Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bürgermeister Müller und Ministerpräsident Söder nach der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bürgermeister Müller und Ministerpräsident Söder nach der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Dienstag, 23. März 2021

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Regierender Bürgermeister Michael Müller, Ministerpräsident Markus Söder

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, danke, dass Sie gewartet haben, und guten Morgen! Wir haben heute intensiv gearbeitet.

Ich will noch einmal darauf hinweisen: Wir kämpfen ja jetzt schon seit mehr als einem Jahr mit dem Virus. Gestern - inzwischen ist es ja frühmorgens geworden - war es exakt vor einem Jahr notwendig, in Anbetracht der aufziehenden Pandemie weitere Einschränkungen der sozialen Kontakte von jedem und jeder Einzelnen zu beschließen. Ich werde es nicht vergessen: Unmittelbar nach dieser Pressekonferenz musste ich mich in eine 14-tägige Quarantäne zurückziehen. Damals ging es mir wie seitdem so vielen Menschen in unserem Land.

In diesem Jahr sind wir - wir heißt Bund und Länder, aber vor allem auch alle Menschen in Deutschland - gemeinsam einen wirklich harten Weg gegangen, einen Weg mit Erfolgen, aber auch mit Rückschlägen. Wir dürfen uns von diesen Rückschlägen natürlich nicht entmutigen lassen. Im Gegenteil: Aus solchen Rückschlägen kann auch zusätzliche Kraft erwachsen. Wir können ja auch sagen, dass wir heute so viel weiter sind als vor einem Jahr. Die Forscher verstehen das Virus besser, die Ärzte können Patienten besser behandeln. Jeder von uns weiß, mit welchen Verhaltensweisen er sich und andere wirksam schützt. Wir haben eine ganze Bandbreite von Tests zur Verfügung - vom PCR-Test bis zum Selbsttest -, und - das konnten wir vor einem Jahr nun vor allen Dingen nicht voraussagen - wir haben wirksame Impfstoffe.

Aber wir haben eben das Virus noch nicht besiegen können. Es lässt nicht locker. Nachdem wir im Januar die Infektionszahlen stark senken konnten, erleben wir durch das Vordringen der ansteckenderen britischen Mutante jetzt auch immer klarer sichtbar die gefährlichere Mutation. Wir erleben damit genau das Gegenteil: Die Fallzahlen steigen exponentiell, die Intensivbetten füllen sich wieder, und jetzt haben auch mehr Menschen im mittleren und jüngeren Alter schwere Verläufe zu verzeichnen. Auch Long Covid ist ein Phänomen, das viele Menschen erreicht.

Wir wollen keine Überlastung unseres Gesundheitswesens. Das hatten wir auf diesem ganzen langen Weg der Pandemie geschafft, und das müssen wir auch in den nächsten Wochen schaffen. Wir sind in einem Wettlauf, was das Impfen angeht, das seine Wirkung möglichst schnell entfalten soll.

Für uns sind zwei Oberbegriffe entscheidend: Vorsicht und Flexibilität. Vorsicht und Flexibilität haben uns auch bei unserer letzten Bund-Länder-Runde am 3. März begleitet. Wir haben damals einen Stufenplan beschlossen, und zwar mit Öffnungen - abhängig von Inzidenzwerten - und mit einer Notbremse für den Fall wieder ansteigender Infektionszahlen. Dieser Stufenplan bleibt natürlich der wesentliche Leitfaden, der damals, am 3. März, schon mit einer umfassenden Teststrategie ergänzt wurde. Aber wir haben eben die Situation, dass wir jetzt auch in einer sehr, sehr ernsten Lage sind.

Was das Impfen anbelangt - darin will ich noch einmal erinnern -, haben wir am Freitag wesentliche Beschlüsse gefasst, um auch hierbei Flexibilität durch die Einbeziehung der Hausärzte einziehen zu lassen. Wir wissen: Je mehr Menschen geimpft sind, desto mehr verliert diese Pandemie auch ihren Schrecken, und je mehr Menschen geimpft sind, desto mehr kann auch der R-Wert gesenkt werden. Die Wissenschaft sagt uns ganz klar: Je geringer die Zahl der Neuinfektionen jetzt ist, desto schneller wirkt die Impfung, und je höher die Zahl der Neuinfektionen ist, desto länger dauert es, bis die Impfungen wirken.

Wir wollen natürlich, dass die Impfungen ihre Wirkung möglichst schnell entfalten. Deshalb haben wir heute sehr, sehr lange und sozusagen auch noch einmal sehr neu darüber nachgedacht, wie wir das Bestmögliche in den nächsten Tagen und Wochen erreichen können. Ich habe eben schon über die größere Gefahr der Mutationen gesprochen. Deshalb müssen wir mit unseren Beschlüssen heute sagen, weil wir im Augenblick wieder bei einem exponentiellen Wachstum sind, und zwar sehr klar und sichtbar - klarer, als es am 3. März abzusehen war -, dass wir leider von der Notbremse Gebrauch machen müssen, und zwar dort, wo die Inzidenz bei mehr als 100 liegt. Das ist leider in vielen Kreisen oder Bundesländern der Bundespolitik Deutschland inzwischen wieder der Fall.

