Auf der anderen Seite der Mauer

Ausstellung an der East Side Gallery Auf der anderen Seite der Mauer

Als zeitloses Symbol von Angst, Feindschaft und Rassismus bezeichnet der Künstler Stefan Roloff die Berliner Mauer. Mit seiner neuen Installation "Beyond the Wall" auf der Westseite erinnert er an den Alltag der deutschen Teilung.

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East-Side-Gallery

Besucher und Besucherinnen betrachten die Installation "Beyond the wall".

Foto: Kulturprojekte Berlin, Foto Antje Schröder

Kurz nach dem Mauerfall entstand mit der East Side Gallery eine Kunstmeile von 1,3 Kilometern Länge. Die Rückseite der ehemaligen Berliner Mauer in Friedrichshain prägte bisher eine weiße Wand. Doch jetzt ist auf der Spreeseite der beliebten Touristenattraktion eine neue Kulisse entstanden: Die "West Side Gallery".

Nachdem die Mauer erstmalig 2013 mit der Ausstellung "Wall on Wall" bespielt wurde, können Besucher und Besucherinnen in diesem Jahr die neue Installation "Beyond the Wall" des deutsch-amerikanischen Malers, Videokünstlers und Filmemachers Stefan Roloff in Augenschein nehmen.

Interessierte können die Ausstellung kostenlos bis zum 9. November besuchen. Die Schau ist einer Zusammenarbeit des Vereins "Kunst darf alles" und der Kulturprojekte Berlin GmbH entwachsen. Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, eine von der Kulturstaatsministerin geförderte Kultureinrichtung, ermöglicht die Multimediainstallation.

Der Blick aus dem Westen

Ganze 229 Meter lang ist Roloffs neue Ausstellung. Auf der Rückseite - der "Westside" der ehemaligen Berliner Mauer - zeigt der Künstler Videoaufnahmen der Grenze, die er 1984 von Westberlin aus filmte. Die Standbilder der Videos sind eigentlich nur so groß wie Briefmarken.

Nun nehmen sie die ganze Höhe der Mauer ein – dank einer von Roloff eigens entwickelten Technik. Die Verzerrungen und Unschärfen in den Bildern, die dieser Technik geschuldet sind, führen dazu, dass vom nahen ein malerischer Effekt entsteht, während die Bilder von weiter weg fotorealistischer werden.

Die Aufnahmeausschnitte zeigen den sogenannten Todesstreifen und Grenzsoldaten, die an den unterschiedlichen Stellen der Mauer wie der Bernauer Straße oder dem Potsdamer Platz ihren alltäglichen Dienst verrichteten.

"Jetzt haben sie dich gefunden“"

Mario Röllig ist einer der Zeitzeugen, dessen Leben in der DDR von der Mauer geprägt war und die Roloff gemeinsam mit der Bürgerrechtlerin Carola Stabe 18 Jahre nach dem Mauerfall interviewte. Als Homosexueller war Röllig ins Visier der Stasi geraten. Sein Fluchtversuch misslang.

Die Videobilder aus dem ehemaligen Grenzgebiet kombiniert Roloff mit Zeitzeugenporträts in Form von Bildern und Interviewzitaten. Großformatige Schwarz-Weiß-Silhouetten von ehemaligen Ostberlinern sind auf der Mauer zu sehen – beschriftet mit einem prägenden Zitat aus den geführten Interviews: "Jetzt haben sie dich gefunden" heißt es auf einer Silhouette oder "Vor der Dusche hatte ich Angst. Sie sah aus wie aus dem Film 'Nackt unter Wölfen'".

Auszüge aus sechs der insgesamt 70 Videoporträts sind in der Ausstellung zu sehen und können über Links vollständig auf dem Handy abgerufen werden.

An der West Side Gallery und in der Zwinglikirche begleitet ein Programm die Installation. Bürgerrechtlerin Carola Stabe, die an den Interviews mitwirkte, moderiert die Veranstaltungen, in denen ehemalige DDR-Verfolgte wie Mario Röllig ihre Geschichten erzählen. Neben Röllig, der in Hohenschönhausen inhaftiert war, berichtet auch Alexander Arnold von seiner Zwangsarbeit für Ikea im Gefängnis und DDR-Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe über ihr wachsendes Bewusstsein im Mauerstaat.

Zeitlose Geschichte

Ehemalige Westberliner erinnern sich an Wachtürme, Stacheldraht und die militärische Zone, die sie oft Todesstreifen nannten - Ostberliner eher an die Hinterlandmauer, die das Terrain abriegelten und ihnen die Sicht versperrte.

Mit seiner Installation erinnert Roloff, ein Pionier der digitalen Foto- und Videokunst, an die deutsche Teilung und daran, wie die Mauer das Leben der Deutschen prägte. Er betont, dass die Mauer ein zeitgenössisches Symbol von Angst, Feindschaft und Rassismus sei.

Es handle sich um zeitlose Geschichte - die Abschottung der USA gegenüber Mexiko beweise, dass die Mauer in Deutschland zwar abgebaut, an andere Stelle aber mit gleichem Ziel wieder errichtet werden würde.