Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Netanjahu zum Besuch des Ministerpräsidenten des Staates Israel in Berlin am 16. März 2023

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Netanjahu zum Besuch des Ministerpräsidenten des Staates Israel in Berlin am 16. März 2023

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Donnerstag, 16. März 2023

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


BK Scholz: Sehr geehrter Herr Premierminister Netanjahu, willkommen in Berlin! Ich begrüße Sie herzlich zu Ihrem Besuch hier im Kanzleramt. Die Beziehungen zwischen unseren Ländern sind eng, sie sind vielfältig, und vor allem sind sie einzigartig. Dass wir in Deutschland nach den unermesslichen Menschheitsverbrechen der Shoah sagen können, dass Deutschland und Israel Freunde sind, strategische Partner und Verbündete, das ist ein kostbares Geschenk. Es ist keinesfalls selbstverständlich. Dafür sind wir Israel sehr dankbar.

Die Shoah ist ein Menschheitsverbrechen, eine Vergangenheit, die nie vergeht. Es war sehr berührend, dass Sie mich dazu eingeladen haben, vor unserem Gespräch heute Vormittag mit Ihnen den Gedenkort Gleis 17 am Bahnhof Grunewald zu besuchen. Aus dieser schrecklichen Vergangenheit, für die Deutschland die Verantwortung trägt, erwächst uns eine immerwährende Verpflichtung für die Zukunft. Mir und der gesamten Bundesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, jüdisches Leben in Deutschland zu stärken und zu fördern. Dazu gehört auch, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und sich jeder Form von Antisemitismus konsequent entgegenzustellen. Besonders wichtig ist es mir, die Bande zwischen jungen Israelis und jungen Deutschen zu stärken. Mir ist es ein Anliegen, den Austausch zwischen jungen Menschen aus Deutschland und Israel zu intensivieren und das Deutsch-Israelische Jugendwerk weiterzuentwickeln.

Die einzigartige Verbindung zwischen Deutschland und Israel bedeutet auch, dass Deutschland zu seiner Verantwortung für die Sicherheit Israels steht. Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson. Dafür steht diese Bundesregierung; darauf kann sich Israel verlassen.

In unserem heutigen Gespräch haben wir eine Reihe wichtiger Themen besprochen. Eines davon war das Nuklearprogramm Irans. Uns eint die Sorge darüber, dass Iran neue Schritte der Eskalation gegangen ist und eine sehr hohe Anreicherung von Uran betrieben hat. Wir sind uns mit Israel völlig einig: Iran darf keine Atomwaffen erlangen. - Dieser gefährliche Konflikt muss entschärft werden. Darum hat eine diplomatische Lösung für uns oberste Priorität.

Die Rolle Irans im Nahen und Mittleren Osten war ebenfalls Thema unseres Gesprächs. Teheran unterstützt nicht nur bewaffnete Gruppen in einigen Staaten der Region, sondern liefert auch Waffen an Russland, mit denen die Ukraine angegriffen wird. Wir fordern Iran auf, sein destruktives Treiben einzustellen. Die Gewalt des Regimes gegen seine eigenen Bürgerinnen und Bürger verurteilen wir scharf.

Der brutale russische Überfall auf die Ukraine war, wie sollte es auch anders sein, ein weiteres wichtiges Thema für uns heute. Dieser eklatante Bruch des Völkerrechts ist und bleibt völlig inakzeptabel. Putin muss seinen Angriffskrieg beenden und Truppen aus der Ukraine zurückziehen. Für die Zusagen weiterer humanitärer Hilfe und anderweitiger Unterstützung für die Ukraine habe ich Premierminister Netanjahu gedankt. Deutschland, Europa, Israel, wir alle stehen fest an der Seite der Ukraine.