Wir müssen auch noch einmal darauf hinweisen, dass die vereinbarten Öffnungsschritte ja nur dann umgesetzt werden können, wenn die 7-Tage-Inzidenz stabil bei einem Wert von weniger als 100 Neuinfektionen liegt oder abnimmt. Beide Dinge, also dass im Rahmen der Notbremse bei einem Wert von mehr als 100 wieder die Dinge gelten, die vor dem oder bis zum 7. März gegolten haben, oder aber eben - das gilt für alle inzidenzbasierten Öffnungsschritte; das will ich hier noch einmal betonen - neue Öffnungsschritte bei einem Wert von unter 100, gelten nur dann, wenn die Fallzahl stabil ist oder sinkt.

Wir wissen, dass allein die Notbremse nicht ausreichen wird, um das exponentielle Wachstum zu beenden. Deshalb müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. Dabei werden in Landkreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 100 weitergehende Schritte umgesetzt. Hierfür haben wir exemplarisch, weil das auch länderspezifisch und regional wahrgenommen wird, Vorschläge gemacht, zum einen das Tragen medizinischer Masken im privaten Bereich, wenn Mitfahrer in einem Auto sind, die nicht zum Hausstand gehören, weitergehende Verpflichtungen zum Maskentragen, Ausgangsbeschränkungen und verschärfte Kontaktbeschränkungen. Das sind Möglichkeiten, die zusätzlich zu der Notbremse angewandt werden müssen.

Wir stehen vor Ostern und fragen uns: Wie können wir diese Ostertage zu einer Ruhephase entwickeln? – Deshalb haben wir heute sehr lange darüber diskutiert, wie wir einen Beitrag dazu leisten können, diese dritte Welle, in der wir sind - vor der wir nicht stehen, sondern in der wir sind -, auch ein Stück weit zu durchbrechen, auch wenn das nicht vollkommen gelingen wird. Deshalb sollen der 1. April, Gründonnerstag also, und der 3. April einmalig als Ruhetage mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen sowie einem Ansammlungsverbot vom 1. bis zum 5. April definiert werden, also als eine erweiterte Ruhezeit zu Ostern. Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip: Wir bleiben zu Hause. Private Zusammenkünfte sind in dieser Zeit im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstand und mit einem weiteren Haushalt möglich, jedoch beschränkt auf maximal fünf Personen. Kinder bis zu 14 Jahren - das wissen Sie - werden dabei nicht gezählt, und Paare gelten als ein Haushalt. Wir werden in dieser Zeit Versammlungen, Ansammlungen im öffentlichen Raum untersagen. Die Außengastronomie, soweit sie schon geöffnet ist, wird während dieser fünf Tage geschlossen werden. Ausschließlich der Lebensmitteleinzelhandel im engen Sinne wird am Samstag geöffnet sein.

Der Bund wird einen Vorschlag zur rechtlichen Umsetzung einschließlich der Begründung vorlegen, und Bund und Länder werden auf dieser Grundlage dann ihre Rechtsverordnungen vorlegen. Die Grundbasis unseres Vorgehens wird das Infektionsschutzgesetz sein.

Wir werden an die Religionsgemeinschaften - dabei werden Bund und Länder auf die Religionsgemeinschaften zugehen - mit der Bitte an sie herantreten, religiöse Versammlungen in dieser Zeit nur virtuell durchzuführen; ich betone „mit der Bitte“.

Wir werden nur Impf- und Testzentren in dieser Zeit geöffnet halten.

Nach Ostern soll die Phase der umfangreichen Testungen auf der Grundlage dieses Drei-Säulen-Modells beginnen: die Tests in den Bürgertestzentren, die Tests in den Unternehmen und die Tests in den Schulen und Kitas. Hier soll dieses flächendeckende Testsystem dazu dienen, dass wir dann auch wirklich weitere Öffnungen ins Auge fassen können. Wir wollen vor allen Dingen - ähnlich wie es in Tübingen oder zum Teil auch in Rostock heute schon gemacht wird - im Rahmen von zeitlich befristeten Modellprojekten in ausgewählten Regionen mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens wieder öffnen, um zu lernen, wie die Umsetzbarkeit von Öffnungsschritten mit einem Testregime auch wirklich möglich ist.

Die Unternehmen - das sagte ich schon - bilden eine weitere Säule dieses Testregimes. Wir erwarten, dass sie bis Anfang April einen Umsetzungsbericht vorlegen. Wir werden auch eigene Erhebungen unternehmen und dann auf der Grundlage der uns vorliegenden Informationen bewerten, ob wir noch zusätzlichen regulatorischen Handlungsbedarf in Bezug auf die Arbeitsschutzverordnung sehen.

Wir wissen, dass einige Unternehmen - gerade durch die jetzt noch einmal vereinbarten Schritte, durch die Notbremse - natürlich enttäuscht und in ihrer Geschäftstätigkeit weiter eingeschränkt sind. Deshalb werden wir für Unternehmen, die besonders schwer und über eine sehr lange Zeit von Schließungen betroffen sind, ein ergänzendes Hilfsinstrument im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben entwickeln.

