit von 2000 bis 2013 Anteile der industriellen Produktion am Bruttoinlandsprodukt verloren haben, von etwa 18 Prozent auf 15 Prozent. Wir haben festgelegt und uns vorgenommen, dass wir bis 2020 diesen Trend wieder umkehren wollen, das heißt, dass wir wieder ansteigende Anteile der Industrieproduktion am Bruttoinlandsprodukt haben.

Um das möglich zu machen, ist es nötig, dass wir unnötige Bürokratie abbauen, dass wir große Vorhaben der Europäischen Union, zum Beispiel das Telekom-Paket oder auch das EU-Patentregime, jetzt wirklich schnell implementieren, dass wir an allen Stellen darauf verzichten, neue Hürden aufzubauen, dass wir auch, was die Energieversorgung anbelangt, für unsere energieintensive Industrie die richtigen Rahmenbedingungen finden. Sie wissen, dass Deutschland hier im Augenblick in einem sehr intensiven Gespräch mit der Kommission ist. Und wir haben uns auch dafür ausgesprochen, dass das EU-Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA, TTIP, ein wichtiger Baustein sein kann, um Wachstumschancen zu verbessern.

Heute stand die Diskussion ganz im Lichte des Energie- und Klimapakets, das im Herbst verabschiedet werden soll. Wir haben den Kommissionsvorschlag als eine gute Ausgangsposition genommen und werden an diesem Vorschlag weiterarbeiten. Sie wissen, es geht hier um eine Reduktion der CO2-Ziele bis 2030 um 40 Prozent bezogen auf 1990 und um einen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 27 Prozent.

Wir hätten gerade auch beim Ziel zu den erneuerbaren Energien durchaus weiter gehen können, aber im Sinne eines Kompromisses haben wir diese Grundlage der Kommission als eine sehr gute Ausgangsgrundlage angesehen und sehen diese auch weiter so an.

Die Diskussion rankte sich dann vor allen Dingen natürlich um diese Zielsetzungen, auch um die Frage, wie wir das erreichen können, aber auch um die Energieversorgung insgesamt. Sie können sich vorstellen, dass angesichts der Lage und des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland die Frage der Diversifizierung der Energiesysteme eine große Rolle gespielt hat, auch die Frage der Verbindung der Energiesysteme zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Hier haben wir Fortschritte erzielt, aber wir sehen zum Beispiel, dass die Iberische Halbinsel - das hat heute eine sehr große Rolle gespielt - noch nicht ausreichend mit dem restlichen europäischen Energiemarkt verbunden ist. Deshalb wollen wir hier Fortschritte erzielen.

Wir haben die Kommission bis Juni 2014 um eine vertiefte Studie gebeten, um unsere Energieabhängigkeiten darzustellen und gegebenenfalls Vorschläge für eine weitere Diversifizierung zu machen. Wir sind uns auch klar, wie wichtig die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Energieversorgung ist.

Wir haben uns dann in einem letzten Teil mit der Vorbereitung des EU-Afrika-Gipfels befasst, der in wenigen Tagen hier in Brüssel stattfinden wird. Es ist selbstverständlich, dass Afrika als der Nachbarkontinent ein extrem wichtiger Partner für uns in Europa ist, wo es große Herausforderungen, aber auch sehr große Chancen gibt. Afrika ist ein sehr junger Kontinent. Deshalb werden wir uns auf diesem Gipfel dafür einsetzen, dass die grundlegenden Werte von Achtung der Menschenwürde, Demokratie, guter Regierungsführung wirklich Schwerpunkte der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Afrika sind. Denn in Zeiten des Internets wird das Thema gute Regierungsführung und Verlässlichkeit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie eine zunehmend wichtige Rolle spielen, weil die Menschen in den Ländern eben auch wissen, wie ihre Regierungen leben, wie ihre Regierungen arbeiten, welche Formen von Korruption es gegebenenfalls gibt. So wird das eine sehr intensive Diskussion werden.

Sie wissen, dass wir in einigen afrikanischen Ländern auch mit militärischen Missionen tätig sind. Deshalb werden wir auch in besonderer Weise bei der Ertüchtigung afrikanischer Staaten und Regionalorganisationen zur Wahrung der Stabilität und Sicherheit eine zentrale Rolle einnehmen. Das ist die sogenannte Enable-and-Enhance-Initiative, das heißt eine Befähigungsinitiative und eine Verstärkungsinitiative. Hier geht es um Ausbildung, Ausrüstung und natürlich Beratung, damit afrikanische Länder beziehungsweise auch die Regionalorganisationen in der Lage sind, ihre eigenen Sicherheitsinteressen in Zukunft auch alleine besser zu vertreten.

