Den Wind der Veränderung nutzen

Integration am Arbeitsplatz Den Wind der Veränderung nutzen

Die Firma Reuther STC in Fürstenwalde setzt auf zukunftsweisende Technologien. Bei der Herstellung von Türmen für die Windenergie arbeiten auch Flüchtlinge wie Arfan Hussain mit - eine Investition in die Zukunft für beide Seiten.

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Hussain Afran (rechts) und sein Ausbilder Jörg Erdmann bei der Firma Reuther STC.

Beim brandenburgischen Windkraftanlagenbauer Reuther STC erhalten Flüchtlinge eine berufliche Perspektive.

Foto: Burkhard Peter

Konzentriert feilt Arfan Hussain an einem Stück Metall. Dann misst er das Werkstück. Noch ist er nicht zufrieden. Er feilt erneut, versucht zu begradigen. Es soll auf den Millimeter genau stimmen.

Der junge Mann aus Pakistan ist ganz in seinem Element. Schon nach dem Schulabschluss wollte er Klempner werden, begann eine Ausbildung. Wenige Monate später musste er aufgeben. Zu unsicher wurde die Lage in seinem Land.

Er floh, ließ alles zurück. Sein handwerkliches Geschick brachte er nach Deutschland mit. Ein Neustart fern der Heimat sei nicht leicht, sagt er. Vor allem die Familie fehle. Deutschland habe eine andere Kultur, eine andere Geschichte. "Aber man findet hier freundliche Leute", betont er.

Grundstein für die Zukunft

Leute wie Jörg Erdmann, Ausbilder bei der Reuther STC. Er kümmert sich um Arfan und drei andere Flüchtlinge, zeigt ihnen die Grundlagen der Metallbearbeitung. "Ende Februar 2016 haben sie die Einstiegsqualifizierung, kurz EQ, begonnen. Das ist eine Art Langzeitpraktikum." Dadurch könnten beide Seiten testen, ob es passt. Ohne falsche Vorstellungen.

Ab September sollen sie nahtlos in die Ausbildung zum Anlagenmechaniker starten, erklärt Erdmann das Vorhaben. Ein Berufsabschluss sei wichtig. Das schaffe für beide Seiten gute Perspektiven, auch für die Reuther STC.

"Wir finden von Jahr zu Jahr immer weniger passende Lehrlinge. Das Interesse der Jugend am Handwerk lässt spürbar nach", bedauert der Ausbilder. Auch wenn es hilfreiche Maschinen für den Bau der Stahlrohrtürme gebe, sei die Handarbeit unverzichtbar.

Freitags Mathe und Deutsch

"Arfan und die anderen machen sich gut", freut sich Erdmann. Das läge auch am zusätzlichen Unterricht, den sie während der EQ erhalten. Jeden Freitag bekommen sie Nachhilfe in Mathe und Deutsch. Zusätzlich besuchen sie einen Sprachkurs, abgestimmt auf die Fachsprache. Die Fortschritte seien beachtlich. "Am Anfang war ihr Deutsch noch nicht so gut, aber wir bilden ja keine Lehrer aus", lacht Erdmann.

Den Ausbilder beeindruckt vor allem der enorme Wille der Zugewanderten. Er merke, dass sie schon viel erlebt haben und die Sache ernst nähmen. Die Disziplin stimme, deswegen könne er schnell Inhalte vermitteln.

Mit jedem Tag werde nicht nur ihr Gefühl für Metall besser, sondern auch das Miteinander: "Die Flüchtlinge fertigen wichtige Hilfsmittel für die Produktion. Das bringt ihnen die Anerkennung der Kollegen, weil es deren Arbeit erleichtert. So wachsen alle zusammen", sagt Erdmann. "Wenn dadurch die Prozesse schlanker werden, gewinnt das Unternehmen auch."

Vielfalt als Chance

Das Unternehmen stünde schon verhältnismäßig lang im Kontakt zum Asylbewerberheim in Fürstenwalde, berichtet Gerold Brunken. Er leitet den brandenburgischen Betrieb kaufmännisch und personell. Die Reuther STC sei in den vergangenen Jahren stark gewachsen, habe nun rund 300 Beschäftigte. Gute Schweißer und Schlosser suche er immer.

Deswegen habe Brunken schnell eingewilligt, als ihn die Heimbetreiber 2014 erstmals um Unterstützung baten. "Ich wusste anfangs nicht, wie das ausgeht, ob sie eifrig und talentiert sind. Ungewiss war auch, ob die Ausländerbehörde zustimmt", erinnert er sich. "Aber ich mag Vielfalt. Bei uns arbeiten schon lange Deutsche, Polen, Slowaken und Griechen miteinander. Warum nicht auch Flüchtlinge aus Afrika, Syrien oder Pakistan?"

Willkommene Verstärkung

Deswegen bot er ihnen ein dreimonatiges Praktikum an. Die Resonanz war unerwartet hoch, erzählt er. Zwanzig Flüchtlinge hatten sich sofort gemeldet, 14 habe er nur nehmen können. "Mehr ging organisatorisch nicht", bedauert Brunken. Im Pilotprojekt wurden die Flüchtlinge im Schweißen angelernt.

"Sie waren so engagiert, dass wir den vier Besten danach einen befristeten Arbeitsvertrag als Produktionshelfer gegeben haben", erinnert sich Brunken. Hamza Ahmed Aden aus Somalia ist einer von ihnen. Seit Mai 2015 verstärkt der 25-Jährige nun den Betrieb.

Seitdem ist viel passiert. Er hat er sich fortgebildet, ist nun Schweißer mit Festvertrag und hat sogar seine erste Gehaltserhöhung bekommen. Er lebt in einer eigenen Wohnung, besucht nebenbei die Abendschule, macht Abitur. Er hat Freunde gefunden, auch unter den Kollegen.

Die Frage, was Integration für ihn bedeutet, beantwortet er ohne Zögern: "Vielfalt. Gegenseitig akzeptieren. Teil einer Gesellschaft werden. Keine Drohungen. Keine Diskriminierung." All das finden Hamza, Arfan und die anderen in Fürstenwalde.