Wir haben uns dann sehr lange mit den Reisen beschäftigt. Wir raten von allen Reisen ins Ausland ab. Reisen in Risikogebiete verursachen eine Quarantänepflicht. Bei Virusvariantengebieten ist dies noch strikter. Wir halten insgesamt Reisen im Augenblick für nicht sehr förderlich, um es vorsichtig auszudrücken. Wir versuchen deshalb alles zu unternehmen, damit Rückkehrer aus Urlaubszielen möglichst keine neuen Infektionsherde zu uns bringen. Deshalb haben wir mit den Fluggesellschaften vereinbart, dass Tests von Crews und Passagieren vor dem Rückflug stattfinden. Wir werden das Infektionsschutzgesetz ändern und angesichts der vorliegenden weltweiten Pandemie insgesamt eine generelle Testpflicht vor Abflug zur Einreisevoraussetzung auf Flügen nach Deutschland vorsehen.

Wir haben dann noch kurz etwas zu Krankenhäusern und Pflegeheimen gesagt. Das möchte ich hier nicht weiter ausführen.

Insgesamt war es also eine ganz ernsthafte Konferenz, auf der wir ein Maßnahmenpaket beschlossen haben, das deutlich macht, dass wir in einer schwierigen Phase der Pandemie sind, mitten in der dritten Welle. Diese Welle darf nicht zu hoch werden, damit wir auch die Impferfolge nicht gefährden, damit wir die Überforderung des Gesundheitssystems nicht riskieren und auch nicht Menschenleben in Gefahr bringen und Langzeitwirkungen hervorrufen. Deshalb haben wir auch sehr unkonventionelle Maßnahmen beschlossen, wie ich es Ihnen hier vorgestellt habe.

Das alles hat in einem sehr, sehr ernsten, aber guten Geist stattgefunden. Ich möchte mich dafür ausdrücklich bedanken. Denn für uns sind das ja auch nicht Entscheidungen, die wir jeden Tag fällen, sondern ganz außergewöhnliche Entscheidungen, zu denen wir uns aber genötigt sahen.

BGM Müller: Das war eine schwere Geburt heute Nacht. Tatsächlich waren es sehr lange und ernsthafte Beratungen vor einer sehr schwierigen Aufgabe. Das muss man immer wieder sagen. Es ist nach wie vor keine leichte Aufgabe, die hier zu bewältigen ist. Die steigenden Infektionszahlen machen uns natürlich alle Sorge. Wir sehen ja auch, welche Auswirkungen das hat, wie wir schon wieder die ersten Warnmeldungen von der Intensivmedizin bekommen, wie es jetzt doch eine sehr einhellige wissenschaftliche Einschätzung gibt, dass die Jüngeren jetzt schwer erkranken, auch lange, und es auch bei den Jüngeren dramatische Verläufe geben kann.

Wir sehen auch, dass es schwer ist, mit der Situation umzugehen, weil viele Menschen nach einem Jahr und dieser Dauerbelastung wirklich an Belastungsgrenzen kommen, und dass es eine große Erwartungshaltung gibt, diese Situation jetzt einfach möglichst schnell aufzulösen. Aber so einfach ist es nicht.

Trotz allem, glaube ich, war das heute ein ganz wichtiger Schritt nach vorn, weil es im Rahmen unserer Pandemiebekämpfung ein echter Paradigmenwechsel war. Wir haben nicht an die erste Stelle und in den Mittelpunkt unserer Beratung gestellt, wie wir einfach wieder Dinge einschränken oder zumachen können. Wir sind in den Diskussionen weg von dem einfachen „auf, zu, auf, zu“, sondern wir nehmen die vielen Möglichkeiten, die wir jetzt haben, gerade im Bereich des Impfens und Testens, zum Ausgangspunkt unserer Beratung.

Das hat in der letzten Woche schon in unserem Gespräch zu der Impfstrategie begonnen. Wir haben uns da deutlich nach vorn entwickelt. Man darf nicht vergessen, was inzwischen alles passiert ist. Wir haben die vielen Impfzentren, die hervorragend arbeiten, mobile Teams und jetzt das Hereinnehmen der Hausärzte, die natürlich noch einmal viel mehr Tempo machen, auch in der gesamten Impfstrategie. Es ist jetzt so, dass deutschlandweit 75, 80 Prozent der gelieferten Impfstoffe verimpft sind. In einigen Bundesländern sind es deutlich über 80 Prozent. Mitte April werden wir dreieinhalb Millionen Menschen pro Woche impfen können. Das sind tatsächlich wichtige Zahlen, wichtige Wegmarken, die deutlich machen: Es geht deutlich voran.

Es zeigen sich jetzt auch die Erfolge. Wir sehen es bei den Ältesten, die geimpft sind, wie da die schweren Erkrankungen und die Todeszahlen zurückgehen. Das heißt, die Impfstrategie greift, und sie bringt Erfolge. Wir sichern sie zum zweiten mit einer wirklich umfassenden und aggressiven Teststrategie ab.

