Ohne Kultur keine Tradition und kein Fortschritt

20 Jahre Beauftragte für Kultur und Medien Ohne Kultur keine Tradition und kein Fortschritt

Mit einem Festakt im rekonstruierten Berliner Schloss hat die Bundesregierung das 20-jährige Bestehen des Amtes der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefeiert. "Wir sollten nie vergessen, dass die Kunstfreiheit eine der wichtigsten demokratischen Errungenschaften ist", erklärte Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Festrede.

5 Min. Lesedauer

Logo 20 Jahre BKM.

Seit 1998 gibt es das Amt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Foto: Bundesregierung

Der Ort war nicht zufällig gewählt: Zur Feier des 20. Jubiläums hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters am Montag ins Foyer des Humboldt Forums geladen. Bei Tage noch nüchterne Baustelle, verwandelte sich Deutschlands ambitioniertestes Kulturvorhaben am Abend zur feierlichen Bühne für die Kulturpolitik des Bundes. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel waren auch Grütters Vorgängerinnen und Vorgänger im Amt unter den rund 600 Gästen aus Kultur, Politik und Medien anwesend.

(v.l.n.r.) Michael Naumann, Julian Nida-Rümelin, Christina Weiss, Hartmut Dorgerloh, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Bundeskanzlerin Angela Merkel

Bundeskanzlerin Merkel und Kulturstaatsministerin Grütters beim Festakt 20 Jahre BKM im Humboldt Forum.

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Merkel: Kultur und Medien sind systemrelevant

In ihrer Eröffnungsrede unterstrich die Kanzlerin die Bedeutung der Kultur für den gesellschaftlichen Zusammenhalt: "Kultur und Medien sind für uns systemrelevant. Ohne Kultur keine Tradition und kein Fortschritt, und ohne freie Medien keine lebendige Demokratie."

Entsprechend hoch sei der Stellenwert, den die ganze Bundesregierung der Kultur- und Medienpolitik einräume, betonte die Kanzlerin. Sinnbildlich dafür stehe das Büro der Staatsministerin, das im Bundeskanzleramt beheimatet ist.

Kultur aus sich heraus verstehen

Mit Blick auf das Humboldt Forum, das Ende nächsten Jahres eröffnet werden soll, erinnerte Merkel an Alexander von Humboldt, der als zweiter Entdecker Südamerikas gefeiert wird: "Und das nicht von ungefähr, denn er wollte jede Kultur ‑ so weit möglich ‑ aus sich heraus verstehen."

Diese Maxime spiegele sich im Konzept des Humboldt Forums wider, indem es Einblicke in und Neugier auf die außereuropäischen Kulturen vermitteln wird. "Neugier auf andere Kulturen und das Bewusstsein für die eigene Kultur gehören unmittelbar zusammen", so die Kanzlerin. "Je besser wir unsere eigenen kulturellen Hintergründe kennen, umso besser können wir auch die Kulturen anderer Länder und Völker begreifen, Gemeinsamkeiten sehen und Unterschiede verstehen, und umso besser lassen sich auch Wege zu einem friedlichen und gedeihlichen Miteinander auf unserer Welt finden."

"Überflüssig wie ein Marinemuseum für die Schweiz"

Für Kulturstaatsministerin Grütters steht das Humboldt Forum auch "exemplarisch für die ebenso erfreuliche wie erfolgreiche Entwicklung der Bundeskulturpolitik in den vergangenen 20 Jahren."

Grütters erinnerte daran, dass die Gründung der Kulturbehörde des Bundes 1998 genauso wie die Entstehung des Humboldt Forums von heftigen Kontroversen begleitet war. Ein solches Amt sei in Deutschland, in dem die Zuständigkeit für die Kultur bei den Ländern liegt, so "überflüssig wie ein Marinemuseum für die Schweiz" hatte etwa der damalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair befunden.

Monika Grütters bei ihrer Rede zum 20-Jährigen Bestehen der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Kulturstaatsministerin Grütters: "Staatliche Kulturförderung und das Bekenntnis zu freien, unabhängigen Medien gehören zu den Fundamenten unseres Selbstverständnisses als Kulturnation."

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Dass weder die Bundeskulturpolitik noch das Humboldt Forum "überflüssig" sind, begründete Grütters mit der "integrativen Kraft" der Kultur in einer zunehmend pluralistischen und auch zunehmend polarisierten Gesellschaft: "Kultur ist Modus gesellschaftlicher Selbstverständigung – gerade dort, wo unterschiedliche Lebensvorstellungen und Weltanschauungen sich unversöhnlich gegenüberstehen und die Kraft des besseren Arguments gegen Mauern aus Ressentiments und Vorurteilen stößt", erklärte die Staatsministerin.

Wichtig sei es, als Gesellschaft im Gespräch, in der Verständigung über die "großen Fragen" zu bleiben, hob Grüttters hervor. "Statt in reiner Selbstbezüglichkeit zu verharren, empfiehlt Deutschland sich heute als Partner in der Welt: als treibende Kraft einer Verständigung der Völker, eines Dialogs der Weltkulturen."

