Deutschland drängt auf Fortschritte

Krise in der Ukraine Deutschland drängt auf Fortschritte

Bundeskanzlerin Merkel hat abermals mit Russlands Präsident Putin telefoniert. In dem Gespräch ging es laut der stellvertretenden Regierungssprecherin um die aktuellen Fragen zwischen Russland, Deutschland und der EU im Zusammenhang mit der Ukraine. Derzeit gebe es keine Veranlassung, die Sanktionen zu lockern.

5 Min. Lesedauer

Angela Merkel hatte Wladimir Putin vom Europäischen Rat in Brüssel aus erneut aufgefordert, das Minsker Abkommens einzuhalten. "Wir müssen leider sagen, dass es erhebliche Defizite gibt zwischen dem, was der Friedensplan des ukrainischen Präsidenten und des russischen Präsidenten, der auch die Unterschrift der Verantwortlichen in Lugansk und Donezk trägt, vorsieht, und dem, was bisher wirklich erreicht wurde", sagte Merkel. Deshalb sehe die EU "zurzeit keine Möglichkeit, über die Aufhebung von Sanktionen zu sprechen."

Regierungssprecherin Christiane Wirtz erinnerte daran, dass die formell gültige Waffenruhe "als solche nicht wirklich bezeichnet werden kann, weil seit Verhängung der Waffenruhe schon 300 Menschen gestorben sind." Auch gehe es um die Grenzkontrollen und alle anderen Fragen, die im Abkommen von Minsk im September niedergelegt worden seien. Jetzt müsse "mit vereinten Kräften darauf hingearbeitet" werden, dass diese auch in die Tat umgesetzt werden.

Sanktionen gegen Russland bleiben in Kraft

Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen habe die Kanzlerin nach Aussage der Sprecherin "noch einmal ganz deutlich gemacht, dass - solange da keine wirklich wesentlichen Fortschritte zu sehen sind - auch nicht daran gedacht wird, die Sanktionen in irgendeiner Form zu lockern oder aufzuheben oder ähnlich Schritte zu gehen."

Die Sanktionen gegen Russland seien auf europäischer Ebene beschlossen und "von der Wirtschaft weitgehend mitgetragen" worden. Diese habe das Primat der Politik in diesem Fall anerkannt, erinnerte Wirtz. In Bereichen, die von den Sanktionen nicht erfasst würden, liege es "in der Verantwortung eines jeden Unternehmens", auf diesen Geschäftsfeldern unternehmerisch tätig zu werden. Die Bundesregierung sehe es so, dass die Unternehmen sich "klar ihrer Verantwortung bewusst" sein müssten und "nur in dem Rahmen tätig werden, wie sie das mit ihrer eigenen Geschäftspolitik verantworten können." Hier gebe es unternehmerische Freiheit.

Die stellvertretende Außenamtssprecherin Sewsan Chebli ergänzte, vor dem Hintergrund der unzureichenden Umsetzung der Minsker Vereinbarung gebe es "derzeit keine Option, die Sanktionen gegen Russland zu lockern." Sobald es zu signifikanten positiven Entwicklungen von russischer Seite komme, müsste man darüber nachdenken, wie man Sanktionen lockern oder aufheben könne. Oder aber, sie zusätzlich zu verschärfen, wenn es zu einer Verschärfung der Situation komme. "Nur so kommen wir in eine hoffentlich positive Dynamik hinein", sagte Chebli.

Gaslieferungen weiter umstritten

Auch die Gaslieferungen von Russland an die Ukraine und deren Finanzierung waren Thema auf dem Europäischen Rat. Die Kanzlerin sagte, es gäbe eine Notwendigkeit einer gewissen Brückenfinanzierung. Wie diese realisiert werden kann, darüber müsse noch gesprochen werden.

Dabei gehe es nicht um neues Geld, sondern um Geld, dass zwischenzeitlich bereitgestellt werden soll. Spätestens im Februar werden der IWF, und dann auch die Europäische Union, die Ukraine finanziell unterstützen. Russland erwartet Zahlungen aber bereits im Dezember.

