im Wortlaut
- Mitschrift Pressekonferenz
- Montag, 6. März 2023
BK Scholz: Einen schönen guten Tag! Ich hoffe, Sie hatten ein wenig Zeit, die wunderschöne Winterlandschaft hier in Brandenburg zu genießen, während das Bundeskabinett auf Schloss Meseberg getagt hat. Das war eine sehr gute Klausursitzung ‑ informativ, instruktiv und ‑ Robert und Christian werden das sicherlich bestätigen ‑ auch sehr konstruktiv.
Wir haben in diesem ersten Amtsjahr viel erreicht, um unser Land heil durch die Krise zu steuern, die durch den russischen Überfall auf die Ukraine entstanden ist. Deutschland unterstützt die Ukraine politisch, humanitär, finanziell und auch mit Waffen.
Zugleich haben wir Deutschland unabhängig gemacht von russischen Energielieferungen. Wir haben immense Summen aufgebracht, um die hohen Energiepreise abzudämpfen und eine Wirtschaftskrise abzuwenden, damit möglichst alle zurechtkommen. Das ist gelungen, und daraus ist ein Schwung für unser Land entstanden. Diesen Schwung des ersten Jahres wollen wir mitnehmen zu der Aufgabe, die uns nun vordringlich beschäftigen wird: die Transformation unserer Wirtschaft hin zur Klimaneutralität und auch zur Digitalisierung, um zu erreichen, dass wir in den nächsten Jahrzehnten eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft mit guten und vielen Arbeitsplätzen bleiben, aber zugleich auch eine, die eben diese große Herausforderung bewältigt, CO2-neutral zu wirtschaften. Was wir aus unserer Diskussion mitgenommen haben, ist, dass das gelingen wird, dass wir diese große Aufgabe schultern werden und dass Zuversicht geboten ist.
Wir haben auch verstanden und sehr sorgfältig diskutiert, dass das mit wirtschaftlichem Aufschwung verbunden sein wird, mit Wachstumszahlen und mit Beschäftigungsperspektiven in Deutschland, die uns sicherlich die Möglichkeit schaffen, dass wir sagen können: In den nächsten Jahren wird Deutschland das Problem der Arbeitslosigkeit hinter sich lassen. Denn es gibt sehr viel zu tun, wofür wir sehr viele Frauen und Männer brauchen, die sich hierzulande einsetzen, die aber auch aus anderen Ländern hinzukommen, damit all die Arbeit geschafft werden kann, die in Deutschland jetzt anfällt.
Die Aufgabe, die wir vor uns haben, darf nicht unterschätzt werden. Es geht ja immerhin darum, dieses Ziel in 22 Jahren zu erreichen. Wir brauchen Tempo. Auch das ist etwas, über das wir gesprochen haben. Wir haben deshalb auch im Einzelnen diskutiert, was das bedeutet und was wir machen müssen, um Tempo bei der Energieversorgung aus Sonne, Windkraft und Biomasse zu schaffen, bei Planungs- und Genehmigungsverfahren und natürlich auch beim Umbau der Industrie. Ich habe unlängst schon gesagt: Wir müssen bis 2030 pro Tag vier bis fünf neue Windräder und pro Tag umgerechnet mehr als 40 Fußballfelder voller Solaranlagen aufstellen. Wir müssen das Netz ertüchtigen, in die Wasserstoffwirtschaft investieren und bei der Elektromobilität vorankommen. Das ist wichtig für die Zukunft unseres Landes, aber eben auch der Punkt, der uns zuversichtlich stimmt; denn wenn wir das schaffen, wenn wir die Produktionskapazitäten ausweiten, wenn wir den Fachkräftebedarf sichern, dann wird es uns auch gelingen, dafür zu sorgen, dass das für unser Land eine gute Zukunft bedeutet.
Wir haben uns darum auch mit dem anderen großen Technologiethema beschäftigt, der künstlichen Intelligenz, die jetzt in aller Munde ist und über die viele sprechen, aber die tatsächlich die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes und der Welt komplett verändern wird. Damit sind enorme Chancen verbunden, auch für den Energiebereich, für die Mobilität, aber zum Beispiel auch für die Medizinforschung. Deshalb war es für uns ganz wichtig, mit sehr interessanten Gästen über diese Frage zu diskutieren und miteinander zu besprechen, wie es uns gelingen kann, dass künstliche Intelligenz auch in Deutschland entwickelt wird und in großen Umfang für eine bessere Zukunft eingesetzt werden kann.
