Lebensgrundlagen für morgen

Julius-Kühn-Institut (JKI) Lebensgrundlagen für morgen

Nur durch die Züchtung immer leistungsfähigerer Pflanzen, die mit Klimaveränderungen zurechtkommen, lässt sich die Ernährung der Weltbevölkerung sichern. Wissenschaftler des Julius-Kühn-Instituts forschen mit neuesten analytischen Methoden, um Getreide und andere Kulturpflanzen fit für die Zukunft zu machen.

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Leistungsprüfung Halbzwerge in Hybridroggen (li: Halbzwerge mit Kurzstrohgen Ddw1, Mitte: Triticalesorte 'Tulus' zum Vergleich, re: normalstrohige Sorte)

Roggenpflanzen können ganz unterschiedlich lange Halme ausbilden

Foto: Bernd Hackauf/JKI

Roggen ist leicht anzubauen. Er kommt dank seiner weit verzweigten Wurzeln selbst mit sandigen Böden gut zurecht und ermöglicht so, Brotgetreide auf Flächen anzubauen, die für den Anbau von Weizen nicht geeignet sind. Damit kann Roggen einen Beitrag zur Ernährung der wachsenden Erdbevölkerung zu leisten. Da sandige Böden nur in geringem Maße Wasser speichern können, kommt jedoch selbst Roggen durch die vermehrt auftretenden "Trockenstressperioden" infolge des Klimawandels an seine Grenzen.

Halbzwerge züchten

Zuechtungsforschung Roggen_Freiland.JPG

Züchtungsforschung

Foto: Bernd Hackauf/JKI

Roggen benötigt derzeit noch viel Wasser, Nährstoffe und Sonne, um seine recht langen Halme auszubilden. Das geht natürlich zu Lasten der Frucht. Landwirte verwenden daher häufig Wachstumshemmer - also chemische Substanzen - um das Wachstum einzuschränken und so den Ertrag zu erhöhen. Kürzere Halme sind auch von Vorteil für die Standfestigkeit etwa bei Sturm oder starkem Regen.

Es gibt allerdings Roggenpflanzen, die von Natur aus einen erheblich kürzeren Halm ausbilden. Im Erbgut dieser Pflanze befindet sich natürlicherweise ein sogenanntes Kurzstroh-Gen. Die Pflanzen werden als Halbzwerge bezeichnet. Die Forschung, die das Julius-Kühn-Institut zusammen mit mittelständischen Saatgutunternehmen seit einigen Jahren durchführt, besteht nun darin, diese Pflanzen mit neuartigen Methoden anhand ihres genetischen Fingerabdrucks zu identifizieren. Gewünschte Kreuzungspartner können nun schon als junge Keimpflanze systematisch ausgewählt werden, sodass sich die Züchtung neuer Roggensorten enorm beschleunigt.

Standfestigkeit von Hybridroggen mithilfe Kurzstrohgen Ddw1 (li), Mitte: Triticalesorte 'Tulus',re: normalstrohige Sorte

Halbzwerge sind standfester

Foto: Bernd Hackauf/JKI

Tatsächlich ist es so gelungen, eine Roggensorte zu züchten, deren Halmlänge im Vergleich zu herkömmlichem Roggen um durchschnittlich 36 cm kürzer ist. Gleichzeitig ist der Ertrag um bis zu 16 Prozent höher.

