Kanzlerin erläutert Pläne der Großen Koalition

Regierungsziele Kanzlerin erläutert Pläne der Großen Koalition

Die Zusammenhalt in der Gesellschaft ist der rote Faden, der das Handeln der Bundesregierung bestimmen wird. Es gibt viel zu tun, sagte Kanzlerin Merkel in ihrer Regierungserklärung. Sie sprach über Vorhaben in den Bereichen Pflege, Gesundheit, Bildung, Arbeitsmarkt, Rente, Umwelt

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Kabinettsitzung unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundeskanzleramt

Die neue Bundesregierung hat sich für diese Legislaturperiode viel vorgenommen.

Foto: Bundesregierung/Kugler

Pflege

Alle in der Pflege Tätigen, vor allem auch die pflegenden Angehörigen, sind für die Kanzlerin "stille Helden unserer Gesellschaft". Sie "leisten einen Beitrag zur Menschlichkeit". Die Bundesregierung will mit einem Sofortprogramm Pflege die Situation verbessern. 8.000 neue Stellen in der Pflege werden finanziert. Ein erster Schritt, dem weitere folgen werden. Pflegearbeit braucht Anerkennung, auch finanzielle. Ziel sind daher flächendeckende Tarifverträge.

Gesundheit

Die Bundesregierung will zurückkehren zu einer paritätischen Finanzierung der Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung. Das heißt: Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden zu gleichen Teilen ihren Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung leisten.

Die Bundeskanzlerin sprach die Sorge vieler Menschen an, ob auch in Zukunft eine flächendeckende, hochwertige medizinische Versorgung für alle noch möglich sein werde. Die Koalitionsparteien verabredeten ein Sofortprogramm. Dazu gehören: Terminservicestellen für Facharzttermin ausbauen und Sprechstundenzeiten bei Fachärzten für gesetzlich Versicherte erhöhen. Landärzte sollten künftig regionale Zuschläge erhalten, Hausärzte gestärkt werden. 

Bundesweit vergleichbare Schulbildung

"Die Herkunft darf den Erfolg oder Misserfolg in der Schule nicht bestimmen", so Merkel. Der Bildungsförderalismus sei für viele Eltern ärgerlich, wenn es um die Vergleichbarkeit der Schulbildung und der Abschlüsse gehe. Die Bundesregierung wird mit den Ländern einen nationalen Bildungsrat einrichten, um mehr Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen.

Alle Schulen digital ausstatten

Mit einer Investitionsoffensive Bildung und dem Digitalpakt will die Bundesregierung alle Schulen ans Netz anschließen und digital ausstatten. Genauso wichtig: Lehrerinnen und Lehrer müssen digital aus- und weitergebildet werden.

In die Hochschulen investiert der Bund bereits. Jetzt seien auch die beruflichen Schulen an der Reihe, sagte Merkel. Auch sie erhalten Geld vom Bund für die digitale Ausstattung. Mit dem Berufsbildungspakt wird die Bundesregierung zusammen mit den Ländern und Sozialpartnern die Berufsbildung modernisieren.

Breitbandausbau

Die Bundesregierung will den digitalen Wandel durch den Breitbandausbau begleiten. Der Zugang aller Bürger zum Internet bis 2025 soll gesichert werden. Der Ausbau der 5G Netze soll flächendeckend erfolgen. Die IT-Systeme des Bundes sollen gebündelt werden. Dabei wird das Kanzleramt seine koordinierende Funktion stärker einbringen.

In Richtung Facebook mahnt sie mehr Datenschutz an und stellt die Frage, ob der einzelne Nutzer ausgebeutet werde, wenn einem privaten Unternehmen Daten der Nutzer gehörten. Die Datenschutzgrundverordnung sei ein erster Schritt, dem weitere folgen müssten. Außerdem kündigt sie einen Digitalrat an, der sie künftig beraten wird. Merkel verteidigt, dass es kein eigenes Digital-ministerium gebe. Stattdessen würde das Thema in allen Ministerien bearbeitet.

"Wir brauchen eine digitale Verwaltung beim Umgang der Bürger mit dem Staat auf allen Ebenen." Ein Bürgerportal mit einem Zugang für jeden Bürger zu allen öffentlichen Stellen.

Vollbeschäftigung bis 2025

"Bis 2025 wollen wir Vollbeschäftigung erreichen", sagte Merkel. Die wirtschaftlichen Grundlagen gelte es zu gestalten, um bei der rasanten technischen und digitalen Entwicklung weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben. Es werden in allen Bereichen mehr Fachkräfte gebraucht, deshalb werde die Bundesregierung ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschieden.

Ebenso hob Merkel hervor, dass die heute Arbeitslosen befähigt werden sollen, wieder in den Arbeitsmarkt hineinzukommen. "Für lange Arbeitslose werden wir einen sozialen Arbeitsmarkt schaffen, der durchlässig sein muss. Er darf kein Ort der Aussichtslosigkeit sein", so Merkel.

Rente

"Die Rente ist der Lohn für Lebensleistung", sagte Merkel. Auch im Alter gilt: Wer lange gearbeitet hat, muss mehr haben als derjenige, der nicht gearbeitet hat. Mit der Einführung einer Grundrente geht die Bundesregierung deshalb nun einen neuen Weg. Sie soll zehn Prozent über der Grundsicherung liegen und von der Rentenversicherung ausgezahlt werden.

Um Altersarmut zu bekämpfen, wird die Bundesregierung die Erwerbsunfähigkeitsrente noch einmal verbessern. Zudem sollen Eltern, die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben, künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet werden. Diese Verbesserungen sollen für Mütter und Väter gelten, die drei und mehr Kinder haben.