Meine Damen, meine Herren, die Tage hier in Meseberg haben noch einmal deutlich gemacht, worum es jetzt geht: Wir müssen und wir wollen mehr Fortschritt wagen, wir brauchen mehr Tempo, und wir brauchen Zuversicht! Das alles ist jedenfalls für uns in der Bundesregierung die Aufgabe, die wir jetzt schultern wollen. Die Kabinettsklausur hat dazu auch einen wichtigen Beitrag geleistet.
Jetzt bitte ich zunächst Robert und dann Christian um ihre Worte!
BM Habeck: Vielen Dank! - Sehr geehrte Damen und Herren, die Abgeschiedenheit von Meseberg, die ja auch eine gewisse Abgeschirmtheit bedeutet, und die Zugewandtheit in dieser Konzentration einer Kabinettsklausur haben, glaube ich, allen noch einmal deutlich gemacht, was es für ein Privileg ist, Teil einer Bundesregierung zu sein, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind und wie sehr die Konzentration auf die eigene Arbeit und vielleicht auch einmal das Abschirmen der vielen Stimmen und Töne und Forderungen und Überlegungen, die auf einen einprasseln, im Zentrum stehen. Wir sind dem Land verpflichtet, und diese Verpflichtung hat die Gespräche dominiert. Ich denke, dass wir mit dieser Haltung jetzt auch aus dieser Klausur herausgehen und alle Fragen lösen werden.
Zu den Gesprächen, die heute stattfanden, eine Beobachtung: Wir stehen ‑ der Bundeskanzler hat es gesagt ‑, was die Transformation angeht, vor großen Herausforderungen. Man neigt immer dazu, die Herausforderungen der Zukunft an der Realität der Vergangenheit zu messen. Gerade mit Blick auf die künstliche Intelligenz, aber auch mit Blick auf die Zahlen des Ausbaus der Transformation, was erneuerbare Energien, Elektrolyse, Wasserstoff usw. angeht, ist das erkenntnisstiftend. Es scheint immer so ein großer Berg zu sein, den man vor sich sieht. Aber wenn man sieht und weiß, dass die Zahl der erneuerbaren Energien noch im Jahr 2000 ‑ also ungefähr die Zeit, die wir noch haben, bis Deutschland klimaneutral ist ‑, 0,1 betrug, also faktisch nicht existent war, und alles, was wir erreicht haben, in 25 Jahren aufgebaut wurde und davor gar nichts da war, dann sollte uns vor den nächsten 20 oder 25 Jahren nicht bange sein, sondern wir sollten sehen, dass wir mit den Skaleneffekte, die jetzt mit dem technischen Wissen, das da ist, und auch mit den digitalen Möglichkeiten möglich sind, alle Chancen haben, große Herausforderungen zu bestehen. Das gilt, so denke ich, auch für den Bereich der künstlichen Intelligenz im gleichen Maße.
Alles zusammen, künstliche Intelligenz, die Digitalisierung unserer Wirtschaft, neue Geschäftsmodelle und die Transformation, werden diesem Land und auch Europa Wohlstand und Wachstum für die nächsten Jahre und Jahrzehnte bescheren. Es ist ein gigantisches Industrie- und Beschäftigungsprogramm, das wir hier anschieben. Damit schaffen wir die Klimaneutralität und sicherlich auch die wirtschaftliche Stabilität, die dann zu einer demokratischen führen wird, für Europa und für Deutschland in den nächsten Jahren.
BM Lindner: Meine Damen und Herren, es war eine gute Klausurtagung des Bundeskabinetts. Wir haben untereinander natürlich viele Dinge im formalen Rahmen besprechen können. Aber hier gibt es natürlich auch immer die Gelegenheit, dass man bei informellen Gesprächen das eine oder andere klärt und die Perspektive erweitert. Das hilft dann auch für das politische Tagesgeschäft in den nächsten Wochen in Berlin.
Wir hatten spannende Gäste. Gestern hat Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin, wie Sie wissen, Einblick in ihre nächsten Planungen gegeben. Es sind ja in Brüssel auch Vorhaben, die von großer Bedeutung für unser Land sind, gegenwärtig im Begriff, abgeschlossen zu werden.
