Mehr Geld für saubere Luft in Städten

Spitzentreffen im Kanzleramt Mehr Geld für saubere Luft in Städten

Der Bund unterstützt die Kommunen bei der Umsetzung von Verkehrskonzepten und der Umrüstung des öffentlichen Nahverkehrs mit weiteren 500 Millionen Euro. Eine Koordinierungsstelle von Bund, Ländern und Kommunen soll die Gelder verteilen. Das ist das Ergebnis eines Treffens zur Luftreinhaltung im Kanzleramt.

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Merkel beim Treffen im Kanzleramt

Die Kanzlerin hatte zu dem Treffen mit Vertretern von Kommunen und Bundesländern eingeladen.

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Video Pressekonferenz der Kanzlerin mit Vertretern von Kommunen und Ländern

"Wir sind alle der Meinung, dass wir pauschale Fahrverbote für einzelne Antriebsarten oder Kfz-Typen ablehnen und deshalb alles denkbar Mögliche unternehmen wollen, um solchen Fahrverboten vorzubeugen." So fasste Bundeskanzlerin Angela Merkel den breiten Konsens des Treffens mit Vertretern der Kommunen und den Ministerpräsidenten der Länder nach den Gesprächen im Kanzleramt zusammen.

Die Runde hatte erörtert, wie sich die Grenzwerte bei der Luftqualität möglichst schnell einhalten lassen. "Die Zeit drängt, und wir sind uns alle einig, dass es ein großer Kraftakt ist, denn wir haben auf der einen Seite eine sehr individuelle Situation in den einzelnen Kommunen, aber auf der anderen Seite auch systemische Effekte, die von dem hohen Anteil des NOX - Ausstoßes (Stickstoffdioxid) der Pkws in den Städten ausgeht."

Zu dem Treffen im Kanzleramt hatte Merkel die Oberbürgermeister und Oberbürgermeisterinnen von rund 30 Städten eingeladen, deren Luftqualität besonders von Stickstoffbelastungen beeinträchtigt ist. Auch Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sowie die Regierungschefs von Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen nahmen teil. Der Bund war neben Bundeskanzlerin Merkel durch Vizekanzler Gabriel und die betroffenen Fachminister vertreten - Verkehrsminister Dobrindt, Umweltministerin Hendricks, Wirtschaftsministerin Zypries und Finanzminister Schäuble.

Kommunale Maßnahmen werden durch den Bund unterstützt

Die Bundesregierung arbeitet in zwei Strängen an der Problemlösung zur Reduzierung des hohen Stickoxidanteils in der Außenluft: Zum einen mit den Autoherstellern an den Maßnahmen, die beim ersten Nationalen Forum Diesel vereinbart wurden wie Software-Update und Umtauschprämien für ältere Dieselfahrzeuge. Zum anderen mit den Kommunen: Hier geht es darum, welche Maßnahmen die Kommunen selbst ergreifen können. Bei dem Treffen im Kanzleramt wurde zudem besprochen, wie der Bund die Kommunen unterstützen kann, und wie Bund, Länder und Kommunen dabei zusammenarbeiten können.

"Der Bund hat sich zum heutigen Gipfel bereit erklärt, den Fonds von 500 Millionen, der zur Hälfte von der Automobilindustrie gefüttert wird, auf eine Milliarde aufzustocken. Das heißt: Der Bund ergänzt um 500 Millionen Euro durch Priorisierung seiner Ausgaben im laufenden Haushalt", sagte die Bundeskanzlerin. Diese Mittel stünden ab sofort zur Verfügung.

Zudem werde sofort eine Koordinierungsstelle aus Vertretern des Bundes, der Länder und der Kommunen eingerichtet, die über förderfähige Projekte der einzelnen Kommunen beraten können. Die Mittel stehen prinzipiell jeder der mehr als 80 Kommunen zur Verfügung, bei denen der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten wird.

Individuelle Lösungen finden

Die individuellen Möglichkeiten der Städte und Kommunen, die Luftwerte mit Hilfe dieser Fördermittel in ihrer Region zu verbessern sind breit: In Frage kommen der Öffentliche Nahverkehr, die Umstellung auf Elektromobilität und Verbesserung der Ladestruktur, Verkehrsführung und Verkehrsleitung in den Innenstädten, effiziente Logistik oder Parkplätze, wie auch umfassender Ausbau des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs.

Vizekanzler Sigmar Gabriel betonte, "dass die Lasten der Probleme, die wir in den letzten Monaten zu sehen bekommen haben, nicht an den Kommunen und Verbrauchern und auch nicht bei den Beschäftigen hängen bleiben". Er strich heraus, dass heute die Diesel- wie auch die Ottomotoren erheblich weniger Abgase produzierten als noch vor einigen Jahren. Eine Umstellung auf Elektromobilität sei nicht so schnell zu machen, daher brauche man auch zukünftig die Verbrennungsmotoren als Brückentechnologie.

Bund, Länder und Kommunen beraten gemeinsam

Merkel kündigte ein weiteres Treffen mit den Kommunen für Ende Oktober oder Anfang November an. Diese erneute Zusammenkunft müsse sehr sorgfältig vorbereitet werden, um spezifische Reduktionsmöglichkeiten bei der Stickoxidbelastung auszuloten, sagte sie.

Die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, Laschet und Kretschmann, Berlins Regierender Bürgermeister Müller und der Oberbürgermeister von München Reiter, wiesen darauf hin, dass das Treffen sowie der Austausch über die Probleme von großer Sachlichkeit getragen waren. Die Kommunen würden nun ihre Luftreinhaltepläne weiter konkretisieren. Gleichzeitig sei jedoch die Situation beispielsweise im Öffentlichen Nahverkehr bei der Ausstattung mit Bussen völlig unterschiedlich. Die zusätzlichen Mittel, die die Bundesregierung zur Verfügung stelle, würden helfen, die Situation in den Städten und Kommunen zu verbessern.

Die Vertreter der Länder und Kommunen forderten, dass sich auch die ausländischen Autohersteller, die 35 Prozent des deutschen Marktes abdecken, an dem Mobilitätsfonds sowie an der Nachrüstung beim Software-Update beteiligen.

Stickstoffdioxid ist ein gesundheitsschädliches Gas, das vor allem bei Verbrennungsprozessen entsteht. In Deutschland und Europa gilt ein strenger Grenzwert für Stickstoffoxid in der Außenluft: 40 Mikrogramm pro Kubikmeter als Jahresmittelwert. Der Kurzzeitwert für die Außenluft, der im Jahr 18-mal überschritten werden darf, liegt bei 200 Mikrogramm pro Kubikmeter je Stunde. Diese Grenzwerte hat die Europäische Union für ganz Europa festgelegt. Sie basieren auf Werten der Luftqualitäts-Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation.
In 28 Regionen in Deutschland ist die Belastung mit gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxiden dauerhaft höher als erlaubt. Deshalb hat die Europäische Union gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Zudem liegen bei 16 Gerichten Einzelklagen wegen fortlaufender Überschreitung der Grenzwerte in verschiedenen Städten vor. Damit drohen in diesen Städten Fahrverbote.