Wenn man das einmal nebeneinanderlegt, wer jetzt alles auch schon getestet wird: Die Lehrerinnen und Lehrer bekommen ein entsprechendes Testangebot, die Schülerinnen und Schüler sind jetzt dran. Wir haben viele Arbeitgeber, die schon Tests anbieten. Auch in unseren Verwaltungen, in den Ländern und Kommunen werden Tests für die Beschäftigten angeboten.

Tatsächlich müssen wir - das war mir heute sehr wichtig, wie vielen Kolleginnen und Kollegen auch - die Unternehmen mehr in die Verantwortung nehmen. Auch da bieten schon einige etwas an. Aber es können und müssen deutlich mehr werden.

Die Beratung der Wissenschaft ist auch hier eindeutig. Es gibt einfach ein großes Infektionsgeschehen an den Punkten, wo sich Menschen sicher glauben. Das ist in der Familie der Fall, wenn man eben doch stundenlang zusammen ist und die Maske irgendwann abgenommen wird, oder wenn jemand schon geimpft ist und man dann sagt: Na, dann kann ja nichts mehr passieren. So ist es auch im Unternehmen, wenn man zusammenarbeitet. Irgendwann ist man doch nicht mehr so achtsam, und dann gibt es eben neue Infektionen.

An diesen Stellen sensibilisieren wir und sagen: Wir brauchen die Hilfe der Unternehmen. - Es soll auch ein Testangebot für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben, das die Unternehmen umzusetzen haben. Zweimal in der Woche ein solches Testangebot für die Beschäftigten zu machen, das, finde ich, kann man erwarten. Das ist im Rahmen unserer Teststrategie sehr, sehr wichtig.

Ein weiteres Mittel: Wir sichern es jetzt auch mit der entsprechenden digitalen Kontaktnachverfolgung. Viele Bundesländer haben das jetzt schon organisiert. Das sind bundesweit zig Gesundheitsämter, die schon mit den entsprechenden Systemen arbeiten. Wie viele andere haben wir das jetzt auch für Berlin organisiert. Das ist ein weiterer Schritt, um auch über die Modellprojekte, die die Bundeskanzlerin angesprochen hat, Sicherheit zu gewinnen.

Eben auch an dieser Stelle wird deutlich: Es geht nicht mehr nur um Einschränkungen. Es geht nicht mehr nur um „auf, zu, auf, zu“, sondern wir sind jetzt schon in einer Phase, in der wir ein Gefühl dafür entwickeln: Was geht wie, und was können wir wie absichern? Wie können wir die ersten Schritte in die Normalität wieder gehen, mit welchen begleitenden Maßnahmen? - Da spielt eben Impfen, Testen und die Kontaktnachverfolgung eine entscheidende Rolle, und damit kommen wir auch voran.

Diese Osterruhetage, die es jetzt zusätzlich zu den Osterfeiertagen gibt, die wir kennen, sind in diesem Sinn eine wichtige begleitende Maßnahme, weil sie noch einmal deutlich machen, wie ernst jetzt die Situation ist und dass es noch einmal darauf ankommt, durch Reduzierung von Kontakten das, was wir an weiterer Strategie haben, zu unterstützen, um einen weiteren Anstieg der Infektionszahlen zu verhindern. Aber es ist eben bei weitem nicht mehr die einzige Maßnahme dieser einschränkenden Dinge, die wir jetzt beschlossen haben.

Abschließend möchte ich noch einmal dringend daran appellieren: Es wird nicht jeder und jede Angebote annehmen. Wir haben uns heute unter den Ministerpräsidenten leider auch darüber austauschen müssen, dass wir viel mehr Testangebote machen, unter anderem für die Lehrerinnen und Lehrer, als angenommen werden. Bitte nehmen Sie diese Angebote an! Wir haben großartig arbeitende Testzentren. Wir haben die mobilen Teams. Es dient Ihrer Sicherheit und der Sicherheit aller anderen, wenn Sie solche Angebote annehmen, genauso wie wenn Sie sich jetzt noch einmal die bewusste Frage stellen: Welche Kontakte sind in allernächster Zeit nötig? Welche Kontakte müssen zu Ostern sein? Welche Kontakte sind auch im Berufsleben möglich? Wo kann man noch reduzieren?

Alles das hilft, um Zeit zu gewinnen, um noch mehr impfen zu können und um, wie gesagt, darüber auch weiter und schneller die Schritte in die Normalität gehen zu können.

MP Söder: Das war eine schwere Geburt. Wir können es erkennen: Insgesamt haben wir jetzt in allen Runden 15 Stunden beieinander gesessen. Das zeigt: Wir haben nichts über das Knie gebrochen. Aber wir haben am Ende - und deswegen bin ich auch erleichtert - dieser schweren Zeit eine klare Linie gefunden. Wir gehen heute nicht mit einem schlechten Gewissen oder einem unguten Gefühl aus der Runde, sondern das, was wir beschlossen haben, ist aus meiner Sicht eine klare Linie, ein klarer Kurs. Das „Team Vorsicht“ hat sich insgesamt durchgesetzt, und zwar bei allen (akustisch unverständlich).