Heute haben wir uns, wie Sie auch gehört haben, mit der Energiewende und der künstlichen Intelligenz beschäftigt, zwei sehr großen Herausforderungen für unsere Gesellschaft, die aber chancenreich sind. Ich will das gar nicht im Einzelnen wiederholen, aber uns wurde deutlich gemacht, sowohl mit Blick auf die Energiewende als auch mit Blick auf die künstliche Intelligenz, welch enormer Kapitalbedarf hier besteht. Die Gäste haben unterstrichen: Es geht hierbei vor allem auch um privates Kapital, nicht nur um die notwendigen Mittel des Staates etwa im Bereich der Grundlagenforschung und bei der Unterstützung der Transformation, sondern darüber hinaus eben um das private Kapital.
Deshalb ist es kein Zufall, aber trifft sich gut, dass wir gerade jetzt, also in diesen Tagen, in dieser Woche, das Zukunftsfinanzierungsgesetz abschließen. Das Finanzministerium und das Justizministerium haben einen Entwurf für ein Gesetzgebungsvorhaben erarbeitet, wie die Koalition das ja auch so beschlossen hatte, mit dem wir private Finanzierungsbedingungen in Deutschland in der Breite verbessern wollen. Das passt eben gut zu unseren Gästen, die auf den privaten Finanzierungsbedarf hingewiesen haben. Wir wollen jetzt also sehr rasch in die Ressortabstimmung gehen. Davor steht ja die sogenannte Frühkoordinierung. Insofern sind wir im Tagesgeschäft, ganz gut passend zu dem, was wir hier in der Klausurtagung gemacht haben.
Frage: Herr Lindner, Sie haben gesagt, man hatte genug Raum für informelle Gespräche und ist bei dem einen oder anderen Punkt auch vorangekommen. Vielleicht können Sie alle drei einmal sagen, wobei.
Herr Habeck, es gibt heute eine Studie aus Ihrem Ministerium, dass es möglicherweise im Worst-Case-Szenario 900 Milliarden Euro kosten könnte, die Folgen des Klimawandels aufzuwiegen. Wie reagieren Sie auf diese Studie, was müssen da die Antworten sein?
BK Scholz: Wir haben in der Tat, wie der Finanzminister gesagt hat, wie Christian das eben formuliert hat, viel Zeit gehabt, Sachen auch informell miteinander zu besprechen. Das ist ganz gut so. Da das informell war, bleibt es natürlich auch so, dass wir Sie nicht alle daran beteiligen wollen. Ich kann Ihnen aber berichten, dass wir auch Fortschritte gemacht haben bei vielen Fragen, die wir im Alltagsgeschäft verhandeln, und da sind die Pläne auch ohnehin so, dass wir jetzt in ganz kurzer Zeit versuchen, verschiedenste Vorhaben zum Abschluss zu bringen. Das, was hier stattgefunden hat, ist ein sehr fühlbares Unterhaken und auch die gemeinsame Überzeugung, dass das gelingen wird.
BM Habeck: Wir sagen immer Klimaschutz, aber trivialerweise schützen wir überhaupt nicht das Klima, sondern die Menschen ‑ die Menschen auf der Erde, die Menschen in unserem Land ‑, und zwar nicht nur vor Katastrophen wie im Ahrtal, wo durch Naturkatastrophen und unkontrollierte Wetterphänomene Tod und Zerstörung gebracht wurden. Dort sind natürlich auch hohe Kosten entstanden, aber vielleicht sind die dann erst einmal zweitrangig, denn viele Menschen haben damals ihr Leben und ihre Heimat, ihr Zuhause, verloren. Natürlich sind die strukturellen Anpassungskosten vom Küstenschutz bis zur Landwirtschaft zu beziffern ‑ die Versicherungswirtschaft und alle Deich- und Sielverbände kennen die hohen Kosten.
