Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Bundesminister Habeck und Ministerpräsident Woidke zum Maßnahmenpaket für die ostdeutschen Raffineriestandorte und Häfen am 16. September 2022

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Bundesminister Habeck und Ministerpräsident Woidke zum Maßnahmenpaket für die ostdeutschen Raffineriestandorte und Häfen am 16. September 2022

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Freitag, 16. September 2022

BK Scholz: Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat heute die Rosneft Deutschland GmbH sowie die RN Refining & Marketing GmbH unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Das ist eine weitreichende energiepolitische Entscheidung zum Schutz unseres Landes.
 

Russland - wir wissen es längst - ist kein verlässlicher Energielieferant mehr; das haben uns die vergangenen Wochen gezeigt. Die Lieferung von Gas über die Pipeline Nord Stream 1 ist mit fadenscheinigen Gründen eingestellt worden, und deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt alles dafür tun, dass die Energieversorgung Deutschlands funktioniert. Das gilt auch für die Verarbeitung von Erdöl.

Mit der heutigen Entscheidung stellen wir sicher, dass Deutschland auch mittel- und langfristig mit Erdöl versorgt wird. Besonders gilt das für die PCK Raffinerie Schwedt. Diese Entscheidung haben wir uns nicht leicht gemacht, aber sie war unumgänglich. Wichtig ist: Der Standort Schwedt wird mit dieser Entscheidung gesichert. Das möchte ich ganz besonders den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Raffinerie und ihren Familien sagen, natürlich auch der Stadt und der Region. Denn wir haben ein Zukunftspaket geschnürt, um spürbare strukturpolitische Effekte für die Stadt, für die Region und für ganz Brandenburg zu erzeugen. Die Bundesregierung sowie die Landesregierungen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wollen mit diesem Paket die Transformation in den ostdeutschen Ländern vorantreiben und der Region und dem Standort Schwedt eine Zukunftsperspektive geben.

Das Paket hat über die vielen Jahre hinweg ein Gesamtvolumen von, alles in allem, mehr als 1 Milliarde Euro. Allein für den Standort Schwedt belaufen sich die Mittel des Landes und des Bundes auf 825 Millionen Euro. Ganz wichtig ist dabei: Die Pipeline von Rostock nach Schwedt wird mit einem erheblichen Finanzeinsatz ertüchtigt, damit immer eine ordentliche Ölversorgung gewährleistet ist und das auch für die Zukunft gilt. Mit der Entscheidung, die wir heute getroffen haben, kann diese Investitionen endlich auf den Weg gebracht werden und wird nicht weiter verzögert. Wir wollen auch ein Start-up-Labor in Schwedt gründen und eine Taskforce schaffen, um Investitionen vor Ort zu ermöglichen.

Übrigens ist es dann auch so, dass wir gleichzeitig mit all diesen Maßnahmen sicherstellen, dass auch auf andere Weise eine gute Ölversorgung gewährleistet werden kann. Wir werden natürlich nicht nur über die Lieferung über Rostock reden, sondern auch darüber, was zusammen mit Polen möglich ist. Auch das ist etwas, das jetzt besser vorangebracht werden kann.

Es geht ganz besonders darum, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Sorgen um ihre persönliche oder berufliche Zukunft haben müssen. Kündigungen sollen hiermit vermieden werden.

Wir nehmen bei all dem, was wir gemacht haben, nicht nur den Standort Schwedt in den Blick. Auch für Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt werden in diesem Sonderprogramm Maßnahmen vorgesehen. Das gilt zum einen für Leuna als dem zweiten ostdeutschen Raffineriestandort, der sich allerdings schon länger darauf vorbereitet hat und seit vielen Jahren in der Lage ist, Öl aus anderen Orten zu beziehen, und zum anderen für die ostdeutsche Häfen, die ertüchtigt werden müssen, damit die Ölversorgung gewährleistet werden kann. Dabei spielt dann Mecklenburg-Vorpommern eine entscheidende Rolle.

