Erste Syrien-Flüchtlinge legal eingereist

EU-Türkei-Abkommen Erste Syrien-Flüchtlinge legal eingereist

Kanzlerin Merkel hat das EU-Türkei-Abkommen verteidigt. Es sei notwendig, um sich der "illegalen Migration entgegenzustemmen". Die ersten syrischen Flüchtlinge aus der Türkei sind in Deutschland eingetroffen.

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Syrische Flüchtlinge gehen am 04.04.2016 durch die Ankunfthalle B auf dem Flughafen Hannover (Niedersachsen). Es sind die ersten syrischen Flüchtlinge, die legal auf direktem Weg aus der Türkei in die Europäische Union einreisen durften. 32 Menschen …

Am Flughafen Hannover sind am Montag die ersten 32 syrischen Flüchtlinge eingetroffen.

Foto: picture-alliance/dpa/Holger Hollemann

Die Bundeskanzlerin ist davon überzeugt, dass das Abkommen zwischen der EU und der Türkei richtig ist. Es könne nicht sein, "dass man zuguckt, wie Schlepper und Schmuggler dort das Wort und die Feder führen", betonte Merkel am Freitag in Berlin bei einem Treffen mit gesellschaftlichen Gruppen, die sich bei der Flüchtlingshilfe engagieren. Im Sinne der Lastenteilung müsse die EU die Türkei, die rund 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen habe, unterstützen. Es sei auch richtig, die Türkei an die europäische Gemeinschaft anzubinden, "ohne gleich die Vollmitgliedschaft vor Augen zu haben", sagte Merkel.

In der ersten Woche der Umsetzung des Abkommens hat Griechenland über 300 illegal auf die griechischen Inseln eingereiste Flüchtlinge zurückgeführt. Gleichzeitig sind die ersten syrischen Flüchtlinge aus der Türkei in Deutschland eingetroffen. Damit wird die EU-Türkei-Vereinbarung vom 18. März umgesetzt.

Die meisten Flüchtlinge kommen über die Türkei nach Europa. Daher ist die Türkei ein wichtiger Partner, um die Flüchtlingssituation zu lösen. Ziel der EU-Türkei-Vereinbarung ist es, dem Schlepperunwesen den Boden zu entziehen, aber auch das Partnerland zu entlasten und die gemeinsamen Beziehungen zu vertiefen.

Altmaier: Abkommen wird Leben retten

Flüchtlinge, die seit 20. März in Griechenland eintreffen, werden seit 4. April in die Türkei zurückgebracht. Für jeden illegal in Griechenland angekommenen Flüchtling, der in die Türkei zurückgeschickt wurde, nimmt die EU einen syrischen Bürgerkriegsflüchtling auf. Dieses sogenannte "Resettlement-Verfahren" wird deshalb auch als 1:1-Mechanismus bezeichnet.

"Damit können wir die Flüchtlingskrise nachhaltig lösen, ohne unsere humanitären Prinzipien zu verletzen", so Kanzleramtsminister Peter Altmaier im Interview mit der "tageszeitung" (5. April). "Diese Maßnahme soll das Geschäftsmodell der Schlepper beenden, und zwar sofort". Ein Flüchtling, der damit rechnen müsse, zurück in die Türkei geschickt zu werden, bezahle nicht bis zu 1.500 Dollar für die Überfahrt in einem Schlauchboot. "Diese Vereinbarung wird Leben retten", so der Minister.

Deutschland wird 1.600 Flüchtlinge aufnehmen. Das ist der deutsche Anteil an der Rückführungsrichtlinie, die die EU im vergangen Juli vereinbart hatte. Auch andere EU-Staaten erwarten jetzt erste syrische Flüchtlinge aus der Türkei. Altmaier bekräftigte, dass alle 28 EU-Mitgliedstaaten hinter der Vereinbarung mit der Türkei stehen. "Alle 28 haben Milliardenhilfen für die Türkei zugesagt. Und alle haben im Herbst 2015 beschlossen, 160.000 Flüchtlinge in der EU zu verteilen."