Langer Rede kurzer Sinn: Wir sind gut beraten, diese Kosten gering zu halten, und gut beraten, gleichfalls ‑ wie eben schon von uns allen dreien ausgeführt ‑ die möglichen Gewinne zu halten, also die ökonomischen Vorteile zu nutzen und als starke Industrienation auch die nächste Phase der industriellen Entwicklung, nämlich eine klimaneutrale Produktion, hier in unserem Land zu entwickeln. Es geht also darum, die Gewinne zu halten und die Kosten zu vermeiden.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben gestern in Ihrem Eingangsstatement und auch jetzt wieder viel von Zuversicht gesprochen, die Sie stärken wollen. Dazu gab es gestern ja auch Vorträge von Fachleuten. Was haben Sie da denn gelernt? Wie wollen Sie persönlich die Zuversicht stärken? Die Bevölkerung ist aufgrund der aktuellen Situation ja doch etwas verunsichert. Diese Frage würde ich gerne nicht nur Ihnen stellen, sondern auch den beiden Ministern Habeck und Lindner.
BK Scholz: Zuversicht entsteht dadurch, dass man sich ehrgeizige Ziele setzt, aber auch sicher ist, dass man sie schaffen wird und diese Ziele erreichen wird. Das ist genau das, was wir hier dann auch weiter verhandelt haben. Ich habe es schon gesagt: großer wirtschaftlicher Aufschwung und Wachstum kann verbunden sein mit der wirtschaftlichen Veränderung, die notwendig ist, damit unsere Industrie klimaneutral wirtschaften kann. Wenn wir die Energienetze, die überwiegend privatwirtschaftlich betrieben werden, wenn wir die Erzeugungsanlagen in Deutschland, die dazu notwendig sind, alle errichten, dann sind das milliardenschwere privatwirtschaftliche Investitionen, die gleichzeitig viele Arbeitsplätze schaffen, viele gute Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen und dafür sorgen, dass es neue wettbewerbsfähige Technologien aus Deutschland in aller Welt zu kaufen gibt.
Diese Zuversicht, dass es möglich ist, dass es in 10, 20, 30 Jahren für ein Land wie Deutschland weiterhin gilt, dass wir vorne dabei sind in der Weltwirtschaft, dass wir unsere Kraft erhalten können und dass auch jeder Bürger und jede Bürgerin davon ausgehen kann, dass das auch für sie selber gut ausgeht, die ist es, die wir durch unser tätiges Handeln stärken können. Das ist auch das, worüber wir geredet haben.
BM Lindner: Das stimmt einfach.
BM Habeck: Vielleicht eine Ergänzung aus den Vorträgen, aus dem Kopf memoriert: Es gab einen Zusammenhang zu erkennen, den ich entscheidend fand, nämlich dass einerseits die Erwartung an den Staat, an die Regierung, zu helfen, irgendwann auch schnell wieder zu einer Enttäuschung führen kann, weil man sich ja nicht selber geholfen hat. Das ist so eine Art Kreislauf der gegenseitigen Erwartungsenttäuschungen, und der muss durchbrochen werden. Wenn ich auf das letzte Jahr blicke, dann kann ich sagen: Er ist durchbrochen worden.
Dass wir hier stehen, dass Deutschland so dasteht, wie es dasteht, ist nur gelungen, weil viele Menschen, Unternehmen, Betriebe, die Kommunen, die Länder ‑ einen Teil hat sicherlich auch die Bundesebene, vom Parlament bis zur Bundesregierung, geschaffen ‑ ihren Beitrag geleistet haben. Einen eigenen Beitrag zu leisten und das auch anerkannt zu bekommen, das zu merken, Selbstwirksamkeit zu erfahren, ist wahrscheinlich der gelernte beste Weg für Zuversicht und Zukunftsgestaltungswillen.
Farge: An den Finanzminister: Ist durch die informellen Gespräche das Delta, das Sie für den Bundeshaushalt 2024 haben, ein bisschen kleiner geworden, und können Sie uns da eine Größenordnung nennen? Vorher war ja einmal von 80 Milliarden Euro die Rede. Wie weit sind Sie da heruntergekommen?
Herr Habeck, zu den amerikanischen Subventionen: Sie hatten ja einmal einen Industriestrompreis ins Gespräch gebracht. Ist das eigentlich für Sie die notwendige Antwort, damit die deutsche und europäische Industrie im Wettbewerb mit den amerikanischen IRA-Subventionen mithalten kann?