Das ist hier heute ein ganz wichtiger Schritt für die Energieversorgung in Deutschland und eine wichtige Entscheidung für Investitionen in die Zukunft in diesen drei ostdeutschen Länder. Wir machen uns unabhängiger von Russland und auch von Entscheidungen, die dort irgendwo getroffen werden, und schaffen die Grundlagen, damit in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft gelingt.

Bedanken möchte ich mich ganz ausdrücklich bei Ministerpräsident Woidke und seiner Regierung sowie den Landesregierungen von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern für die sehr gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Erarbeitung all der notwendigen Maßnahmen für eine gute Zukunftssicherung an den Standorten.

Wir wollen jetzt die Chancen nutzen, die sich aus diesen Entscheidungen ergeben. Die Hängepartie ist zu Ende. Mit der Treuhand ist es jetzt möglich, dass tatsächlich alle Investitionen ausgelöst werden, die wir für eine langfristige Zukunftssicherung brauchen. Mit der Treuhand und mit den Entscheidungen, die wir hier miteinander vorbereitet haben, ist auch gesichert, dass kein Arbeitnehmer in Schwedt Angst um seinen Arbeitsplatz haben muss. Auch das ist wichtig für die Zukunft nicht nur der Region.

BM Habeck: Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir, aufsetzend auf den Worten des Bundeskanzlers noch einmal ein paar technische Details nachzutragen. Grundlage für diese heutige Entscheidung ist das Energiesicherungsgesetz, § 17, das es der Bundesregierung ermöglicht und uns hier auch in die Pflicht nimmt, zur Sicherung der Versorgungssicherheit Treuhänder einzusetzen, wenn diese Versorgungssicherheit anders nicht zu gewährleisten ist. Das ist im Fall der Raffinerie Schwedt nun so geschehen, weil wir gesehen haben, dass sich Versicherer, Dienstleister, IT-Dienstleister, aber auch Abnehmer immer stärker zurückgezogen haben und die Region durch die wichtige Raffinerie Schwedt in eine Situation hätte geraten können, in der die Versorgungssicherheit nicht mehr gegeben ist.

Die Treuhänderin ist die Bundesnetzagentur, die sich auch schon bei der Treuhandübernahme von Gazprom Germania in dieser auch für sie ungeübten Situation mehr als bewährt hat. Vielen Dank an die Kollegen, die auch diesmal bereit sind, diese Arbeit zu leisten! Ein Geschäftsführer ist einbestellt worden, Herr Christoph Morgen. Der bisherige Geschäftsführer ist abbestellt worden.

Die Treuhand betrifft nicht nur die Rosneft Deutschland GmbH, sondern auch die Rosneft Refining & Marketing GmbH, und nicht nur den Standort Schwedt, sondern auch die jeweiligen Anteile an MiRO in Karlsruhe und BAYERNOIL in Vohburg.

Wir haben diesen Schritt wohl vorbereitet, und wir haben ihn gut organisiert. Die Öllagerstätten in Leuna und in Schwedt sind noch einmal gefüllt worden. Die nationale Ölreserve ist noch einmal vorgehalten worden. Wir haben - der Bundeskanzler hat es eben gesagt - die Maßnahmen zur Ertüchtigung der Ölpipeline nach Rostock identifiziert und teilweise schon umgesetzt. 100 Millionen Euro werden bereitgestellt. Sie werden für eine Infrastrukturveränderung in der Region für die Zukunft dieser Region sorgen, um sie dann in eine wirtschaftlich prosperierende Region auch nach dem Öl zu überführen.

Hinzu kommt ein GRW-Programm, das sich die jeweils betroffenen Länder dann teilen, das über 15 Jahre läuft und für das 750 Millionen Euro hinterlegt sind, sodass neben der konkreten Versorgungssicherheit mit diesem heutigen Schritt, wie der Bundeskanzler es gesagt hat, auch die Maßnahmen für die Zukunft eingeleitet werden, für eine Zukunft am Standort Schwedt.

