Monika Grütters Rede zur Preisverleihung des Schülerwettbewerb im Rahmen der "Nationalen Initiative Printmedien"

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- Es gilt das gesprochene Wort. -

Anrede,

Herzlich willkommen hier im Bundeskanzleramt in Berlin zur Jahrestagung der Nationalen Initiative Printmedien! Guter Journalismus beginnt mit Fragen, da ist es nur konsequent, dass auch diese Tagung jedes Jahr mit einer Frage beginnt – und zwar mit einer Frage, die wir im Rahmen eines Schülerwettbewerbs zum Thema machen. Die besten Antworten – nämlich Eure Wettbewerbsbeiträge, liebe Schülerinnen und Schüler - stehen nicht zufällig ganz oben auf dem Programm dieser Jahrestagung.

Wir wollen in der Nationale Initiative Printmedien nämlich nicht nur über Euch, die Zeitungsleserinnen und Zeitungsleser von morgen, reden - über Eure Lesegewohnheiten, über Eure Interessen, über Euer Mediennutzungsverhalten. Wir wollen auch und vor allem mit Euch ins Gespräch kommen.

Deshalb haben wir Euch eingeladen, Euch im Rahmen unseres Wettbewerbs über Journalismus Gedanken zu machen. In diesem Jahr ging es um die Frage, was einen guten Journalisten, eine gute Journalistin ausmacht. Eure Antworten interessieren die Partner der Nationalen Initiative Printmedien, weil guter Journalismus natürlich nur dann eine Zukunft hat, wenn er Euch, die Leserinnen und Leser, erreicht. Und natürlich interessieren Eure Antworten auch mich, die ich als Staatsministerin für Kultur und Medien innerhalb der Bundesregierung mit verantwortlich bin, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür stimmen: dass wir also, um es bildlich auszudrücken, einen fruchtbaren Boden für Qualitätsjournalismus haben, so dass dieses anspruchsvolle Pflänzchen nicht eingeht, sondern wachsen, blühen und gedeihen kann.

Was macht guten Journalismus aus, haben wir Euch also gefragt, und wenn Ihr dazu – wovon ich ausgehe – im Internet recherchiert habt, werdet Ihr festgestellt haben, dass es darauf schon jede Menge Antworten gibt. Die Frage „Was macht einen guten Journalisten aus?“ bringt bei Google über 16 Millionen Ergebnisse in 0,42 Sekunden – was für sich genommen schon zeigt, wie wichtige Medienbildung und Medienkompetenz heute ist, um in der Flut der Informationen Wichtiges von Unwichtigem, Wahres von Unwahrem unterscheiden zu können.

Der Klick auf das Suchergebnis ganz oben liefert den zutreffenden Satz: „Die erste Eigenschaft, die man als Journalist unbedingt braucht, ist die Neugier.“ (Hervé Deguine, Reporter ohne Grenzen) Weit oben in der Liste der Suchergebnisse landet auch der zumindest uns Älteren hier im Raum bekannte Fernsehjournalist Hanns Joachim Friedrichs mit seinem Satz: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.“

Das ist zweifellos ein wichtiger Punkt, denn Unvoreingenommenheit ist die Voraussetzung für Glaubwürdigkeit, ohne die es nicht geht im Journalismus. Natürlich gibt es auch jede Menge Blogs zum Thema, die sich beispielsweise der Frage widmen, wie das Internet Alltag und Arbeitsweise im Journalismus verändert. Tipps für gute Journalisten lesen sich hier so: „Sei ein Vermarkter! Sei ein Programmierer! Sei ein Multimedia-Storyteller! Sei ein Experimentator! Sei ein Community-Manager! Sei ein Blogger und Kurator!“ Auch hier beruft man sich zum Schluss dann aber doch auf alte journalistische Kardinaltugenden aus dem analogen Zeitalter: Ich zitiere, „eine gute Schreibe, eine gewisse Ethik und Moral, investigative Recherchen und die Verifizierung von Informationen bleiben ein hohes Gut.“