Erste syrische Familien in Hannover gelandet

Die ersten 32 syrischen Flüchtlinge sind am 4. April legal nach Deutschland eingereist. Es handelt sich um Familien mit Kindern. Eines der wichtigsten Aufnahmekriterien ist es, die Einheit der Familie der Geflüchteten zu wahren. Aber auch der Grad der Schutzbedürftigkeit und die Integrationsfähigkeit spielen eine entscheidende Rolle. Weitere Faktoren sind etwa Sprachkenntnisse oder Schul- und Berufsausbildung.

Die Aufnahmevorschläge gehen von den türkischen Migrationsbehörden an das Flüchtlingswerk der UN - den UNHCR, der sie überprüft. Erst nach einer Identitäts- und Sicherheitsüberprüfung wird die Einreise nach Deutschland und in die anderen EU-Mitgliedstaaten gestattet. Vor Ausreise findet eine Gesundheitsuntersuchung statt. Dabei wird insbesondere die Flugtauglichkeit überprüft.

Ist das Kontingent von 1.600 Flüchtlingen ausgeschöpft, stehen, wenn notwendig, weitere 13.500 Aufnahmeplätze innerhalb bestehender Verpflichtungen zur Verfügung. Allerdings wird damit gerechnet, dass die Zahl der illegal einreisenden Flüchtlinge schnell zurückgeht, da die Menschen keine Bleibeperspektive in der EU mehr haben.

Deutsches Personal hilft bei Umsetzung vor Ort

Deutschland hat zugesagt, dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) Mitarbeiter zur Unterstützung in Griechenland zur Verfügung zu stellen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat dem EASO den Einsatz von 100 Mitarbeitern in Griechenland angeboten. Vor allem Entscheider und Kräfte aus dem Asylverfahrenssekretariat. Unter ihnen werden auch Mitarbeiter mit Arabisch- und Griechisch-Kenntnissen sein.

Die ersten deutschen Polizisten sind bereits in Griechenland, weitere sollen folgen. THW-Präsident Broemme ist als "Sonderbeauftragter der Bundesregierung zur Umsetzung der Erklärung der Europäischen Union mit der Türkei zu Migration" vor Ort.

Keine Kompromisse bei den Rechten der Flüchtlinge

Die Rückführung werde "unter voller Wahrung der Europa- wie auch völkerrechtlichen Vorgaben" ablaufen. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Die Vereinbarung der EU mit der Türkei vom 18. März 2016 im Überblick:
• Schleusern in der Ägäis wird die Geschäftsgrundlage entzogen und die irreguläre Migration aus der Türkei nach Europa nachhaltig reduziert.
• Alle Flüchtlinge, die seit dem 20. März irregulär in Griechenland ankommen, werden zügig in die Türkei zurückgebracht.
• Im Gegenzug nimmt die EU für jeden illegal ankommenden syrischen Flüchtling, der in die Türkei zurückgeschickt wurde, einen syrischen Bürgerkriegsflüchtling auf (auch 1:1: Mechanismus)
• Gemeinsam mit der EU werden die humanitären Bedingungen für Syrer verbessert. Die Türkei erhält bis 2018 sechs Milliarden Euro für konkrete Flüchtlingsprojekte – damit beispielsweise Kinder eine Schule besuchen können oder für die Gesundheitsversorgung.
• Logistische und personelle Unterstützung für Griechenland, etwa mit Dolmetschern und beim Grenzschutz, aber auch für die Versorgung etwa der Flüchtlinge in Idomeni durch das Soforthilfe-Programm.
• Ende Juni 2016 soll die Visafreiheit für die Türkei in Kraft treten, sofern die Türkei bis dahin alle erforderlichen Bedingungen erfüllt hat.
• Die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei werden beschleunigt und weiterhin ergebnisoffen geführt.