Rede der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks,

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Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn wir über den Bundeshaushalt sprechen, dann geht es natürlich um Geld; aber es geht eben auch nicht ausschließlich um Geld. Nach den unmenschlichen Terrorakten in Paris wissen wir umso mehr, dass es auch um den Schutz unserer freiheitlichen und toleranten Gesellschaft geht. Es geht um die Sicherheit, den Schutz und die Würde der Menschen.

In wenigen Tagen werden die Delegationen aus buchstäblich allen Ländern der Welt zur Weltklimakonferenz nach Paris fahren. Für mich ist das, gerade nach den Anschlägen, aus zwei Gründen ein ganz besonderes Ereignis:

Erstens, weil wir mit der ganzen Solidarität der Staatengemeinschaft nach Frankreich kommen werden: Wir werden zeigen, dass wir nicht gewillt sind, wegen des Terrors zurückzuweichen und auf diese wichtige internationale Konferenz zu verzichten.

Zweitens wird die Konferenz zeigen, dass die Staatengemeinschaft entschlossen ist, den Klimawandel zu begrenzen und unsere Welt als einen lebenswerten Ort für künftige Generationen zu gestalten. Ja, Klimapolitik ist Friedenspolitik. Sie, Frau Kollegin Höhn, haben ganz zu Recht darauf hingewiesen, welche Dimension die Klimapolitik über den engeren naturwissenschaftlichen Ansatz hinaus hat.

Das muss also die Botschaft sein, die von der Klimakonferenz ausgeht, und es ist noch ein Grund mehr, warum wir erfolgreich sein müssen. Ich werde mit der deutschen Delegation am Samstag mit dem Zug nach Paris fahren, und in der kommenden Woche habe ich dann die Freude und Ehre, dem Deutschen Bundestag in einer Regierungserklärung die Position der Bundesregierung ausführlich darzulegen.

Lassen Sie mich vor diesem Hintergrund jetzt zu dem anderen Schwerpunkt der Verantwortlichkeiten meines Hauses kommen. Die auffälligste Veränderung im Einzelplan 16 für die Bereiche Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sind die zusätzlichen 500 Millionen Euro, die der Bund den Ländern für die soziale Wohnraumförderung zur Verfügung stellt. Praktisch ist das der Wiedereinstieg des Bundes in den sozialen Wohnungsbau. Nach vielen Jahren, in denen das Engagement und die Finanzmittel zurückgefahren wurden, ist diese Verdopplung der sogenannten Kompensationsmittel der erste große Schritt hin zu einer Trendwende.

Es gab in der Vergangenheit sicherlich durchaus Gründe dafür, dass der Wohnungsbau in Deutschland an Bedeutung verloren hatte. Die demografische Entwicklung und der in manchen Regionen erhebliche Leerstand sind nur zwei dieser Gründe. Daraus hat die Föderalismuskommission 2006 die Konsequenz gezogen, die Zuständigkeit für den Wohnungsbau vollständig auf die Länder zu übertragen. Das ist die Rechtslage, mit der wir es auch heute noch zu tun haben. Der Bund hat sich damals für eine Übergangszeit zu Kompensationszahlungen verpflichtet.

Nicht einmal zehn Jahre nach dieser Entscheidung zeigt sich, wie wir sehen, ein völlig anderes Bild: Die Großstädte, Universitätsstädte und Ballungsräume erleben einen boomenden Zuzug. Forscher sprechen von Schwarmstädten, die mit ihrer Attraktivität viele Menschen anziehen, obgleich dort der Wohnraum knapp ist. Gleichzeitig steigt der Pro-Kopf-Anspruch an die Wohnfläche. Die Folgen sind rasant steigende Mieten und Preise.

Die demografische Entwicklung wirkt auch, aber auf andere Weise als erwartet: Sie steigert die Nachfrage nach altersgerechten, barrierefreien Wohnungen. Davon gibt es noch eindeutig zu wenig. Es ist in den vergangenen Jahren ein massiver Nachholbedarf entstanden, insbesondere im sozialen, bezahlbaren Wohnungsbau. Diese Wohnungslücke ist nicht auf einzelne Städte oder Regionen beschränkt, sondern sie ist bundesweit sichtbar. Deshalb besteht für den Bund hier Handlungsbedarf. Dieser wird in den kommenden Jahren noch weiter anwachsen, wenn neben vielen anderen eine bezahlbare Wohnung Suchenden auch viele Flüchtlinge und Asylbewerber mit Bleiberecht eine Wohnung suchen werden.

Nach den aktuellen Prognosen benötigen wir deutschlandweit jährlich insgesamt mindestens 350.000 neue Wohnungen. Hier sind auch jene Wohnungen miteingerechnet, die sich Menschen als Eigenheime oder Eigentumswohnungen errichten. Die Aufstockung der Kompensationsmittel kann deshalb nur ein erster Schritt sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will deutlich machen, dass der Bund nicht nur mehr für den Wohnungsbau tun muss, sondern auch tun will. Die Bundesregierung und das Bundesbauministerium haben in dieser Legislaturperiode bereits viele Initiativen zur Stärkung des Wohnungsbaus unternommen. Ich habe das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen initiiert, das neben den vielen Bündnissen auf Länder- und kommunaler Ebene einen entsprechenden Beitrag leistet. Am Freitag dieser Woche findet ein sogenanntes Spitzengespräch im Rahmen dieses Bündnisses statt, bei dem wir die Ergebnisse der Kommission und den Abschlussbericht beraten.

