„Aufgaben in Familie und Beruf partnerschaftlich teilen“

Interview zum Väterreport 2021 „Aufgaben in Familie und Beruf partnerschaftlich teilen“

Immer mehr Väter wollen heute die Familienaufgaben und die Verantwortung für das Familieneinkommen partnerschaftlich teilen. Das ist ein zentrales Ergebnis des Väterreports 2021. Dr. David Juncke ist Vater von zwei Kindern und einer der Autoren des Reports. Er beantwortet im Interview Fragen zum Rollenverhalten – und was Vätern heute wichtig ist.

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Porträt Dr. David Juncke

Väter wollen sich Beruf und Familie partnerschaftlich mit der Mutter teilen, so Dr. David Juncke, einer der Autoren des Väterreports 2021.

Foto: PrognosAG/Annette Koroll

Herr Dr. Juncke, Sie haben am neuen Väterreport 2021 mitgewirkt. Was ist denn Vätern heute wichtig?

Dr. David Juncke: Väter wollen heute, ebenso wie Mütter, beides: einer Erwerbstätigkeit nachgehen und Zeit für die Familie haben. Sie wollen nicht mehr als Alleinverdiener die Familie versorgen müssen, sondern sich Beruf und Familie partnerschaftlich mit der Mutter teilen. Das ist ein klarer, gesellschaftlicher Trend. Er wird besonders deutlich im Generationenvergleich: 69 Prozent der heutigen Väter mit Kindern unter sechs Jahren sagen, dass sie sich mehr als ihre eigenen Väter an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beteiligen. Wenn sie könnten, würden sie sogar gern noch mehr Zeit mit den Kindern verbringen. Das gilt für Väter in einer festen Partnerschaft ebenso wie für Väter in Trennung.

Der Väterreport beschreibt regelmäßig auf Basis amtlicher Statistiken, wissenschaftlicher Studien und repräsentativer Bevölkerungsbefragungen die Lebenslagen von Vätern in Deutschland. Neben ihren Werten und Einstellungen nimmt der Report das Familienleben der Väter und ihre berufliche Situation in den Blick.

Im Report wird von „aktiven Vätern“ gesprochen. Was zeichnet diese aus?

Dr. David Juncke: Mit diesem Begriff beschreiben wir die verschiedenen Facetten, die eine Vaterschaft ausmacht, die von dem Leitbild geprägt ist, in der Familie aktiv zu sein. Darunter fällt beispielsweise das Interesse, die Aufgaben in Familie und Beruf partnerschaftlich mit der Mutter zu teilen. Aktive Väter fühlen sich für die Erziehung und das Wohlergehen der Kinder verantwortlich.

Setzen die aktiven Väter dies denn auch in Taten um?

Dr. David Juncke: Sie reduzieren ihre Erwerbsarbeit und nehmen Elternzeit, sie nutzen betriebliche Angebote für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und sie beschäftigen sich im Vergleich zu anderen Vätern überdurchschnittlich viele Stunden mit ihren Kindern. Insofern ja, die Daten zeigen da eine gesellschaftliche Veränderung.

Was sind aus Ihrer Sicht weitere zentrale Erkenntnisse aus dem Väterreport 2021?

Dr. David Juncke: Auf einen ersten Blick hin setzen immer mehr Väter den Wunsch nach mehr Partnerschaftlichkeit um, zumindest zeitweise: Ein stetig größer werdender Anteil nutzt in den ersten Lebensjahren des Kindes Elternzeit und bezieht dabei Elterngeld. Wird das Kind krank, gehen immer häufiger die Väter mit ihm zum Arzt. Unternehmen unterstützen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch durch Angebote speziell für Väter. Doch im Vergleich zu den Müttern, die sich viel intensiver um die Kinderbetreuung und -versorgung kümmern, sind die Anteile des Engagements der meisten Väter weiterhin eher gering.

Weitere Ergebnisse und den gesamten Väterreport 2021 können Sie hier einsehen.

Woran liegt es, dass die Väter trotz allem noch weniger Aufgaben übernehmen als die Mütter?

Dr. David Juncke: Das liegt größtenteils an ihrem Erwerbsverhalten: neun von zehn Vätern sind erwerbstätig und arbeiten fast alle in Vollzeit. Große Arbeitszeitpensen stehen der gewünschten stärkeren Beteiligung an Familienaufgaben entgegen. Dabei würden 52 Prozent der Väter gerne weniger Stunden arbeiten – sie tun oder können es aber nicht. Väter begründen ihr Erwerbsverhalten vor allem mit einem geringeren Einkommen der Partnerin und mit der Vermutung, dass die Rolle als Hauptverdiener von ihnen erwartet wird.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie speziell für Väter bzw. deren Rolle?

Dr. David Juncke: Die Corona-Pandemie hat zu keiner grundlegenden Veränderung der Rollen geführt. Tatsächlich haben Väter in der Pandemie mehr Zeit mit der Versorgung der Kinder verbracht als vorher. Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass die Mütter den größten Teil der Kinderbetreuung erbringen – sowohl vor der Pandemie als auch in den Phasen des Lockdowns. Wichtig ist aber auch, dass die Corona-Pandemie den Vätern neue Perspektiven eröffnet hat.

Welche neuen Perspektiven konnten Väter während der Pandemie einnehmen?

Dr. David Juncke: Viele Väter haben mit ihren Vorgesetzten erstmalig über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesprochen und nach Lösungen gesucht. Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice waren Teile dieser Lösungen. Und zuhause haben die Väter dann gesehen, wie viele Aufgaben im Haushalt und bei der Kinderbetreuung anliegen, die üblicherweise die Mutter übernimmt. Väter haben diese Aufgaben teilweise übernommen und es bleibt abzuwarten, wie nachhaltig dies ist.

Welche großen Entwicklungen konnten Sie in den letzten Jahren auf diesem Gebiet feststellen? Welche Fortschritte wurden erreicht und wo bleibt noch Handlungsbedarf?

Dr. David Juncke: Eine sehr dynamische Entwicklung sehen wir bei der Elternzeit. Vor Einführung des Elterngeldes haben nur drei Prozent der Väter Elternzeit in Anspruch genommen, aktuell sind es über 42 Prozent. Daraus folgt, dass die Kombination aus einem Rechtsanspruch auf Elternzeit und einer finanziellen Leistung das Verhalten der Väter positiv verändert und die partnerschaftliche Vereinbarkeit unterstützt. Hier sehen wir aber auch weiteren Handlungsbedarf: Die Dynamik, die Elternzeit und Elterngeld entfalten, könnte beispielsweise über das erste Lebensjahr hinaus verlängert werden. Denkbar wäre auch, Familien, in denen Vater und Mutter vollzeitnah arbeiten, einen staatlichen Lohnzuschuss zu gewähren. Das würde zu einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit beider Elternteile beitragen.