Im Wortlaut
in Berlin
14 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Mittwoch, 4. Mai 2022
(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)
BK Scholz: Meine Damen und Herren! Ich danke Präsident Vučić sehr herzlich für seinen Besuch in Berlin und für das sehr produktive Gespräch, das wir bisher schon miteinander geführt haben. Was nicht alle wissen: Wir sind uns schon früher begegnet, als ich noch Bürgermeister in Hamburg war. Wir haben uns auch dort sehr ausführlich und sehr gut miteinander unterhalten. Das ist eine gute Ausgangslage für das, was wir miteinander vorhaben.
Inhalt unseres Gesprächs war die ganze Bandbreite unserer guten bilateralen Beziehungen. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit hat sich weiter intensiviert. Wir freuen uns, dass über 400 deutsche Unternehmen mittlerweile über 75 000 Arbeitsplätze in Serbien geschaffen haben. Diese positive Entwicklung wollen wir weiter fördern.
Im Herbst letzten Jahres haben unsere Länder eine strategische Klimapartnerschaft begründet. Diese wird erheblich dazu beitragen, dass wir die Herausforderungen der Klimakrise durch den Ausbau erneuerbarer Energien und einer grünen und sozial gerechten Transformation gemeinsam schlagkräftiger anpacken können.
Die Bundesregierung bekennt sich ausdrücklich zur EU-Perspektive für die Länder des westlichen Balkans. Es liegt im Interesse der Region und der Europäischen Union, dass die sechs Westbalkanländer perspektivisch Vollmitglieder der Europäischen Union werden. Der EU-Beitrittsprozess Serbiens wird von Deutschland intensiv unterstützt, ganz praktisch durch Beratung und durch finanzielle Projektförderung.
Ich will gerne noch ergänzen, was mir sehr wichtig ist: Die Beitrittsperspektive Serbiens, aber auch der anderen Länder muss etwas sein, das auch real gelingt. Aus der Perspektive muss eine Realität werden. Diese Aufgabe haben wir in Europa. Ich persönlich will mich dafür einsetzen, dass das ein Versprechen ist, auf das man sich ernsthaft verlassen kann.
Ein wichtiges Thema unseres Gesprächs war die Reaktion auf den andauernden brutalen Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die EU und die Beitrittskandidaten müssen in dieser schwierigen Situation zusammenstehen und ihre gemeinsamen Werte verteidigen. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir alle eine gleichgerichtete Botschaft aussenden und dass alle wissen, dass der Krieg, den Russland dort begonnen hat, nicht akzeptiert werden kann. Das ist eine besonders schwierige Weltlage. Gerade in solchen Zeiten - davon bin ich überzeugt - müssen diejenigen enger zusammenstehen, die zusammengehören.
Wichtig für Serbiens Weg in Richtung Europäische Union bleibt dabei auch, dass es seinen Reformweg konsequent fortführt und besonders in den Bereichen der Rechtstaatlichkeit, der Medienfreiheit und beim Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption Fortschritte erzielt.
Ein zentrales Thema unseres Austauschs war natürlich auch der Normalisierungsdialog mit Kosovo. Sie wissen, dass heute Abend dazu Gespräche zwischen dem EU-Sonderbeauftragen Lajčák, den ich nach Berlin eingeladen habe, sowie Staatspräsident Vučić und Ministerpräsident Kurti stattfinden. Fortschritte beim Dialog sind von enormer Bedeutung, sowohl für die dauerhafte Friedenssicherung und Stabilität in Südosteuropa als auch mit Blick auf die EU-Integration beider Länder.
Ich habe mit Präsident Vučić darüber gesprochen, wie wichtig diese Fortschritte im Dialog hin zu einem umfassenden Abkommen sind. Alle offenen Fragen müssen in diesem Dialog geklärt werden. Das erfordert Mut und Entschlossenheit. Alle eingegangenen Verpflichtungen sollten eingehalten werden. Unilaterale Handlungen sind dabei nicht hilfreich.
Mit Blick auf die Region habe ich Präsident Vučić auch meine Sorge über die Lage in Bosnien-Herzegowina und die sezessionistischen Bestrebungen des dortigen bosnisch-serbischen Präsidentschaftsmitglied Dodik dargelegt. Gerade in Bosnien ist es wichtig, dass sich alle dafür einsetzen, dass dort eine konstruktive Entwicklung möglich wird.