Vielleicht eine letzte persönliche Bemerkung: Zweimal war ich in Schwedt. Das waren beides Male Besuche, bei denen man die Anspannung in der Region deutlich gemerkt und auch gehört hat. Die Diskussionen und Gespräche dort haben die Bundesregierung und auch mich persönlich tief beeindruckt und geprägt. Dass wir diesen Schritt gut vorbereitet haben, hat seine Zeit gebraucht. Aber ich denke, mit diesem heutigen Tag kann man sagen: Der Standort ist gesichert, und die Zukunft für Schwedt wird erarbeitet.

MP Woidke: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann gleich an das anschließen, was Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Klima Robert Habeck gerade ausgeführt haben. Gerade weil Robert Habeck auf das eingegangen ist, was er bei seinen Besuchen sowohl bei der Betriebsversammlung in Schwedt Anfang Mai als auch Ende Juni bei einer Demonstration gespürt hat: Es war eine riesengroße Unsicherheit und - das füge ich hinzu - auch eine Angst, die da war und sich in dieser Region nach dem 24. Februar ausgebreitet hatte, nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Das war der Tag, den wir, wenn wir über diese Fragen reden, nicht vergessen dürfen. Denn das war der Auslöser vieler Dinge, mit denen wir uns heute auseinandersetzen müssen. Es war auch nicht unsere Entscheidung, diese Entscheidung zu treffen, sondern es war die Entscheidung eines russischen Präsidenten, der sich entschieden hat, einen Angriffskrieg mitten in Europa zu führen.

Wenn man diese Angst und die Unsicherheit spürt, dann ist es natürlich nötig, gerade in einer Region wie der Uckermark, in der die PCK-Raffinerie Herz und Rückgrat ist - - - Herz und Rückgrat versteht man eigentlich nur, wenn man noch einmal in die 90er-Jahre zurückblendet, als viele vormals ebenfalls sicher geglaubte Strukturen weggebrochen sind, als vieles eben nicht so schnell wiederaufgebaut werden konnte, wie es sich die Menschen erwartet haben, und als viele junge und auch ältere Menschen die Region verlassen mussten, um überhaupt wieder eine Chance auf neue Arbeit zu haben. Deswegen ist die Sensibilität in einer Region wie der Uckermark vielleicht noch eine andere als im Berliner Umland oder auch in Teilen Westdeutschlands. Ich bin heute sehr, sehr froh und dankbar, dass wir es gemeinsam geschafft haben, dieser Region und den Menschen in der Region zumindest ein Stück weit die Ängste zu nehmen, die sie in den letzten Monaten umgetrieben haben.

Die erste und wichtigste Frage für die Beschäftigten ist natürlich die Frage der Beschäftigungssicherung. Ich bin auch dem Bundeskanzler sehr dankbar. Er hat es vorhin ausgeführt. Wir stehen dafür, dass die Beschäftigung am Standort Schwedt weiterhin gesichert wird, dass die Menschen, die heute im PCK arbeiten, ihre Beschäftigung auch weiterhin dort finden. Auch wenn es jetzt durch Ölversorgungsprobleme zu Einschnitten kommen kann, dann wird dies über eine vernünftige und sehr, sehr gute Kurzarbeiterregelung aufgefangen. Keiner muss sich Sorgen machen, dass er seine Hauskredite, seine Rechnungen zu Hause oder anderes mehr nicht mehr bezahlen kann.