Soweit die Google-Schnellrecherche zum Thema. Sie zeigt: Mit ein paar Klicks bekommt man zwar schlaglichtartig wichtige Informationen zu einem Thema – aber mehr auch nicht. Hier nun kommen Eure Wettbewerbsbeiträge ins Spiel, liebe Schülerinnen und Schüler. Ihr habt Euch nicht nur mit der Frage beschäftigt, was guten Journalismus von schlechtem unterscheidet und warum wir gute Journalistinnen und Journalisten brauchen. Ihr habt mit Euren Beiträgen auch gleich selbst Anschauungsmaterial geliefert, wie man zu einem Thema, zu dem längst alles gesagt und geschrieben scheint, auf eine Weise Stellung beziehen kann, die interessant und spannend ist – auch das macht guten Journalismus aus. Ich darf der Preisverleihung nicht vorgreifen und keine Details verraten, aber so viel darf ich sagen: Alle Beiträge, die wir heute auszeichnen, überzeugen nicht nur, weil sie gut gemacht sind, sondern haben darüber hinaus zwei Dinge gemeinsam.

Sie sind zum einen originell, sei es in der gewählten Perspektive – wie die Einsendung der Staatlichen Regelschule Höchstadt, die das Gedankenexperiment "Was wäre unsere Gesellschaft ohne Journalisten" gewagt hat -, sei es in der Darstellungsform – wie die Einsendung der Albert-Schweitzer-Schule Alsfeld, die die Fallstricke einer journalistischen Laufbahn in einem Spiel erlebbar machen. Zum anderen hinterfragen sie Aspekte, die wir meist ganz selbstverständlich hinnehmen – so wie der Beitrag des Gymnasiums Tegernsee, das sich mit der Frage nach den Grenzen der Pressefreiheit befasst hat, oder der Beitrag des Konrad-Adenauer-Gymnasiums, das aktuelle Ereignisse und Themen zum Ausgangspunkt des Nachdenkens über guten und schlechten Journalismus nimmt.

Damit schaffen unsere vier Preisträger es, Neugierde zu wecken und zum Nachdenken anzuregen. Ich bin sicher, liebe Schülerinnen und Schüler, dass die Arbeit an Euren Wettbewerbsbeiträgen auch für Euch selbst ein Gewinn war. Warum guter Journalismus wichtig ist für mündige Bürgerinnen und Bürger und für unsere demokratische Gesellschaft, habt Ihr in Euren Projekten aus unterschiedlichen Perspektiven nachvollzogen.

Nicht zuletzt ist Euch vielleicht auch klar geworden, warum es sich lohnt, Zeitungen und Zeitschriften zu lesen, obwohl es Nachrichten und Informationen auch jederzeit und überall kostenlos im Netz gibt. Ich könnte Euch dafür eine ganze Reihe von Argumenten aufzählen, die Ihr sicher auch mit Euren Lehrerinnen und Lehrern diskutiert habt: dass guter Journalismus viel mehr bietet als "Breaking News", dass guter Journalismus in der Flut der Informationen den Weg weisen kann, dass guter Journalismus die reine Sachinformation in Zusammenhänge einordnet, auf individuelle Geschichten eingeht und damit die Grautöne zwischen Schwarz und Weiß sichtbar macht, dass guter Journalismus eben damit zu einer informierten, aufgeklärten und auch kritischen Öffentlichkeit beiträgt, die für eine funktionierende Demokratie unverzichtbar ist. Recherchen, Analysen, Hintergrundberichte, fundierte Kommentare – das sind Stärken, mit denen Qualitätsjournalismus punkten kann, die aber natürlich nicht gratis zu haben sind. All das wird Euch bewusst geworden sein, liebe Schülerinnen und Schüler.

Aber Hand aufs Herz: Die Vernünftigkeit und Sinnhaftigkeit einer Sache zu erkennen, ist das eine – motiviert sein, etwas zu tun, ist etwas ganz anderes. Das ist mit dem Zeitunglesen nicht anders als mit gesundem Essen. Jeder weiß, dass Fastfood auf Dauer nicht gut tut, und trotzdem erfreuen sich Burger und Pommes anhaltender Beliebtheit – genau wie "Informations-Fast Food" im Internet. Die motivierende Kraft guter Gründe ist eben fast überall im Leben begrenzt. Wenn man etwas zum festen Bestandteil seines Lebens macht, dann doch meist deshalb, weil man Freude daran hat, weil man sich dafür begeistert. Deshalb will ich Euch sagen, warum ich persönlich schon immer und immer noch eine leidenschaftliche Zeitungsleserin war und bin.