Allein die Baukostensenkungskommission hat über 60 Vorschläge für kostengünstiges Bauen erarbeitet. Denn auch das ist wichtig: Wir müssen nicht nur mehr bauen, sondern auch darüber entscheiden, in welcher Qualität und zu welchen Kosten gebaut werden soll. Dafür hat das Bündnis eine ganz wichtige Arbeit geleistet.

Bund, Länder und Kommunen müssen prüfen, welche Anforderungen vereinheitlicht werden können und ob vielleicht die eine oder andere Vorschrift auch verzichtbar ist.

Im Zusammenhang mit der Errichtung von Erst- und Notunterkünften für Flüchtlinge haben wir im Baurecht bereits viele Erleichterungen geschaffen und damit Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt.

Der Wohnungsbau in Deutschland ist in Bewegung gekommen. Wir lassen die Menschen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, nicht allein. Mein Ziel ist, dass genügend Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. Wir haben mit Mietpreisbremse und Wohngelderhöhung bereits wichtige flankierende Maßnahmen umgesetzt. Der Wohnungsbau ist wieder zu einem zentralen gesellschaftspolitischen Thema geworden.

Mit den gesellschaftlichen Veränderungen verändern sich natürlich auch unsere Städte. Wir investieren mit den Programmen der Städtebauförderung in benachteiligte Quartiere und in deren bauliche Infrastruktur. Mit der deutlichen Aufstockung der Mittel für die Städtebauförderung und das Programm „Soziale Stadt“ in dieser Legislaturperiode unterstützen wir den sozialen Zusammenhalt, die Nachbarschaften und die Integration in den Quartieren, und zwar für alle dort Lebenden.

Mit dem Programm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“, BIWAQ, haben wir bereits ein Programm, das den sozialen Zusammenhalt und die Integration in den „Soziale Stadt“-Gebieten fördert. Wir sind damit auf die wachsenden Integrationsaufgaben infolge des Flüchtlingszuzugs eingestellt; freilich ohne heute schon sagen zu können, ob die Mittel langfristig dafür ausreichen werden.

Die Klimakonferenz in Paris und der Wohnungsbau sind Themen, die derzeit zu Recht große Aufmerksamkeit erfahren. Dieser aktuelle Fokus soll den Stellenwert der vielen anderen Themen des Einzelplans 16 aber nicht schmälern. Ein Beispiel sind die zusätzlichen Mittel für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Ich habe vor wenigen Wochen mit der Naturschutz-Offensive 2020 ein Maßnahmenpaket vorgestellt, mit dem Deutschland seine Ziele beim Schutz der biologischen Vielfalt noch erreichen kann; denn wenn die bisherige Entwicklung anhielte, würden wir unsere Ziele verfehlen.

Von Professor Michael Succow, den wir kürzlich als einen der „Väter“ des DDR-Nationalparkprogramms ehren konnten, stammt der Befund – ich zitiere –:

„Tag für Tag verliert diese unsere Erde ein Stück ihrer Schönheit, ein Stück ihrer Mannigfaltigkeit. Tag für Tag verliert sie aber auch ein Stück ihrer Tragfähigkeit für uns Menschen.“

Mit der Naturschutz-Offensive 2020 stemmen wir uns aktiv gegen den weiteren Verlust. Ich habe in diesem Zusammenhang die Abschaffung der Agrarsubventionen in ihrer bisherigen Form gefordert. Sie stehen einem erfolgreichen Naturschutz in Deutschland und in Europa im Weg. Stattdessen sollten wir den Landwirten die Leistungen vergüten, die sie für die Natur, für den Naturschutz und für die Kulturlandschaft erbringen. Wir werden das in Europa sowieso frühestens nach 2020 grundlegend ändern können. Aber wir werden den Anpassungsmechanismus im Jahr 2016 nutzen, um Finanzmittel von der ersten Säule in die zweite Säule zu verschieben. Ich bitte schon jetzt alle Kolleginnen und Kollegen dafür um Unterstützung. – Europa wird den Rahmen in der Tat erst nach 2020 grundsätzlich ändern. Das kann ich leider nicht verhindern.

Wir haben bekanntlich nur diese eine Erde. Deshalb müssen wir uns auf ihren Erhalt und ihren Schutz konzentrieren. Das ist natürlich kein Schritt zurück, sondern ein Schritt nach vorne. Viele Umwelttechnologien und Innovationen kommen aus unserem Land. Mit dem Haushalt 2016 wollen wir zum Beispiel eine neue Exportinitiative starten, um grüne und nachhaltige Infrastrukturen besser zu verbreiten. Das ist gut für die Einsatzorte und gut für unsere Wirtschaft. In jedem Fall sind Ökonomie und Ökologie – das haben wir längst nachgewiesen – keine Gegensätze, sondern sie können nur zusammen erfolgreich sein.

Ich möchte mich bei allen Mitgliedern des Ausschusses und bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern bedanken. Der Einzelplan 16 wird seinem Anspruch, zum Wohl aller Menschen in Deutschland beizutragen, gerecht.