Der zweite Punkt ist, dass der heutige Tag, der 16. September 2022, der Beginn der klimaneutralen Transformation am Standort Schwedt ist. Ich glaube, es ist die erste Raffinerie in Deutschland, die in eine solche Transformation geht. Robert Habeck ist auf die Fördersummen eingegangen, die wir gemeinsam ausverhandelt haben. Die anderen Instrumente, die ohnehin zur Verfügung stehen, stehen ebenfalls bereit, die Important Projects of Common European Interest, abgekürzt IPCEI, oder der Just Transition Fund der Europäischen Union. Aber wichtig ist jetzt, dass mit der neuen Regelung, mit der neuen Gesellschafterstruktur die Investitionen in klimaneutrale Produktionslinien am PCK beginnen können. Das ist auch das Signal des heutigen Tages. Vorbereitet ist zum Beispiel die Produktion - das ist eine der Ideen, der Projekte - von SAF, also von Sustainable Aviation Fuel, von künstlichem, synthetischem Kerosin. Die Uckermark und Schwedt sind dafür prädestiniert. Wir haben in der Uckermark eine der höchsten Erzeugungsdichten erneuerbarer Energien deutschlandweit. Deshalb ist der Standort Schwedt, die Raffinerie Schwedt genau der richtige Standort, um diese Transformation auch hier modellhaft für die Region umzusetzen.

Das, worüber wir heute reden und was wir gemeinsam erreicht haben, sind wichtige Punkte. Wir gehen heute einen wichtigen Schritt gemeinsam nach vorn. Was wir leider nicht versprechen können, ist, dass auch in der Zukunft alles glatt und fröhlich läuft. Wir werden weiterhin mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben; auch das gehört zur Wahrheit dazu. Aber ich bin allen Beteiligten, besonders Bundeskanzler Olaf Scholz, aber auch Bundesminister Robert Habeck sehr, sehr dankbar, dass wir so weit gekommen sind und heute in schwierigen Zeiten auch dieses positive Signal für Schwedt und die Uckermark setzen können.

Herzlichen Dank.

Frage: Herr Habeck, ist gesichert, dass der Osten Deutschlands mit Benzin, mit Kerosin und mit Diesel versorgt werden kann? Sind möglicherweise höhere Benzinpreise eine Folge dieser Entscheidung?

Herr Scholz, haben Sie in Ihrem Telefonat mit Herrn Putin am Mittwoch auch über Schwedt gesprochen?

BM Habeck: Ja, das ist gesichert. Ich habe es ja gesagt. Wir haben die Vorkehrungen getroffen. Die Umstellungen sind vorbereitet. Die Gespräche auch mit der polnischen Seite sind weit vorangeschritten. Allerdings war auch immer klar, dass Polen nie eine feste Zusage machen würde, solange mögliche Gewinne an Rosneft nach Russland gehen. Insofern ist die Antwort auf diese Frage: Ja, die Versorgungssicherheit ist gewährleistet.

BK Scholz: Nein.

Frage: Von den Rosneft-Einheiten sind ja auch andere Länder betroffen, nämlich Italien, Österreich und Frankreich. Gibt es dort Gespräche? Wurden sie geführt? Was bedeutet das für die Einheiten von Rosneft dort?

BK Scholz: Was wir jetzt tun, ist, erst einmal sicherzustellen, dass die PCK ihre Produktion fortsetzen kann. Das ist auch das Ziel. Im Januar, Februar nächsten Jahres, im Oktober nächsten Jahres, im übernächsten Jahr wird da das gemacht, was da heute auch gemacht wird, es wird Öl verarbeitet. Das ist die Perspektive, um die es jetzt zuallererst geht. Mit den Entscheidungen heute können die notwendigen Schritte gegangen werden, damit das auch in jeder Situation gewährleistet bleiben kann.

Der Ministerpräsident hat davon gesprochen, dass es an der einen oder anderen Stelle ein bisschen ruckeln kann. Deshalb gibt es eine klare Beschäftigungssicherung. Aber in Wahrheit ist die Absicht, dass wir einfach auf jede Weise dafür Sorge tragen können, dass Öl zur Verarbeitung dahinkommt. Deshalb auch die langfristigen Investitionen in die Pipeline, deshalb die Gespräche über andere Importmöglichkeiten über Polen, deshalb auch Weiterungen, die wir da noch diskutiert haben und die alle vorbereitet sind. Aber zum Beispiel allein an der Pipelineinvestition kann man sehen, wie notwendig die Treuhand jetzt ist. Die würde jetzt nämlich nicht beginnen können - obwohl wir bereit sind, sie zu fördern -, wenn es nicht die Treuhandlösung gäbe. Deshalb besteht hier auch ein unmittelbarer Zusammenhang zu der notwendigen Energiesicherung, die wir betreiben, und auch zu der Sicherheit der Versorgung der Region.

