Landwirtschaft ohne chemischen Pflanzenschutz

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Agrarsysteme der Zukunft Landwirtschaft ohne chemischen Pflanzenschutz

Den Einsatz von Pestiziden verringern und natur- sowie umweltverträgliche Alternativen fördern – diesem Ziel hat sich die Bundesregierung verpflichtet. Im Rahmen der BMBF-Förderinitiative „Agrarsysteme der Zukunft“ forschen mehrere Konsortien an nachhaltigen Produktionssystemen. Zwei stellen wir vor.

5 Min. Lesedauer

Das Bild zeigt eine Salatpflanze in einem nachhaltigen Anbausystem.

Die Forschungsprojekte „NOcsPS“ und „SUSKULT“ beschäftigen sich mit einer zukunftsorientierten, kreislaufbasierten und nachhaltigen Lebensmittelproduktion.

Foto: Fraunhofer UMSICHT/ Volkmar Keuter

Die globale Landwirtschaft befindet sich in einem akuten Spannungsfeld mit enormen Herausforderungen. Es gilt, dem Klimawandel zu trotzen und gleichzeitig die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Zugleich sind die natürlichen Ressourcen zu schonen und effizient einzusetzen sowie die Biodiversität zu erhöhen.

In der Diskussion steht hier auch der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel. Negative Folgen für die Artenvielfalt, Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Nahrungsmitteln und in der Umwelt sind in der Kritik und verunsichern Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Bundesregierung setzt deshalb stark auf ökologischen Landbau, der auf chemisch-synthetische Pestizide verzichtet. Bis 2030 sollen 30 Prozent der bewirtschafteten Fläche ökologisch bebaut werden. „Weniger Pestizide, weniger Dünger und mehr Natur“, beschreibt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir das agrarische Leitbild.

Doch gibt es wirklich nur die beiden Varianten: konventionelle oder ökologische Landwirtschaft? Dieser Frage geht das Verbundprojekt „NOcsPS“ nach.

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Video Nachhaltige Landwirtschaft 4.0

Video: Agrarsysteme der Zukunft

Projekt NOcsPS forscht an neuen Wegen

NOcsPS – das bedeutet „Landwirtschaft 4.0 ohne chemisch‐synthetischen Pflanzenschutz“. Hier geht es um die Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion: auf chemische Pflanzenschutzmittel wird verzichtet, dafür Mineraldünger eingesetzt.

Das Ziel des Verbundprojektes ist nicht weniger als ein neues Agrarsystem, das zwischen konventioneller und Bio-Landwirtschaft angesiedelt ist. Die Verbundpartner wollen eine neue Ackerbaustrategie entwickeln – vom Feld bis auf den Markt. Die Forscherinnen und Forscher nehmen dafür die gesamte Wertschöpfungskette ins Visier – von Züchtung und Produktqualität über das Management von Resistenzen und Schadorganismen bis zur Betriebswirtschaft, den Effekten auf das Ökosystem und der gesellschaftlichen Wahrnehmung.

„Zum Einsatz kommen modernste automatisierte und digitalisiert vernetzte Technologien, die biologischen Prinzipien folgen“, erklärt einer der Koordinatoren des Forschungsverbunds, Professor Enno Bahrs von der Universität Hohenheim: „Ziel sind hohe Erträge mit qualitativ hochwertigen Produkten bei gleichzeitiger Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, auch durch den Einsatz mineralischer Dünger.“

Das Bild zeigt die Agrarminister der G7-Staaten und einen Unkrautbekämpungsroboter.

Zum G7-Agrarministertreffen im Mai 2022 präsentiert die Universität Hohenheim den im Projekt „NOcsPS“ eingesetzten Unkrautbekämpfungsrobotor Phoenix.

Foto: Universität Hohenheim/Jan Winkler

Smart Farming ist Schlüssel zum Erfolg von NOcsPS

Unkräuter vernichten, Viren, Bakterien, Pilze und Schädlinge vermeiden – ganz ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Kann das gelingen? Dem Bereich Smart Farming kommt hier eine herausragende Bedeutung zu. „Denn ohne chemische Pflanzenschutzmittel gewinnt etwa die Unkrautbekämpfung durch automatisierte und digitalisierte Hacktechniken an Bedeutung“, erläutert Professor Ralf Vögele, ebenfalls von der Universität Hohenheim. Das gelte beispielsweise für die Technik zur Düngerapplikation und für Saattechniken.

