KI kann eine Stylistin sein

Gründerförderung KI kann eine Stylistin sein

Drei Studenten aus Potsdam und Berlin haben eine selbstlernende Stylingassistentin entwickelt, die mit ihren Nutzerinnen chattet und sie in Modefragen berät - mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. Inspora kommt vor allem in den USA an und soll jetzt auch auf Deutsch durchstarten. Gefördert wurde die Gründung vom Bundeswirtschaftsministerium.

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Startup-Gründer Ibbeken, Pavelenko, Birnstiel (von links)

Start-up-Gründer Ibbeken, Pavlenko, Birnstiel (v. l.): Modeberatung für die Generation Z.

Foto: Bundesregierung/Homann

Passt das T-Shirt zur Jeans? Und wie findest Du die roten Sneaker? Es sind schon ein paar Chat-Nachrichten hin- und hergegangen, als auf dem Handy der nächste Text aufploppt: "Bevor es weitergeht, muss ich Dir noch was sagen..." - "Ja, was denn?" - "Ich bin kein echter Mensch."

Inspora ist also eine Maschine. Und trotzdem ist sie ein sympathischer Fashion Nerd und eine persönliche Assistentin - dank Künstlicher Intelligenz (KI). Entwickelt haben drei Studenten aus Potsdam und Berlin die virtuelle Modeberaterin. Sie lernt, was ihre Nutzerinnen im Kleiderschrank haben und was ihnen gefällt. Bei der Beratung greift Inspora auch auf die Outfits bekannter Mode-Influencer zurück. "Sie fragt zum Beispiel: Wo hältst Du Dich am häufigsten auf – damit sie weiß, wie das Wetter dort ist und die Outfits immer dazu passen", sagt Mitgründer Willi Ibbeken.

Zielgruppe ist die Generation Z

Ortstermin in Berlin-Charlottenburg. Das Start-up der drei Gründer befindet sich in einem Hinterhaus. Eine Erdgeschosswohnung voller Rechner, Bildschirme, Sitzsäcke und Aufsteller vom letzten Messeauftritt. Der Eingang: direkt neben einer Autowerkstatt. Ein gutes Zeichen? Immerhin fingen schon viele große IT-Karrieren in Garagen an. Einen Nerv scheinen die Gründer mit Inspora auf jeden Fall getroffen zu haben: 50.000 Nutzer lassen sich nach ihren Angaben schon pro Monat beraten und tauschen rund vier Millionen Nachrichten mit Inspora aus. Sie kommen im Moment hauptsächlich aus den USA, denn Inspora ist Mitte 2018 auf Englisch gestartet. Seit Anfang des Jahres ist auch eine erste deutsche Version verfügbar.

Inspora ist auf Mode für Frauen spezialisiert und hat eine sehr junge Zielgruppe – zwischen 16 und 21 Jahre alt sind die meisten Nutzerinnen. "Sie wollen niemanden anrufen, haben vielleicht auch nicht das Geld für einen persönlichen Stylisten", sagt Ibbeken. "Aber sie interessieren sich für Mode und sie chatten sehr gerne."

Chat mit einem Algorithmus

Es ist eine Künstliche Intelligenz, die die Modefragen der jungen Frauen beantwortet. Und das beginnt bei der Texterkennung, sagt Informatiker Daniel Birnstiel. "Es geht darum, aus dem Kontext der Chatnachrichten zu erkennen, was die Nutzerinnen von Inspora erwarten." Aus der Frage "Was soll ich morgen anziehen?" wird so eine Rechenoperation . Und wenn Inspora zum Beispiel schon weiß, dass die Nutzerin die Farbe Gelb oder Kleider besonders liebt, entsteht am Ende genau der richtige Modetipp für die Arbeit, die Uni, das Date oder den Abiball.

Die zweite Komponente von Inspora ist das sogenannte Dialogsystem. Die Konversation soll sich echt anfühlen, abwechslungsreich sein. Schließlich kann Inspora vorhandene Kleidungsstücke der Nutzerinnen und ihren Geschmack mit dem zusammenbringen, was modisch gerade bei Influencern und Bloggern angesagt ist. Nutzerinnen und Influencer "matchen", wie die Inspora-Gründer das nennen. Mit mehreren Hundert von ihnen arbeitet das Start-up dafür zusammen.