Wir werden natürlich auch über die wirtschaftliche Zusammenarbeit sprechen. Wir wissen, dass andere Länder außerhalb Europas in den letzten Jahren sehr enge Beziehungen zu Afrika geknüpft haben. Deshalb wollen wir an dieser Stelle zum Teil wieder aufholen. Wir brauchen langfristige Kooperationen, und das Angebot der Europäischen Union läuft auf eine nachhaltige Kooperation zwischen den beiden Kontinenten Europa und Afrika hinaus.

Sie sehen, die Tagesordnung war voll mit aktuellen, aber auch langfristig sehr fordernden Zielen. Insofern war es ein intensiver Rat, aber ein Rat, der gezeigt hat: Egal, wie schwer das Problem ist, egal, wie fordernd die Aufgabenstellung ist, wir haben eine gemeinsame Position gefunden. So fahre ich dann auch diesbezüglich sehr zufrieden nach Hause. Europa hat einmal mehr gezeigt, dass es auch auf aktuelle Herausforderungen sehr gemeinsam und sehr geschlossen antworten kann. Ich glaube, dieses Signal war dringend notwendig, aber es ist auch von uns allen erbracht worden.

Frage: Herr Jazenjuk hat darum gebeten, dass die Europäer die Ukraine jetzt mit Gas beliefern, weil die Preise aus Russland zu hoch sind. Vielleicht können Sie uns sagen, wie Sie diese Möglichkeit einschätzen. Können Sie uns vielleicht einen kleinen Ausblick auf die nächste Woche geben, wenn Sie in Den Haag einerseits das G7-Treffen haben und andererseits vielleicht eine Möglichkeit zu einem Gespräch mit Russland besteht? Mit welchen Erwartungen fahren Sie dorthin?

BK‘in Merkel: Das, was der ukrainische Ministerpräsident angesprochen hat, ist ein Projekt, an dem Energiekommissar Günther Oettinger schon seit geraumer Zeit mit vielen Akteuren arbeitet. Da geht es um den sogenannten Reverse Flow über die Slowakei zurück in die Ukraine. Auch deutsche Energieunternehmen haben gesagt, welche Energiemengen sie frei verfügbar hätten, um sie in die Ukraine zu liefern.

Man muss sagen, dass der ukrainische Gaspreis bis jetzt besonders niedrig war. Viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union zahlen für 1.000 Kubikmeter mehr, als die Ukraine in letzter Zeit gezahlt hat. Das heißt, man hat auf der einen Seite die technische Frage und auf der anderen Seite natürlich die Preisfrage. Aber da wird es auch bei den europäischen Anbietern schwer werden, einen billigeren Preis zu vereinbaren, als ihn im Augenblick die Ukraine zahlt.

Mit welchen Erwartungen fahre ich nach Den Haag? Das Zentrum ist nach wie vor der sogenannte Nuclear Summit, bei dem es um die Frage der nuklearen Sicherheit im umfassenden Sinne geht, von der Kernwaffe bis hin zu den medizinischen Kernquellen. Das heißt, wir haben weiter an diesem Werkstück zu arbeiten.

Wir haben vereinbart, dass wir am Rande dieses Treffens ein G7-Treffen haben. Natürlich werden auch die Gespräche sicherlich gesucht werden. Russland ist ja auf der Ebene des Außenministers, soweit mir das bekannt ist, dort vertreten. Dann schauen wir mal, wie die Lage am Montag aussieht. Vielleicht haben wir zum Beispiel das Thema OSZE vorher gelöst. Man kann das im Augenblick eigentlich immer schlecht voraussagen 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, dass in der Frage einer OSZE-Kontaktgruppe auch hier weiter gearbeitet wird. Haben Sie Signale, dass es vielleicht zum Wochenende passieren könnte? Werden Sie mit dem russischen Präsidenten noch einmal telefonischen Kontakt haben?

BK‘in Merkel: Es hat heute eine Reihe von Kontakten gegeben. Ich muss Ihnen sagen: Ich warte auf das Ergebnis und beteilige mich nach verschiedensten Erfahrungen der letzten Tage nicht an Prognosen, wann etwas gelingen könnte. Es wird mit Hochdruck daran gearbeitet. Sie werden sofort informiert, wenn es klappt.