Präsident Vučić und ich sind uns einig, dass regionale Zusammenarbeit ein großes Potenzial für die Entwicklung des gesamten westlichen Balkans und dessen Annäherung an die EU hat.
Das aktuell wichtigste Projekt der sechs Westbalkanländer in diesem Rahmen ist die Schaffung eines gemeinsamen regionalen Markts. Hier hoffe ich sehr, dass es gelingt, vier wichtige Abkommen über Personenfreizügigkeit und Anerkennung von beruflichen Abschlüssen zügig zu einem Abschluss zu bringen. Auch hierüber wollen wir weiter sprechen, wenn ich in einigen Wochen in die Westbalkanregion und auch nach Serbien reise. Dem schaue ich schon jetzt mit großer Vorfreude entgegen.
Noch einmal herzlich willkommen, Präsident Vučić, hier in Berlin!
P Vučić: Herzlichen Dank an Bundeskanzler Scholz für seine Gastfreundschaft, für den herzlichen Empfang und für die Tatsache, dass ich hier Gelegenheit hatte, über die Situation bei uns in Serbien zu sprechen. Ich versuche, mich kurzzufassen.
Wir haben gemeinsam festgestellt, dass wir vor allen Dingen in unseren bilateralen Wirtschaftsbeziehungen einen großen Fortschritt erzielen konnten. Wir haben über eine Milliarde Handelsumsatz. Wir erwarten in diesem Jahr im Handel einen Zuwachs um 26 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr. Bereits damals hatten wir einen Rekord beim Handelsumsatz zwischen Serbien und Deutschland. Deutschland ist der wichtigste und größte Handelspartner für Serbien und Serbien ist in der Region natürlich auch der wichtigste Partner Deutschlands auf dem Westbalkan. Es hat viele Veränderungen gegeben. Deutschland war vor einigen Jahren Partner Nummer vier für Serbien; jetzt ist Deutschland an erster Stelle, und sozusagen erst 45 Prozent später kommen andere Länder.
Was für uns sehr wichtig ist, sind die Worte von Bundeskanzler Scholz, der heute in unserem Gespräch gesagt hat und auch öfters wiederholt hat, dass er überzeugt ist von der europäischen Zukunft der ganzen Region des Westbalkan. Das war sehr positiv für uns, denn das zeigt, dass es keine Illusion oder eine Fata Morgana ist - also dass man denkt, dass etwas in der Nähe ist, aber immer weiter wegrückt. Ich glaube, das ist ein sehr positiver Satz für uns und ein wichtiges Versprechen für alle Menschen auf dem Westbalkan und natürlich insbesondere auch für unser Land, für Serbien.
Wir haben auch über zwei andere wichtige Themen gesprochen. Eines hat der Bundeskanzler bereits erwähnt, nämlich unsere Position im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine. Ich habe darauf hingewiesen, was unsere Haltung in Bezug auf diesen Konflikt ist, und wir haben uns zweimal bei wichtigen Entscheidungen in der UN und auch im Sicherheitsrat entsprechend verhalten.
Wir haben natürlich auch über die Probleme gesprochen, mit denen wir es als Serbien zu tun haben, und haben die Schlüsselfragen der regionalen Beziehungen angesprochen. Was das angeht, hatten wir sehr offene, sehr inhaltsreiche Gespräche, und ich bin dem Bundeskanzler Scholz sehr dankbar dafür. Ich glaube nicht, dass in Bosnien-Herzegowina eine Seite allein Schuld hat an den dortigen Problemen. Darüber habe ich detailliert mit dem Bundeskanzler gesprochen. Was ich ihm aber versprochen habe, ist, dass Serbien auf keinen Fall Quelle für irgendwelche Probleme sein wird - und Sie wissen: Wenn wir etwas versprechen, dann halten wir unser Wort. Was das angeht, wird der Westbalkan also Frieden und Stabilität haben.
Ich habe sogar gesagt, dass ich nicht einmal kommentieren möchte, was schamloserweise behauptet wird, nämlich dass Serbien irgendwelche Konflikte provozieren werde. Sie sehen ja, dass das nicht passiert ist, auch wenn das vor sechs Monaten und vor einem Jahr schon behauptet wurde. Ich habe heute Bundeskanzler Scholz das Versprechen gegeben, dass das nicht geschehen wird. Wir werden diesen Dialog heute unter der Ägide des Bundeskanzleramts fortsetzen, und ich hoffe und denke auch, wir werden die Kraft haben, in diesem Dialog mit Priština, mit dem Kosovo voranzukommen. Das ist für uns keineswegs einfach, aber ich möchte diesen Platz hier keineswegs missbrauchen, um zu erklären, was es alles für Schwierigkeiten gibt. Ich habe das natürlich dem Bundeskanzler und seinen Mitarbeitern erklärt.
