Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel nach der Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs der G7

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, wir hatten heute unter der britischen Präsidentschaft von Boris Johnson ein erstes Zusammentreffen innerhalb der G7. An diesem Treffen habe ich natürlich teilgenommen.

Es war ein sehr konstruktiver Austausch, weil wir uns natürlich erstens auf die Themen, die uns im Augenblick alle bewegen, konzentriert haben. Das sind die Bekämpfung der Pandemie, die Erholung der Weltwirtschaft und unser Engagement in Afrika, aber natürlich auch, weil drei neue Kollegen ‑ der japanische Premierminister, der amerikanische Präsident Joe Biden und Mario Draghi als neuer italienischer Premierminister ‑ an diesem G7-Treffen teilgenommen haben.

Insbesondere durch den Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten von Amerika ist natürlich der Multilateralismus gestärkt worden. Das hat sich ja schon an den ersten Entscheidungen der Biden-Administration gezeigt: Rückkehr in das Klimaabkommen von Paris und die Rückkehr in die Weltgesundheitsorganisation. Auch heute hat sich das gezeigt, weil die Vereinigten Staaten von Amerika noch einmal einen Beitrag von zwei Milliarden Dollar in Bezug auf die COVAX-Initiative geleistet haben, was natürlich das Gesamtengagement der G7 stärkt.

Ich habe mich gefreut, dass Deutschland zusätzliche Mittel von 1,5 Milliarden Euro ankündigen konnte, sodass wir jetzt einer der größten Geber ‑ um nicht zu sagen: sogar der größte Geber – sind; dann die Vereinigten Staaten von Amerika und dann das Vereinigte Königreich. Insgesamt konnten für den ACT-A, also den ACT Accelerator, 10,3 Milliarden Dollar zugesagt werden, davon von den G7-Partnern 7,5 Milliarden Dollar. Das ist ein wesentlicher Beitrag, wenngleich hier immer noch finanzielle Mittel fehlen.

Wir haben im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Pandemie darüber gesprochen ‑ ich habe das auch in meinem Beitrag deutlich gemacht ‑, dass die Pandemie erst besiegt ist, wenn alle Menschen auf der Welt geimpft sind. Denn wir sehen auch an den Mutationen, dass, solange Infektionen in großem Maße auftreten, das Virus mutiert und dann natürlich immer wieder die Situation eintreten kann, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe geschwächt wird. Das gilt es zu verhindern. Das heißt, alle müssen teilhaben. Deshalb geht es darum, dass wir sehr schnell für COVAX Impfstoffe bekommen bzw. selber auch einen Beitrag dazu leisten, von den uns schon zugesagten Impfstoffen gegebenenfalls etwas abzugeben. Aber vor allen Dingen geht es darum, dass COVAX Verträge machen kann. Diese Verträge werden von GAVI gemacht. Wir sind sehr froh, dass sowohl mit BioNTech als auch mit anderen Impfstoffherstellern jetzt schon Verträge mit COVAX abgeschlossen werden konnten.

Die Europäische Union ‑ das hat der französische Präsident auch noch einmal gesagt, und ich unterstütze das ‑ wird sich hier auch ganz besonders für Impfungen in Afrika einsetzen.

Wir haben des Weiteren natürlich darüber gesprochen, dass wir den Wiederaufschwung nach der pandemischen Krise wirtschaftlich organisieren müssen. Hierbei geht es darum, dass wir die Dinge besser machen, das heißt nachhaltiger. Denn es geht ja darum, nicht nur Antworten auf die Pandemie zu finden, die man als Naturkatstrophe bezeichnen kann, sondern genauso auf die Herausforderungen des Klimawandels und der Artenvielfalt.

In diesem Jahr wird in Glasgow die große Klimakonferenz stattfinden. Die Europäische Union hat sich ja schon zu der Erhöhung ihrer Ziele für 2030 und der CO2-Neutralität bis 2050 verpflichtet.

Es geht darum, die internationalen multilateralen Organisationen zu stärken. Dies ist neben der Weltgesundheitsorganisation auch die WTO. Wir freuen uns, dass jetzt der Weg für eine WTO-Generaldirektorin frei ist, nämlich für die nigerianische Kandidatin Frau Ngozi Okonjo-Iweala. Damit sollte die Welthandelsorganisation auch wieder schrittweise handlungsfähig werden.

Wir haben deutlich gemacht, dass es beim Wiederaufbau um ein gerechtes und wechselseitig nutzbringendes globales Wirtschaftssystem geht. Hierzu sagen die G7, dass wir insbesondere auch mit den G20 zusammenarbeiten wollen, ganz besonders auch mit China, und dass wir natürlich vor speziellen Herausforderungen stehen, auch im Umgang mit nicht marktwirtschaftlich orientierten Ökonomien. Das wird uns innerhalb der G7 auch beschäftigen, und darüber werden wir uns intensiv austauschen.