Folgen für Europa

"Jeder Vertrag oder Nichtvertrag hat Auswirkungen auf die europäische Gasversorgung", sagte die Kanzlerin. Zur Zeit leitet Europa Gas aus Russland an die Ukraine, zum Beispiel über die Slowakei. Dieser "reverse flow" fiele weg, falls es keinen Vertrag zwischen Russland und der Ukraine gebe, denn dann benötige Europa das gesamte Gas selbst.

"Wir sind hier in einer Solidaritätsgemeinschaft, und die müssen wir durch ehrliche und redliche Verhandlungen ausfüllen“, sagte die Kanzlerin. Bei gutem Willen sehe sie aber eine Möglichkeit. EU-Kommissar Oettinger vermittelt in dem Streit. Das nächste Treffen ist am kommenden Mittwoch.

Die Bunderegierung hatte mehrfach betont, sie sei interessiert, "dass es möglichst schnell zu einer einvernehmlichen Lösung im Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland kommt". So eine Einigung - wenn sie denn belastbar wäre - wäre wirklich ein klares Signal der Deeskalation und sicherlich auch ein Beitrag, ein Bekenntnis zur Stabilisierung", sagte Regierungssprecher Seibert am Mittwoch.

Menschenverachtende Praktiken ächten

Regierungssprecher Seibert hatte sich am Mittwoch zum Vorwurf der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch geäußert, bei den Kämpfen im Osten der Ukraine sei auch geächtete Streumunition eingesetzt worden. Die Bundesregierung habe den Bericht "selbstverständlich zur Kenntnis genommen, wie wir auch das Dementi der ukrainischen Regierung zu Kenntnis genommen haben." Einschränkend fügte Seibert hinzu: "Wir können über den Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe derzeit kein Urteil abgeben."

Er forderte eine gründliche Aufklärung. Der Bericht könne "nicht eindeutig" die Urheberschaft der Verwendung dieser Munition klären. Trotzdem wögen die Anschuldigungen schwer, betonte der Sprecher: "Der Einsatz von Streubomben ist aus unserer Sicht menschenverachtend." Die sogenannte "Submunition", die aus einzelnen Bomben großflächig verstreut werde, "stellt als Blindgänger noch Jahre später eine große Gefahr für die Zivilbevölkerung dar."

Seibert stellte klar: "Sollten in der Ukraine Bomben solchen Typs - von welcher Seite auch immer - zum Einsatz gekommen sein, dann wäre das ein Akt, den die Bundesregierung scharf verurteilen würde." Er rief die Konfliktparteien dazu auf, Menschenrechtsverletzungen jeglicher Art zu unterlassen.

Die Bundesrepublik Deutschland ist bereits 2008 dem internationalen Abkommen über die Ächtung von Streumunition ("Osloer Übereinkunft") beigetreten. Weder die Ukraine noch Russland haben diese Konvention bisher unterzeichnet.

"Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn beide Länder dies rasch nachholen würden", sagte der Regierungssprecher. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf den Bericht des UN-Menschenrechtsbeauftragten. Darin würden ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen dargestellt, "die insbesondere den von Russland unterstützten Separatisten zugerechnet werden", sagte Seibert.

Die Rede sei von Fällen von Tötung, Folter, Entführung, Terrorisierung der Bevölkerung und anderen sehr schweren Menschenrechtsverletzungen. Die Bundesregierung habe "großes Interesse, die Vorgänge aufzuklären - und damit meine ich natürlich auch die Vorgänge um die angebliche Verwendung von Streubomben", so der Sprecher.

Kernforderungen noch nicht erfüllt

Die Bundesregierung fordere die beteiligten Konfliktparteien auf, an einer gründlichen Klärung dieser Vorgänge mitzuwirken. "Besonders bedeutend dafür wäre es, dass in Donezk und Lugansk ein Ende der Gewalt eintritt und die Wiederherstellung einer legitimen staatlichen Ordnung durch freie, faire und international beobachtete und beaufsichtigte Wahlen", sagte Seibert.

Auch die Bundeskanzlerin hatte in der vergangenen Woche im Deutschen Bundestag erklärt, die Lage in der Ukraine sei weiterhin äußerst schwierig. Trotz der vereinbarten Waffenruhe gebe es immer noch täglich Berichte über Kämpfe und Opfer. Russland sei hier gefordert und müsse den "entscheidenden Beitrag zur Deeskalation" leisten.