Ich bleibe bei meiner Bewertung: Es wäre gut und wünschenswert, wenn es zu einer solchen OSZE-Mission kommt. Wir haben allerdings auch gesagt: Wenn es nicht zu ihr kommt, stehen wir für eine EU-Mission bereit. Aber die OSZE-Mission würde ich für das bessere Signal halten. Der Tag heute hat noch ein paar Stunden. Morgen gibt es auch wieder einen Tag, aber es drängt eigentlich, dass eine solche Mission jetzt beschlossen wird.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich würde gern kurz zu einem anderen Thema schwenken, nämlich den Klimazielen. In der Abschlusserklärung ist nun kein Klimaziel für 2030 erwähnt, sondern allgemein wird der Vorschlag der EU-Kommission willkommen geheißen. Meine Frage an Sie ist jetzt: Lesen Sie die Abschlusserklärung so, dass die EU demnächst, in naher Zukunft ein Reduktionsziel beschließen wird, das bis 2030 40 Prozent Minderung vorsieht? Wenn ja, wie wollen Sie die Länder rund um Polen überzeugen, da mitzumachen? Die sagen ganz klar: We trust in our coal.

BK‘in Merkel: Wir haben ja heute eine solche abschließende Beschlussfassung noch nicht treffen können, weil eben noch die Frage zu klären ist: Wie können wir alle auf dieses Ziel vereinen?

Wenn die Ausgangsposition der Kommission eine gute ist, dann habe ich ja deutlich gemacht, dass wir uns dieses 40-Prozent-Ziel sehr gut vorstellen können. Es ist ein EU-weites Ziel. Das heißt, die einzelnen Mitgliedstaaten werden dazu unterschiedliche Beiträge erbringen. Das eröffnet uns Spielräume für die Verhandlungen, aber bis zu einer endgültigen Beschlussfassung dauert es noch einige Monate. Es wird noch harte Arbeit erfordern. Ich bin trotzdem verhalten optimistisch, dass wir dann zum Schluss ein solches Ziel erreichen können.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich habe zwei Fragen. Zum einen: Wie sehen Sie in der aktuellen Situation die Rolle der Nato?

Als Zweites zur EU-Wahl und zum EU-Kommissionpräsidenten: Das fokussiert sich momentan auf einen Zweikampf zwischen Schulz und Juncker. Welchen Eindruck könnte das aus Ihrer Sicht bei den Wählern am Ende hinterlassen, wenn es dann doch jemand anders wird?

BK‘in Merkel: Mit diesen Fragen kann ich mich im Augenblick gar nicht beschäftigen. Wir haben vor Kurzem den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei aufgestellt.

Sie kennen die vertragliche Situation: Im Lichte der Europawahl wird der Rat dann einen Vorschlag machen und der Kommissionspräsident im Parlament gewählt. Das heißt, die beiden Institutionen werden sehr eng zusammenarbeiten. Die Spitzenkandidaten sind von ihren jeweiligen Parteienfamilien gewählt und benannt worden mit dem Ziel, dass sie Kommissionspräsident werden. Jetzt müssen wir den Ausgang der Wahl abwarten, und dann werden wir diskutieren. Wir werden als Rat natürlich auch schauen: Welche Arbeit stellen wir uns vor? Welche Aufgaben haben wir? Dann wird man das alles zusammenfügen.

Die Nato hat naturgemäß beim Europäischen Rat keine zentrale Rolle gespielt, aber sehr viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind auch Mitgliedstaaten der Nato. Das heißt, die Nato hat ihre Schutzverpflichtungen; das kennen wir. Zu denen stehen all die Länder, die Mitgliedstaaten der Nato sind. Deutschland ist das. Also kennen wir alle Artikel 5.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie sind ein Kind des Kalten Krieges. Gewissermaßen stehen Sie jetzt im Mittelpunkt der Ankündigung einer neuen Konfrontation zwischen dem Westen und Russland. Wie geht es Ihnen dabei? Worauf sollen wir uns einstellen?

BK‘in Merkel: Ich habe ja glücklicherweise, wie wir alle, den Kalten Krieg hinter mir lassen können. Ich glaube auch, dass sich Geschichte nicht einfach wiederholt. Aber ich habe an anderer Stelle im Deutschen Bundestag auch gesagt, dass man mit den Methoden des 19. und 20. Jahrhunderts die Konflikte des 21. Jahrhunderts mit Sicherheit nicht erfolgreich lösen kann.