BM Lindner: Herr Kollege, wir haben hier auf Schloss Meseberg keine Haushaltsgespräche geführt, und ehrlich gesagt: Wenn wir sie geführt hätten, dann könnte ich nicht im Einzelnen darüber berichten, wofür Sie sicherlich Verständnis hätten. Es gab hier aber auch keinen Anlass dafür, denn die erste Runde der Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen im Kabinett ist bereits abgeschlossen. Jetzt konsolidiere ich den aktuellen Stand, den wir haben, und dann gehen wir in die Finalisierung des Kabinettsentwurfs.
BM Habeck: Ander als die USA, wo ja „tax credits“, also Steuergutschriften verteilt werden, fördert Europa in der Regel Investitionen, und zwar durch Zuschüsse am Anfang; das heißt, die operationellen Kosten werden kaum oder gar nicht subventioniert. Das ist ein Wettbewerbsnachteil, das muss man so klar sagen. In den USA ist das anders geregelt.
Wenn man sich anschaut, was wir haben und was wir können, dann ergibt sich daraus ein Bestandteil für einen Industriestrompreis, und den werden wir sehr zeitnah auch in den Rechtsverordnungen, die notwendig sind, anschieben. Das heißt, die Vorteile der erneuerbaren Energien, die ja sehr günstig Strom produzieren ‑ die Gestehungskosten liegen vielleicht bei fünf bis neun Cent pro Kilowattstunde, und dazwischen befindet sich dann je nach geografischer Gegebenheit der Korridor ‑, voll bei den Unternehmen ankommen zu lassen, wäre ein Bestandteil eines Industriestrompreises aus dem Markt heraus. Das werden wir designen, das werden wir auf den Weg bringen. Natürlich müssen die Erneuerbaren gebaut werden ‑ vor allem die Offshore-Windkraft stellt dann ja große Mengen Energie dar, die dann über sogenannte Direktverträge, „Power Purchase Agreements“, den Unternehmen zugutekommen können.
Ob auf der Treppe bis dahin, dass diese Mengen zur Verfügung gestellt sind, noch weitere Deckelungen möglich sind oder nötig sind, darüber werden wir reden. Aber den Teil, den ich in meinem Ministerium als Industriestrombestandteil leisten kann, den werden wir schnell auf den Weg bringen.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben mehrfach angekündigt, dass Deutschland die Ukraine unterstützen werde, solange das nötig sei, und haben gesagt, dass Putin seine Ziele in der Ukraine nicht erreichen dürfe. Heißt das, dass Deutschland die Ukraine dabei unterstützen wird, wieder das gesamte Land zurückzugewinnen, also zum Beispiel auch die Regionen Donbass und Donezk, die seit dem Krieg aus der russischen Perspektive Russland gehören?
Herr Dr. Habeck, im letzten Jahr wurde in Deutschland viel unternommen, um die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas zu beenden. Wie unabhängig ist Deutschland zurzeit von russischem Gas, und wie sieht es in der Zukunft aus, zum Beispiel im nächsten und übernächsten Winter?
BK Scholz: Schönen Dank für Ihre Fragen. Es ist aber alles gesagt. Wir unterstützen die Ukraine so lange, wie es notwendig ist. Wir sind in Europa, insbesondere in Kontinentaleuropa, das Land, das am meisten tut, und zwar mit finanzieller und humanitärer Hilfe, aber eben auch mit unseren Waffenlieferungen, mit der Ausbildung, die wir hier organisieren, mit der Organisation von Reparaturen und natürlich auch mit den notwendigen Munitionslieferungen. Wir haben immer mit all unseren Freunden und Verbündeten klar gesagt, dass wir keine Entscheidung über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg treffen werden. Deshalb beschränkt sich das, was wir tun können, gegenwärtig darauf, diese Unterstützung zu gewährleisten und den russischen Präsidenten immer wieder aufzufordern, das zu tun, was für eine friedliche Entwicklung unverzichtbar ist, dass er nämlich Truppen zurückzieht.