Wir wissen, dass Corona bleischwer über dem Land liegt und dass es uns alle beschwert. Es ist keine Freude - der Frust ist groß, auch für jeden von uns selbst. Auch die 15 Stunden machen nur bedingt Spaß, wenn ich das sagen darf. Aber im Grunde genommen müssen wir uns immer eines klar machen: Dies ist nicht einfach nur die Verlängerung eines Lockdowns. Wir leben jetzt in der wahrscheinlich gefährlichsten Phase der Pandemie überhaupt. Viele unterschätzen die derzeitige Situation. Viele glauben, das sei jetzt der dritte Aufguss von Corona-alt - dabei ist es eine völlig neue Pandemie.

Diese dritte Welle ist ganz anders. Corona-neu, also die Mutation, ist viel gefährlicher, ansteckender, mit höherer Sterblichkeit, und es betrifft vor allen Dingen ganz andere Zielgruppen: nicht nur die über 80-Jährigen, die am Anfang bei uns in der Problemzone waren, sondern jetzt ganz besonders viele Junge. Dabei muss man wissen: Erst steigt die Inzidenz, und danach - das ist wie immer - folgt die Krankenhausbelegung. Nach wochenlangem Sinken der Krankenhauszahlen geht es jetzt seit einer Woche langsam hoch, und die Intensivmediziner schlagen eindeutig Alarm. Das RKI sagt, dass wir nach Ostern Zahlen haben werden, die exorbitant gewachsen sind. Auch Intensivmediziner schätzen sehr hohe Zahlen.

Die Frage ist daher: Was tun wir jetzt, wenn wir erkennen, dass diese Entwicklung stattfindet? Entweder machen wir jetzt einen Fehler, indem wir nicht entschlossen handeln - dann verlängern wir das Ungemach. Ungeduld darf nicht zu unserer Schwäche werden. Klar ist, wie die Kanzlerin sagte: Die Impferfolge werden Tag für Tag helfen. Aber klar ist auch: Sie helfen umso wirkungsvoller und schneller, je niedriger die Inzidenz ist - und je höher sie ist, desto länger dauert es. Deswegen ist ganz klar: Wir haben es jetzt in der Hand, die dritte Welle entweder schneller zu beenden oder sie zu einer Endlosschleife zu machen - und Letzteres will niemand.

Deswegen haben wir jetzt die Notbremse sozusagen umfassend ausgebaut. Wir haben die individuelle Notbremse bei einer Inzidenz von über 100, die auch noch einmal härter gemacht wurde - worüber ich sehr dankbar bin -, und wir haben de facto den Osterlockdown, über den wir ja gesprochen haben. Der Osterlockdown beziehungsweise die Osterruhe dient wirklich dazu, einmal fünf Tage hintereinander herunterzufahren, Geschwindigkeit aus der Pandemie zu nehmen, Infektionen zu verhindern. Ich weiß, dass das eine schwere Belastung für viele ist. Manche hatten wirklich gehofft, wieder Osterurlaub zu machen. Aber im Grunde genommen hätten wir alle, wenn diese Hoffnung erfüllt würde, wahrscheinlich langfristig größere Folgen in Kauf nehmen müssen. Insofern ist diese Entscheidung aus meiner Sicht schwer, aber absolut richtig, und sie wird und sehr helfen.

Ergänzend dazu auch noch einmal das klare Signal an alle, die meinen „Dann fliege ich halt woanders hin“: Sie müssen dann schon auch mit einer ganz klaren Botschaft rechnen, was das Testen und Testpflicht betrifft. Ohne einen entsprechenden Test kann man dann nicht nach Deutschland zurückkommen. Auch hier sind wir dem Bund dankbar, denn es soll erneut eine Hilfe geben, und zwar soll es diesmal auch schneller passieren. Die Details für die betroffenen Bereiche, Hotels und Gastronomie, müssen noch ausgearbeitet werden; denn die sind tatsächlich am Limit.

Das heißt, bis Ostern gibt es keine neuen Öffnungen, dann kommt der Osterlockdown, und ab dann gibt es, wenn die Inzidenzen es hergeben, wieder Möglichkeiten, sich zu erholen und Stück für Stück über Öffnungen nachzudenken.

Insofern ist das heute aus meiner Sicht ein schwerer Tag, weil es eine schwere Entscheidung ist, aber ich glaube, dass wir mit dieser Entscheidung guten Gewissens in die nächsten Wochen gehen können. Unser klares Ziel ist und bleibt, die Pandemie zu bekämpfen und sich ihr nicht zu ergeben. Deswegen, glaube ich, ist die Entscheidung, die wir heute getroffen haben, die kurzfristige schwere, aber langfristig bessere.

