"Tür in die digitale Zukunft"

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"Tür in die digitale Zukunft"

"Die Deutsche Digitale Bibliothek eröffnet uns mit dem digitalen Raum einen weiteren, bislang nicht denkbaren Zugang zu unserem kulturellen Erbe", erklärte Kulturstaatsministerin Monika Grütters zum Start des Regelbetriebs der Deutschen Digitalen Bibliothek. Schutz der Privatsphäre, Urheberrecht und Datenschutz hätten dabei höchste Priorität.

Montag, 31. März 2014 in Berlin

- Es gilt das gesprochene Wort. -

Anrede,

wir sind heute hier, um den DDB-Regelbetrieb zu starten. Ehe wir aber zu den Segnungen des Internets kommen, müssen wir zur Kenntnis nehmen: Das Internet ist ins Gerede gekommen. Sogar vielen, die das Netz gestern noch als Sehnsuchtsort von Freiheit und Glück verklärten, ist es nach den Enthüllungen weltweiten und systematischen Ausspähens gewaltiger Datenströme unheimlich geworden. Erinnern wir uns, was der Google-Gründer Eric Schmidt einst den Netzbewohnern anriet: "Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, dann sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun."

Erfassten Kenner der Materie schon damals den beklemmenden Hintersinn dieser Empfehlung, so leuchtet er heute selbst denen unmittelbar ein, die eher wenig mit dem Internet zu tun haben. Wir erleben derzeit einen globalen Kampf um die Deutungshoheit über das Internet und seine Bauprinzipien. "Ihr könnt nicht kritisieren, was Ihr nicht versteht" - unverdrossen hielten das Silicon Valley und der überwiegende Teil der Netzgemeinde dieses Mantra jedem Kritiker der augenfälligen Verwerfungen im Netz entgegen.

Beinahe jede Kritik wurde als ewig gestriger, kruder Kulturpessimismus und ahnungslose Fortschrittsverweigerung lächerlich und für die politische Debatte unbrauchbar gemacht werden konnte.

Tatsächlich aber geht es heute um nicht weniger als darum, unsere digitale Souveränität zu wahren. Wie wir das Internet verstehen, bauen und nutzen, hängt davon ab, wie wir als Einzelne und als Gesellschaft leben wollen.

Und so ist es kein Zufall, dass wir uns heute hier in der Gemäldegalerie, im Angesicht 600 Jahre europäischer Kunstgeschichte versammeln, um mit der Aufnahme des Betriebs der Deutschen Digitalen Bibliothek eine Tür in die digitale Zukunft weit zu öffnen. Hier, in diesem Schatzhaus unserer Kunstgeschichte, umgeben von der Aura des Originals, wollen wir die uralte Menschheitsfrage nach dem guten und richtigen Leben in unserer Zeit neu beantworten, mit der sich auch die Kunst jahrhundertelang und bis heute beschäftigt.

Wir müssen die grundlegende Frage danach stellen, welche Werte im Netz gelten sollen, wenn wir die enormen freiheitsstiftenden Kräfte des Internets aktivieren und bewahren wollen.

Wie aber könnten wir diese Herausforderung meistern, ohne uns auf unser kulturelles Erbe zu besinnen? Wie sollte es möglich sein, auf die Frage, wie wir leben wollen, zu antworten, ohne unsere kulturelle Identität als Deutsche und Europäer zu bedenken und darauf zu beziehen?

Die Deutsche Digitale Bibliothek eröffnet uns mit dem digitalen Raum einen weiteren, bislang nicht denkbaren Zugang zu unserem kulturellen Erbe. Ich denke da zum Beispiel an das faszinierende Europeana 1914-1918 Themenportal zum Ersten Weltkrieg mit seinen tausenden von privaten Zeugnissen, das wir, liebe Jill Cousins, hier in Berlin Ende Januar freischalten konnten.