In großer Sorge sind wir auch über den Nahostkonflikt und die jüngste Eskalation von Gewalt, die dort zu beobachten ist. Ich habe dem Premierminister meine Anteilnahme für die jüngsten Opfer von Terroranschlägen in Israel ausgedrückt. Wir sind bestürzt über diese blinde Gewalt. Ihr muss mit der Konsequenz des Rechtsstaates begegnet werden, aber nicht mit ungezügelter Selbstjustiz.

Sie kennen unsere grundsätzliche Haltung. Eine nachhaltige Lösung, die Israelis und Palästinensern ein Leben in Frieden und Sicherheit ermöglicht, kann nur in einer Zweistaatenlösung liegen. Beide Seiten müssen sie miteinander aushandeln. Deutschland ruft alle Seiten dazu auf, von einseitigen Maßnahmen Abstand zu nehmen, die diesem Ziel zuwiderlaufen. Dazu gehört auch der Bau weiterer Siedlungen. Die Forderung an die palästinensische Führung ist klar. Sie muss ihrer Verantwortung für den Aufbau eines friedlichen und demokratischen Palästinas nachkommen.

Premierminister Netanjahu hat mich auch über die Justizreform informiert, die seine Regierung vorhat und die gerade auch in Israel sehr kontrovers diskutiert wird. Als demokratische Wertepartner und enge Freunde Israels verfolgen wir diese Debatte sehr aufmerksam und - das will ich nicht verhehlen - mit großer Sorge. Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes demokratisches Gut; darin sind wir uns einig. Es ist gut, und es ist wertvoll, dass Staatspräsident Herzog mit einer Vielzahl gesellschaftlicher Akteure gesprochen hat, um einer weiteren Polarisierung in Israel entgegenzuwirken und den gesellschaftlichen Frieden in Ihrem Land zu bewahren. Gestatten Sie mir hinzuzufügen: Ich halte diese Suche nach einem möglichst breiten gesellschaftlichen Grundkonsens für richtig und wichtig. - Wir wissen, dass Präsident Herzog gestern Abend auch konkrete Vorschläge zur Lösung der schwierigen Situation unterbreitet hat. Wir würden uns als Freunde Israels wünschen, dass auch über diesen Vorschlag das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Herr Premierminister, ich bedanke mich für Ihren Besuch hier in Deutschland und für die Gelegenheit, mit Ihnen so ausführlich sprechen zu können. Das war wichtig und wird die ohnehin guten Beziehungen zwischen unseren Ländern weiter stärken.

MP Netanjahu: Herzlichen Dank! Herr Bundeskanzler Scholz, verehrte Gäste, ich möchte meinen Dank für dieses Treffen zum Ausdruck bringen. Es war eine produktive Diskussion, die die starken Bindungen zwischen unseren beiden Ländern gestärkt hat. Die Freundschaft zwischen Israel und Deutschland gründet auf einer schmerzhaften Geschichte. Aber sie wird auch durch gemeinsame Hoffnungen auf eine gemeinsame, bessere Zukunft angetrieben. Im Namen der Menschen, des Volkes und der Regierung Israels möchte ich unseren Dank für Ihr Engagement für Israels Sicherheit zum Ausdruck bringen. Ich möchte Ihnen auch für Ihren Einsatz gegen den Antisemitismus danken. Das sollte die ganze zivilisierte Welt betreffen.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen in den kommenden Jahren, um unsere wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen. Deutschland und Israel sind in verschiedenen wirtschaftlichen Sektoren führend. Durch die Zusammenarbeit in Bereichen der Technologie und Industrie können wir in eine bessere und wohlhabendere Zukunft blicken.

