Zukunftsfähiges humanitäres System schaffen

Merkel bei Weltgipfel in Istanbul Zukunftsfähiges humanitäres System schaffen

Bundeskanzlerin Merkel verlangte auf dem UN-Gipfel die strikte Einhaltung des Völkerrechts. Es sei eine Katastrophe, dass darüber gesprochen werden müsse. Zudem forderte Merkel globalen Konsens darüber, Nothilfe bei Katastrophen, Krisen und Kriegen besser zu vernetzen.

Bundeskanzlerin Merkel in Istanbul

Merkel: "Wir brauchen einen erneuerten globalen Konsens über die humanitären Prinzipien."

Foto: Bundesregierung/Güngör

"Wir dürfen nicht von Katastrophe zu Katastrophe arbeiten", forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Istanbul. Nötig sei ein globales System möglichst reibungsloser und ineinander greifender internationale Hilfe. Die Welt müsse lernen, Frühwarnung, Prävention, Stabilisierung, Friedenskonsolidierung und nachhaltige Entwicklung sowie die jeweiligen Instrumente zusammenzudenken", so die Kanzlerin in ihrer Rede beim Leaders' Roundtables.

Die internationale Gemeinschaft brauche einen erneuerten Konsens über die humanitären Prinzipien. Es sei eine Katastrophe, dass man überhaupt über die Einhaltung des Völkerrechts sprechen müsse, betonte Merkel. "Trotzdem erleben wir in Syrien, im Jemen und anderswo, dass systematisch Krankenhäuser bombardiert, Gesundheitszentren zerstört werden und Ärzte ihr Leben verlieren."

Erster Humanitärer Weltgipfel

Der erste World Humanitarian Summit findet auf Initiative von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon statt. Die internationale Gemeinschaft will hier ihr globales Engagement zur Beilegung von Krisen stärken. Humanitäre Notsituationen sollen verhindert und humanitäre Katastrophen effizienter bewältigt werden.

Merkel dankte UN-Generalsekretärs Ban, dass er damit "den Finger in die Wunde gelegt" habe. Der Türkei dankte sie für ihre Gastfreundschaft. Neben der Bundeskanzlerin nahmen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Entwicklungsminister Gerd Müller am Gipfel teil.

Der World Humanitarian Summit findet vom 23. bis 24. Mai auf Einladung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Istanbul statt. Neben Regierungen und internationalen Organisationen sind Delegationen von Nichtregierungsorganisationen, der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften sowie Vertreter des Privatsektors vertreten.

Entwicklungszusammenarbeit besser vernetzen

Die internationale Gemeinschaft müsse ihre Aktivitäten künftig besser vernetzen, forderte Merkel. So könnte sie Krisen und Konflikten effektiver bewältigen. Vorbeugung, Entwicklungszusammenarbeit und die Agenda 2030 müssten Hand in Hand gehen.

Klimawandel, Hunger oder Bürgerkriege - Konflikte hätten viele Ursachen. "Deshalb müssen wir an mehreren Stellen ansetzen", so Merkel. Vor allem müssten die Instrumente besser ineinandergreifen.

Frieden sei die entscheidende Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Deshalb müsse die internationale Gemeinschaft lernen, sowohl in der Krisenprävention als auch bei der Reaktion auf gewaltsame Konflikte, die humanitäre und politische Handlungen besser zu koordinieren.

Gute Regierungsführung müsse stärker eingefordert werden. "Es nützt nichts, wenn wir uns international um politische Gespräche bemühen, es aber anschließend eine intransparente Regierungsführung gibt und bei den Menschen nichts von dem ankommt, was wir als Ziele festlegen."

Auch müsse es gelingen, die Zivilgesellschaft besser in die Konfliktlösung einzubeziehen, "allen voran Frauen, die sehr viel stärker die Ressourcen für ihre Familien, für die Kinder und für das Zusammenleben vor Ort einsetzen", sagte Merkel.

Finanzierung auf solide Basis stellen

Hilfsprogramme und humanitäre Maßnahmen müssten auch in Zukunft verlässlich sein. Daher plant die internationale Gemeinschaft, die Finanzierung der humanitären Hilfe neu auszurichten. "Deutschland unterstützt den Vorschlag, das Volumen des Central Emergency Response Fund auf eine Milliarde US-Dollar anzuheben", erklärte die Bundeskanzlerin auf der Plenarsitzung des Weltgipfels.

Sie warb dafür, neben klassischen Finanzierungen auch Versicherungsmodellen eine Chance zu geben, etwa Versicherungsmodellen zu Risiken des Klimawandels oder globaler Epidemien. So könne schnell geholfen werden. "Wer einen Versicherungsanspruch hat, wird nicht mehr als Bittsteller wahrgenommen, sondern als jemand, der Ansprüche hat. Deshalb können Versicherungsmodelle hier einen wirklichen Wechsel herbeiführen", erklärte Merkel.

Deutsches Engagement

Die Bundeskanzlerin bekräftigte, Deutschland werde sich künftig finanziell stärker engagieren: "Wir brauchen gefüllte Krisenfazilitäten und nicht immer erst Aktionen, wenn eine Katastrophe passiert", sagte Merkel. Neben der Erhöhung des Nothilfefonds unterstützt die Bundesregierung die Initiative von UN-Generalsekretär Ban, humanitäre Gemeinschaftsfonds in von Krisen und Konflikten betroffenen Ländern zu stärken, um die globale Krisenreaktionsfähigkeit zu fördern.

Im Anschluss an den Gipfel traf die Bundeskanzlerin den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan zu einem bilateralen Gespräch .

Mitte Mai, im Vorfeld des Gipfels, befasste das Kabinett sich bereits mit der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Einem Bericht zufolge hat der Bedarf an humanitärer Hilfe in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Das sei auf die weltweit gestiegene Zahl von Krisen und Konflikten zurückzuführen. Die Weltgemeinschaft solle deshalb in die Lage versetzt werden, künftig besser auf humanitäre Krisen zu reagieren. Bereits erzielte Vereinbarungen der Syrien-Konferenz in London zeigten erste Erfolge.