„In Europa hat man das Gefühl, dazuzugehören“

  • Bundesregierung | Startseite
  • Schwerpunkte der Bundesregierung  

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Interview zum Europäischen Freiwilligenjahr „In Europa hat man das Gefühl, dazuzugehören“

Der Sizilianer Edoardo di Mauro betreut Seniorinnen und Senioren in der Nähe von Bonn. Der 26-Jährige ist als Freiwilliger des Europäischen Solidaritätskorps in Deutschland. Im Interview berichtet er von Rikscha-Fahrten mit Seniorinnen, seiner persönlichen Entwicklung der vergangenen Monate und seine Verbundenheit mit Deutschland und Europa.

3 Min. Lesedauer

di Mauro

Edoardo di Mauro hat im Seniorenstift St. Elisabeth in Bornheim eine erfüllende Aufgabe gefunden. Im Rahmen des Europäischen Solidaritätskops betreut der weltoffene 26-Jährige aus Catania auf Sizilien ein Jahr lang ältere Menschen.

Foto: Lucia Benner

Sie kommen ursprünglich aus Italien und haben schon einige Zeit in England verbracht. Nun arbeiten Sie seit Januar im Seniorenzentrum Elisabeth in Nordrhein-Westfalen. Wie sieht dort Ihr Arbeitsalltag aus?

Meine Aufgabe besteht vor allem darin, Zeit mit den Seniorinnen und Senioren zu verbringen und ihren Alltag angenehm zu gestalten. Unsere Gäste kommen schon morgens gegen 8 Uhr in die Tagespflege. Da wir schon ein halbes Jahr zusammen sind, kenne ich ihre täglichen Gewohnheiten ziemlich gut. Nachdem sie gefrühstückt und ihren Kaffee getrunken haben, stehen vielfältige Aktivitäten an, wie Sport, Tanzen, Basteln und Singen. 

Meine Kolleginnen im Seniorenzentrum St. Elisabeth bereiten das Programm vor. Ich nehme daran teil und unterstütze, wo ich kann. Ich versuche, Spaß und „italienisches Flair“ hineinzubringen. Ich erlaube mir, mit den Gästen ein wenig kindisch zu sein: Ich bin ein bisschen albern, mache Witze, ziehe lustige Grimassen oder versuche einfach ausgelassen zu sein. Die Gäste lieben das, wir lachen viel miteinander.

In der Tagespflege kann man eine starke Beziehung zu den Menschen aufbauen. Wir halten einander oft die Hände und umarmen uns. Diese starke emotionale Bindung ist sehr gut für sie, aber auch fast therapeutisch für mich. Wenn ich mich in einem solchen Umfeld befinde, möchte ich immer mehr geben und sicherstellen, dass die Menschen, die ich betreue, immer eine gute Zeit haben. Sie glücklich zu sehen, ist für mich die schönste Belohnung.

Welche persönliche Begegnung oder Situation werden Sie nie vergessen?

Ich fahre oft mit einer Rikscha. Auf dem großen Fahrrad haben zwei Passagiere Platz und können die Fahrt genießen. Das Seniorenzentrum St. Elisabeth ist landschaftlich sehr schön gelegen und umgeben von vielen Getreidefelder. 

Vor einiger Zeit habe ich mit zwei reizenden Damen eine fast zweistündige Fahrt unternommen. Eine von ihnen sagte zu mir: „Du hast zwei alte Frauen zufrieden gemacht.“ Sie war so überwältigt vor Freude, als sie das sagte. Dieser Satz bleibt mir bis heute im Gedächtnis.

Was haben Sie durch Ihr Engagement im Solidaritätskorps für das Leben gelernt?

Ich glaube, ich bin ein geistig gesünderer und stabilerer Mensch. Ich tue etwas, was mich erfüllt. Dieses Gefühl hatte ich bei meinen vorherigen Jobs nie. Zudem habe ich gelernt, geduldiger und entgegenkommender zu sein. 

Ich habe so viele Menschen aus allen möglichen Kulturen und mit unterschiedlichem Hintergrund kennengelernt, dass ich nun besser kommunizieren und meine Bedürfnisse und Gefühle ausdrücken kann. Auch bin ich offener für kulturelle Unterschiede und toleranter gegenüber anderen Meinungen und Ideen geworden.

Das Europäische Solidaritätskorps ist eine Initiative der Europäischen Union. Es fördert junge Menschen dabei, sich im Rahmen eines Freiwilligenjahres grenzüberschreitend für ein so-ziales und vielfältiges Europa zu engagieren. Ihre Arbeit kommt Gemeinschaften und Menschen in ganz Europa zugute.

Das Europäische Solidaritätskorps setzt sich für ein solidarisches Europa und gemeinsames soziales Handeln über Grenzen hinweg ein. Wo spüren Sie „Europa“ in Ihrem täglichen Leben am stärksten?

Ich spüre es jeden Tag. Ich liebe das, was ich tue. Ich lebe in Bonn und fühle mich hier zugehörig. Ich bin hergekommen, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Trotzdem habe ich mich nie abgelehnt oder nicht willkommen gefühlt. Obwohl ich noch nicht einmal ein Jahr hier bin, fühle ich mich bereits so, als ob ich hierhergehöre und hier schon ewig lebe. 

Ich denke, das ist das, worum es in Europa geht: Es macht nichts aus, wenn man nicht in dem Land ist, in dem man geboren wurde. In Europa hat man das Gefühl, dazuzugehören. 

Haben Sie auch schon ein deutsches Lieblingsgericht?

Ja, Schnitzel und Schweinshaxe. 

Ins Ausland zu gehen bedeutet auch, sich einer neuen Kultur zu öffnen. Was erstaunt Sie in Deutschland am meisten und was nehmen Sie als Inspiration mit?

Mich haben vor allem drei Dinge inspiriert: Das Verhältnis der Deutschen zur Natur und wie gut die Städte in die Natur integriert sind. Die Offenheit der Menschen. Und allgemein der Respekt, den die Menschen hier füreinander und für ihre Umgebung haben.

Das Interview mit Edoardo di Mauro wurde vom Englischen ins Deutsche übersetzt.