Die britische Bevölkerung hat am 23. Juni 2016 mehrheitlich ihren Wunsch zum Ausdruck gebracht, die Europäische Union zu verlassen. Deutschland, Frankreich und Italien respektieren diese Entscheidung. Wir bedauern, dass das Vereinigte Königreich nicht länger unser Partner innerhalb der Europäischen Union sein wird.
Wir sind voller Zuversicht, dass die Europäische Union stark genug ist, um die richtigen Antworten zu geben. Wir haben keine Zeit zu verlieren.
Heute geben wir ein starkes Bekenntnis zur europäischen Einigung ab. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Europäische Union unerlässlich ist, um unsere Staaten durch gemeinsames Handeln zu stärken, zusammen mit unseren gemeinsamen Institutionen, um den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt für unsere Bevölkerung sicherzustellen, und um Europas Rolle in der Welt zu behaupten.
Seit fast 60 Jahren bildet die EU eine einzigartige Gemeinschaft der Rechtstaatlichkeit, der Freiheiten und Rechte sowie der gemeinsamen Werte. Die EU versetzt uns in die Lage, unser europäisches Gesellschaftsmodell zu behaupten, das wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Verantwortung vereint. Die EU ermöglicht es uns, unsere kulturelle Vielfalt zu bewahren. Der Binnenmarkt, unsere Gemeinschaftspolitiken und der Euro sind weltweit einzigartig. Diese Errungenschaften sind die Grundlage unseres Wohlstands. Gemeinsam fördern wir unsere Interessen mit dem Ziel, freien und fairen Handel in der Welt zu gewährleisten. Gemeinsam schreiten wir in unserer Energiepolitik voran und leisten unseren Beitrag für den weltweiten Klimaschutz. Gemeinsam tragen wir in der Welt zu Stabilität und Entwicklung bei und fördern den Frieden.
Es ist ebenso unsere Überzeugung, dass die Europäische Union nur dann wieder vorangebracht werden kann, wenn sie weiterhin von ihren Bürgerinnen und Bürgern getragen wird.
Die Europäische Union muss sich daher den Sorgen widmen, die ihre Bürgerinnen und Bürger zum Ausdruck bringen, indem sie ihre Ziele und ihre Funktionsweise klarstellt. Sie sollte stärker sein bei den wesentlichen Prioritäten, bei denen die Europäer ihre Kräfte bündeln müssen, und sich dort zurücknehmen, wo die Mitgliedstaaten besser handeln können. Sie bleibt unter der demokratischen Kontrolle ihrer Bürgerinnen und Bürger und muss verständlicher werden. Sie muss schneller handeln, insbesondere bei der Umsetzung von Programmen und Projekten, von denen die Bürgerinnen und Bürger direkt profitieren.
In einer sich wandelnden Welt sollte die Europäische Union ihre wesentlichen Errungenschaften erhalten und sich auf die aktuellen Herausforderungen konzentrieren. Dazu gehören die weltweiten Migrationsbewegungen und neue Bedrohungen, wie insbesondere der internationale Terrorismus, den kein einzelner Mitgliedstaat alleine bewältigen kann. Sie muss ebenso die Fähigkeit der Europäer stärken, im zunehmenden internationalen Wettbewerb zu bestehen, und gleichzeitig die europäische soziale Marktwirtschaft stärken.
Wir schlagen daher drei prioritäre Bereiche für ein vertieftes gemeinsames Handeln vor, basierend auf konkreten Zielen:
Die Europäische Union verkörpert unsere gemeinsamen Werte: Wir streben nach Frieden und Freiheit, nach Demokratie und Rechtstaatlichkeit, nach gegenseitigem Respekt und Verantwortung, nach Toleranz und Partizipation, nach Gerechtigkeit und Solidarität. Heute ist der Tag, diese Werte zu bekräftigen.
Wir werden morgen den Staats- und Regierungschefs und den europäischen Institutionen vorschlagen, einen Prozess in Gang zu setzen auf Grundlage eines konkreten Zeitplans und präziser Verpflichtungen, um Antworten auf die Herausforderungen zu finden, die sich aus dem Ergebnis des Referendums im Vereinigten Königreich ergeben, und um konkrete Lösungen für eine gute Zukunft der EU und ihrer Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln.
Auf dieser Grundlage sollten die Staats- und Regierungschefs im September die gemeinsamen Herausforderungen diskutieren, vor denen die 27 Mitgliedstaaten stehen, sowie die wesentlichen Prioritäten, über die sie entscheiden müssen. Sie sollten sich auf konkrete Projekte verständigen, die in Europa in den nächsten sechs Monaten für Wachstum und Sicherheit umgesetzt werden. Die Arbeit an der Umsetzung der notwendigen Initiativen sollte unmittelbar beginnen. Beiträge von internationalen Persönlichkeiten können die Diskussionen der Staats- und Regierungschefs über die europäischen Perspektiven im globalen Kontext befruchten.
Die Treffen des Europäischen Rates im Oktober 2016 und Dezember 2016 werden uns die Gelegenheit geben, den diesbezüglichen Fortschritt festzustellen und die notwenigen Leitlinien festzulegen.
Der 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 2017 wird ein wichtiger Moment sein, um die Einheit Europas und unser gemeinsames Bekenntnis zum europäischen Projekt zu bekräftigen.