Deutsche Einheit weiter gemeinsam gestalten

Deutschlandreise in Halle Deutsche Einheit weiter gemeinsam gestalten

Die "Deutschlandreise" machte zum vorletzten Mal Station, diesmal beim Salinenfest in Halle. Zeitzeugen schilderten ihre persönlichen Erfahrungen seit der Wende: So bezeichneten Iris Gleicke und Cornelia Pieper es als "großartigen Glücksfall", dass die Deutsche Einheit mit einer friedlichen Revolution erreicht werden konnte.

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Deutschlandreise 25 Jahre Tour. Standort Halle an der Saale.

Noch bis Oktober reist die Ausstellung durch ganz Deutschland. Am vergangenen Wochenende war sie in Halle.

Foto: mediapool

Iris Gleicke ist heute Bundestagsabgeordnete und Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder. Cornelia Pieper ist deutsche Generalkonsulin in Danzig. Zuvor war sie Staatsministerin im Auswärtigen Amt. An der Diskussion im Händel-Haus nahmen auch der langjährige Bürgermeister von Leipzig, Georg Girardet, sowie der Theologe und Autor, Christoph Dieckmann, teil.

In einer weiteren Diskussionsrunde mit Schülern des Giebichenstein-Gymnasium schilderte Gunter Weissgerber, Mitbegründer der SPD Leipzig und langjähriger Bundestagsabgeordneter, seine Erlebnisse in der damaligen Zeit.

Gespräche mit Zeitzeugen gehören zum Begleitprogramm der "Deutschlandreise". Alle Diskussionspartner beleuchteten die deutsche Wiedervereinigung aus unterschiedlichen Perspektiven.

Sprung ins kalte Wasser

Cornelia Pieper, in der DDR Mitglied der Liberal-Demokratischen Partei und seit 1990 im sachsen-anhaltinischen Landtag, bezeichnete die Wende als "spannende und aufregende Zeit", von der sie "keine Stunde" missen wolle. Vor dem Hintergrund aktueller politischer Konflikte werde erneut sehr deutlich, dass die friedliche Wiedervereinigung ein "großartiges Geschenk" für die Deutschen sei.

Mit Bezug auf ihre aktuelle Tätigkeit sagte Pieper: "Wenn es nicht den mutigen Aufstand der polnischen Werftarbeiter gegeben hätte, hätten vielleicht auch viele Ostdeutsche nicht den Mut für eine friedliche Revolution gehabt." Als größte Herausforderung für das weitere Zusammenwachsen Deutschlands bezeichnete sie die Bereiche Bildung und Kultur. Hier müsse man mehr investieren, gerade auch in der mitteldeutschen Region. Sie appellierte an alle Bürger, selbst Verantwortung zu übernehmen, zu gestalten und sich etwas zuzutrauen.

Gemeinsame Ziele stecken

Christoph Dieckmann wies darauf hin, dass es in Westdeutschland ein eng geknüpftes Netz an Vereinen und Vereinigungen gebe, in der ziviles Engagement gelebt werde. Dies sei in den neuen Bundesländern so nicht der Fall. Die Stabilität der DDR-Gesellschaft habe auf Vollbeschäftigung basiert, so Dieckmann. Ostdeutschland sei dadurch insgesamt eine fragilere Gesellschaft. Damit das Zusammenwachsen weiter gelinge, sei es wichtig, sich "gemeinsam etwas vorzunehmen", betonte Dieckmann.

Ostdeutsche können stolz sein

Iris Gleicke, die sich zu DDR-Zeiten im Neuen Forum engagierte und 1990 als jüngste Abgeordnete aus den neuen Bundesländern in den ersten gesamtdeutschen Bundestag einzog, ergänzte: Viele Ostdeutsche hätten nach dem Untergang der DDR schlechte Erfahrungen mit dem neuen System gemacht. Viele Entscheidungen von damals, die oftmals sehr schnell erfolgen mussten, wirkten sich bis heute aus.

Zum Beispiel das Vorgehen der Treuhand. Die ostdeutsche Wirtschaft habe heute noch damit zu tun. Es fehle an Menschen, die sich für Gemeinwohl und für Zivilcourage engagierten. Das habe seinerzeit die friedliche Revolution ausgemacht. Dabei hätten die Ostdeutschen bisher große Leistungen vollbracht. Beginnend mit der friedlichen Revolution, die nicht nur in Leipzig oder Ost-Berlin, sondern im ganzen Lande stattgefunden habe. Es sei auch von vornherein klar gewesen, dass "wir kreativ sein und neue Möglichkeiten finden mussten," sagte Gleicke.

Nun finde durchaus der know-how-Transfer in die andere Richtung statt. "Den Rest schaffen wir trotz aller noch bestehenden Problemen mit vernünftigen Strukturen auch noch," betonte Gleicke. Als künftige Herausforderungen nannte auch Gleicke die Reform des Bildungssystems, die Beseitigung von Rechtsungleichheiten beim Rentensystem sowie die Herstellung gleicher Löhne.

Positive Entwicklung wird wahrgenommen

Georg Girardet, zuvor auch Referent in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR, wies auf die immensen Herausforderungen nach dem Fall der Mauer hin. So sei seinerzeit etwa in Leipzig - mit Ausnahme des Gewandhauses - so gut wie alles "kaputt" gewesen. In Wirtschaft und Verwaltung habe es einen gewaltigen Personalüberhang gegeben. Niemand sei auf die Veränderungen vorbereitet gewesen. Es sei schön, nun zu erfahren, dass die vielfältigen Verbesserungen gewürdigt und wahrgenommen würden.

Probleme in Freiheit lösen

Gunter Weissgerber betonte im Gespräch mit den Schülern des Giebichenstein-Gymnasiums, Demokratie könne dauerhaft nur in der deutschen Einheit, in der EU und in der Nato gesichert werden. Das sei unmittelbar nach der Wende relativ schnell klar geworden. Deshalb sei es auch sinnvoll gewesen, nach Artikel 23 des Grundgesetzes beizutreten und keine neue Verfassungsdiskussion zu beginnen. In diesem Rahmen müssten alle anderen noch bestehenden Probleme gelöst werden.

Abschluss der Deutschlandreise in Frankfurt

Letzter Stopp der Deutschlandreise wird Frankfurt am Main sein, wo die Feier zum Tag der Deutschen Einheit stattfindet.

Zu den Stationen der multimedialen Ausstellung, die von März bis Oktober 2015 unterwegs ist, gehörten beispielsweise schon Erfurt, Hamburg, Rostock und München sowie auch der Tag der offenen Tür der Bundesregierung Ende August in Berlin.