Um diese bessere Zukunft für unsere Völker zu bauen, müssen wir zusammenarbeiten und gemeinsame Gefahren angehen. Keine Gefahr erfüllt Israel mit größerer Sorge als das Nuklearprogramm Irans. Wir haben zusammen darüber gesprochen, wie Deutschland und Israel zusammenarbeiten können, um dieses Unterfangen zu unterbinden. Das war ein Hauptthema unserer Diskussion. Denn der Iran ist ein Regime, das dazu aufruft, den einzigen jüdischen Staat zu zerstören. Wir haben heute auf dem Gleis gestanden, von dem aus sechs Wochen vor dem Zusammenbruch des Naziregimes und der Eroberung Berlins Jüdinnen und Juden ins Konzentrationslager, ins Todeslager geschickt wurden. Wenn sie eine so fanatische Ideologie haben, die das jüdische Volk zerstören und vom Angesicht der Welt wegwischen will, dann haben wir keine andere Möglichkeit. Das ist ein fanatisches Regime, das den jüdischen Staat mit sechs Millionen Juden zerstören will. Wir haben eine Verteidigung. Israel wird das tun, was wir tun müssen, um uns zu verteidigen. Wie ich dem Kanzler gesagt habe, wird das jüdische Volk keinen zweiten Holocaust zulassen. Der jüdische Staat wird alles Notwendige tun, um Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu erlangen. Punkt!

Natürlich wollen wir das in Zusammenarbeit mit und mit der Unterstützung der zivilisierten Kräfte der Welt tun, den E3, den USA. Ich denke, wir müssen uns dem Iran sehr stark widersetzen und dafür sorgen, dass der Iran keine Atomwaffen produzieren kann. Sie sagen: Tot den USA! Tot Israel! - Das ist eine Gefahr für alle dazwischen, für Deutschland, für die Europäische Union. Wir müssen jetzt dagegen vorgehen. Wir müssen dem Iran kommunizieren, dass er diese Schwelle nicht überschreiten darf, sonst wird es Konsequenzen geben. Aber Israel wird das tun, was nötig ist, um sich gegen diejenigen, die den jüdischen Staat auslöschen wollen, selbst zu verteidigen.

Wir werden uns auch dem Terrorismus widersetzen. Diejenigen, die terroristische Aktivitäten verfolgen und Terroristen schicken, zahlen einen hohen Preis. Ich muss sagen, dass ich Ihre Sorge über die eskalierenden Spannungen in der Region, die den Terrorismus anfeuern, teile. Wir tun unser Möglichstes und arbeiten auch mit unseren Nachbarn zusammen, um diese Eskalation zu verhindern und um dies natürlich auf verantwortungsvolle Weise zu tun. Ich war lange Zeit in der Führung Israels. Über einen Zeitraum von vielen Jahren habe ich für Sicherheit und Ruhe gesorgt. Aber jetzt gibt es eine große Herausforderung. Denn die Menschen versuchen, diesen Frieden zu zerstören und diese Ruhe zu stören. Wir versuchen, ihre Pläne zu unterbinden und für Sicherheit und Frieden zu sorgen, Frieden und Sicherheit zu erhalten. Das wird herausfordernd sein.

Zusätzlich zu den Sicherheitsherausforderungen haben wir auch über die Unterstützung Israels für die Ukraine gesprochen. Wir haben auch über den Verkauf von Luftverteidigung an Deutschland gesprochen. Ich denke, dass das ein Punkt von historischer Bedeutung ist. Vor 78 Jahren waren wir nichts. Wir waren vom Wind zerstreute Blätter. Wir wurden in die Konzentrationslager geschickt. Jetzt, weniger als 80 Jahre später, ist der Vertreter eines souveränen israelischen Staates hier und spricht mit dem Führer eines neuen Deutschlands, eines anderen Deutschlands über Möglichkeiten, den Luftraum Deutschlands zu schützen. Israel hilft Deutschland, Deutschland hilft Israel, und diese Sicherheitszusammenarbeit ist zweigleisig. Ich denke, das unterstreicht die Verwandlung, die Entwicklung des jüdischen Staates.