Vielfalt erhalten

Das Projekt ist ein Beispiel für Forschungsarbeiten am Julius-Kühn-Institut (JKI), dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Deutschland. "Wir bemühen uns, gerade mit der Forschung die Vielfalt im Bereich der Kulturpflanzen - von Gemüse, Obst, Wein und Arznei-, Heil- und Gewürzpflanzen angefangen, bis hin zu den großen landwirtschaftlichen Kulturen - nicht nur zu erhalten, sondern sie auszubauen und sie an die klimatischen Bedingungen, die auf uns zukommen, anzupassen", sagt Dr. Georg F. Backhaus, Professor und Präsident des JKI

JKI Interview Prof. Dr. Georg Backhaus, Präsident des Julius-Kühn-Instituts

Hauptaufgabe des JKI ist es, die Vielfalt der Nutzpflanzen zu erhalten, zu schützen und fortzuentwickeln. Dabei unterstützt es die nachhaltige Erzeugung und Nutzung unserer Kulturpflanzen als Nahrungsgrundlage, als nachwachsende Rohstoffe und als wesentliche Bestandteile unserer Lebensumwelt.

Modernste Satellitendaten

Bild des Satelliten

Satellit Sentinel 2

Foto: ESA/ATG medialab

Dabei nutzt das Institut in einem anderen Projekt sogar modernste Satellitendaten. Die "Sentinel-Satelliten" des europäischen Copernicus-Projekts, von denen bereits einige die Erde umkreisen, ermöglichen eine extrem genaue Erdbeobachtung. So kann der für die Beobachtung der Landflächen wichtige Sentinel-2-Satellit aus 700 Kilometern Entfernung mit einer räumlichen Genauigkeit von bis zu zehn mal zehn Metern feststellen, ob ein Teil einer landwirtschaftlichen Anbaufläche unter Trockenstress leidet und dringend bewässert werden muss. Tatsächlich liefern die Erdbeobachtungssatelliten Informationen über den Pflanzenbestand in der Fläche in einer bisher ungeahnten Präzision. Daten, die man früher nur durch Laboranalysen punktuell erheben konnte, können heute aus der Luft und sogar dem Weltraum ermittelt werden. Das von den Pflanzen reflektierte Licht ermöglicht unter anderem Aussagen zur Art der Pflanze, zu ihrem Feuchtigkeitszustand, ihrem Reifegrad und einem eventuellen Krankheitsbefall.

Gezielte Düngung und Bewässerung

Aus den Daten lassen sich die Erträge des Feldes mit großer Genauigkeit feststellen und Empfehlungen für Düngung, Bewässerung oder den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln geben. Durch die räumliche Genauigkeit der Daten kann nicht nur empfohlen werden, dass gedüngt oder Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden müssen, sondern sogar, wo auf dem Feld dies dringend notwendig ist und wo dies nicht oder kaum erforderlich ist. So können Dünger und Pflanzenschutzmittel eingespart werden, was unsere Umwelt entlasten würde.

Satellitenbild Sentinel mit Ultrarotfilter

Jedes Feld ist einzeln zu erkennen

Foto: ESA/ATG medialab

Obwohl alle Daten der Copernicus Sentinel-Mission kostenfrei verfügbar sind, kann der Landwirt derzeit damit noch nicht viel anfangen. Denn die riesigen Mengen an Rohdaten müssen zunächst durch Fachleute aufbereitet und interpretiert werden. Eine weitere Herausforderung stellt das enorme Datenvolumen dar. Allein an einem Tag fallen mehrere Terrabyte Daten an. Deshalb arbeiten die Forscher des JKI und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie die Firmen EOMAP GmbH und Hanse AGRO an einem System, mit dem die Daten aufbereitet und ausgewertet werden können. Der Nutzer soll sie dann beispielsweise in Form farbiger Karten über Internet oder Smartphone zur Verfügung gestellt bekommen. So kann bald auch der Bauer Informationen aus dem All für seine tägliche Arbeit nutzen.

Das Julius-Kühn-Institut (JKI) ist das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Deutschland und eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Es umfasst 17 Institute an mehreren Standorten mit dem Hauptsitz in Quedlinburg. Das JKI forscht in Fragen der Pflanzengenetik und der Züchtung, des Anbaus, der Ernährung sowie des Schutzes und der Gesundheit der Kulturpflanzen und berät die Bundesregierung. Damit trägt es zur Leistungsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft und zur Sicherung der Welternährung bei.