Merkel: Helmut Schmidt war eine politische Institution

Bundeskanzlerin Angela Merkel trägt sich im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck und Außenminister Frank-Walter Steinmeier in das Kondolenzbuch für den verstorbenen Helmut Schmidt ein.

Angela Merkel kondoliert zum Tod von Altbundeskanzler Schmidt.

Foto: Bundesregierung/Kugler

Wie viele andere Menschen in Deutschland sei sie sehr traurig über den Tod von Helmut Schmidt, sagte Kanzlerin Angela Merkel am Dienstagabend im Bundeskanzleramt. Ihr tiefes Mitgefühl gelte seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter.

"Den Deutschen über Hamburg hinaus wurde Helmut Schmidt 1962 ein Begriff in den Stunden der höchsten Not seiner geliebten Heimatstadt. Während der Sturmflut handelte er als Innensenator entschlossen und mit Gabe zur Improvisation", so Merkel.

Sie erinnere sich noch ganz genau, wie sie und ihre Eltern die Katastrophe damals in der DDR vor dem Radio verfolgt hätten, weil "wir uns unglaubliche Sorgen um unsere Großmutter und Tante in Hamburg machten". Merkel sagte, dass sie damals gerade Helmut Schmidt vertraut hätten, dass er die Lage in den Griff bekommen werde. "Das ist meine erste starke, meine ganz persönliche Erinnerung an Helmut Schmidt."

Bürgerinnen und Bürger können sich ab sofort im Bundeskanzleramt in ein Kondolenzbuch für den verstorbenen Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt eintragen. Das Kondolenzbuch liegt für die Dauer von einer Woche bis einschließlich Mittwoch, 18. November 2015 aus. Zugang besteht werktags von 9 bis 18 Uhr über die Wache Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Str. 1.

"Hanseatisch schnörkellose Sprache und natürliche Autorität"

Von da an hätten die Deutschen den Politiker mit seiner "hanseatisch schnörkellosen Sprache und seiner natürlichen Autorität" geschätzt. "Heute können wir sagen, aus der Wertschätzung, aus dem Respekt ist in den Jahrzehnten eine tiefe Zuneigung zu unserem Altkanzler geworden", erklärte Merkel.

"Uns imponierten seine persönliche Bescheidenheit genauso wie sein Pflichtbewusstsein. Helmut Schmidt war eine politische Institution der Bundesrepublik, er war für mich eine Instanz, einer, dessen Rat und Urteil mir etwas bedeuteten", so die Bundeskanzlerin.

Zuletzt vor einem guten Jahr habe sie ihn in seinem Wohnhaus in Hamburg besuchen dürfen. "Das werde ich nicht vergessen", sagte Angela Merkel.

Am 23. November findet in Hamburg ein Staatsakt zu Ehren von Helmut Schmidt statt.

Merkel: Seine Anstöße wirken bis heute fort

Bundeskanzlerin Angela Merkel trägt sich in das Kondolenzbuch für den verstorbenen Helmut Schmidt ein.

Mit Helmut Schmidt geht ein "großer Staatsmann", so die Kanzlerin.

Foto: Bundesregierung/Kugler

"Dem Bundeskanzler Helmut Schmidt verdanken wir viel. Seine Standfestigkeit hat uns geholfen, die schweren Prüfungen des internationalen und deutschen Terrorismus der 70er Jahre zu bestehen." Wichtige Anstöße, die Helmut Schmidt der internationalen Politik damals gegeben habe, wirkten bis heute fort.

Merkel erwähnte Schmidts Einsatz in der Debatte um den Nato-Doppelbeschluss, seinen Einsatz für das europäische Währungssystem und seinen Einsatz für eine vertiefte europäische Integration überhaupt. "Eine Forderung, die ihre Gültigkeit nicht verloren hat", so Merkel. Zugleich sei Schmidt einer der Väter der Gipfeldiplomatie. Genau vor 40 Jahren habe der erste Weltwirtschaftsgipfel stattgefunden, zu dem Schmidt und der damalige französische Präsident Giscard d`Estaing eingeladen hatten.

"Ich stehe heute hier in tiefem Respekt vor der Leistung Helmut Schmidts, der Leistung im Laufe seines langen Lebens als Hamburger Politiker, als Minister verschiedener Bundesregierungen, als Bundeskanzler und schließlich als unabhängiger Geist und Publizist", sagte Merkel. Die Kanzlerin schloss mit den Worten: "Er hat sich um unser Land verdient gemacht. Wir werden das nie vergessen."

Video Bundeskanzlerin Merkel zum Tod von Altkanzler Schmidt

"Großer Patriot, großer Europäer"

Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel hat den verstorbenen Altkanzler als großen Staatsmann gewürdigt. "Ein wirklich großer Patriot, ein großer Europäer und ein großer Sozialdemokrat ist gestorben", sagte Gabriel.

Schmidts Herzensthema sei der Zusammenhalt Europas gewesen: "Ich glaube, dass sein Vermächtnis Europa ist." Schmidt habe gemahnt, dass es nichts Wichtigeres als die Freundschaft zu Frankreich gebe. Und: "Dass Deutschland seine Führungsrolle nicht überfordern darf, und dass wir eine Verantwortung haben, Europa zusammenzuhalten", sagte Gabriel.

Die Sozialdemokratie trauere um einen Menschen, der weit über die Partei hinaus als jemand im Gedächtnis bleibe, der mit Zuversicht, Realismus und Tatkraft "unser Land gestaltet hat", so der Wirtschaftsminister. Helmut Schmidt werde für die Deutschen über Generationen hinweg "als einer der bedeutendsten Staatsmänner unseres Landes in Erinnerung bleiben".

"Ein Mentor der Deutschen"

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich vom Tod des Altkanzlers tief bewegt. "Wir Deutschen haben eine Vaterfigur verloren", sagte der Außenminister. "Helmut Schmidt hat uns und unser Land tief geprägt. Generationen – auch ich – haben seine Klugheit und Autorität gesucht und geschätzt – bis an sein Lebensende in einem gesegneten Alter."

"Helmut Schmidt war nicht nur Kanzler der Deutschen – er war Mentor der Deutschen", so Steinmeier weiter. Schmidt sei "ein Kanzler des Fortschritts und ein Vordenker der Globalisierung. Als Hanseat war ihm Inseldenken zutiefst zuwider." Er habe Deutschland immer in Europa und Europa immer auf der Weltbühne gesehen. "Wir trauern um einen deutschen Demokraten, einen europäischen Wegbereiter und einen globalen Geist."