Es gibt übrigens auch andere Länder, die davon profitieren, dass dort Öl verarbeitet wird - Polen und andere sind schon genannt worden. Insofern ist das, glaube ich, eine gute Botschaft.

Das gilt übrigens natürlich auch für Leuna. Die sind schon lange in der Lage, sich auf andere Weise zu versorgen; aber auch dort gibt es sicherlich Herausforderungen, die wir hier unterstützen und bearbeiten können.

Natürlich ist es auch gut, dass Mecklenburg-Vorpommern so sehr mithilft, dass die Sicherheit des Betriebsstandortes Schwedt durch eine Ertüchtigung der Pipeline und entsprechende Investitionen in den Hafen gewährleistet werden kann.

Frage: Gilt Ihre Aussage, dass die Versorgung sicher ist, auch für den Fall, dass Russland nun die Öllieferungen einstellt? Haben Sie bereits konkrete Lieferzusagen über Polen?

BK Scholz: Diese Fragen sind vom Wirtschaftsminister eben ja schon beantwortet worden. Wir haben uns darauf vorbereitet, dass Entscheidungen getroffen werden - übrigens schon ganz lange. Wir haben uns seit Anfang des Jahres darauf vorbereitet, dass entgegen allen Ankündigungen der russische Präsident dafür Sorge trägt, dass kein Gas geliefert wird, obwohl seine Unternehmen dazu vertraglich verpflichtet sind. Wir haben gesehen, wie gut es war, dass wir dies getan haben und mit vielen Entscheidungen, die wir seit Anfang des Jahres getroffen haben, dafür gesorgt haben, dass wir jetzt, obwohl kein Gas fließt, trotzdem sagen können, dass wir die Versorgungssicherheit auch in diesem Winter gewährleisten werden. Stück für Stück wird im nächsten Jahr mit dem Anschluss von weiteren LNG-Terminals an den norddeutschen Küsten - auch in Lubmin zum Beispiel -, mit dem Ausbau der Infrastrukturen in den Niederlanden, Belgien und Frankreich, mit dem Import von Gas neu auch durch Frankreich, mit der erhöhten Leistung aus anderen Ländern wie Norwegen und mit der Nutzung von Kohlekraftwerken und all den anderen Maßnahmen sichergestellt, dass wir da gut durchkommen.

So ähnlich ist die Entscheidung hier zu verstehen. Wir wissen nicht, was jetzt passiert, aber natürlich haben wir schon lange unterstellt, dass es aus Gründen, die etwas mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine zu tun haben, plötzlich auch sein kann, dass die Lieferung ausbleibt. Deshalb sind wir vorbereitet, haben Vorbereitungsmaßnahmen getroffen - im Hinblick auf die Nutzung unserer eigenen Reserven, im Hinblick auf Reserven vor Ort, im Hinblick auf die Möglichkeit des Abschlusses von Verträgen mit Polen und im Hinblick darauf, dass wir dann auch sicherstellen können, dass die Versorgung weiter gewährleistet bleibt, wenn das passiert. Das ist ein Thema, das uns umgetrieben hat, und deshalb haben wir so viel Zeit in die Vorbereitung gesteckt und nicht einfach spontan gehandelt.

Frage: Sie sprachen ja bereits die Zusammenarbeit mit Polen an. Sind Sie auch offen für einen polnischen Investor, zum Beispiel Orlen, in Schwedt?