BM Habeck: Wir sind Anfang des vergangenen Jahres mit Gaslieferungen versorgt worden, die zu über 55 Prozent aus Russland kamen. Das wird jetzt so hingenommen in Deutschland, dass es gutgegangen ist. Aber ich will noch einmal sagen: Das ist eine gigantische Leistung dieses Landes, und zwar aller Beteiligten ‑ ich habe es eben schon gesagt ‑, und eine Leistung, die auch erbracht wurde, weil viele Menschen einen Preis dafür bezahlt haben. Die hohe Inflation, das Wegbrechen der Energiemengen, die künstliche Verknappung, die Putin dem Land aufgezwungen hat, all das ist ja nicht folgenlos geblieben. Ich erinnere an die Diskussionen und die Debatten, die wir letztes Jahr hatten. Aber es ist abgewendet worden. Noch einmal: Das ist eine herausragende Leistung, die hier in großer Solidarität erbracht wurde.
Entsprechend sind wir im Moment nicht abhängig von russischen Gaslieferungen. Es mag sein, dass über die LNG-Terminals der Nachbarstaaten, über die ja Gasmengen kommen, russische Moleküle in dem Gasmix sind. Das ist weder zu kontrollieren noch auszuschließen. Die deutschen Unternehmen kaufen aber kein LNG-Gas bei russischen Unternehmen oder in Russland ein. Insofern wäre es ein leicht zu ersetzender Bestandteil des Gases. Im Prinzip sind wir unabhängig von russischem Gas.
Für den nächsten Winter ist die Situation insofern eine andere, als dass die Speicher ‑ so sieht es ja im Moment aus ‑ deutlich besser gefüllt sind als zu Beginn des vergangenen Jahres. Damals sind wir mit einem Speicherfüllstand von 20 Prozent gestartet. Jetzt sind wir bei knapp unter 70 Prozent. Nun ist es im März noch einmal kalt geworden ‑ ich denke, wir alle freuen uns auf den Frühling ‑, aber wir werden trotzdem gut in der 60er-Mitte abschließen. Dann sollte es über den Sommer auch möglich sein, die Speicher zu füllen, ohne solche „price peaks“ zu sehen, wie wir sie im vergangenen Jahr gesehen haben. Die Märkte spiegeln das ja schon. Die Spotmärkte sind ja in Anbetracht der Lage inzwischen ungefähr auf Vorkriegsniveau bei unter 50 Euro angekommen, und der Ausbau weiterer Infrastruktur ‑ drei FSRU-Terminals haben wir ja geschaffen: Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin; weitere kommen dazu ‑ sollte ebenfalls helfen, genug Importinfrastruktur in Deutschland zu haben, um dem nächsten Winter etwas weniger bang entgegensehen zu müssen, als wir es beim letzten Winter getan haben.
Frage: Ich muss noch einmal eine Frage zu den E-Fuels stellen, im Besonderen an Herrn Lindner. Das Verkehrsministerium, das ja von Ihrem Parteikollegen geführt wird, hat nach einem Dokument, über das wir heute Mittag berichtet haben, der EU-Einigung bereits zugestimmt. Dort wurde von allen beteiligten Häusern von konstruktiven Gesprächen gesprochen und davon, dass man dieser Weisung zustimmen könne. Ich frage mich jetzt: Warum hat dann die FDP diese Einigung noch einmal grundsätzlich zum Anlass genommen, das auf EU-Ebene infrage zu stellen? Offensichtlich geht es ja darum, dass die EU da einfach einen Fahrplan vorzulegen hat.
An den Kanzler und den Vizekanzler die beigestellte Frage: Wie bewerten Sie diesen Vorgang in Bezug auf die Handlungsfähigkeit dieser Regierung?
BK Scholz: Die Bundesregierung ist sich darin einig, dass wir davon ausgehen, dass die Europäische Kommission entsprechend dem, was in den Erwägungsgründen genannt ist, einen Vorschlag machen wird, der darauf gerichtet ist, wie E-Fuels nach 2035 eingesetzt werden können. Das haben wir übrigens vor knapp einem Jahr hier in Meseberg in enger Diskussion mit der Europäischen Kommission politisch wirksam gemacht. Jetzt geht darum, dass klar ist, dass das auch tatsächlich kommt. Es geht also um nichts Neues.
BM Lindner: Niemand kann das überraschen. Bereits im Sondierungspapier von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP aus dem Jahr 2021, noch vor Abschluss des Koalitionsvertrages, war klar, dass für die Freien Demokraten Technologiefreiheit ein hohes Gut ist. Das bedeutet: Es wird keine abschließende politische Entscheidung über die Antriebe in privaten PKW getroffen.