Angesichts solcher Möglichkeiten kommt immer mal wieder die Frage auf: Muss nun also keiner mehr ins Museum gehen? Im Gegenteil: Ich bin fest davon überzeugt, dass der virtuelle Zugang zu unserem kulturellen Erbe den Anreiz, die elektronische Präsentation der Objekte um eine reale Begegnung zu ergänzen, eher erhöht als senkt – dies schon deshalb, weil immer mehr Menschen angesichts der zunehmenden Virtualisierung ihrer Lebenswelt ein starkes Bedürfnis nach "realen Gegenwelten" und handfesten Erfahrungen entwickeln. Zudem bietet die DDB einen weit gespannten Überblick über die Bestände und ihre Standorte, der so bisher fehlte. Jeder Nutzer kann nun buchstäblich per Mausklick feststellen, welche Angebote die unterschiedlichsten Einrichtungen an seinem jeweiligen Wohn-, Geschäfts- oder Urlaubsort bereithalten – und dabei manch‘ positive Überraschung erleben, da bin ich mir sicher.

Ein weiteres kommt hinzu: Via Internet können nun auch diejenigen angesprochen werden, die Museen, Bibliotheken, Konzertsäle und andere Kultureinrichtungen eher selten oder gar nicht besuchen. Mit der DDB gewinnen wir neue Chancen, sie mit unserem kulturellen Erbe in Berührung zu bringen, sie dafür zu interessieren und ihnen Schwellenängste zu nehmen. Hier denke ich besonders an die Kinder und Jugendlichen, die schon im Netz zuhause sind.

Deshalb wird die DDB noch im Laufe dieses Jahres mit dem Betrieb eines speziellen Kinder- und Jugendportals beginnen. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingen wird, gerade dieses Angebot ständig auszuweiten und zu verbessern.
Google hat mit seiner weit reichenden Digitalisierung von Kulturgut, insbesondere mit dem Projekt "Google Books", viel Furore gemacht – um es mal so vorsichtig auszudrücken. Aber in Deutschland und Europa hat dies auch ernste Besorgnis vor einem möglichen Informationsmonopol des amerikanischen Unter-nehmens ausgelöst.

Wie die Europäische Digitale Bibliothek, die Europeana, ist die DDB eine öffentliche, staatliche Antwort auf diese privatwirtschaftlichen Aktivitäten. Denn Datenmonopole müssen verhindert werden, weil sie eben auch zu Deutungsmonopolen werden können, die nicht in eine freiheitliche Gesellschaft passen.
Europeana und DDB, die eng miteinander kooperieren, sind tief im kulturellen Selbstverständnis unseres Kontinentes verwurzelt und arbeiten jenseits der kommerziellen Logik des Marktes. Das ist – neben der finanziellen Seite – auch der Grund dafür, dass beide Einrichtungen viel länger brauchten als Google, um an den Start zu gehen.

Denn ihre Gründung wurde nicht von Konzernlenkern allein nach ökonomischem Kalkül entschieden. Vielmehr musste sie auf allen Ebenen von Fachkreisen und Politik ausführlich verhandelt und schließlich auch finanziert werden. Das war nur möglich, weil alle Beteiligten konstruktiv an dieser Aufgabe mitgewirkt haben.

Dabei war und ist es für den Erfolg der Projekte unerlässlich, die Besonderheiten aller Partner angemessen zu berücksichtigen und ihre Vielfalt authentisch abzubilden. Dieser mit größter Sorgfalt erarbeitete Konsens zahlt sich nun mehr und mehr aus. Er wird, da bin ich mir sicher, den Digitalisierungsprozess unserer Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen zunehmend konzentrieren und beschleunigen.