Wir werden unsererseits alles geben, damit wir einen Kompromiss finden können und Kompromisslösungen erzielen. Diese Kompromisslösungen können aber natürlich nicht nur von uns ausgehen - das ist ja klar, das beinhaltet das Wort Kompromiss schon. Das hängt also nicht nur an uns, sondern an allen, die daran beteiligt sind.
Wir freuen uns jetzt schon über den Gegenbesuch des Bundeskanzlers bei uns in Belgrad.
Ich bin zum ersten Mal ohne Frau Angela Merkel hier auf dieser Tribüne, und deswegen möchte ich mich noch einmal herzlich bei ihr bedanken. Ich möchte mich aber natürlich auch bei Bundeskanzler Scholz bedanken für die Offenheit und für die Aufrichtigkeit unseres Gesprächs.
Entschuldigen Sie, dass ich so lange gesprochen habe.
Frage: Eine Frage an den Bundeskanzler und an den Präsidenten: Wenn das passiert, was Albin Kurti gesagt hat, nämlich dass Kosovo zum Europarat und zur Nato beitritt, wird Serbien den Europarat dann verlassen und auch vom Washingtoner Abkommen Abstand nehmen? Bzw. wie werden wir uns dann auf das Washingtoner Abkommen beziehen?
Eine Frage an den Bundeskanzler: Wollen Sie mit dem Beschluss, dass Kosovo Mitglied im Europarat wird, Serbien aus dem Europarat rauswerfen?
BK Scholz: Ich möchte, dass Serbien im Europarat weiter aktiv dabei ist. Das ist doch ein ganz wichtiger Beitrag, der dort geleistet wird, und insgesamt geht es doch um die Weiterentwicklung der Beziehungen in der Region, die dazu führen, dass wir am Ende alle eine Gemeinschaft sind; denn die Perspektive ist, dass alle sich in der Europäischen Union und in den Bündnissen und Zusammenarbeitsstrukturen, die wir haben, wiederfinden.
Dass ich das für möglich halte, ist doch eigentlich die Ausgangslage dafür, dass ich bereit bin, mit großem und auch persönlichem Engagement den Berliner Prozess neu zu aktivieren und dazu beizutragen, dass es für alle Länder des westlichen Balkans eine Perspektive gibt, dass diese Perspektive Europa heißt und dass, wie es der Präsident gerade gesagt hat, dieses Europa und die Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht eine ferne Perspektive ist, sondern eben eine, um die wir uns schnell bemühen.
P Vučić: Was Serbien angeht, haben wir heute diese Behauptungen gehört. Aber für mich ist das wichtig, was der Bundeskanzler gesagt hat, dass nämlich alles, was unterzeichnet und was angenommen worden ist, auch so umgesetzt werden soll. Ich hoffe, dass sich das auch auf das Brüsseler Abkommen bezieht. Aber wenn irgendjemand das Washingtoner Abkommen nicht achten möchte und diesen Weg gehen wird, dann werden wir unsere nationalen Interessen natürlich verteidigen.
Ich denke, wir sollten uns nicht gewissermaßen selbst ins Bein schießen, aber wir sollten auf jeden Fall darauf achten, wie wir eine Kompromisslösung finden können. Ich denke, dass wir genug Kraft haben werden, dass unsere deutschen Freunde das ebenfalls verstehen werden und dass wir gemeinsam Lösungen finden und über diese Dinge gemeinsam sprechen.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben eben noch einmal betont, auch vorhin bei der Pressekonferenz mit Herrn Kurti, wie sehr Sie wollen, dass die sechs Westbalkanländer in die EU aufgenommen werden, und zwar relativ schnell. Nun ist das Thema von EU-Sanktionen gegen Russland erwähnt worden. Wird die Tatsache, dass Serbien sie nicht teilt, Konsequenzen für den Annäherungsprozess an die EU haben?
Wie stehen Sie eigentlich zu der alten Idee eines Landtauschs mit Blick auf Serbien und Kosovo? Ist sie endgültig tot, oder würden Sie sagen, dass das noch ein Weg ist, den man beschreiten kann?