Vor diesem Hintergrund und in diesem Geiste haben wir uns in die europäische Entscheidungsbildung eingebracht. Gegenwärtig gibt es nach dem Entschluss des Europäischen Parlaments und der sich daran anknüpfenden Debatte keine Rechtssicherheit, dass tatsächlich auch nach 2035 Fahrzeuge mit Otto- oder Dieselmotor zugelassen werden können, wenn sie mit Ökosprit betankt werden. Diese rechtssichere, klare Verbindung der Entscheidung über die Flottengrenzwerte mit der Neuzulassungsmöglichkeit brauchen wir. Wenn sie hergestellt ist, dann geht das alles weiter seinen Gang.
Frage: Ich habe eine Frage an alle drei, auch wenn Sie, Herr Lindner, gesagt haben, über den Haushalt sei noch nichts entschieden. Kindergrundsicherung, ein ganz wichtiges Thema! Wie zuversichtlich sind Sie, dass man da zu Potte kommt, und wie ist da momentan der Stand der Dinge?
BM Lindner: Wir sind zu hundert Prozent zuversichtlich, dass wir da, wie Sie sagen, zu Potte kommen. Es gibt eine interministerielle Arbeitsgruppe, der verschiedene Häuser angehören. Wir erarbeiten dort ein Gesetzgebungskonzept, das im Jahr 2025 in Kraft treten soll. Insofern ist die Verbindung mit den gegenwärtigen Haushaltsberatungen fiskalpolitisch nicht zwingend. Ich drücke es einmal so aus.
Es gibt Einvernehmen darüber, dass wir den Familien die ihnen zustehenden Leistungen automatisiert digitalisiert zur Verfügung stellen. Diese Leistungen sind übrigens von der Koalition deutlich erhöht worden. Die Lebenssituation von Familien mit Kindern hat sich also bereits jetzt deutlich verbessert. Wir wollen, dass alle das erhalten, was ihnen zusteht. Allein die vollständige Automatisierung der Bewilligung von den Menschen zustehenden Unterstützungsleistungen wird im Jahr 2025 einen finanziellen Aufwand in Höhe von schätzungsweise zwei bis drei Milliarden Euro ausmachen können. Das ist sicher zu leisten.
Frage: Ich habe noch eine Frage zur Stimmung. Auf Twitter kursiert ein Video. Gab es eine Schneeballschlacht, und, wenn ja, wer war an dieser Schneeballschlacht beteiligt?
BK Scholz: Ich habe einen Schneeball geworfen, aber, wie es sich für einen Bundeskanzler gehört, auf niemanden.
Frage: Ich habe noch eine Frage an Herrn Lindner in Sachen des Verbrennungsmotors. Warum sind Sie eigentlich so hinterher, dass es eine Zukunft für E-Fuels geben soll, also für Verbrennungsmotoren, die mit synthetischer Energie betrieben werden, wenn doch Experten sagen: „Das macht eigentlich gar nicht so viel Sinn, weil der Aufwand viel zu hoch ist“ und auch die Industrie gar nicht einmal so mit den Hufen scharrt, dass sie diese Motoren unbedingt haben oder betreiben will? Was treibt Sie persönlich dabei an?
BM Lindner: Was die Einschätzungen der Industrie angeht, ist das einen vertieften Blick wert; es gibt unterschiedliche Stellungnahmen. Aber was uns jedenfalls treibt, ist das, was Robert Habeck eben zum Ausdruck gebracht hat. Er hat mit dem Blick 20 Jahre zurück zum Ausdruck gebracht, wo wir bei den erneuerbaren Energien damals standen und was sich innerhalb von zwei Jahrzehnten verändert hat. Solche Technologiesprünge und große Veränderungen auch etwa in der Wirtschaftlichkeitsfrage müssen offen bleiben. Deshalb darf kein Technologiepfad verschlossen werden.
BK Scholz: Übrigens, wenn ich das noch ergänzen darf, haben wir heute noch einmal darüber gesprochen, dass zu einem der Ziele, die wir bei der Transformation unserer Volkswirtschaft vorhaben, gehört, dass wir um 2030 15 Millionen batterieelektrische Fahrzeuge in Betrieb haben. Das ist eine gemeinsame Zielsetzung dieser Koalition.