Frage: Herr Söder hat ja schon gesagt, er habe ein gutes Gewissen und ein gutes Gefühl. Deswegen die Frage an die Bundeskanzlerin und an Herrn Müller: Würden Sie es im Nachhinein als Fehler bezeichnen, dass Sie am 3. März Öffnungsschritte und Lockerungen zugelassen haben? Wäre jetzt im Wissen über die dritte Welle nicht der Zeitpunkt zu sagen: Wir haben uns vertan, wir mussten umkehren und bitten die Bürger dafür auch um Nachsicht oder Verzeihung? Denn dass über Ostern jetzt geschlossen wird, ist ja ein Riesenschlag ins Kontor für die Leute, die sich darauf gefreut haben.

BK’in Merkel: Na ja, ich muss erst einmal sagen, dass die Situation in der Bundesrepublik Deutschland ja sehr unterschiedlich ist. Wir haben mit Schleswig-Holstein, mit Rheinland-Pfalz und auch mit dem Saarland Länder, die noch deutlich unter 100 liegen. Es hat sich auch bewährt, einen regionalen Ansatz zu wählen - ich glaube, der schafft auch einen gewissen Ehrgeiz der einzelnen Landkreise. Insgesamt, muss man sagen, steigt die Inzidenz aber doch an.

Deshalb war es absolut richtig, diese Notbremse zu ziehen. Manche haben gehofft, sie müsse nicht angewandt werden, aber wir haben auch am 3. März gesagt, dass sie Teil unserer Beschlüsse ist, weil wir wussten, in welcher unsicheren Situation wir sind. Wir sehen jetzt, mit welcher Intensität das exponentielle Wachstum stattfindet. Daher glaube ich, dass die Ausweitung um die zwei Ruhetage einen Beitrag leisten kann - auch wenn sie nicht alle Probleme lösen wird.

Gleichzeitig haben wir den Menschen versprochen, das Testen zu intensivieren. Da ist vieles auf den Weg gebracht worden - auch mit der Taskforce des Bundes, wenn ich das so sagen darf -, aber auch da sind wir noch nicht am Ziel.

Ich glaube, wir wussten, dass wir ein Risiko eingehen. An vielen Stellen hat sich dieses Risiko so erwiesen, dass wir doch die Notbremse ansetzen müssen. Wir haben uns am 3. März aber das Instrumentarium dafür gegeben, und wir haben jetzt noch einmal gesagt: Die Situation ist so ernst, dass wir auch um Ostern noch einmal diese Ruhephase einlegen. Ich glaube, dass das berechenbar - - - Man wird ja oft gefragt: Haben Sie einen Langzeitplan für diese Pandemie? Die Antwort heißt immer, dass man sehr flexibel und immer wieder neu auf die jeweilige Situation reagieren muss. Aber alles, was wir heute beschlossen haben, dient dieser Ernsthaftigkeit, und ein großer Teil davon war auch in den Beschlüssen des 3. März schon angelegt.

BGM Müller: Wir waren auch in Berlin bisher unter 100 und haben, glaube ich, in den letzten Wochen auch das anbieten können - mit aller Vorsicht und Besonnenheit -, was viele Menschen nach den schweren Monaten davor auch erwartet haben. Es ist ja nicht so, dass wir einfach einmal aufgemacht haben, sondern wir haben das mit sehr vielen Regeln und sehr vorsichtig getan. Wenn man an die Schule denkt: in Berlin findet bis heute Wechselunterricht statt, und nicht alle Jahrgänge sind im Präsenzunterricht. Auch im Einzelhandel gab es entsprechende Einschränkungen.

Ich glaube aber, dass es richtig war, jetzt zum Beispiel darüber - das habe ich eben schon angesprochen - und über Modellprojekte, die wir ja formuliert haben - am Wochenende begann es in der Kultur - auch ein Gefühl dafür zu bekommen, was wie angenommen wird, was umgesetzt werden kann und wie man Öffnen, also Normalisieren, mit einer Teststrategie verbinden kann. Ich hätte nicht per se gedacht, dass es funktioniert, dass tausend Menschen am Wochenende in die Philharmonie gehen und nicht ein einziger positiv getestet ist. 500 kamen mit einem tagesaktuellen Testergebnis von einem Testzentrum und 500 wurden vor Ort innerhalb von 90 Minuten getestet. Das muss man auch einmal machen, damit man weiß, was geht und was nicht geht.

Insofern, glaube ich, waren die Dinge richtig. Ich sage aber auch, dass ich es auch richtig finde, jetzt zu schauen, dass wir im Rahmen unserer Strategie noch einmal Zeit gewinnen und den drei Tagen, die ja ohnehin schon Ruhetage sind, an denen das öffentliche Leben weitgehend heruntergefahren ist, noch zwei hinzuzufügen, sodass wir über einen etwas längeren Zeitraum wirklich noch einmal Infektionsketten durchbrechen können.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, können Sie bitte erläutern, was diese Ruhetage über Ostern nun genau bedeuten? Sind da die Fabriken und auch die Büros zu? Was ist mit den Tankstellen und den Restaurants, die To-go-Essen anbieten - werden die dichtgemacht? Wird auch die Impfstoffproduktion dichtgemacht?