Das hat etwas damit zu tun, dass man im Internet als "User" unterwegs ist, wenn man eine Zeitung aufschlägt, dagegen als "Leser". Was meine ich damit? Wenn ich im Internet surfe, dann suche ich etwas ganz Bestimmtes – Informationen zu einem Thema, so wie bei der Google-Suche zur Frage, was guten Journalismus ausmacht. Ich lege das Thema fest, und ein Algorithmus von Google bestimmt, welche der Millionen von Suchergebnissen auf den ersten Seiten landen, die ich zur Kenntnis nehme. Ganz anders beim Zeitung lesen: Wenn ich eine Zeitung aufschlage, bin ich wie eine Spaziergängerin, die sich auf einen noch unbekannten Weg macht.

Ich informiere mich – klar, das auch. Aber fast jeden Tag mache ich auch Zufallsfunde: Ich entdecke vieles, was ich bisher nicht kannte oder wusste. Zeitunglesen weitet den Horizont, anders als ein paar schnelle Klicks im Internet. Es gibt ein wunderbares Buch des britischen Autors Alan Bennett mit dem Titel "Die souveräne Leserin", darin findet sich eine pointierte Formulierung der Hauptfigur, die das Lesen für sich entdeckt. Auch wenn es dabei um Literatur geht, passt das wunderbar hierher. Ich zitiere: „Informieren ist nicht gleich Lesen. Es ist im Grunde sogar der Gegenpol des Lesens. Information ist kurz, bündig und sachlich. Lesen ist ungeordnet, diskursiv und eine ständige Einladung. Information schließt ein Thema ab, Lesen eröffnet es.“ Genau deshalb, liebe Schülerinnen und Schüler, verdanke ich einen Großteil meiner Bildung dem Zeitunglesen: Weil ich dabei fast jeden Tag etwas finde, was über meinen Horizont hinaus weist.

Diese Freude am Entdecken, am Aufbruch zu neuen Horizonten, wollen wir mit der Nationalen Initiative Printmedien bei Euch wecken. Wenn es uns gelungen ist, Euch nicht nur zu vermitteln, warum Ihr Zeitung lesen solltet, sondern Euch auch zu motivieren, es tatsächlich mit Neugier und Freude zu tun, dann ist das genau der Erfolg, den ich persönlich mir für diese wichtige Initiative wünsche.

Ich bin den Partnern der Initiative für ihr Engagement sehr dankbar. Wir alle sind darauf angewiesen, dass es auch in Zukunft Leserinnen und Leser gibt, die Qualitätsjournalismus schätzen und bereit sind, dafür Geld auszugeben: Das betrifft nicht nur die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, die Journalistinnen und Journalisten, deren wirtschaftliches Überleben davon abhängt. Es betrifft uns alle, weil eine informierte Öffentlichkeit die Voraussetzung für Verständigung und damit für eine funktionierende Demokratie ist.

Deshalb verdienen auch die Lehrerinnen und Lehrern ein Dankeschön, die sich mit ihren Klassen an der Initiative beteiligen und sich trotz der Fülle an Stoff in den anspruchsvollen Lehrplänen die Zeit dafür nehmen – vielen Dank für Ihre Unterstützung, liebe hier anwesende Lehrerinnen und Lehrer, stellvertretend für alle anderen, die 2014 mitgemacht haben.

Ganz besonders herzlich danke ich - last but not least - auch dem Axel-Springer-Verlag für den Workshop, den einige von Euch, liebe Schülerinnen und Schüler, in der Redaktion der Bild am Sonntag erleben durften. Das Schülerzeitungsprojekt ist seit Jahren fester Bestandteil des Wettbewerbs, um Preisträgerinnen und Preisträgern einen Einblick in den journalistischen Alltag und in das Handwerk professioneller Journalisten zu ermöglichen. Vielen Dank, lieber Herr Eichinger, Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen dafür, dass Sie sich die Zeit genommen haben für die Redaktionsarbeit mit den Jugendlichen, und dass Sie darüber hinaus auch noch eineinhalb Zeitungsseiten für einen spannenden Artikel über das Leben in Patchworkfamilien frei geräumt haben!

Wir werden über das Projekt gleich noch mehr erfahren - genauso wie über die Wettbewerbsbeiträge, die es aufs Siegertreppchen des diesjährigen Schülerwettbewerbs geschafft haben. Ich bin sehr gespannt darauf!
Bühne frei für Eure Arbeiten, liebe Schülerinnen und Schüler!