Ehrung für einen großen Europäer

Trauerakt für Helmut Kohl Ehrung für einen großen Europäer

Erstmals in der Geschichte der EU findet ein europäischer Trauerakt statt: Heute würdigt Europa im EU-Parlament den verstorbenen Altkanzler. In Deutschland folgen ein Trauerzug, ein Pontifikalrequiem im Dom zu Speyer und ein militärisches Ehrengeleit.

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Bundeskanzler Helmut Kohl.

Für Helmut Kohl gehörten die Deutsche Einheit und die europäische Integration untrennbar zusammen.

Foto: Bundesregierung/Reineke

Am heutigen Samstag werden in Straßburg und Speyer die Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl stattfinden. Erstmals in der Geschichte der EU gibt es einen europäischen Trauerakt. Die drei EU-Institutionen – Europäischer Rat, Europäisches Parlament und Europäische Kommission – laden dazu gemeinsam ein.

Die Gedenkfeier beginnt um 11 Uhr. Zunächst werden die Präsidenten des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Europäischen Rats sprechen: Antonio Tajani, Jean-Claude Juncker und Donald Tusk.

Danach werden auf Wunsch der Witwe Helmut Kohls und als Privatpersonen der russische Premierminister Dmitri Medwedew, der ehemalige spanische Premierminister Felipe González und der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten Bill Clinton Reden halten. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel werden die Zeremonie abschließen.

Das Straßburger Universitätsorchester wird Werke von Händel, Beethoven und Schubert spielen. Am Ende der Zeremonie wird das Orchester die deutsche Nationalhymne und die europäische Hymne spielen, begleitet vom Philharmonischen Chor Straßburg.

Trauerfeierlichkeiten in Deutschland

Dem europäischen Trauerakt schließen sich am Samstag die weiteren Trauerfeiern in Deutschland am Nachmittag und Abend an. Die Bundeskanzlerin und weitere Vertreter der Verfassungsorgane nehmen daran teil. Wie das Bundespräsidialamt und das Bundesinnenministerium in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten , wird es auf Wunsch der Witwe des Verstorbenen keinen zusätzlichen nationalen Staatsakt geben.

Der Sarg des Altbundeskanzlers wird mit einem Hubschrauber nach Deutschland überführt. Die Fahrt des Trauerzugs in Ludwigshafen am Rhein beginnt um 14.45 Uhr. Mit der MS Mainz und Begleitschiffen wird der Trauerzug auf dem Rhein in Richtung Speyer fortgesetzt. Um 18 Uhr findet das Requiem im Dom zu Speyer statt. Ein großes militärisches Ehrengeleit auf dem Domvorplatz schließt sich ab 19.45 Uhr an.

Im Anschluss daran wird der Verstorbene im Familien- und Freundeskreis auf dem Friedhof des Domkapitels im Adenauerpark in Speyer beigesetzt.

Anlässlich der Trauerfeierlichkeiten für Helmut Kohl wird es am 1. Juli bundesweit Trauerbeflaggung geben.

Abschied von Helmut Kohl in Berlin

Bundeskanzlerin Merkel, Bundespräsident Steinmeier und weitere Gäste in der St.-Hedwigs-Kathedrale bei einem Gedenkgottesdienst für Helmut Kohl.

Zahlreiche Politiker nahmen an der Totenmesse teil.

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Im Vorfeld des europäischen Trauerakts und des offiziellen Trauerzeremoniells in Speyer hat auch das politische Berlin Abschied von Helmut Kohl genommen.

In der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale haben Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen am Dienstagmorgen Kohl und sein politisches und menschliches Erbe gewürdigt. Auch Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kamen zu der Totenmesse, in der des verstorbenen Altkanzlers gedacht wurde.

Bundestag gedenkt Altkanzler

Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag neben Außenminister Sigmar Gabriel während einer Gedenkminute für den verstorbenen ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl.

Kanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel bei der Schweigeminute im Bundestag.

Foto: Bundesregierung/Schacht

Am 22. Juni hatte bereits der Bundestag des verstorbenen Altkanzlers gedacht. Dass die friedliche Einheit unseres Landes in einem freien und befriedeten Europa heute Realität ist, sei im wesentlichen Helmut Kohl zu verdanken, betonte Bundestagspräsident Norbert Lammert.

"Dass wir seiner an diesem Ort, im Reichstagsgebäude in der Mitte Berlins, der Hauptstadt des vereinten Deutschlands, gedenken, wäre undenkbar ohne die weltgeschichtlichen Veränderungen, die sich untrennbar mit seinem Namen verbinden", hob Lammert hervor.

Kohl sah Europa als Friedensprojekt

Mit dem ersten Trauerakt im Europaparlament ehrt die Europäische Union einen überzeugten Europäer, für den das Friedensprojekt Europa nicht nur eine Sache des Verstandes, sondern ein Herzensanliegen war.

Schon zu Beginn der ersten EG-Ratspräsidentschaft Deutschlands 1982 forderte Kohl eine politische Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft. Während seiner Kanzlerschaft setzte er sich für den Ausbau des europäischen Binnenmarktes, eine gemeinsame Außenpolitik und die europäische Abstimmung in sicherheitspolitischen Fragen ein. Er wollte die Unabhängigkeit Europas wahren und seine Sicherheit stärken.

Deutsche Einheit und europäische Integration

Die Deutsche Einheit und die europäische Integration waren für Helmut Kohl dabei zwei Seiten einer Medaille: Ohne die Entscheidung für die europäische Integration wäre die deutsche Wiedervereinigung nicht möglich gewesen. Ein wiedererstarktes Deutschland löste Ängste bei anderen Staaten aus. Kohl konnte andere Staats- und Regierungschefs davon überzeugen, dass ein vereintes Deutschland nur fest verankert in der Europäischen Union sein konnte.

Kohls Wirken – so Bundeskanzlerin Merkel – sei von den beiden wichtigsten Aufgaben der deutschen Politik der letzten Jahrzehnte bestimmt gewesen: "die Wiedererlangung der Einheit unseres Vaterlandes und die Einigung Europas. Helmut Kohl verstand, dass das eine und das andere untrennbar verbunden waren, und er hat sich um beide Ziele wie kaum ein anderer verdient gemacht."

Ehrung für Verdienste um Europa

Für seine Verdienste um die europäische Zusammenarbeit und als einer der "Väter" des Euro erhielt Kohl die Auszeichnung "Ehrenbürger Europas". Diese hohe Würdigung wird nur in sehr seltenen Fällen von den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten vergeben. Neben Helmut Kohl erhielten bisher nur Jean Monnet und Jacques Delors diese Auszeichnung für Verdienste um die Europäische Union.

Im November 1988 wurden Altbundeskanzler Kohl und Staatspräsident Mitterrand für ihre Verdienste um die europäische Einigung mit dem Internationalen Karlspreis ausgezeichnet.