Streitkräfte modernisieren

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Im Wortlaut: von der Leyen Streitkräfte modernisieren

Mit zusätzlichen acht Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt will die Verteidigungsministerin die Arbeit der Bundeswehr verbessern. Im "Großkonzern Bundeswehr" gehe es darum, "die Substanz bei Mensch, Material und Infrastruktur gesund zu halten", sagte sie in einem Zeitungsinterview.

  • Interview mit Ursula von der Leyen
  • Märkische Oderzeitung

Das Interview im Wortlaut:

Märkische Oderzeitung: Frau von der Leyen, der Bundesfinanzminister hat Ihnen bis 2019 zusätzliche acht Milliarden Euro genehmigt. Ist das jetzt genug für alle notwendigen Maßnahmen, oder wird dieses Geld schon wieder aufgefressen von den Kostenexplosionen bei großen Rüstungsvorhaben?

Ursula von der Leyen: Es ist vor allem der Schritt in die richtige Richtung, eine Abkehr von der Mangelverwaltung der letzten Jahre. In einer Zeit, in der die Anforderungen an die Bundeswehr, gerade auch im Nato-Verbund, deutlich steigen, können wir jetzt die zunehmend hohlen Strukturen auffüllen und den enormen Modernisierungsbedarf der Streitkräfte in Angriff nehmen.

Märkische Oderzeitung: Wohin fließen die zusätzlichen Mittel denn?

von der Leyen: In der Vergangenheit hat die Bundeswehr zu Recht ihre Ressourcen auf den laufenden Einsatz in Afghanistan konzentriert, der Grundbetrieb ist dabei vernachlässigt worden. Das lässt sich eine Weile kompensieren, aber irgendwann macht sich das bemerkbar, sowohl beim Personal wie bei der Ausrüstung und den Kasernen. Zum Beispiel suchen wir, wie der private Mittelstand auch, dringend Spezialisten, Fachkräfte, Techniker, Ingenieure, Ärzte. Ohne qualifiziertes Personal steht irgendwann die Einsatzfähigkeit der Truppe in Frage.

Märkische Oderzeitung: Können Sie denn als Arbeitgeber mit dem Mittelstand mithalten?

von der Leyen: Als ehemalige Arbeitsministerin weiß ich, was auf den Arbeitgeber Bundeswehr zukommt. Ohne Wehrpflicht muss niemand mehr zur Truppe kommen. Wir müssen uns dem Wettbewerb um die besten Männer und Frauen stellen. Die Bundeswehr kann wuchern mit dem, was sie zu bieten hat, mit einem großen Spektrum an Berufsfeldern - von der Reederei über Kliniken bis zu einem Logistikverbund. Wer bei uns ist, weiß um den hohen Wert des Friedens, und er ist bereit, für Demokratie und Menschenrechte einzustehen. Meine Aufgabe ist es, diesen Menschen, die bereit sind, mehr zu leisten und zu geben, gute Arbeits- und Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

Märkische Oderzeitung: Lässt sich denn mit kurzfristigen Investitionen die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr verbessern?

von der Leyen: Wir sind heute trotz aller Probleme, wenn es in den Einsätzen ernst wird, eine der besten Armeen der Welt. Aber wie jedes Unternehmen, das in der Weltspitze unterwegs ist, etwa aus der deutschen Autoindustrie, kann man es sich nicht leisten, über lange Zeit den Grundbetrieb zu vernachlässigen und notwendige Modernisierungsschritte hintenan zu stellen. Dann spielt man schnell nicht mehr in der ersten Liga mit. Das gilt auch für den Großkonzern Bundeswehr. 250 000 Menschen, 200 Milliarden Euro Fuhrparkwert, laufende Rüstungsprojekte für mehr als 80 Milliarden. Es gibt Herausforderungen, die wir heute schon hervorragend bestehen, denken Sie nur an den Ebola-Einsatz, da hat die Bundeswehr mit 300 Flügen über 700 Tonnen Hilfsgüter in die Krisenregionen transportiert. Meine Aufgabe ist, die Substanz bei Mensch, Material und Infrastruktur gesund zu halten oder zu modernisieren, dass wir auch in Zukunft so einsatzfähig bleiben.

