"Die Wertschätzung für den Beruf ist gestiegen"

Interview mit "Pflegerin des Jahres"  "Die Wertschätzung für den Beruf ist gestiegen"

Auch wenn es manchmal stressig und anstrengend ist: Krankenschwester Sarah Hupperich liebt ihren Beruf  - "wegen der Vielseitigkeit und des Kontaktes zu den Patienten". Die 27-Jährige wurde jetzt als "Pflegerin des Jahres" ausgezeichnet. Ein Gespräch über Arbeiten in Schutzkleidung, dem Applaus der Öffentlichkeit – und einer besonderen Zeit in Afrika.

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Das Bild zeigt Sarah Huppericht, Pflegerin des Jahres 2020.

Sammelte auch in Sierra Leone wertvolle Erfahrungen: "Pflegerin des Jahres" Sarah Hupperich.

Foto: Kliniken Köln/Krebs

Sie arbeiten auf der Lungenintensivstation eines Kölner Krankenhauses. Wie sieht in Corona-Zeiten Ihr Arbeitsalltag aus, Frau Hupperich?
 
Sarah Hupperich: Seit dem 1. April bin ich auf der Lungenintensivstation. Aktuell hat sich die Corona-Lage etwas beruhigt. Der Anteil der Covid 19-Patienten ist zuletzt spürbar zurückgegangen. Zu Beginn der Pandemie sah das ziemlich anders aus: Da haben wir hier wegen Corona bis zum Anschlag gearbeitet. Zum Glück hatten wir aber reichlich Unterstützung, beispielsweise von PJlern (Medizinstudenten im praktischen Jahr) von der Universität Witten-Herdecke, von Krankenschwestern aus der Kinderkrankenpflege und außerdem von Beschäftigen aus der Zeitarbeit. Damit konnten wir die Arbeit gut auffangen. Von anderen Intensivstationen weiß ich, dass sie nicht so viel Glück hatten.

Kennzeichnend für die Arbeit mit Corona-Patienten ist unter anderem der größere Aufwand wegen der Isolationen. Es ist auch auf Dauer viel anstrengender, in der Isolationskleidung zu arbeiten.                 

Hatten Sie selbst Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19?

Hupperich: Natürlich macht man sich auch Sorgen um sich selber. Für meine Station kann ich aber sagen, dass wir immer wussten, wann Corona-Patienten kommen, und wir uns daher gut vorbereiten und schützen konnten. Als ich im April angefangen habe, hatten wir auch genug Schutzkleidung. Das mag vorher mitunter anders gewesen sein. Und auch in anderen Bereichen wird man sicher nicht immer über solche Schutzmaßnahmen verfügt haben, zum Beispiel für Pflegepersonal in Altenheimen. Da haben dann vielleicht Menschen die Infektion weitergegeben, die nicht wissen konnten, dass sie sich angesteckt haben.

Pflegekräfte wurden zuletzt als "Helden des Alltags" bezeichnet. Spüren Sie eine steigende Wertschätzung für Ihren Beruf?

Hupperich: Ich sehe das schon so, dass die Wertschätzung deutlich gewachsen ist! Der Gesellschaft ist deutlich geworden, welch wichtige Aufgabe wir Pflegekräfte wahrnehmen. Es gab sehr viel Applaus und tolle Unterstützung und Solidaritätsaktionen auf Social Media.

Ich habe aber etwas Angst davor, dass dies in einiger Zeit wieder abflacht. Schließlich bleiben wir ja auch in Zukunft nach Corona systemrelevant. Es ist sicher wichtig, den Pflegeberuf künftig generell noch attraktiver zu gestalten, damit er auch nachhaltig wertgeschätzt wird; beispielsweise durch eine angemessene Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen und eine Akademisierung des Pflegeberufs. Pflegekräfte werden ja dringend gesucht!

Die Kölnerin Sarah Hupperich wurde von der Kampagne "Herz und Mut"  als "Pflegerin des Jahres" 2020 ausgezeichnet - eine Würdigung auch ihres Engagements bei einem Projekt der Hilfsorganisation Cap Anamur im afrikanischen Sierra Leone. Dort arbeitete die 27-Jährige mehrere Monate in einem Kinderkrankenhaus in der Hauptstadt Freetown.     

Das Gebäude eines Kinderkrankenhauses in Sierra Leone.

In Sierra Leone arbeitete Sarah Hupperich in einem Kinderkrankenhaus.

Foto: privat

Für die Auszeichnung spielte auch Ihr Einsatz in Afrika eine Rolle. Was haben Sie dort erlebt?