Eine ganz kurze Frage an Herrn Müller: Was hat die SPD-Länder bewogen, von ihrer Forderung nach einem kontaktlosen Urlaub abzugehen?

BK’in Merkel: Die Regelung wird analog zu Sonn- und Feiertagen sein, sage ich jetzt einmal. Das heißt, selbstverständlich werden Tankstellen offen haben, das ist gar keine Frage, und so wie an Sonn- und Feiertagen werden auch bestimmte Unternehmen arbeiten können, für die es Sondererlaubnisse gibt usw. So ähnlich wird es also auch an diesen Ruhetagen geregelt werden. Eine Ausnahme kommt aber noch hinzu, weil es fünf Tage sind: Der engere Lebensmitteleinzelhandel kann auch am Sonnabend aufmachen.

BGM Müller: Zum Thema des kontaktlosen Urlaubs kann man sagen, dass das von mehreren Ländern, A-seitig wie B-seitig, diskutiert oder verfolgt wurde, aber auch nicht von allen, A-seitig wie B-seitig, sondern es ist einfach ein Punkt, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Wie geht man mit der Urlaubszeit und dem Urlaubswunsch der Menschen um?

Insofern kann ich auch sagen, dass, wiederum A-seitig wie B-seitig, zum Schluss das Gesamtpaket betrachtet wurde und dass man dann gesagt hat, dass man mit diesem Rahmen von Ermöglichen und Einschränken auf so etwas zum jetzigen Zeitpunkt verzichtet. Über die Modellprojekte haben wir Dinge, die ermöglicht werden. Wir haben auf der anderen Seite jetzt auch noch einmal eine ganz klare Einschränkung bei der internationalen Reisetätigkeit formuliert. Insofern wurde es von unterschiedlichster Seite der Länder diskutiert und kann wiederum in dem Gesamtrahmen jetzt von allen so mitgetragen werden.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, meine Frage bezieht sich auf das Impfen. Es gibt Forderungen, auch aus den Ländern, auch von den beiden hier anwesenden Ministerpräsidenten, nach einem EU-Exportstopp für Vakzine oder für Inhaltsstoffe für Vakzine. Auch aus der EU selbst gibt es solche Bestrebungen. Dies wird auch am Donnerstag und Freitag Thema sein. Wie offensiv werden Sie dort mitverhandeln? Wie sehen Sie die Gemengelage?

Hat Ihr Telefonat mit Herrn Johnson eine gewisse Annäherung gebracht, oder sehen Sie nach wie vor das Problem, dass die EU viel exportiert, aber Länder wie beispielsweise Großbritannien gar nichts nach außen lassen?

BK’in Merkel: Erstens. Bei der Impfstoffproduktion gibt es verschiedenste internationale Abhängigkeiten. Man muss sehr vorsichtig damit sein, generelle Exportverbote zu verhängen, sondern man muss sich die Lieferketten sehr genau anschauen.

Zweitens. Die EU ist der Bereich, aus dem im Moment am meisten exportiert wird. Ich unterstütze die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die sehr deutlich macht, dass dann, wenn Verträge, die mit uns geschlossen wurden, nicht erfüllt werden, die Situation natürlich eine andere ist als dann, wenn Verträge vollumfänglich eingehalten werden und vielleicht sogar noch mehr an die Europäische Union geliefert wird.

Wir haben ein Problem - das ist ja bekannt - mit AstraZeneca. Deshalb war es auch wichtig, einen Transparenzmechanismus innerhalb der Europäischen Union einzuführen, der uns erst einmal Klarheit darüber gegeben hat, wie viel wir in die ganze Welt exportieren. Man muss bedenken, dass von anderen Teilen der Welt ja gar nichts exportiert wird.

Deshalb werden wir in verantwortungsvoller Weise entscheiden. Wir werden dabei auch das Gespräch mit der britischen Regierung suchen, wie ich es am Sonntag schon mit Boris Johnson getan habe, wie er es mit Emmanuel Macron getan hat, wie er im Übrigen auch ständig in Kontakt mit der Kommission steht. In dem Geflecht werden wir am Donnerstag sicherlich unsere Entscheidungen treffen oder zumindest unsere Diskussion führen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich will auf das Thema der Reisen zurückkommen. In dem Beschluss heißt es, dass Bund und Länder von den Fluglinien erwarten, dass die Tests bei der Rückreise vorgenommen werden.

Wie verbindlich ist das? Ist das schon mit den Fluggesellschaften geklärt?

Es gibt Kritik daran, dass Auslandsreisen möglich sind, aber Inlandsreisen kaum. Was sagen Sie zu dem Vorwurf? Das ist mit diesem Beschluss ja eigentlich nicht aufgehoben.

BK’in Merkel: Nein, das ist nicht aufgehoben, weil die Rechtslage hierbei verzwickt ist. Die Tatsache, dass Spanien die Hotels - man muss sagen: zum Teil - auf Mallorca geöffnet hat, führt angesichts unserer Einteilung in Risikogebiete und Nichtrisikogebiete zu Schwierigkeiten.

