Das Image eines Berufes ist oft entscheidend

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Interview zum Ausbildungsmarkt Das Image eines Berufes ist oft entscheidend

Auch wenn das neue Ausbildungsjahr bereits begonnen hat: Jugendliche haben selbst jetzt noch gute Chancen, eine Lehrstelle zu finden. Wichtig ist, mobil und bei der Berufswahl flexibel zu sein, sagt der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung, Professor Esser, im Interview. Viele Berufe seien moderner und attraktiver als häufig vermutet. 

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Ausbildung zum Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung und Klima: Ein spannender, moderner, technik- und umweltorientierter Beruf.

Ausbildung zum Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung und Klima: Ein spannender, moderner, technik- und umweltorientierter Beruf.

Foto: picture alliance / Claudia Drescher

Im Interview: Professor Dr. Friedrich Hubert Esser ist Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Das Institut ist das anerkannte Kompetenzzentrum zur Erforschung und Weiterentwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Deutschland. Das BIBB identifiziert Zukunftsaufgaben der Berufsbildung, fördert Innovationen in der nationalen wie internationalen Berufsbildung und entwickelt neue, praxisorientierte Lösungsvorschläge für die berufliche Aus- und Weiterbildung.

Das neue Ausbildungsjahr hat gerade begonnen. Stimmt Sie die aktuelle Lage auf dem Ausbildungsmarkt optimistisch?

Abschließende Zahlen zum neuen Ausbildungsjahr liegen noch nicht vor. Deshalb müssen wir uns an den Daten von 2018 orientieren. Die Trends werden sich aber in diesem Jahr nicht wesentlich verändern. Ich hoffe sehr, dass die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge erneut wieder leicht ansteigen wird. 2018 hatten wir rund 531.400 neue Verträge. Das war ein Plus von rund 8.100 im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze lag sogar bei über 574.000. Die Talsohle mit jährlich weniger zur Verfügung stehenden Lehrstellen liegt zum Glück schon seit einigen Jahren hinter uns.

Sehr erfreulich ist auch, dass zunehmend junge Menschen mit Fluchthintergrund eine Ausbildung antreten. Das zeigt, dass es mehr und mehr gelingt, auch diese Gruppe in Ausbildung zu bringen. Und das tut dem Ausbildungsmarkt gut!

Nicht schön ist, dass sich immer weniger Frauen für eine duale Berufsausbildung entscheiden. 2018 schlossen nur noch knapp 196.000 junge Frauen einen dualen Ausbildungsvertrag ab – ein historischer Tiefstand. Und bei den Lieblings-Berufen überwiegen bei den Mädchen weiterhin eher typische "Frauen-Berufe" wie Kauffrau für Büromanagement sowie Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte. Auch streben junge Frauen verstärkt in vollzeitschulische Ausbildungen. Die Anstrengungen, Mädchen für technische Berufe zu begeistern, müssen noch verstärkt werden!

Sie sprachen die insgesamt steigende Zahl der Ausbildungsverträge an. Viele Ausbildungsstellen bleiben aber auch unbesetzt – zugleich gibt es Jugendliche, die keine Lehrstelle finden. Wie ist das zu erklären?

Das ist ein ganz wichtiger Punkt, das sogenannte Passungsproblem. Wir hatten zuletzt etwa 58.000 Ausbildungsstellen, die nicht besetzt werden konnten. Obwohl es gleichzeitig rund 24.500 unversorgte Bewerber gab. Ein wichtiger Eckpunkt, der hierbei berücksichtigt werden muss, betrifft die Betriebe und die Berufswünsche. Viele Berufe sind unterschiedlich beliebt. Nicht so begehrt sind unter anderem Ausbildungen in der Gastronomie, im Reinigungsgewerbe oder manche Handwerksberufe.  Hier spielen bei Jugendlichen auch bestimmte Annahmen und das soziale Umfeld eine Rolle.

Wenn sie beispielsweise von Freunden oder Angehörigen als Feedback auf ihren Berufswunsch zu hören bekommen, der entsprechende Beruf sei doch nicht wirklich attraktiv, weil die Arbeitsbedingungen oder die Einkommensmöglichkeiten nicht optimal sind, dann lassen die jungen Leute oft ihren ursprünglichen Wunsch fallen. Eine große Rolle spielt auch das Image eines Berufes in der Gesellschaft!

