Altmühltal: Windkraft im Naturpark

Energielandschaften Altmühltal: Windkraft im Naturpark

Windräder, Freiflächen für Solaranlagen, Stromtrassen: Die Energiewende verändert unübersehbar das Landschaftsbild. Doch wie kann der Wandel optisch ansprechend gestaltet werden? Für Windräder gibt es jetzt im Naturpark Altmühltal eine Lösung.

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Bergformation im Altmühltal mit Altmühl

Naturpark Altmühltal: Ein Modellprojekt bringt Landschaftsschutz und Windkraft in Einklang.

Foto: Naturpark Altmühltal

In Bayern, nördlich von Ingolstadt, liegt das Altmühltal. Verschlungene Täler, mächtige Felsformationen, natürliche Flussläufe: Deutschlands viertgrößter Naturpark ist bei Touristen sehr beliebt. Aber auch für Erzeuger von Windkraft ist die Gegend attraktiv, denn die Höhenlagen versprechen eine gute Wind-Ausbeute.

Standortsuche im Schutzgebiet

Der Naturpark ist Landschaftsschutzgebiet. Windräder sind trotzdem erlaubt, allerdings nur an Standorten, die vom Schutzgebieten ausgenommen sind. Das ist im bayerischen Windkrafterlass so geregelt.

Welche Standorte kommen grundsätzlich überhaupt in Frage ? Jeden einzelnen Antrag eines Windrad-Investors zu prüfen, wäre aufwändig und hätte zahlreiche aufwändige Einzelentscheidungen zur Folge. Und wie erhält man das einheitliche Landschaftsbild, gerade wenn - wie im Altmühltal – mehrere Gemeinden und Landkreise beteiligt sind ?

Gemeinsames Konzept  

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit hat zur Beantwortung dieser Fragen einen neuen Weg beschritten: Es beauftragte 2012 das Institut für Landschaftsarchitektur der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, für den Naturpark Altmühltal ein "Zonierungskonzept" zu entwerfen.

In nur vier Monaten legte das Team um Professor Markus Reinke mögliche Standorte für Windkraftanlagen im Naturpark fest. Alle Beteiligten - Regierungen, Landkreise, kreisfreie Städte und Körperschaften – konnten ihre Sicht in den Prozess einbringen.

Freie Sicht auf Postkartenmotive

Zunächst legte das Team Gebiete fest, in denen keinesfalls Windräder stehen dürfen. Als Orientierung für solche "Tabuzonen" dienten wichtigen Denkmäler wie die Befreiungshalle in Kelheim oder die Burg Brunn.

Auch "typische Ansichten" wie der Donaudurchbruch sollen windradfrei bleiben. Im Umkreis von drei Kilometern solcher "Postkartenmotive" sind Windräder tabu. Weitere Tabuzonen entstanden durch die Vorkommen sensibler Tierarten und durch den Verlauf der Täler.

Über uns nur Himmel

Wer in den schönen Altmühl-Tälern wandert, soll einen uneingeschränkten Fernblick haben. "Ziel ist es," so Professor Reinke, "dass man die Windräder soweit von den Tal-Kanten wegstellt, dass man sie aus dem Tal-Grund heraus nicht mehr sieht."

Wie weit, ist in den Landkarten jetzt für jedes Tal individuell vermerkt. So bleibt der Raum rund um die Täler ebenfalls windradfrei und der Landschaftscharakter erhalten. Reinke ermittelte die "Sichtbarkeitsgrenzen", ausgehend vom Tal-Grund bei Windräder von bis zu 200 Meter Höhe.

Je nach Beschaffenheit des Tales variieren die Abstände an den Tal-Kanten. "Denn aus weiten Tälern sehe ich flach heraus, das heißt, die Windräder müssen weiter nach hinten rücken. Aus engen, tiefen Tälern schaue ich steil heraus. Dort können die Windräder auch etwas an die Oberkante der Täler heranrücken", so der Wissenschaftler.

Naturparkverordnung angepasst

Doch es gibt nicht nur Verbotszonen. In den sogenannten Entscheidungs- oder Ausnahmezonen könnten Windräder grundsätzlich stehen. Am Ende eines Genehmigungsverfahrens wird über jeden Einzelfall entschieden.

Im Laufe des Jahres 2013 haben die Landkreise und Bezirke die Naturparkverordnung auf Grundlage des Zonenkonzepts geändert. Auch der Bund hat Interesse daran, das Altmühltal zu schützen. Er fördert die Altmühlleiten: eine typische Landschaft, die durch jahrhundertelange, naturverträgliche Nutzung durch Beweidung geprägt wurde.

Landschaftsgestaltung steuern

Doch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) fördert nicht Naturschutzgebiete, es hat ein übergeordnetes Interesse an der gesteuerten Landschaftsgestaltung. Es beschäftigt sich zusammen mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) auch damit, wie das Landschaftsbild trotz des schnellen Wandels seine Eigenarten erhalten kann.

Denn der Wandel der Landschaften erfasst den Großteil unserer Landesfläche. Seit 1996 haben 66 Prozent der Landschaften der Bundesrepublik ihren Charakter erheblich geändert - vor allem durch den Bau von Siedlungen, Straßen und Anlagen für erneuerbare Energien.

Schneller Wandel braucht neue Ideen

Ein Forschungsprojekt von BfN und BBSR zeigt, dass sich unsere Landschaften auch in Zukunft wandeln werden. In den nächsten 17 Jahren betrifft dies die Hälfte der Landschaften in Deutschland. Innerhalb einer einzigen Generation hätten sich dann rund zwei Drittel der gewohnten Landschaftsbilder in ihren Grundzügen verändert.

"Raum- und Landschaftsplanung müssen deshalb ihre gesetzlich gewährten Gestaltungsspielräume ausschöpfen, um Konflikte um die Nutzung von Kulturlandschaften auszubalancieren", erläutert BBSR-Direktor Harald Herrmann. "Es gilt die Handlungsfähigkeit der Regionen zu stärken, um dem Wandel eine Form zu geben."

Broschüre als Planungshilfe

Zum Forschungsprojekt geben die beiden Bundesbehörden die Broschüre "Den Landschaftswandel gestalten!" heraus. Sie unterstützt Verantwortliche bei einer verträglichen Landschaftsplanung. In ihr wird die Vielfalt der Kulturlandschaften Deutschlands dargestellt und typisiert.

Die Experten beschreiben für die einzelnen Landschaftstypen, wie ihre Proportionen und Eindrücke durch den richtigen Standort für neue Bauten berücksichtigt werden können. So erhalten Kommunen und Regionen Anregungen dazu, über die Ansätze der Raumplanung hinaus auch die Optik in den Planungsprozess mit einfließen lassen.

Kommunikation und Beteiligung wichtig

BfN-Präsidentin Professorin Beate Jessel: "Die Herausforderung liegt darin, den Landschaftswandel, wie er etwa aufgrund der Ausbauziele für erneuerbare Energien noch derzeit abläuft, anzunehmen und in naturverträgliche Bahnen zu lenken. Neben vorausschauender Planung kommt es dabei vor allem auch auf Kommunikation und Beteiligung an." Der Naturpark Altmühl kann dafür Vorbild und Inspiration sein.