Hupperich:  Ich wollte schon während meiner Ausbildung im Ausland für eine Hilfsorganisation arbeiten, um internationale Erfahrung zu sammeln. Das ging aber nicht, weil man mindestens zwei Jahre Berufserfahrung benötigt. Im August vergangenen Jahres konnte ich meinen Plan dann umsetzen. Über einen Oberarzt meiner Station hatte ich konkret von dem Cap Anamur-Projekt in Sierra Leone gehört. Mein Einsatz in einem Kinderkrankenhaus war schon sehr spannend, alleine weil ich aus dem Bereich der Erwachsenenpflege komme.  

Was das Arbeiten angeht, kann man die Situation vor Ort natürlich nicht mit Deutschland vergleichen. Die medizinische Versorgung ist dort sehr begrenzt. Konkret war ich für die Anleitung der lokalen Pflegekräfte vor Ort zuständig. Und wenn man dann selbst mitbekommt, dass es beispielsweise kein einziges richtiges Beatmungsgerät gibt, ist das wirklich sehr schlimm. Die Letalität in dem Kinderkrankenhaus und generell in Sierra Leone ist dementsprechend hoch. 

Inwieweit prägen Sie diese Erfahrungen in Afrika heute noch?

Hupperich: Mir ist noch bewusster geworden, welch privilegiertes Gesundheitssystem wir in Deutschland haben. Natürlich gab es in der Corona-Krise auch hier Engpässe beispielsweise bei der Lieferung von Schutzkleidung. Aber Afrika steht noch vor ganz anderen Problemen, gerade jetzt während der Corona-Pandemie. So konnte die Kinderklinik in Sierra Leone, in der ich war, eine Zeit lang überhaupt keine Kinder mehr aufnehmen, weil sich eine einzige Ärztin mit dem Virus infiziert hatte. Vom therapeutischen bis zum diagnostischen Spektrum arbeiten sie dort auf einem sehr niedrigen Level. Da können wir uns wirklich glücklich schätzen, dass wir in Deutschland leben.

Das Bild zeigt Sarah Hupperich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen sowie einem Patienten im Krankenhaus in Sierra Leone.

"Es ist besonders die Dankbarkeit der Patienten, wenn man helfen konnte, die einen berührt", erklärt Sarah Hupperich (unten 2.v.l.) auf die Frage, was sie antreibt.

Foto: privat

Was schätzen Sie am meisten an Ihrem Beruf?

Hupperich: Nach meinem Abitur habe ich zunächst eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin gemacht. Ich wollte aber auch wissen, wie es ist, im Pflegebereich im Krankenhaus zu arbeiten. Durch ein Praktikum konnte ich dann erste Eindrücke davon gewinnen, mit welcher Leidenschaft die Pflegekräfte dort Tag für Tag arbeiten. Das hat mich sehr fasziniert; und  deshalb habe ich mich dann selbst für den Pflegeberuf entschieden. Die größte Freude bereitet mir der Kontakt zu den Patienten. Außerdem ist der Beruf sehr vielseitig, man kann immer wieder in ganz neue Bereiche reinschnuppern.

Mit dem Pflegeberufegesetz sind die Pflegeausbildungen zum 1. Januar 2020 modernisiert worden. Die neue generalistische Pflegeausbildung eröffnet zusätzliche Qualifikations- und Karrierewege. Mehr unter pflegeausbildung.net

Der Pflegeberuf kostet auch viel Kraft. Woher nehmen Sie Ihre tägliche Motivation?

Hupperich: Es ist besonders die Dankbarkeit der Patienten, wenn man  helfen konnte, die einen berührt. Das prägendste Erlebnis habe ich in Sierra Leone erlebt. Da hatten wir viele Kinder mit sehr schwerem Krankheitsverlauf. Ein kleines Mädchen war besonders schlimm betroffen, ihr Leben stand auf der Kippe. Einige Zeit hatte ich sie dann aus den Augen verloren, weil ich anderweitig eingesetzt war. Ich war davon ausgegangen, dass sie wahrscheinlich nicht überlebt hat. Eines Tages kam sie aber auf dem Arm ihres Papas zu uns in die Kinderstation, freudestrahlend, es ging ihr gut. Da habe ich gedacht: Genau deshalb arbeite ich in diesem Beruf, wegen solcher Momente.    

Was ist Ihr Tipp für junge Leute, die sich für den Pflegeberuf interessieren?

Hupperich: Man sollte auf jeden Fall erst einmal ein Praktikum machen, bevor man sich entscheidet. Dann kann man besser einschätzen, ob der Beruf und der enge Patientenkontakt einem zusagen. Denn jeder ist dafür ja nicht gemacht. Generell sollte man also gerne Kontakt mit anderen Menschen haben. Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit und Flexibilität sind wichtig, man muss ja auch mit dem Schichtsystem klarkommen. Und besonders entscheidend ist die soziale Komponente, Empathie. Ohne die geht nichts.

Was tut die Bundesregierung für Pflegende und Pflegebedürftige? Eine Übersicht finden Sie hier .