"Kreativität und Neugierde sind entscheidend"   

Interview zum Deutschen Kita-Preis "Kreativität und Neugierde sind entscheidend"   

Ein Atelier als Kreativbereich, ein Podcast für die Familien sowie Erzieherinnen und Erzieher, die sich täglich mit den Kindern "auf Spurensuche" begeben: Das ist das Erfolgsrezept der Kindertagesstätte PINGUIN in Aurich, dem Sieger beim Deutschen Kita-Preis. Ihre Leiterin erzählt uns, worauf es auch in Corona-Zeiten bei der pädagogischen Arbeit ankommt.

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Trophäe des Deutschen Kita-Preises

Eine Auszeichnung für besondere Qualität in der frühen Bildung, Betreuung und Erziehung: Der Deutsche Kita-Preis. 

Foto: obs/Deutsche Kinder- und Jugendstiftung/DKJS / F. Schmitt und A. Wendler

Wie ist Ihre Reaktion auf den Sieg beim Kita-Preis, Frau Gießenberg?    

Doris Gießenberg: Ich hätte niemals damit gerechnet, dass wir als Sieger vom Platz gehen. Wobei ich mir von Anfang gesagt habe: Man kann nur gewinnen, wenn man an dem Wettbewerb teilnimmt. Für uns ist der Kita-Preis eine riesige Wertschätzung für unsere Arbeit! Es hat uns auch inhaltlich schon jetzt sehr viel weitergebracht. Alleine durch die Tipps und den fachlich sehr kompetenten Bericht der Jury haben wir sehr hilfreiche Rückmeldungen bekommen. Diese Erfahrung ist ein großer Schatz für uns.

Was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste bei der pädagogischen Arbeit?

Gießenberg: Das Entscheidende ist die Einstellung zu unserer Arbeit. Unsere Beschäftigten in der Kita sehen ihre Aufgabe wirklich als Berufung an. Im Umgang mit den Kindern ist es von großer Bedeutung, sie da abzuholen und anzunehmen, wo sie sind. Und vor allem gemeinsam mit den Kindern neugierig zu bleiben. Sich täglich neu im übertragenen Sinne auf Spurensuche zu begeben, ist für Kinderleben sehr wichtig.

Vor allem schauen wir auf die Stärken jedes einzelnes Kindes, wir arbeiten also nicht defizitorientiert. Das ist ja bei Erwachsenen auch so, dass alle ihre Stärken und Schwächen haben. Wir wollen nicht hauptsächlich auf die Fehler schauen, sondern auf die Potenziale.

Doris Gießenberg ist Leiterin der Kindertagesstätte PINGUIN in Aurich. Mit ihrem Konzept gewann die Kita den Deutschen Kita-Preis, eine gemeinsame Initiative des Bundesfamilienministeriums und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung.   

In Ihrer Kita wird Kreativität großgeschrieben. Was heißt das konkret?

Gießenberg: Bei uns spielen das forschende Lernen und der Kreativbereich in der Tat eine große Rolle. Das Wort "Upcycling" ist mittlerweile ein viel gebrauchter Begriff. Dem kommen die Kinder bei uns in einem eigenen Atelier nach. Ob alte Computer, ein Radiogerät, eine gebrauchte Kaffeemaschine, oder andere alltägliche Dinge wie Dosen oder Stoffe: Die Kinder experimentieren, bauen auseinander oder gestalten etwas Neues. Dabei brauchen sie nur selten eine Anleitung, meistens haben sie selbst genug Ideen.

Im Atelier haben wir auch Kunstbücher ausgelegt. Hier können die Kinder schauen, was große Künstler alles erarbeitet haben. Und wenn den Kindern selbst etwas besonders gut beim Werken oder Malen gelingt, dann wird das auch in der Kita ausgestellt. 

Zwei Kinder malen im Stehen ein Bild.

Im Atelier der Kita ist der Kreativität der Kinder keine Grenzen gesetzt.

Foto: DKJS/Jakob Erlenmeyer und Nikolaus Götz

Schon seit Monaten hält uns alle die Corona-Pandemie in Atem. Wie hat Ihre Kita den Anfang erlebt?    

Gießenberg: Es war Freitag, der 13. März, als wir von der bevorstehenden Schließung erfuhren. Das war natürlich ein Schock. Wichtig war uns dann aber vor allem, auch in der darauffolgenden Zeit immer den Kontakt zu den Kindern und den Eltern zu halten. Wir hatten zum Beispiel die Idee für einen Podcast. Darin haben Erzieherinnen regelmäßig erzählt, wie sie selbst zuhause die Corona-Krise erleben. Für die Kinder war das sicher gut, weil sie auf diesem Weg die Stimmen der vertrauten Personen hören konnten.

Außerdem haben wir zeitweise täglich einen Newsletter erstellt, in dem wir den Eltern viele Tipps gegeben haben: Wie verhalte ich mich, wenn mein Kind Angst vor Corona hat? Aber auch mal einen Rat, wie man sich als Erwachsener auch dann noch im Griff hat, wenn das eigene Kind mal nervt, weil man ja die ganze Zeit über zusammen ist. Hilfreich fanden viele Eltern aber auch Basteltipps, die wir mit dem Newsletter verschickt haben.            

Was hat Sie in der Zeit der Schließung besonders bewegt?

Gießenberg: Vor allem die vielen Rückmeldungen! Eltern haben uns regelmäßig geschrieben, beispielsweise als eine Reaktion auf einen Artikel im Newsletter. Aber auch von den Kindern selbst. Wir hatten zunächst geschrieben, dass die Kinder einen von den vielen Kieselsteinen hier auf unserem Grundstück holen können. Die Idee war, dass sie einen Stein bemalen und diesen dann jemanden vor die Tür legen, den sie besonders vermissen. Und was glauben Sie: Einige Kinder haben uns dann ihren Stein zurückgebracht. Diese Nähe zu Kindern und Eltern in der Zeit der Schließung war schon großartig!

Und wie haben die Kinder bei ihrer Rückkehr reagiert?

Gießenberg: Im Moment sind wieder rund 70 Kinder da, die restlichen 80 können dann ab nächstem Montag kommen. Um auf die Corona-Regeln zu achten, haben wir für die Kinder andere Betreuungszeiten. Die eine Gruppe kann beispielsweise vormittags kommen, die andere nachmittags. Die Kinder haben sich bei der Rückkehr riesig gefreut, endlich wieder kommen zu können. Sie wollten direkt erzählen, was sie alles in den letzten Wochen erlebt haben. Und kamen dann natürlich auch näher. Es ist halt nicht leicht, in der Kita irgendwelche Abstandsregeln einzuhalten. Das geht praktisch nicht. Wenn ein kleines Kind getröstet werden will, kommt es am liebsten auf den Schoß. Mit einem Mundschutz ist es auch schwierig, der verunsichert viele Kinder.  

Bei allen Problemen: Vielleicht hat die Krise auch etwas Gutes, wenn man so will. Und zwar die gestiegene Anerkennung für die pädagogische Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher. Wenn diese bliebe, wäre das ein sehr wichtiges Signal!

Der Bund investiert weiter erheblich in den Ausbau der Kindertagesbetreuung . Das Bundeskabinett hat innerhalb des Konjunkturpaktes beschlossen, zusätzlich eine Milliarde Euro für die Jahre 2020 und 2021 bereitzustellen. Zudem sorgt das "Gute-Kita-Gesetz" für weiter steigende Qualität in der Kinderbetreuung. Auch engagiert sich der Bund für bessere Arbeitsbedingungen der Fachkräfte.