Herr Ministerpräsident, vielleicht können Sie hier einmal erklären, warum Serbien die EU-Sanktionen gegen Russland nicht mittragen will. Gibt es dafür ganz praktische Gründe, oder ist es die Rücksichtnahme auf die Beziehungen, die Sie zu Moskau unterhalten?
BK Scholz: Schönen Dank für diese konstruktiven Fragen! Ich will gern dazu Stellung nehmen. Ich denke, das wichtigste Zeichen, das wir zur Kenntnis nehmen sollten, ist die Tatsache, dass Serbien zum Beispiel bei mehreren Beschlüssen, die in der UN-Generalversammlung und anderswo gefasst worden sind, sehr klar die Haltung Europas mitvertreten hat, dass es sich um einen Angriffskrieg handelt, der sofort beendet werden muss, und dass das nicht Ordnung ist. Dass wir nicht in jeder einzelnen Entscheidung übereinstimmen, ist ein Thema, über das wir natürlich miteinander reden. Aber am Ende ist diese Positionierung doch nicht zu übersehen und sollte auch nicht übersehen werden.
P Vučić: Was die Beziehungen Serbiens angeht, muss ich eigentlich dem nichts hinzufügen, was Herr Scholz gesagt hat. Wir haben uns ja klar zu diesem Konflikt geäußert. Wenn Sie wollen, dass ich hier ganz offen spreche: Das Einzige, was Serbien seinerseits dazu gesagt hat, was gewissermaßen im Vergleich zu den anderen Dingen, die gesagt worden sind, so nicht erwartet worden ist - - - Sie wissen ja, dass wir Kapitel 31 noch nicht eröffnet haben. Als jemand, der sich auf dem Weg nach Europa befindet, müssen wir uns schrittweise an die Entscheidungen der Europäischen Union anpassen.
Ich habe alles gehört, was Bundeskanzler Scholz gesagt hat. Er war da sehr klar und hat mit Nachdruck die Position und auch die Wünsche Deutschlands wiederholt. Das ist alles, was ich in diesem Zusammenhang sagen möchte.
Serbien hat, was Kosovo und Metohija angeht, natürlich einen etwas anderen Standpunkt. Wir haben viele andere Probleme. Ich muss Sie nicht daran erinnern, dass Serbien ein ganzes Jahrzehnt lang selber Opfer von Sanktionen gewesen ist und dass wir eine andere Haltung gegenüber Sanktionen haben. Aber auf jeden Fall hat Serbien die Botschaft Deutschlands und auch die Botschaft aller anderen sehr gut verstanden. Darüber habe ich sehr gründlich und sehr offen mit dem Bundeskanzler besprochen.
Woran es gar keinen Zweifel gibt, ist, dass es die Wahl Serbiens ist, dass wir uns auf dem europäischen Weg befinden. Wir werden fest dabei bleiben, unabhängig davon, dass die Umfragen in Serbien derzeit zeigen, dass das momentan nicht der populärste Weg ist. Wir werden trotzdem unsererseits diesen Weg weiterhin unterstützen.
Zusatz: Ich hatte noch nach dem Thema Landtausch mit Blick auf Kosovo und Serbien gefragt.
BK Scholz: Das steht überhaupt nicht auf der Tagesordnung. Das diskutiert auch niemand.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben mit Präsident Vučić über die wirtschaftliche Zusammenarbeit gesprochen. Werden Sie in Serbien neue Investitionen unterstützen?
Jeden Tag wird aus der Region darauf hingewiesen, dass irgendjemand irgendjemanden auf dem Westbalkan bedroht, dass sich das alles unter dem Einfluss Putins befindet. Was würden Sie sagen? Waren diese Gespräche heute in Berlin so schwierig, wie Sie das erwartet haben?
BK Scholz: Wir beide haben ja über die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern berichtet. Das ist ja ein gutes Zeichen, weil sie ein Vorbote für das sind, was wir noch wollen. Denn mit der europäischen Integration wird es noch weitere Möglichkeiten der Intensivierung geben. Diese sind auch gewünscht.
P Vučić: Ich nutze eigentlich nie die Gelegenheit - - - Das habe ich während des bilateralen Gesprächs nicht getan, und vor allen Dingen tue ich das während einer Pressekonferenz nicht. Ich glaube, es ist wichtig, das hier nicht andere kritisiert werden, dass ich hier nicht die Gastfreundschaft missbrauche. Das ist nicht unser Stil. Das ist, glaube ich, auch nicht die Art und Weise, wie man Politik machen sollte.