Auch bei den verschiedenen Schadinsekten und Schadpilzen seien Veränderungen durch das neue System zu erwarten, erklärt Professor Vögele. „Hier brauchen wir bessere Prognosemodelle, um darauf reagieren zu können – etwa mit den Mitteln des biologischen Pflanzenschutzes oder bereits in der Züchtung solcher Organismen.“

Die Universität Hohenheim koordiniert das Projekt NOcsPS . Projektpartner sind das Julius Kühn-Institut (JKI) und die Universität Göttingen. Gefördert wird das Vorhaben vom Bundesforschungsministerium (BMBF) im Rahmen der Förderinitiative „Agrarsysteme der Zukunft“ , das insgesamt acht Forschungskonsortien vereint.

Projekt SUSKULT: Gemüseanbau auf der Kläranlage

Ein weiteres Verbundprojekt innerhalb der BMBF-Förderinitiative zielt auf die nachhaltige Agrarproduktion in urbanen Räumen. Die Fragen sind drängend: Bis Mitte des Jahrhunderts werden rund zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Auch unter den Gesichtspunkten des Klimawandels ist eine Agrarproduktion im urbanen Raum, mit kurzen Transportwegen, basierend auf Nährstoffen, die vor Ort und in direkter Nähe zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern entstehen, geboten.

Ziel ist es, eine auf Hydroponik basierende Nahrungsmittelproduktion zu entwickeln, bei der Pflanzen in einem Indoor-Kreislaufsystem kultiviert werden. Die benötigten Ressourcen sowie Wärme und Wasser bezieht das „SUSKULT-Anbausystem“ dabei direkt aus einer Kläranlage.

SUSKULT konzipiert nichts Geringeres als die Transformation der heutigen Agrarwirtschaft und möchte damit maßgeblich zum biobasierten Wandel Deutschlands beitragen“, formuliert Volkmar Keuter vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik und Projektkoordinator von SUSKULT den Forschungsanspruch. Insgesamt 15 Partner bilden das Projektkonsortium. Die gesamte Wertschöpfungskette der Lebensmittelproduktion wird dabei in den Blick genommen: von der Nährstoffgewinnung bis zur Produkteinführung auf den Markt und der Akzeptanz der Verbraucherinnen und Verbraucher.


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Video Wege einer urbanen Agrarproduktion

Video: Agrarsysteme der Zukunft

„NEWtrient®-Center“ - die neuen Kirchtürme der Städte

SUSKULT entwickelt ein Bausteinsystem, mit dem der Pflanzenanbau direkt auf dem Kläranlagengelände realisiert werden kann. In sogenannten NEWtrient®-Centern werden für den Anbau benötigte Ressourcen aus dem kommunalen Abwasser zurückgewonnen und aufbereitet, die dann direkt vor Ort für die Produktion eingesetzt werden können. Kläranlagen eignen sich hervorragend als Rohstoffquellen, da alle für die Pflanzenproduktion benötigten Komponenten –insbesondere Phosphor, Kalium, Stickstoff und CO2 – hier zu finden sind.

Volkmar Keuter erläutert: „Unser SUSKULT-Konzept sieht vor, dass im Jahr 2050 von den „NEWtrient®-Center“ aus die Bewohner der Stadt mit frischen und gesunden Lebensmitteln versorgt werden können. Lange Transportwege fallen weg und es werden nur Nährstoffe verwendet, die ohnehin schon in Kläranlagen zu finden sind.“

Zudem, so Keuter, befänden sich durch das Stadtwachstum die meisten der Kläranlagen schon jetzt häufig nicht mehr außerhalb der Stadt, sondern mitten in den urbanen Zentren. „Denkt man das bis zum Ende, können NEWtrient®-Center künftig die neuen Kirchtürme der Städte als wirtschaftliche und gesellschaftliche Mittel- und Orientierungspunkte darstellen.“ So würden sich auch die innerstädtischen Strukturen verändern. Keuter: „Wochenmärkte zum Beispiel könnten sich vom Marktplatz weg an den Ort des Anbaus verlagern und dort den Verbrauchern anbieten, ihr Obst und Gemüse selbst zu ernten.“

Das Projekt „SUSKULT – Entwicklung eines nachhaltigen Kultivierungssystems für Nahrungsmittel resilienter Metropolregionen“ wird sowohl in der Fördermaßnahme „Agrarsysteme der Zukunft“ als auch im Rahmen der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ der Bundesregierung durch das Bundesforschungsministerium gefördert.

Die Fördermaßnahme „Agrarsysteme der Zukunft“ wird zum Tag der offenen Tür der Bundesregierung, am Sonntag, dem 21. August, um 13 Uhr im Bundesministerium für Bildung und Forschung vorgestellt.