Um das Vertrauen in die langfristige Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung zu stärken, wird die Rente bis 2025 auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent festgeschrieben. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass der Beitrag nicht über 20 Prozent steigt. Zu den größeren Aufgaben gehört es, das Rentensystem auch für die Zukunft nachhaltig auszugestalten. Die Bundesregierung wird deshalb eine Kommission einsetzen, die Vorschläge für ein generationengerechtes und finanzierbares Rentensystem ausarbeitet.

Generationengerechtigkeit

Generationengerechtigkeit schaffe Zusammenhalt, so die Bundeskanzlerin, und eine solide Haushaltsführung leiste dazu einen wichtigen Beitrag. Der Bund habe seit 2014 keine neuen Schulden aufgenommen. Das werde auch in den nächsten Jahren so bleiben.
Zusammenhalt in der Gesellschaft, so die Bundeskanzlerin weiter, beginne schon in der Familie. "Wenn wir Familien stärken, stärken wir den Einzelnen und gleichzeitig die Gemeinschaft." Dazu gehören Koalitionsvorhaben wie die Erhöhung des Kindergelds, das Baukindergeld, mehr Bildungsgerechtigkeit, die Entlastung der Arbeitnehmer und Verbesserungen in der Pflege.

"Kinderarmut in einem reichen Land wie Deutschland ist eine Schande, und wir müssen sie mit aller Kraft bekämpfen." Für 90 Prozent der Steuerzahler wird die Bundesregierung den Solidaritätszuschlag abschaffen. "Vor allem für Bürgerinnen und Bürger und Familien mit kleinen und mittleren Einkommen wird das eine gute Sache sein."

Als Antwort auf den globalen Wettbewerb und zur Förderung der Wirtschaft will Deutschland mit Frankreich ein modernes Unternehmenssteuerrecht entwickeln.

Die Förderung von Start-ups und Abbau von Bürokratie sollen ebenfalls der Wirtschaft helfen. Investitionen in die Infrastruktur, Straßen, Schienen, Breitbandausbau, Stromtrassen sind Teil des Wirtschaftsprogramms der Bundesregierung. Dazu sollen auch die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

Forschung

In Forschung und Entwicklung wird die Bundesregierung gemeinsam mit dem privaten Sektor bis 2025 3,5 Prozent des Bruttosozialprodukts investieren. Zudem wird für kleine und mittlere Unternehmen eine steuerliche Forschungsförderung sowie bessere Abschreibungsmöglichkeiten eingeführt.

Energie und Umwelt

Bezahlbare Energie ist die Voraussetzung für einen erfolgreichen Industriestandort. Die Bezahlbarkeit zu sichern und die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien voranzubringen, entscheidet über das Erreichen der Klimaschutzziele.

Die Bundesregierung wird ein Klimaschutzgesetz verabschieden, um die Klimaschutzziele 2030 zu erreichen. Darin geht es auch um einen verlässlichen Weg zu diesem Ziel. Dazu gehört auch ein Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen sozialen und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen.

Wohnen

"Ein eigenes Heim gibt Familien das Gefühl von Sicherheit und Schutz und es ist auch eine gute Möglichkeit, Vermögen aufzubauen. Und deshalb wollen wir mit einem Baukindergeld von 1.200 Euro für jedes Kind über zehn Jahre zur Bildung von Wohneigentum beitragen", so die Bundeskanzlerin.

Zugleich will die Bundesregierung die Wirksamkeit der Mietpreisbremse prüfen und vor allen Dingen eine Wohnraumoffensive schaffen mit dem Ziel, 1,5 Millionen frei finanzierte Wohnungen und Eigenheime zusätzlich zu bauen.

Die Kanzlerin kündigte zugleich an, mindestens zwei Milliarden Euro zusätzlich in den Sozialen Wohnungsbau investieren zu wollen, obwohl im Zusammenhang mit den Bund-Länder-Finanzverhandlungen eigentlich ausgemacht war, dass nur noch die Länder für diese Sache zuständig sind.

Kommission "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse"

Eine weitere Herausforderung sind die unterschiedlichen Lebensbedingungen in Stadt und Land. "Wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Deutschland." Deshalb ist das Bundesinnenministerium um die Bereiche Bauen und Heimat erweitert worden.

Die Kanzlerin kündigte eine Kommission "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse" an. Dort sollen die Programme aller betroffenen Ressorts gebündelt werden, "um mit Ländern und Kommunen Antworten auf die wirklich berechtigte Erwartung der Menschen an die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in unserem Land zu geben".

Zukunft des Dieselantriebs

"Fehler in einzelnen Branchen können sich sehr schnell zu systemischen Problemen entwickeln. Und wie schnell das gehen kann, sehen wir beim Dieselthema", so die Kanzlerin. Die Bundesregierung wird sich als eine der ersten Amtshandlungen mit der Zukunft des Dieselantriebs befassen.

Saubere Luft, intelligente innerstädtische Verkehrssysteme und Nutzung individueller Mobilität müssen in Einklang gebracht werden. "Und zwar so, dass Arbeitsplätze nicht in Gefahr geraten, die Käufer von Dieselautos nicht die Dummen sind und wir trotzdem Luft und Klima schützen", sagte Merkel.

Gegen flächendeckende Fahrverbote

Flächendeckende Fahrverbote lehnt die Bundesregierung ab. Vielmehr bedarf es maßgeschneiderter Lösungen für die von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Kommunen. Die allermeisten werden in der Kombination der eigenen Luftreinhaltepläne und der Förderprogramme des Bundes und der zwingend notwendigen Beiträge der Automobilindustrie die Grenzwerte sehr bald einhalten können. Einige wenige Städte werden besondere Lösungen brauchen. Die Bundesregierung nimmt dabei die Automobilindustrie in die Pflicht. Für eigene Fehler müssen die Automobilhersteller gerade stehen.