Wir haben auch darüber gesprochen, wie wir den Jugendaustausch zwischen unseren beiden Staaten fördern können, und wir haben auch über die Möglichkeit von Regierungskonsultationen gesprochen. Wir haben in den letzten fünf Jahren wegen der Pandemie und anderer Dinge keine Regierungskonsultationen durchgeführt. Wir möchten weitere Dinge voranbringen, zum Beispiel auch Deutschlands Teilhabe an wirtschaftlichen Projekten, der Abraham Accords Declaration und anderen Projekten, die es geben wird. Ich denke, die werden von Nutzen für die gesamte Welt sein.

Ich möchte Ihnen versichern, Bundeskanzler Scholz: Israel ist eine liberale Demokratie, und wir werden eine liberale Demokratie bleiben. Ich persönlich habe Israel in den letzten fast 16 Jahren geführt, und wir werden Israel liberalisieren. Wie viele wissen, dass sich der Likud auch für LGBTQ einsetzt? Wir haben auch Abgeordnete, die dieser LGBTQ-Gemeinschaft angehören.

Es gibt Kritik an dieser Justizreform. Sie stimmt aber nicht. Israel hat eine unabhängige Justiz, aber viele sind der Meinung, dass sie zu mächtig ist. Eine unabhängige Justiz ist nicht eine allmächtige Justiz. Die Justizreform möchte diese drei Teile der Regierung ins Gleichgewicht bringen. Wenn wir diese Reform durchgeführt haben werden, dann werden wir die gleiche Gewaltenteilung wie in anderen Ländern und wie auch in Ihrem Land haben. Ich denke, wir haben darüber gesprochen. Aber hinsichtlich dieser Aspekte der Reform gibt es vieles, das die Menschen nicht wissen. In den meisten Ländern wie in Deutschland werden Richter von gewählten Vertretern gewählt. Wie kann man sicherstellen, dass keine Seite die andere überstimmt? Die Anschuldigung, dass wir einen Bruch mit der Demokratie eingehen, stimmt nicht. Israel wird eine liberale Demokratie bleiben. Die Demokratie ist stark und lebendig, wie sie es auch heute noch ist. Wir werden keinen Zentimeter davon abweichen.

Ich möchte auch betonen, dass die Diskussionen mit dem Bundeskanzler extrem produktiv waren. Ich freue mich auf die Fortführung dieser Diskussionen und möchte Sie ganz herzlich in Jerusalem begrüßen. Herzlichen Dank für Ihre Gastfreundschaft und unsere Gespräche!

Frage: Bundeskanzler Scholz, Sie und andere Offizielle haben Ihre Sorge über die Justizreform zum Ausdruck gebracht. Nachdem der Premierminister den Rahmen des Präsidenten abgelehnt hat, sind Sie zufrieden mit dieser Reaktion?

Premierminister, wir haben gesehen, dass die Hisbollah Israelis tötet. Das haben wir diese Woche gesehen. Glauben Sie, dass diese innenpolitischen Rangeleien auch ein Zeichen für Schwäche sind? Wie können wir dafür sorgen, dass diese innenpolitischen Spannungen aufhören?

BK Scholz: Schönen Dank für Ihre Frage! Es ist in der Tat so, dass ich die Sorgen, die ich hier formuliert habe, auch in unserem Gespräch zum Ausdruck gebracht habe. Wir schauen genau hin, was sich dort entwickelt. Für uns ist ganz wichtig, dass es eine einvernehmliche Lösung gibt, die von allen Parteien und von einer großen Mehrheit in Israel getragen wird. Ich glaube, das ist das Wichtigste, um einen Konsens zu erzielen.

Aber es ist jetzt nicht die Aufgabe eines deutschen Regierungschefs, sich in die konkreten Details der Innenpolitik Israels einzumischen. Wir können beobachten, wir können Fragen stellen und unsere Sorgen ausdrücken und ansonsten darauf hoffen, dass es gelingt, etwas, das die Gesellschaft zusammenhält, zustande zu bringen. Das ist auch meine Hoffnung, die ich habe; das will ich ganz ausdrücklich sagen.