Wir sind heute alle global auf das Engste verflochten. Wir sehen das an den vielen bilateralen und multilateralen Formaten, in denen wir normalerweise zum Wohle aller Partner zusammenarbeiten. Ich glaube, dass jeder, der einen Beitrag dazu leistet, dass solche Formate nicht mehr stattfinden können, weil eben internationale Regeln verletzt werden, früher oder später merkt, dass das zu seinem eigenen großen Nachteil ist. Das ist das Bewusstsein, in dem ich jetzt versuche, die Konflikte mit zu lösen, soweit das möglich ist. Aber zur Lösung von Konflikten gehören auch immer mehrere Partner. Es gibt einen Dreiklang von Gesprächen, von Sanktionen und Hilfe für die Ukraine. An diesem Dreiklang haben wir während dieses Rats auch miteinander gearbeitet.

Frage : Ich würde gerne noch einmal auf das Stichwort „Diversifizierung“ zurückkommen. Energiemix ist bekanntlich Sache der einzelnen EU-Länder. Trotzdem würde mich interessieren, wie die Diskussion läuft. Gibt es zum Beispiel Konsequenzen für Deutschland, wenn man mehr auf Flüssiggas setzen will? Muss man dann Terminals bauen? Wie verläuft die Diskussion zwischen den EU-Ländern, beispielsweise mehr Flüssiggas aus den USA zu importieren, das ja dann aus Fracking käme, was in einigen EU-Ländern verboten ist. Könnten Sie uns ein Stück mitnehmen, wie die Diskussion dazu verläuft?

BK‘in Merkel: Wir haben jetzt nicht die Energiepolitik jedes einzelnen Landes deutlich gemacht. Es gibt eine Reihe von Ländern, die zum Beispiel zu hundert Prozent vom russischen Erdgas abhängig sind, in einem großen Teil - mehr als 10 - ist das zu mehr als 50 Prozent der Fall. Das heißt, das Thema der Diversifizierung hat heute eine große Rolle gespielt. Wenn Sie die einzelnen Länder durchgehen, werden Sie aber auch viele Beispiele finden, dass auch diversifiziert wird. Nach der Auffassung vieler könnte das, wenn die USA sich entscheiden sollten, das Fracking-Gas zu exportieren - dazu brauchen sie auch erst einmal die geeignete Infrastruktur -, eine Komponente werden.

Ich will allerdings noch einmal darauf hinweisen, dass eine große Rolle gespielt hat, dass wir gesagt haben: Alle nicht gebrauchte Energie muss auch nicht importiert werden. Das heißt, Energieeffizienz und Energiesparen sind erst einmal wichtige Voraussetzungen.

Zweitens. Wir wollen die CO2-Anteile reduzieren. Das heißt: Was immer man auch im Bereich der erneuerbaren Energien vernünftigerweise machen kann, sollte gemacht werden.

Dann wird man auf fossile Brennstoffe nicht völlig verzichten können. Hier spielt Erdgas eine wichtige Rolle. Im Abschlusstext wird noch einmal auf das verflüssigte Gas hingewiesen. Das muss ja nicht nur aus Amerika kommen, das kann auch aus der Golfregion kommen. Es wird darauf hingewiesen, dass wir auch die Südleitungen, zum Beispiel TAB, als eine Leitung weiter ins Auge fassen. Dann wird noch einmal darauf hingewiesen - das war vielen ganz wichtig, insbesondere Spanien und Portugal -, dass die Verbindungen von der Iberischen Halbinsel nicht nur im Strombereich, sondern auch zum Beispiel im Gasbereich besser gestaltet werden müssen, damit diese Länder auch eine faire Chance haben, überhaupt an der gesamten Verteilung in der EU teilzunehmen.

Zuruf : Gibt es doch wieder Überlegungen in Deutschland in Sachen Flüssiggasterminals?

BK‘in Merkel: Das könnte eine Diskussion sein, die die Infrastrukturpolitiker sicherlich führen werden. Wir haben ja mit Wilhelmshaven eigentlich einen Tiefseehafen, für den schon einmal ein LNG-Terminal angedacht war - darauf beziehen Sie sich sicherlich -, von dem sich die Anbieter aber aus finanziellen Gründen wieder zurückgezogen haben. Aber wenn es eine größere Nachfrage gäbe, könnte sich das auch wieder ändern. Aber das hat heute hier in den Beratungen keine Rolle gespielt.

Frage: Direkt daran anknüpfend eine Frage zum Thema Energieunabhängigkeit, Frau Bundeskanzlerin. In den letzten Jahren hat man ja gesehen, dass russische Firmen, vor allem Gazprom, nicht nur Gas liefern, sondern sich zunehmend an der Energieinfrastruktur in Deutschland und in anderen europäischen Ländern beteiligen. Sehen Sie das eigentlich unter dem Licht der jetzigen Entwicklung als Problem? Finden Sie, dass Deutschland und die EU dort einschreiten müssten?