Eine junge Frau chattet mit Inspora.

So sieht Inspora  ihre Nutzerinnen: Was soll ich zum Date anziehen?

Foto: Inspora

Inspora lernt von menschlichen Stylisten

Die Idee zu Inspora verdanken die Gründer Willi Ibbeken, Daniel Birnstiel und Andreas Pavlenko, die sich vom Studium am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam kennen, im Grunde ihren Nutzerinnen. Ursprünglich wollten sie eine Shopping-App herausbringen. Ein Feature dabei war ein Chat, gedacht für den Bestellprozess. Doch dort ging es meist nur um die Mode selbst, manchmal in bis zu 1000 Anfragen pro Tag. Drei Monate lang beantwortete das Team alle Nachrichten selbst.

Dann begann es, die Beratung Schritt für Schritt zu automatisieren. "Denn die Modeprobleme waren immer ähnlich", erzählt Ibbeken. Die Herausforderung sei gewesen, Modegeschmack und Interessen der User und den kreativen Prozess des Stylings in konkrete Datenmodelle zu übersetzen, mit denen Inspora arbeiten kann. Der Algorithmus wurde in sechs Monaten entwickelt und hat auch von mehr als 100 menschlichen Stylisten gelernt.

Gründerförderung und prominente Investoren

Mit Wendelin Wiedeking hat Inspora einen prominenten Investor gewonnen. Der langjährige Vorstandsvorsitzende von Porsche investierte einen hohen sechsstelligen Betrag in das Start-up und seinen selbstlernenden Chatbot. "Das Thema Künstliche Intelligenz nimmt einen immer wichtigeren Stellenwert ein und wird unseren Alltag in Zukunft maßgeblich beeinflussen", sagt Wiedeking. Mit Inspora investiere er in eine Lösung, die KI nutzt, um einen persönlichen Stilberater für jeden zugänglich zu machen.

Unterstützt wurde die Gründung auch vom Bundeswirtschaftsministerium. Ibbeken, Birnstiel und Pavlenko erhielten ein Stipendium aus dem Programm EXIST . "Absolut wichtig für uns, um die Gründung anzustoßen, ein Team aufzubauen, einen Prototypen zu entwickeln", berichtet Ibbeken.

Das EXIST-Stipendium sichert den persönlichen Lebensunterhalt von Gründern aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen für ein Jahr, zudem werden für Teams Sachausgaben von bis zu 30.000 Euro sowie Kosten für Coachings übernommen.

Inspora soll unterhalten

Mit Inspora chatten Nutzerinnen im Facebook-Messenger, sie ist aber auch über ihre eigene Website erreichbar. Das Ökosystem des Sozialen Netzwerks ist für die Gründer unheimlich wertvoll, sagen sie – die Nutzerinnen von Inspora sind ja meist sowieso schon da. Bis zu drei Stunden am Tag verbringe die Generation Z auf Messenger-Plattformen, so Ibbeken.

Er und seine Kollegen haben Inspora eine Persönlichkeit gegeben, mit der es auch Spaß machen soll zu chatten. Sie hat eine pinke Frisur, trägt eine türkisfarbene Sonnenbrille, mag Pizza. Das Start-up bringt auch Inhalte wie Fashion News oder Make-up-Tutorials individualisiert in den Messenger, will dafür Kooperationen mit Modeunternehmen und Verlagen ausbauen.

Das Ziel: Eine globale Plattform

Die Gründer haben ehrgeizige Pläne. Ihr Ziel ist eine globale Messaging-Plattform für persönliches Styling, Mode und Unterhaltung.

Auch wenn bei Inspora eine KI mit den Nutzerinnen kommuniziert: Manche Nachrichten beantwortet das Team immer noch persönlich. So wie die E-Mail einer jungen Frau, die sich nach dem Valentinstag bedankte. Inspora hatte ihr die Inspiration für ein Outfit zu einem ersten Date gegeben – und das endete mit einem romantischen Kuss.