Wir haben mit den Airlines gesprochen. Das haben Sie ja gelesen. Der Bundesverkehrsminister hat ein Abkommen darüber erzielt, dass diese Airlines die Tests vor dem Rückflug anbieten werden. Das ist eine gute Nachricht; das will ich ausdrücklich sagen.

Insgesamt ist also durch die Tatsache, dass es Übernachtungsmöglichkeiten auf Mallorca gibt, eine nicht einfache Lage eingetreten. Wir können in diesem Zusammenhang nur sagen, dass wir diese Lage dauernd daraufhin beobachten werden, ob sich Risiken zeigen. Es gab auch erste Informationen, dass dort die brasilianische Mutante aufgetaucht ist. Das werden wir sehr genau untersuchen. Mallorca selbst hat heute annonciert, dass es seine Zugänglichkeiten, auch was Innengastronomie usw. angeht, wahrscheinlich noch einmal ändern wird.

Insgesamt verhehle ich nicht, dass wir eigentlich den Reisehinweis geben, dass man in diesem Jahr eben nicht reisen sollte. Deshalb versuchen wir, mit den uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln das zu erreichen, was wir erreichen können.

Frage: Wir hatten zunächst den Wellenbrecherlockdown. Dann hatten Sie uns darauf eingeschworen, dass wir vier harte Monate vor uns hätten. Die Zahlen sind nicht so wahnsinnig heruntergegangen wie noch im vergangenen Frühjahr. Jetzt dieser Osterlockdown.

Ist es noch der richtige Weg? Einen Paradigmenwechsel kann ich, um ehrlich zu sein, noch nicht so richtig erkennen. Ist das noch der richtige Weg, und muss man das - dies auch an die Landesregierung von Berlin gerichtet - dann auch härter durchsetzen, weil die Zahlen offenbar für viele Menschen ihren Schrecken verloren haben? Muss man also mit Bußgeldern und Ordnungswidrigkeitenverfahren noch strenger vorgehen?

BK’in Merkel: Wir haben jetzt im Grunde ja eine neue Pandemie. Die Mutation Großbritanniens hat die Mehrheit unter dem Virus übernommen. Das heißt, dass wir im Wesentlichen ein neues Virus haben, natürlich derselben Art, aber mit ganz anderen Eigenschaften, deutlich tödlicher, deutlich infektiöser, länger infektiöser.

Das bedeutet, dass wir mit etwas umgehen müssen, was wir um Weihnachten herum nicht wussten. Wenn man sich die Kurven der Modellierer anschaut und schaut, wie sich das ehemalige Virus jetzt verhalten würde, dann wird man wirklich ein bisschen schwermütig angesichts dessen, was wir schon hätten erreichen können. Aber durch die neuen Eigenschaften ist der Erfolg im Grunde aufgegessen, weil der R-Faktor um 0,3 höher ist. Da, wo wir mit dem alten Virus sinkende Inzidenzwerte hatten, haben wir jetzt ein exponentielles Wachstum.

Das konnte keiner von uns ahnen. Als ich das in der Weihnachtszeit zum ersten Mal gehört hatte, wurde ich sehr unsicher. Wir können froh darüber sein, dass der Impfstoff gilt. Gerade auch hohe Infektionszahlen müssen jetzt vermieden werden. Denn je höher die Infektionszahlen überall sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich neue Mutationen bilden.

Deshalb müssen wir leider Elemente, die wir früher schon einmal angewandt haben, noch einmal anwenden. Aber die Situation ist schon sehr deutlich anders: Einmal die Selbsttests, die Schnelltests, das sieht man ja jetzt auch Tag für Tag. Wann haben Sie solche flächendeckenden Testzentren bei den früheren Lockdowns gesehen? Natürlich kommt noch das täglich mehr werdende Impfen hinzu.

Insofern ist es länger schwer, als wir dachten, aber ganz eindeutig ist auch Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

BGM Müller: Für Berlin kann ich sagen: Ja, natürlich müssen wir weiter oder vielleicht auch noch besser kontrollieren. Ich denke nicht, dass wir strenger werden müssen. Denn viele beachten unsere Regeln sehr gut. Man sieht, dass wir bisher ganz gut durchkommen mit unseren Zahlen.

Aber Sie sehen, den Paradigmenwechsel auch wirklich daran, dass wir in einer vergleichbaren Situation voriges Jahr wahrscheinlich gesagt hätten: Ab morgen ist zu, für zwei, drei Wochen! - Das sagen wir so eben nicht mehr, sondern wir schauen sehr genau und differenziert hin, und sehr gezielt wird eingegriffen. Es gibt eben auch schon Dinge, die ermöglicht werden trotz steigenden Zahlen. Denken Sie an den Pflegebereich. Wir haben jetzt formuliert, dass es durch das Impfen, durch das Absichern, durch die Möglichkeit der Tests für die Bewohner wie für die Besucher und die Beschäftigten möglich ist, auch wieder die Begegnung in den Pflegeheimen zuzulassen. Das ist eine ganz andere Qualität als noch vor einigen Monaten. Daran sehen Sie, dass es eine Veränderung gibt.

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