Was alle anderen angeht, die sagen, dass Serbien irgendjemand bedroht oder bedrohen wird, kann ich nur sagen, dass das eine schamlose Unwahrheit ist. Das habe ich mehrfach dem Bundeskanzler gesagt, und das habe ich hier auch öffentlich gesagt. Ich habe das ebenfalls Frau Baerbock gesagt, als sie in Belgrad war. Ich wiederhole nochmals: Ob ich jetzt die Wahrheit spreche oder irgendjemand anders – die Zeit wird das zeigen und wird das sicherlich bestätigen können. Ich denke, das sind Fakten, die eben bestätigt werden oder auch nicht. Ich glaube aber, dass unser Wort doch aussagt und dass das alle gut verstehen, wer eigentlich die Wahrheit spricht und wer nicht.
Was uns angeht und was mich persönlich angeht: Wenn man hört, um welche Themen es geht, versteht man natürlich, dass diese Gespräche nicht einfach sind. Wenn man mit Deutschland spricht, muss man natürlich immer auch mit besonderer Verantwortlichkeit und besonderem Ernst an die Sache herangehen. Aber Herr Kanzler Scholz hat wirklich alles dafür getan, dass wir ein sehr konstruktives, sehr inhaltsreiches und faires Gespräch führen konnten. Wir danken für diese Gastfreundschaft und hoffen, dass wir das bald auch in Serbien, in Belgrad, mit unserer Gastfreundschaft werden erwidern können. Herzlichen Dank!
Frage: Herr Bundeskanzler, Friedrich Merz hat ja gesagt, er werde Sie nach der Reise nach Kiew informieren. Hat er denn neue Informationen zu bieten gehabt? Welche waren das? Wie bewerten Sie diesen Besuch?
BK Scholz: Wir sind zum Gespräch miteinander verabredet. Aber er geht damit ja sehr vertrauensvoll um, was ich gut finde, und ich werde das auch so tun.
Zusatzfrage: Gestern hat Präsident Macron ja wieder mit Präsident Putin telefoniert. Stehen ähnliche Pläne jetzt auch bei Ihnen auf der Tagesordnung?
BK Scholz: Ich habe ja gesagt, dass es richtig war, diese vielen Gespräche zu führen, sowohl mit dem ukrainischen Präsidenten - ich war ja auch in Kiew und habe sehr sorgfältig mit ihm diskutieren können - als auch mit dem russischen Präsidenten, bei dem ich noch vor Kriegsbeginn in Moskau sein konnte und mit dem ich dann viele Gespräche geführt habe. Selbstverständlich werde ich die auch fortsetzen.
Die Situation ist aber wie sie ist, und über das, was gegenwärtig stattfindet, dürfen wir uns keinerlei Illusionen machen. Das ist eine Fortsetzung des brutalen Krieges im Osten der Ukraine mit unglaublich großen Zerstörungen, die in der Ukraine angerichtet werden, mit unglaublichem Leid und unglaublich vielen Verletzten und Toten. Das ist etwas, das uns nicht nur bedrückt, sondern auch zeigt, dass der russische Präsident unverändert eine Zielrichtung verfolgt, die nicht akzeptiert, nicht hingenommen werden kann, die aber auch in die Irre führt. Das ist nämlich doch ganz klar: Ein Friede kann nur gewonnen werden - auch einer, der dazu beiträgt, dass die Beziehungen zwischen den Staaten insgesamt und global wieder besser werden -, wenn sich Russland darauf einlässt, mit der Ukraine eine Vereinbarung abzuschließen, die die Ukraine selbst unterstützt, die sie selbst richtig findet. Ein Diktatfrieden wird nicht funktionieren.
Wir haben erhebliche Sanktionen gegen Russland verhängt, die die ökonomischen Entwicklungsmöglichkeiten Russlands auf Jahrzehnte hinaus beeinträchtigen werden, wenn sie unverändert über lange Zeit hinweg fortgesetzt werden, und für die es auch keine Alternative gibt, auf die Russland zurückgreifen kann. Deshalb ergibt es überhaupt keinen Sinn, diesen riesigen, brutalen Einsatz weiter fortzusetzen. Aber es geschieht, und das sollte jeden von uns über die Situation belehren. Sie ist unverändert bedrohlich. Sie ist dramatisch. Ich wiederhole noch einmal: Russland soll sofort die Waffen schweigen lassen. Es muss ein Waffenstillstand zustande kommen, und Russland muss seine Truppen zurückziehen.