Für uns ist Israels Demokratie ein ganz wichtiger Wertepartner, und das ist etwas, das wir auch immer wieder herausstellen, wenn wir mit anderen sprechen, die unsere unverbrüchliche Unterstützung für Israel infrage stellen. Dann sagen wir: Das ist ein Partner, dem wir aus Gründen der Geschichte verbunden sind, aber eben auch, weil wir Demokratien sind, Rechtsstaaten sind, in denen sich die Minderheiten vor den Mehrheiten nicht fürchten müssen.

MP Netanjahu: Ich habe oft dazu aufgerufen, Diskussionen mit der Opposition zu führen. Leider hat man sich geweigert. Man hat sich geweigert, auch nur eine Minute mit mir zu sprechen, um einen Konsens zu erreichen. Ich denke, das spiegelt die Tatsache wider, dass es keinen echten Wunsch gibt, diesen Konsens zu erreichen. In der Tat gibt es den Wunsch, eine Krise herbeizuführen, vielleicht den Zusammenbruch der Regierung oder Neuwahlen anzustreben. Wenn das weitergeht, dann ist das bedauerlich. Aber wir werden alles nach unserer Meinung Notwendige tun, um dieses Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Gewalten in der Regierung zu korrigieren, das wir haben, und hoffen, dass das dann als die beste Lösung für Israel akzeptiert werden wird. Das stimmt auch mit meinen Prinzipien überein, nämlich Israel als liberale Demokratie zu bewahren.

Auch wenn ich nicht direkt intervenieren kann, würde ich, wenn ich gefragt werden würde, und ich bin mir sicher, dass ich gefragt werde, die Veränderungen unterstützen, die zwei Dinge erreichen, zum einen ein Gleichgewicht in der Art und Weise, auf die wir Richter auswählen. Heute haben die Richter in Israel ein Vetorecht, was die Auswahl von anderen Richtern betrifft. Das gibt es in den meisten anderen Demokratien nicht. Das sollte es in Israel nicht geben. Es gilt, eine Art und Weise von Gleichgewicht in Bezug darauf herzustellen, wie Richter ausgewählt werden, und gleichzeitig nicht zuzulassen, dass eine Seite dominiert. Ich unterstütze das also.

Zweitens, denke ich, möchte man ein Gleichgewicht erhalten, aber das darf nicht dazu führen, dass das zu anderen Ungleichgewichten führt. Wenn man keinen Partner hat, dann werden wir die beste Lösung finden. Aber die Antwort auf Ihre Frage ist: Wir brauchen einen möglichst breiten Konsens. Ich bedaure sehr, dass sich die Opposition geweigert hat, mit uns zu sprechen. Wir versuchen, die beste Lösung herbeizuführen.

StS Hebestreit: Die nächste Frage geht an Andreas Rinke, der sich an seinem Geburtstag hierher aufgemacht hat.

Frage: Herr Ministerpräsident, ich muss noch einmal auf die Justizreform zu sprechen kommen, weil es hier schon zwei Welten gibt, die präsentiert werden. Sie haben es eben so beschrieben, dass Sie eine liberale Demokratie bewahren wollen. Der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, dass ja selbst der israelische Präsident Sie aufgefordert hat, das Justizgesetz, das umstritten ist, zurückzunehmen. Deswegen stelle ich noch einmal die Frage: Wie weit wollen Sie gehen? Es gibt Warnungen vor einem Bürgerkrieg in Ihrem Land. Sie haben eben gesagt, Sie wollten keinen Zentimeter weichen. Wären Sie bereit, das wirklich so weit zu treiben?

Herr Bundeskanzler, gilt eigentlich unkonditioniert, dass Israel immer zur deutschen Staatsraison gehört, auch wenn es, wie Kritiker sagen, jetzt die demokratischen Grundlagen abschafft? Die Opposition spricht sogar von einem Gang in die Diktatur. Gilt die Staatsräson unkonditioniert oder nicht?