Insgesamt war es also ein guter Auftakt der britischen Präsidentschaft. Ich möchte den Organisatoren danken und den Sherpas, die das Kommuniqué ausgearbeitet haben, ganz herzlich danken. Es ist ganz klar: Der Multilateralismus wird durch die G7-Staaten auch wieder eine stärkere Chance haben. Das freut mich ganz besonders; denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass uns gerade die Coronapandemie gezeigt hat, wie abhängig wir voneinander sind, und das weltweit.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich möchte kurz auf ein anderes Thema zu sprechen kommen, das heute eine große Rolle spielt, nämlich den Iran und die Atomverhandlungen. Da gibt es ja Bewegung. Die Iraner fordern nun, dass die Sanktionen aufgehoben werden, bevor sie an den Verhandlungstisch kommen. Werden Sie sich gegenüber dem neuen Präsidenten der USA dafür einsetzen, dass die Sanktionen fallengelassen werden, um neuen Schwung in die Verhandlungen zu bringen?

BK’in Merkel: Ich werde mich zumindest dafür einsetzen, neuen Schwung in die Verhandlungen zu bringen. Ich habe ja mit dem iranischen Präsidenten, Herrn Rohani, auch vor wenigen Tagen telefoniert. Wir müssen jetzt darauf achten, dass nicht sozusagen die Problematik dessen entsteht, wer den ersten Schritt macht. Wenn alle davon überzeugt sind, dass man diesem Abkommen wieder eine Chance geben sollte, dann sollten sich auch Wege finden, dieses Abkommen wieder in Gang zu setzen. Jetzt geht es darum, die Schrittfolge zu vereinbaren, und das ist wahrscheinlich noch ein diplomatischer Balanceakt oder Kraftakt, je nachdem, wie Sie es nennen wollen. Aber wir, Bundesaußenminister Heiko Maas und ich, werden uns von deutscher Seite natürlich gleichermaßen dafür einsetzen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich hätte ganz gerne noch einmal nach COVAX gefragt. Sie haben jetzt gelobt, wie viel die G7-Länder dafür bereitstellen. Aber ist es nicht so, dass sich gerade die westlichen Industriestaaten bei der Impfstoffversorgung erst einmal um sich selbst gekümmert haben und gegenüber China und Russland eigentlich schon im Hintertreffen sind?

Sind Sie wirklich bereit, von den deutschen Impfdosen, wie Herr Macron es vorgeschlagen hat, vier bis fünf Prozent an Entwicklungsländer abzugeben?

BK’in Merkel: Über die Prozentzahl haben wir noch nicht gesprochen. Aber ich glaube schon, dass es darauf ankommt, auch wirklich deutlich zu machen, dass nicht nur Geld ankommt, sondern auch Impfstoff ankommt. Für mich ist es egal, ob BioNTech und Pfizer jetzt zum Beispiel einen Vertrag mit COVAX abschließen oder ob wir von unserem Budget etwas abgeben, dafür aber ein etwas größeres Budget haben. Wir werden das im Detail diskutieren. Wichtig ist, dass Impfstoff ankommt und sozusagen nicht nur Geld da ist. Dabei kann die Frage, was wir von unseren Dosen abgeben können, eine Rolle spielen. Über den Zeitpunkt haben wir noch nicht gesprochen; das muss noch diskutiert werden. Auf jeden Fall geht es hierbei um eine elementare Frage der Gerechtigkeit.

Allerdings, glaube ich, ist es für demokratische Staaten auch wichtig, dass wir unseren eigenen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber verpflichtet sind und nicht einfach den in Europa produzierten Impfstoff diplomatisch und geopolitisch einsetzen können. Beide Dinge müssen eine gute Balance haben. Es wird also kein Impftermin in Deutschland in Gefahr geraten. Das will ich jetzt nur sagen, ehe darüber eine Diskussion ausbricht.

Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass wir heute auch diskutiert haben, dass ein Teil der Impfstoffe, die weltweit exportiert werden, auch in Europa hergestellt wird. Wir beliefern G7-Staaten mit europäischer Produktion. Wir beliefern Lateinamerika. Wir beliefern auch Länder in Asien. Das heißt also, Europa leistet heute schon einen Beitrag. Es gibt also keinerlei Beschränkungen hinsichtlich des Exports in Drittstaaten. Damit sind europäische Werke auch Produzenten von Impfstoff für andere Länder auf der Welt. Nur deshalb konnten BioNTech und Pfizer, glaube ich, auch bereits einen Vertrag mit COVAX abschließen, wodurch die ersten Impfdosen zum Beispiel auch Ende Februar in Afrika eintreffen werden.