BK‘in Merkel: Ich finde nicht, dass man einschreiten muss. Ich glaube nur, dass wir natürlich jetzt schon im Zustand einer größeren Verunsicherung über das, was vorgefallen ist, leben. Aber ich hoffe doch, dass man auch weiter zu Verlässlichkeit kommen kann. Aber das Vertrauen - das sieht man ja auch an vielen Ereignissen auf den Märkten - ist schon erschüttert. Auf der anderen Seite haben wir bislang keine negativen Erfahrungen gemacht; das zählt auch viel. Ich habe immer wieder gesagt: Selbst im Kalten Krieg sind die Gasflüsse, die Erdölflüsse gut gelaufen. Aber wenn ich die Diskussion von den Kollegen verfolge, gibt es schon eine gewisse Verunsicherung.

Frage : Frau Merkel, was halten Sie vom Vorschlag von Erweiterungskommissar Štefan Füle, der Ukraine jetzt eine echte Beitrittsperspektive zu eröffnen? Ist die Unterzeichnung des politischen Teils des Abkommens ein erster Schritt dafür, dass die Ukraine irgendwann ein Mitglied der Europäischen Union wird?

BK‘in Merkel: Das Assoziierungsabkommen steht für sich. Ich rate uns jetzt, erst einmal gemeinsam die Diskussionen in der Ukraine abzuwarten. Wir haben heute einen wichtigen Schritt getan. Viele Menschen sind auf die Straße gegangen, haben dafür protestiert und sind dafür eingetreten, dass dieses Assoziierungsabkommen - heute ist der erste Teil davon unterzeichnet worden - unterzeichnet wird. Wir werden daraus sehen, dass es eine engere Handelsverpflichtung insbesondere für ukrainische Importe nach Europa gibt. Ich glaube, das ist in der augenblicklichen wirtschaftlichen Situation sehr wichtig.

Dann rate ich dazu, dass wir die Wahlen abwarten. In diesem Wahlkampf wird sicherlich die Orientierung der Ukraine in Richtung Europa - Ja oder Nein, wenn ja, wie schnell - eine große Rolle spielen. Erst dann kann sich die Europäische Union mit der Frage befassen. Mit dem Assoziierungsabkommen haben wir einen deutlichen Hinweis gegeben, dass wir die Ukraine gerne näher an uns binden und mit uns zusammenbringen wollen 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, halten Sie es für denkbar, dass Sie sich auf dem Nuclear Summit auch mit Wladimir Putin treffen oder wäre das im Moment nicht opportun?

Zweite Frage. Herr Jazenjuk sprach ja von einer Verdoppelung der Gaspreise. Nun ist es ja faktisch durch die Streichung der Rabatte irgendetwas zwischen 25 und 33 Prozent. Ist das seriös, wenn man das hier auf dem Gipfel öffentlich kundtut?

BK‘in Merkel: Wir haben ja das Recht der freien Rede.

Zuruf: Aber die Zahlen von Jazenjuk waren ja falsch!

BK‘in Merkel: Sie müssten mir noch einmal sagen, was er gesagt hat.

Zusatzfrage: Herr Jazenjuk sprach von einer Verdoppelung der Gaspreise, die Russland durchgesetzt hätte. Russland hat ja den Rabatt von 100 Euro pro 1.000 Kubikmeter gestrichen, wie Sie ja eben auch erklärt hatten. Das ist faktisch nur eine Erhöhung von 25 oder 33 Prozent. Damit würde ja, wenn man von einer Verdoppelung spricht, weiter Öl ins Feuer gegossen. Das ist doch keine seriöse Art.

BK‘in Merkel: Ich finde, der Sachverhalt ist schnell aufgeklärt worden. Die Preise sind ja bekannt. Ich möchte mich jetzt nicht dazu äußern.

Nach meinem Kenntnisstand - ich habe darüber auch mit dem Gastgeber, dem niederländischen Premierminister, gesprochen - hat der russische Präsident Wladimir Putin seit Wochen abgesagt, also schon sehr früh. Nach meinem Kenntnisstand - ich muss das immer so sagen, vielleicht wissen Sie etwas anderes - kommt der russische Außenminister. Deshalb stellt sich die Frage eines Treffens mit dem russischen Präsidenten nicht, wenn er nicht da ist.

StS Seibert: Ich danke Ihnen. Auf Wiedersehen!