BK Scholz: Im Augenblick machen wir eine Treuhand. Es findet ja kein Eigentümerwechsel statt, sondern wir verwalten das Vermögen treuhänderisch, aber auch im Sinne der Energiesicherheit.

Frage: Ich habe es noch nicht ganz verstanden: Sie sagen, es könnte ruckeln, Kurzarbeiterregelungen werden angedacht; auf der anderen Seite sei die Versorgungssicherheit da. Die Sorge der Menschen ist Schwedt ist ja, glaube ich, dass man am Ende vielleicht auch über eine längere Zeit eine 60-Prozent-Auslastung hat. Was können wir denn ab dem 1. Januar erwarten, wie hoch wird die Auslastung sein?

Wenn man jetzt die Pipeline ausbaut: Was ist denn da der Zeithorizont?

BK Scholz: Der Wirtschaftsminister wird dazu gleich vielleicht noch ein paar Sachen ergänzen wollen. - Wir haben ja genau diesen Fall vorbereitet: Auslastung der Pipeline jetzt mit den Möglichkeiten, die existieren, langfristiger Ausbau einer höhen Leistungsfähigkeit, zusätzliche Importmöglichkeiten. Insofern verstehe ich Ihre kritische Nachfrage, will aber sagen: Genau das haben wir bedacht. Wir haben praktisch mehrere Sicherheitsschichten eingelegt. Eigentlich glauben wir, dass wir, egal was passiert, eine gute Chance haben, dass es eine ausreichende Versorgung mit Öl gibt, sodass die Raffinerie arbeiten kann. Damit man aber ganz sicher ist, wenn man Arbeiter oder Arbeiterin in der Raffinerie Schwedt ist, haben wir die Beschäftigungssicherungsmaßnahmen, die Gehaltssicherungsmaßnahmen, hinzugefügt. Unsere Hoffnung ist, dass die nur wenig oder nur ab und zu gebraucht werden. Aber eigentlich läuft es. Das gelingt natürlich nur, wenn die neue Geschäftsführung jetzt all die Aktivitäten auf den Weg bringt, die notwendig sind, damit das auch klappt.

BM Habeck: Ich habe wenig hinzuzufügen. Der Bundeskanzler hat damals, als es um die Sanktionen in Bezug auf russisches Öl ging, zusammen mit anderen Partnern gesagt: Auch, wenn die Druschba-Pipeline nicht sanktioniert ist, werden wir dafür Sorge treffen, dass wir ab Jahreswechsel ohne russisches Öl auskommen können und werden. Insofern ist das Szenario, das abgefragt wurde, die Grundannahme all der Überlegungen, und entsprechend wurden die Vorkehrungen so getroffen, dass die Pipeline nach Rostock, die zuvor in einem geringeren, gerade an der Operationalitätsfähigkeit der Raffinerie liegenden Maß Öl transportieren konnte, so ertüchtigt wurde, dass jetzt genug Öl durchkommt, um über diese Pipeline den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus gibt es, wie schon angesprochen, die Gespräche mit Polen, um dann möglichst große Gesamtvolumen bis an die Vollauslastung heranzuholen. Die Gespräche sind weit fortgeschritten. Sie sind auch, was die Partner in Schwedt angeht - also Shell und Eni -, nicht zu schwer. Aber Rosneft als Mehrheitseigner war eben bisher nicht diskutabel mit der polnischen Seite. Das wird sich jetzt ändern.

Insofern sind die Versorgungssicherheit und der Weiterbetrieb der Raffinerie gewährleistet. Dass das trotzdem, wie Ministerpräsident Woidke gesagt hat, eine anspruchsvolle Aufgabe ist, ist offensichtlich. Es ist alles gut vorbereitet, es ist alles mit den Partnern abgesprochen; es muss aber ins Werk umgesetzt werden. Das heißt, am Ende entscheidet die Wirklichkeit darüber. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das genau wie geplant und abgesprochen hinbekommen werden.

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