MP Netanjahu: Israel wird demokratische Prinzipien nicht abschaffen. Wenn das bedeutet, dass Richter nicht Richter wählen, dann folgt Deutschland auch nicht demokratischen Prinzipien, weil Richter in Deutschland ja auch keine Vetomacht haben. Das ist absurd! Man kann einen Slogan aussprechen. Israel wird immer beschuldigt. Man sagt, ich sei ein Potentat, der die Demokratie abschafft. Es würde nicht viel Zeit brauchen, um zu erkennen, dass das absurd ist. Israels Werte werden also im Laufe der Zeit auf den Prüfstand gestellt, und wir werden die demokratischen Normen einhalten, wie sie auch in anderen Demokratien eingehalten werden.

Wir versuchen nicht, Israels Demokratie zu verändern. Wir wollen sie in Einklang mit dem bringen, was in allen anderen westlichen Demokratien auch akzeptabel ist. Wir wollen nicht diese oder jene Reform herauspicken, um Israel illiberal zu machen, sondern wir wollen es näher an die Bürgerinnen und Bürgern heranbringen, es repräsentativer machen und die Meinungen der Gesellschaft abbilden. Das ist die Natur der Demokratie. Wir wollen Mehrheits- und Minderheitenrechte stärken. Der einzige Weg, das zu erreichen, ist, ein Gleichgewicht zwischen der Judikative, der Legislative und Exekutive herzustellen. In Israel ist diese Balance im Ungleichgewicht.

Das wird nicht die Demokratie behindern, sondern sie stärken. Es wird nicht die unabhängige Justiz behindern, sondern sie stärken. Es wird individuelle Grundrechte nicht schwächen, sondern sie stärken. Das alles habe ich mit dem Bundeskanzler besprochen, und wenn Sie möchten, können wir dies noch länger ausführen. Aber ich möchte, dass Sie verstehen, dass mich das antreibt. Ich möchte die Wirtschaft liberalisieren. Ich kann nur dadurch gegen diese Anschuldigungen vorgehen, indem das Ergebnis den Test der Zeit besteht, ob Israel liberaler oder unfreier werden wird. Wir werden Menschenrechte stärken, Frauenrechte, die Rechte von Minderheiten wie der LGBQTI-Community. Israel wird eine liberale Gesellschaft bleiben.

BK Scholz: Erst einmal ist es mir wichtig, zu sagen: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Es ist gut, dass wir uns hier jetzt vor allen anderen dazu verabredet haben.

Zum Zweiten: Unser Wunsch ist, dass unser Wertepartner Israel eine liberale Demokratie bleibt. Übrigens, um sich dazu zu bekennen, ist es auch wichtig, das Wort auszusprechen. Das haben wir gehört, und das finde ich sehr wichtig. Es gibt durchaus einige, die meinen, das sei keine richtige Sache. Aber Demokratie ist eben nicht nur die Mehrheitsherrschaft, sondern das ist auch die Sicherheit derjenigen, die vielleicht auch für immer aus verschiedenen Gründen - manchmal eben auch aus politischen Gründen - eine Minderheit sind und sich davor nicht fürchten müssen. Das ist, glaube ich, ein Anliegen, das wir haben. Insofern werden wir sehen, wie sich die Sache weiterentwickelt. Aber ich will meine Zuversicht da keineswegs zurückhalten. Ich glaube, das wird schon gelingen. Das ist auch mein Wunsch.

Zuruf: Die Frage (in Bezug auf die) Staatsräson?

BK Scholz: Die Sicherheit Israels ist unsere Staatsräson. Selbstverständlich!

Frage: Kanzler Scholz, wir wissen, dass Iran Uran auf 84 Prozent angereichert hat. Wir wissen auch, dass der Iran Waffen an Russland liefert. Werden Sie Druck ausüben, dass Sanktionen wieder auferlegt werden? Werden Sie die Revolutionsgarden auf die Terrorliste setzen?