Wie lässt sich denn das Image eines Berufes konkret verbessern?

Wir müssen unter anderem viele Handwerksberufe attraktiver und zukunftsfähiger machen. Die digitalen Techniken bieten ja große Chancen. Denken Sie zum Beispiel an den "Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung und Klima" – den früheren Gas-/Wasser-Installateur. Das ist ein total spannender, technik- und umweltorientierter Beruf! Sie haben dabei mit modernsten Smart-Home-Techniken und neuester Solartechnik zu tun. Wichtig ist nun, diese Berufsbilder weiterzuentwickeln und vor allem bekannter zu machen und das Moderne an diesen Berufen herauszustellen!

Zudem sollte immer auf die guten Perspektiven beispielsweise im Handwerk hingewiesen werden. Handwerker werden dringend gesucht. Sie können sich selbstständig beziehungsweise den Meister machen; es gibt viele Möglichkeiten. All dies muss viel stärker in der Gesellschaft kommuniziert werden. Die jungen Leute achten schon darauf, welche Chancen ein Beruf bietet und ob die Ausbildung anspruchsvoll ist.  
 
Gibt es denn beim "Passungsproblem" noch ein anderes Phänomen?

Es gibt regional sehr große Unterschiede. So fallen die Verhältnisse auf dem Ausbildungsmarkt aus Sicht der nachfragenden Jugendlichen im Süden und Osten Deutschlands deutlich günstiger aus als im Norden und Westen. Und auch in ländlichen Räumen gibt es verstärkt Probleme, ein ausgewogenes Verhältnis von Ausbildungsstellen und Bewerbern hinzubekommen. Einerseits gibt es auf dem Land mitunter für die Jugendlichen weniger attraktive Arbeitgeber. Andererseits zieht es viele junge Leute zur Ausbildung eher in die Städte. Hier müssen wir zusätzlich zum erwähnten Punkt des Berufswunsches an die Jugendlichen appellieren, mobil zu sein.

Um sie dabei zu unterstützen, sollten wir beispielsweise über ein Azubi-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr nachdenken, so wie es dies ja für Studierende als Semesterticket auch gibt. Auch die Wohnungssuche ist ein großes Thema. Als Bundesinstitut für Berufsbildung haben wir den Vorschlag gemacht, Wohnheime für Studierende in Bildungswohnheime umzufunktionieren. Das bedeutet, dass dort dann auch Auszubildende günstig wohnen können.

Die Mobilität von Jugendlichen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz will ja auch die neu aufgelegte Allianz für Aus- und Weiterbildung fördern!

Ich finde es sehr gut, dass es diese Allianz von Bund, Ländern, Kammern, Verbänden und Gewerkschaften gibt. Dabei geht es ja auch darum, die Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe zu verbessern und zu vereinfachen. Gut finde ich auch das Vorhaben, die "Assistierte Ausbildung" zu einem dauerhaften Instrument weiterzuentwickeln, auszubauen und flexibler zu gestalten. Hierbei werden Jugendliche professionell begleitet, die alleine nicht direkt den Weg in die Ausbildung finden können, weil ihnen bestimmte Kompetenzen fehlen. Entscheidend ist auch, dass die Allianz die Gleichwertigkeit der beruflichen und der akademischen Bildung hervorhebt.  

Was raten Sie Jugendlichen, die jetzt noch kurzfristig einen Ausbildungsplatz suchen?

Wichtig ist, mobil zu sein. Aber auch die Augen in der Region aufzuhalten, in der man lebt! Junge Leute sollten den Mut haben, sich initiativ auch dann bei einem Betrieb zu bewerben, wenn unklar ist, ob dort noch eine Ausbildungsstelle frei ist. Informationen über die mehr als 300 Ausbildungsberufe in Deutschland findet man im Internet. Was sich immer auszahlt: kurze Wege nutzen. Also vor Ort einmal direkt Kontakt mit den Innungen, den Kammern oder der Kreishandwerkerschaft aufnehmen. Wer deutlich macht, dass er bei der Lehrstellen-Suche Hilfe braucht, dem wird dort auch geholfen!