Noch ein Gedanke ist mir wichtig. Im Gegensatz zu manchen kommerziellen Anbietern, für die die Inhalte oft Mittel zum Zweck der Datensammlung sind, folgen die Angebote der DDB folgen nicht dem Streben nach den größten Klickzahlen, sondern allein ihrer Qualität und Relevanz für das Bemühen, den Bürgerinnen und Bürgern auch im Netz einen authentischen und umfassenden Zugang zu unserem kulturellen Erbe zu eröffnen. Dabei haben der Schutz der Privatsphäre, Urheberrecht und Datenschutz höchste Priorität.

Obwohl sie keine Entgelte erhebt, ist die DDB natürlich nicht umsonst zu haben. Die über 20 Millionen Euro, die für Infrastruktur und Betrieb der DDB in den letzten Jahren bereits geflossen sind, können nur ein Anfang sein. Denn die Digitalisierung der Bestände aus bis zu 30.000 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen, der Portalbetrieb und die technische Fortentwicklung der Infrastruktur der DDB erfordern dauerhaft weitere beträchtliche Mittel.

Das ist gut angelegtes Geld. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die DDB auch in Zukunft voll und ganz in öffentlicher Verantwortung bleiben muss, um ihren besonderen Bildungsauftrag erfüllen zu können. Sicher sollten mögliche Kooperationen mit privaten Anbietern und Einrichtungen mit großer Offenheit ausgelotet werden. Sie dürfen aber nur realisiert werden, wenn sie Wesen und Aufgaben der DDB nicht beeinträchtigen. Ganz klar ist: Die DDB muss auch künftig werbefrei bleiben.

Der Staat wird auch auf Dauer Hauptfinanzier der DDB sein. Und deshalb werde ich mich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen in Bund, Ländern und Kommunen intensiv darum bemühen, dass die DDB auch in Zukunft über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen kann.
Dem heutigen Start des Regelbetriebs der DDB gingen umfangreiche konzeptionelle und technische Vorarbeiten voraus. Aus dem Ende 2012 eröffneten Beta-Betrieb konnten wir wichtige Erkenntnisse gewinnen, die es uns ermöglichen, die DDB immer weiter zu verbessern. Ich denke, dass uns die nachher stattfindende Präsentation von der beeindruckenden Leistungsfähigkeit der DDB überzeugen wird.

Was nun die Technik anbelangt, bin ich sehr froh darüber, dass es uns gelungen ist, Konzeption und Betrieb der DDB im Wesentlichen mit Sachverstand und Dienstleistern aus Deutschland zu realisieren. Denn dies trägt entscheidend dazu bei, dass wir auch bei ihrer Weiterentwicklung, die ja per definitionem nie abgeschlossen sein wird, allein unseren Vorstellungen und Zielen folgen können.

Meine Damen und Herren,
es ist eine wesentliche Aufgabe der Kultur, kritisches Maß unseres Lebens zu sein – wo könnte uns dies bewusster sein als hier, in der wunderbaren Gemäldegalerie. Gerade an den hervorragenden künstlerischen und intellektuellen Leistungen lässt sich ablesen, was der Mensch im besten Sinne sein kann und sein soll.

Dafür muss die Kultur die Menschen gelegentlich vom Alltäglichen und vermeintlich Bekannten entfremden, muss irritieren, aufrütteln und anspornen. Das ist allerdings meist unbequem und wird deshalb vielleicht gerade im Internet nicht unbedingt gesucht. Wenn die DDB es schafft, diesen Impetus der Kultur auch ins Netz zu tragen, dann wäre das eine großartige Leistung. Und alle, die daran mitwirken, können stolz darauf sein.

In diesem Sinne wünsche ich der Deutschen Digitalen Bibliothek eine große Zukunft – "Kultur und Wissen online" sind dafür eine passende Formel. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danke ich sehr herzlich für Ihr außergewöhnliches Engagement und wünsche Ihnen allen erdenklichen Erfolg – auf dass die DDB beweise, dass wir das Netz durchaus immer mal wieder als "Sehnsuchtsort von Freiheit und Glück" begreifen dürfen!