Wie wird Deutschland reagieren, wenn Israel entscheidet, sich selbst zu verteidigen und das Atomprogramm Irans angreift?

Eine weitere Frage an Sie, Premierminister Netanjahu. Es gibt viel Kritik an dem Vorschlag des Präsidenten. Meine Frage ist: Werden Sie die Reformen wie geplant weiterführen oder stehen diese Reformen noch zur Debatte?

BK Scholz: Zunächst einmal zu der Frage, die an mich gerichtet ist. Schönen Dank dafür.

In der Tat ist die Anreicherung von Uran im Iran eine wirkliche Bedrohung. Das ist der Grund, warum wir uns seit vielen Jahren bemühen, zu verhindern, dass der Iran tatsächlich in der Lage ist, eine Atombombe herzustellen und sie auch zu transportieren. Denn das wäre eine große Gefahr für den Frieden nicht nur in der Region, sondern für die ganze Welt. Deshalb sind all die Bemühungen, die wir in den letzten Jahren unternommen haben, darauf gerichtet, das zu verhindern. Wir sind auch weiter dabei, zu sagen: Dies darf nicht geschehen, übrigens auch mit sehr klaren Botschaften an die iranische Regierung und all diejenigen, die dort Verantwortung tragen. Und das werden wir auch so weitermachen.

Unsere Hoffnung ist, dass wir es am Ende schaffen, mit einer diplomatischen Lösung genau das zu verhindern, nämlich dass die Fähigkeit entsteht, eine Atombombe zu haben und sie auch transportieren zu können. Das ist für den Frieden wichtig, und daran werden wir auch weiter arbeiten.

Was die Frage der Listung betrifft, handelt es sich, wie man weiß, um eine sehr komplizierte Frage. In der EU wird das auch rechtlich diskutiert. Die Voraussetzungen dafür sind nicht ganz einfach.

MP Netanjahu (auf Hebräisch; ohne Dolmetschung)

Frage: Herr Premierminister, ich habe zwei Fragen zu Verteidigungsthemen. Sie haben bereits über „Arrow 3“ gesprochen. Wie weit sind die Verhandlungen gediehen? Wann erwarten Sie eine Einigung? Über welches Volumen sprechen wir?

Zweitens. Stehen Sie zu der israelischen Entscheidung, keine Waffen an die Ukraine zu schicken?

Herr Bundeskanzler, Deutschland hat Rüstungsexporte nach Israel bisher immer mit Steuergeldern gefördert. Bei den U-Booten waren es dreistellige Millionenbeträge. Werden Sie bei dieser Rüstungsförderung bleiben, egal, welche Regierung in Israel regiert und wie sich das Staatssystem dort weiterentwickelt?

Eine zweite Frage aus aktuellem Anlass, wenn Sie erlauben: Sie haben hier vor zwei Tagen nach den Bankencrashs in den USA gesagt, die deutschen Anleger müssten sich keine Sorgen machen. Jetzt kommen die Einschläge näher. Es hat eine Notenbankintervention größeren Umfangs in der Schweiz gegeben. Bleiben Sie bei dieser Aussage, dass sich die deutschen Anleger keine Sorgen machen müssen?

MP Netanjahu: Der Bundeskanzler und ich haben über den Kauf von „Arrow 3“ gesprochen. Das sind ganz hervorragende Systeme. Wir haben natürlich ein Interesse daran, sie zu verkaufen. Deutschland hat auch ein Interesse daran, „Arrow 3“ zu kaufen. Wir haben darüber gesprochen, wie es weitergeht. Wir sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage, spezifisch zu antworten. Ich kann aber so viel sagen, dass wir uns auf einen Weg geeinigt haben. Wir wollen so schnell wie möglich diesen Weg beschreiten.