Kulturelle Vielfalt gegen populistische Einfalt

Dialogfähigkeit bedeute aber nicht Standpunktlosigkeit, so die Kulturstaatsministerin. Im Gegenteil: Verständigung brauche Haltung. "Und unsere Haltung der Offenheit, der Freiheit und auch der Barmherzigkeit, der Solidarität hat ihre Wurzeln auch und insbesondere in unserem christlichen Menschenbild. Die kontroverse Debatte, die das Humboldt Forum mit dem Kreuz auf der Kuppel schon vor der Eröffnung ausgelöst hat, darf man im Übrigen getrost als gutes Vorzeichen für ein Museum neuen Typs sehen, das sich künftig als Katalysator öffentlicher Meinungsbildung profilieren soll."

Kulturelle Vielfalt, in der sich auch sperrige, unbequeme, provozierende und irritierende Positionen in Freiheit entfalten könnten, sei deshalb das Beste, was populistischer Einfalt entgegen zu setzen sei, fuhr Grütters fort. "Und zweifellos brauchen wir, um unsere demokratische Kultur der Verständigung gegen ihre Verächter zu verteidigen, die Lehren aus der Aufarbeitung unserer Vergangenheit, die Vielstimmigkeit unabhängiger Medien, die Ideen der Kultur- und Kreativwirtschaft, die Phantasie und auch den Widerspruchsgeist der Kunst – und eine Kultur- und Medienpolitik, die dafür Raum und Rahmenbedingungen schafft."

In diesem Sinne habe sich das Amt der BKM in den vergangenen 20 Jahren hohes Ansehen und breites Vertrauen erarbeitet. Diese erfolgreiche Entwicklung sei insbesondere der verlässlichen Rückendeckung durch die Bundeskanzlerin sowie der parteiübergreifenden Unterstützung aus dem Deutschen Bundestag und der konstruktiven Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen im Rahmen des kooperativen Kulturföderalismus zu verdanken, erklärte die Staatsministerin.

Der Kulturnation Stimme verleihen ...

Deutschland ist genauso wie Frankreich und Großbritannien eine Kulturnation. Aus diesem Selbstverständnis heraus, hat der Bund mit der Schaffung des Amtes Beauftragte für Kultur und Medien seine kulturpolitischen Maßnahmen in einer eigenständigen Behörde zusammengeführt. War die Kultur zuvor im Wesentlichen eine einzige Abteilung im Bundesministerium des Innern, die die kulturpolitische Arbeit auf Bundesebene stützte, wechselte die Zuständigkeit 1998 in eine eigene Oberste Bundesbehörde unter der politischen Leitung eines Staatsministers oder einer Staatsministerin, die direkt der Bundeskanzlerin unterstellt ist und ihren Sitz im Bundeskanzleramt hat.

Damit haben Kultur und Medien in den vergangenen 20 Jahren ihren eigenen Stellenwert in der Regierungspolitik gefunden - und er nimmt stetig zu. Dies spiegelt sich unter anderem in den erheblichen Steigerungen des Etats für Kultur und Medien in den vergangenen Jahren wider. So gab es auch 2018 mit einem Gesamthaushalt von 1,78 Milliarden Euro einen kräftigen Zuwachs von knapp neun Prozent gegenüber 2017. Zudem sind Kernthemen des aktuellen Koalitionsvertrags wie Integration, Zusammenhalt in Vielfalt, ländliche Räume, gleichwertige Lebensverhältnisse wichtige kulturpolitische Themen auf der Agenda der Bundesregierung.

... und passende Rahmenbedingungen setzen

Die Kulturpolitik des Bundes ist deshalb mehr als die „Summe der Kulturen“ der einzelnen Bundesländer. Der Bund kümmert sich in der Fläche um passende Rahmenbedingungen zur Förderung von Kunst, Kultur und Medien in ganz Deutschland. Dazu gehören unter anderem der Kulturgutschutz, Programme zur Förderung von Projekten der kulturellen Bildung und Integration, die Filmförderung, die Künstlersozialversicherung, der Erhalt des Filmerbes und des schriftlichen Kulturgutes, die Digitalisierung von historischen Museumsbeständen.

Zudem ist die Beauftragte für Kultur und Medien bundesweit und im Ausland verantwortlich für insgesamt 74 institutionell geförderte Einrichtungen - darunter die großen nationalen Kultureinrichtungen wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Klassikstiftung Weimar, das Literaturarchiv in Marbach oder die Bundeskulturstiftung - sowie für hunderte Förderprojekte. Die Aufarbeitung der NS-Raubkunst und der Kunst us kolonialem Kontext, das Gedenken und Erinnern an die Opfer der zwei Diktaturen in der jüngeren Geschichte Deutschlands sind ebenso Themen von gesamtstaatlicher Bedeutung.