Junge Leute diskutieren über den Islam

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Planspiel Junge Leute diskutieren über den Islam

Auf den ersten Blick handelt es sich um eine gewöhnliche Konferenz. Thema ist die Rolle des Islam in Deutschland. Auf den Platzkarten sind Namen wie Annette Schavan, Maria Böhmer und Thomas de Maizière zu lesen. Die Stühle am Konferenztisch sind heute jedoch nicht mit den Politikern besetzt, sondern von jungen Leuten, die kurzzeitig in die Rolle der Polit-Profis schlüpfen.

4 Min. Lesedauer

Jonathan Mühlbauer (links) und Mazlum Dogan (rechts) vertreten das Bundesministerium des Innern auf der Jungen Islamkonferenz

Jonathan Mühlbauer (links) und Mazlum Dogan (rechts) vertreten das Bundesministerium des Innern

Foto: Dirk Enters/Stiftung Mercator

„Meine sehr verehrten Damen und Herren – ich freue mich sehr, Sie heute in meiner Position als Bundesinnenminister und Gastgeber der Deutschen Islamkonferenz begrüßen zu dürfen“, leitet die 22-jährige Marett Katalin Klahn die Sitzung ein. Nach einem kurzen Statement und der Bekanntgabe der Tagungsordnung fordert sie die Konferenzteilnehmer zu einer Vorstellungsrunde auf. Souverän treten die jungen Menschen in ihre Rolle, schreiben fleißig mit und lauschen den Beiträgen.

Planspiel zur Deutschen Islamkonferenz

Die 17- bis 23-Jährigen simulieren die Deutsche Islam Konferenz (DIK). „Indem sich die jungen Leute im Rahmen dieses Planspiels in die reale Verhandlungssituation der DIK versetzen und die Rollen der beteiligten Institutionen und Personen übernehmen, lernen sie die Strukturen der Konferenz kennen. Außerdem merken sie, warum es manchmal schwierig ist, in der Praxis einen Kompromiss zu finden“, erklärt die Ideengeberin Esra Kücük das Projekt. Gleichzeitig soll die „Junge Islam Konferenz – Berlin 2011“ jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich an dem politischen Diskurs über Integration und Islam zu beteiligen.

„Die meisten Menschen mit muslimischem Hintergrund sind junge Menschen. Daher müssen wir sie einbeziehen, ihnen eine Plattform bieten“, sagt Bernhard Lorentz, Geschäftsführer der Stiftung Mercator. Die Projektleiterin Naika Foroutan sieht die jungen Menschen muslimischen und nicht-muslimischen Hintergrunds als wichtige Experten in der Diskussion um den Islam in Deutschland. „Für Jugendliche ist der Andere nicht mehr der Andere“, erklärt sie. Vielmehr ständen die Teilnehmenden der „Jungen Islam Konferenz“ exemplarisch für ein Deutschland, das vielfältiger sei, als das Deutschland, in dem die echten DIK-Mitglieder aufgewachsen seien.

In Arbeitsgruppen diskutieren die Vertreter das Programm der Islam Konferenz.

In Arbeitsgruppen diskutieren die Vertreter das Programm der Islam Konferenz.

Foto: Dirk Enters/Stiftung Mercator

„Nur das Menschsein zählt“

So erklärt beispielsweise die Abiturientin Liridona Halili, dass der Migrationshintergrund für sie keine große Rolle mehr spiele. „Ich gehe im Wedding zur Schule, da stammen die meisten Schüler aus Zuwandererfamilien und da macht man dann einfach keine Unterschiede mehr. Nur das Menschsein zählt.“ Derselben Ansicht ist auch die 18-jährige Nuriani Hamdan: „Ich bin in einer multikulturellen Gesellschaft aufgewachsen und ich habe gemerkt, dass es keine großen Unterschiede gibt“, erklärt sie. Seit den Terroranschlägen vom 11. September habe sie jedoch das Gefühl, den Islam öfter verteidigen zu müssen.

Die junge Hüda Sag gehört der 3. Generation türkischer Migranten an. Sie trägt ein Kopftuch, wirkt selbstbewusst und bestimmt. „So wie ich diesem Land angehöre, gehört auch meine Religion diesem Land an. Sie gehört zu meiner Persönlichkeit und lässt sich nicht abspalten“, erklärt die 22-Jährige. Als Aylin Peker gestaltet sie die erste Sitzung des Plenums. Beifall ertönt, als der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle sein Statement abgibt. Gespielt wird er von der muslimischen Shahda Kaikati. „Durch die Übernahme dieser Rolle kann ich kompromissbereiter diskutieren, eben auch, weil es nur eine Rolle ist“, erklärt sie.

Aylin Selcuk stört sich vor allem an den von außen auferlegten Zuschreibungen. „Neulich habe ich an einer Podiumsdiskussion teilgenommen, auf der ich als Muslimin vorgestellt wurde, obwohl ich mich nicht primär als solche darstellen würde“, erzählt die Studentin. „Meine Freundinnen werden doch auch nicht als Christen vorgestellt. Ich bin absolut säkular aufgewachsen, dennoch fühle ich mich jetzt wegen der aktuellen Debatten gezwungen, mich auch mit der Religion auseinanderzusetzen“, erklärt sie. Die Frage der Identität sei für sie irrelevant. Sie fühle sich absolut deutsch, ohne jeglichen Zweifel. Daher könne sie auch die ständige Frage nach ihrer Herkunft nicht verstehen. Vor allem, weil diese meistens abschätzig gestellt werde. 

Aylin Selcuk als Maria Böhmer

Aylin Selcuk ist eine Expertin. Mit Fragen der Integration setzt sie sich als Gründerin und Pressesprecherin des Vereins DeuKische Generation e.V. ständig auseinander. Schirmherrin des Projektes ist Maria Böhmer. „Ich bin froh, dass ich heute in die Rolle von Maria Böhmer schlüpfen kann – vor allem weil ich sie persönlich kenne und mich mit ihrer Arbeit identifizieren kann“, erläutert Selcuk.

Zwei Tage spielen sie und alle anderen Teilnehmenden ihre Rolle, die sie nicht ablegen dürfen. „Sucht euch in den Pausen Allianzpartner und entwickelt eure Ideen weiter“, fordert Foroutan die jungen Leute auf. Erst in einer zweiten Phase der Tagung dürfen die Schüler und Studenten wieder sie selbst sein. Dann sollen sie ihre gemachten Erfahrungen mit ihren eigenen Wünschen und Ideen zu einer Empfehlung an die Deutsche Islamkonferenz verfassen. Dieser Empfehlungskatalog wird dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière und der Deutschen Islamkonferenz zur nächsten Plenarsitzung übergeben.

„Bringen Sie Ihre Ideen ein, so dass wir uns einander besser verstehen lernen, besser miteinander umgehen“, fordert Rita Süssmuth die Teilnehmenden in ihrer inhaltlichen Einführung auf. Die Jugendlichen sind motiviert, ihren Beitrag zu leisten, Vorurteile abzubauen und ein gutes Miteinander der verschiedenen Religionen in Deutschland zu gestalten. Noch sind sie in der Rolle der echten Teilnehmer der DIK. Die Vorstellungsrunde ist zu Ende – Applaus erfüllt den Saal. Langsam bewegen sich die Tagungsmitglieder zum Buffet. Annette Schavan gesellt sich zu Armina Omerika, Journalisten - sowohl echte als auch gespielte - belagern Guido Westerwelle und Thomas de Maizière. Die stehen Rede und Antwort, wie sonst die echten Polit-Profis.