Was die Ukraine angeht, unterstützen wir die Ukraine nicht nur mit humanitären Mitteln, sondern wir leisten auch Hilfe bei der Zivilverteidigung und bei Frühwarnsystemen. Israel hat Fähigkeiten entwickelt, die sehr fortschrittlich sind, um dafür zu sorgen, dass nicht ganze Regionen in den Luftschutzbunker gehen müssen, sondern dass besser ausgewertet werden kann, wo die Raketen einschlagen. Es gibt Warnungen auf Mobiltelefonen in Teilen der Stadt oder in der ganzen Stadt. Aber man muss dazu nicht das ganze Land mobilisieren. Wir leisten auch in anderen Bereichen Unterstützung. Ich muss ganz offen sagen: Wir haben eine komplexe Situation. Israelische und russische Piloten fliegen in unmittelbarer Nachbarschaft in der Nähe des syrischen Luftraums. Wir wollten verhindern, dass es eine dritte Front gibt. Es gibt eine in Libanon, in Gaza und dann sollte es eine dritte Front mit schiitischen Milizen über die Grenze hinaus in Syrien geben. Um das zu verhindern, haben wir unsere Luftmacht genutzt.

Da gab es eine Einigung mit der russischen Luftwaffe, der russischen Armee, der russischen Regierung. Wir haben uns geeinigt, dass wir nicht unsere jeweiligen Flugzeuge abschießen würden. Das ist eine Situation, die die europäischen Länder nicht haben. Wir haben diese Situation. Ich sage das ganz offen. Da gibt es komplexe Erwägungen. Aber innerhalb dieser Einschränkungen versuchen wir, humanitäre Unterstützung und Unterstützung im Verteidigungsbereich zu leisten, und das passiert in diesem Moment.

BK Scholz: Ich will Ihre Frage sehr klar beantworten: Erst einmal freuen wir uns darüber, dass wir unsere Verteidigungszusammenarbeit weiter ausbauen können. Das gilt natürlich in diesem Fall für die Lieferung von Waffen aus Israel. Dass die Möglichkeit mit dem Luftverteidigungssystem „Arrow 3“ besteht, das wir etablieren wollen, ist ein ganz, ganz großer Fortschritt. Sie wissen, dass wir in ganz kurzer Zeit für Deutschland, aber auch für andere in Europa verschiedene Schichten schaffen wollen, mit denen wir Sicherheit gegen Angriffe aus der Luft schaffen wollen: ein weitreichendes System „Arrow 3“ und weniger weitreichende Systeme. Dazu zählt das jetzt auch in der Ukraine so erfolgreiche System IRIS-T und natürlich dann auch Sachen, die Ähnliches können wie heute der Flakpanzer Gepard in der Ukraine. Das ist das, was wir insgesamt entwickeln. Dabei spielt diese Kooperation eine Rolle. Für die Zukunft ist klar, dass wir unsere militärische Zusammenarbeit und unsere Verteidigungszusammenarbeit insofern weiter fortsetzen, dass wir auch weiter Waffen nach Israel liefern werden.

Zuruf: (akustisch unverständlich)

BK Scholz: Ach so, Entschuldigung! Es gilt die gleiche Aussage, wie ich sie schon getroffen habe. Im Übrigen ist es ja so, dass man richtig sieht, dass seit der letzten großen Finanzkrise viel passiert ist - nicht nur mit lauter Regulierungen, die dazu geführt haben, dass wir viele Banken verpflichtet haben, viel mehr Eigenkapital vorzuhalten, viel mehr Sicherheiten zu gewährleisten, bestimmte riskante Investitionen nicht zu tätigen, sondern eben auch, indem unsere Aufsichtsbehörden in der Lage sind, schnell, strikt und entschlossen zu handeln. Wir haben gesehen, dass die USA das getan haben. Das ist in Großbritannien geschehen. Auch in der Schweiz sind jetzt schnell Maßnahmen ergriffen worden. Das schafft die Sicherheit, auf die alle Bürgerinnen und Bürger auch hierzulande vertrauen können.

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