Märkische Oderzeitung: Mit der Arbeit am netten Weißbuch sind Sie ja mitten drin in der Definitionsphase zur Zukunft der Bundeswehr. Wie verhindern Sie, jetzt in Projekte oder Maßnahmen zu investieren, die mittel- und langfristig nicht mehr gefragt oder erforderlich sind?

von der Leyen: Das Weißbuch liefert die Philosophie, wohin dieses Land und die Bundeswehr sich sicherheitspolitisch entwickeln wollen. Nichtsdestotrotz brauchen wir heute wie morgen Ersatzteile oder moderne Unterkünfte, aber auch geschützte Fahrzeuge und Aufklärungssatelliten, unabhängig von den Ergebnissen des Weißbuch-Prozesses.

Märkische Oderzeitung: Muss sich denn die Bundeswehr nicht auch spezialisieren, um weiter Spitzenleistungen zubringen?

von der Leyen: Deutschland ist immer eingebunden in Partnerschaften in der Nato und der EU. Wir gehen international niemals allein los. Weil wir ein so großes Land mit politischem und ökonomischem Gewicht sind, ist die Erwartung an uns, dass wir eine Rahmennation sind. Wir brauchen daher als Bundeswehr eine angemessene Bandbreite von unterschiedlichen Fähigkeiten, damit kleinere Nationen mit ihren spezifischen Fähigkeiten bei uns andocken können. Zugleich müssen wir uns in die Tiefe hinein spezialisieren, damit wir Einsätze mehr als wenige Monate durchhalten können. Wir arbeiten inzwischen beispielsweise so eng mit den Niederländern zusammen, dass Einheiten wechselweise deutschem oder niederländischem Kommando unterstehen können. Dasselbe streben wir mit Polen an, das ist ein historischer Schritt. Wir planen ein multinationales Hubschrauberregiment, die Deutsch-Französische Brigade ist in Mali im Einsatz. Es tut sich viel ...

Märkische Oderzeitung: Geht die internationale Arbeitsteilung denn so weit, dass die Bundeswehr auf bestimmte Teilstreitkräfte verzichtet?

von der Leyen: Die Bundeswehr wird natürlich weiter alle drei Teilstreitkräfte haben, Heer, Luftwaffe, Marine. Aber wir haben zum Beispiel keinen Flugzeugträger und werden auch künftig keinen haben, da können wir uns auf unsere Partner stützen. Unsere Sicherheit kommt aus den Bündnissen, für die wir aber auch selbst einstehen müssen.

Märkische Oderzeitung: Sind das schon Schritte auf dem Weg zu einer europäischen Armee, die für Deutschland auch den Vorteil hätte, nicht so viel Verantwortung übernehmen zu müssen, wie neuerdings von uns verlangt wird?

von der Leyen: Im Gegenteil: Wir tragen heute schon wachsende Verantwortung im Bündnis, etwa in der Ukraine-Krise oder bei der Unterstützung der Kurden im Irak. Die Bundeswehr spielt eine Schlüsselrolle beim Umsetzen der Beschlüsse des Nato-Gipfels von Wales. Das ist die Aktualität. Aber das schließt nicht aus, dass wir eine langfristige Vision haben. Auch in einer europäischen Armee werden wir uns nicht zurückziehen aus unserer Verantwortung. Aber wir werden als sicherheitspolitische Stimme in einer globalisierten Welt nur hörbar bleiben, wenn Europa sich langfristig in Richtung auf eine gemeinsame Armee hin bewegt.

Märkische Oderzeitung: Wenn man sich die verschiedenen Manöver dieser Tage anschaut, der Nato in den baltischen Staaten, Russlands im Schwarzen Meer, dann fühlt man sich in Zeiten des Kalten Krieges zurückversetzt. Muss der Westen noch mehr tun für die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine, notfalls Waffen liefern?

von der Leyen: Es wird keine militärische Lösung dieses Konflikts geben. Wir wissen, dass der potenzielle Nachschub aus Russland unbegrenzt ist. Das Leid der Menschen in der Ostukraine würde durch eine militärische Konfrontation ins Unermessliche steigen, ohne dass wir einen Schritt zu einer Lösung weiter wären. Wir müssen konsequent und beharrlich die Doppelstrategie weiter fahren, nämlich den Gesprächskanal offen halten, aber auch mit wirtschaftlichen Sanktionen auf die Annexion der Krim durch Russland und die hybride Kriegsführung in der Ostukraine antworten. Zugleich unterstützen wir die Ukraine politisch, wirtschaftlich und humanitär.

Märkische Oderzeitung: Wäre denn eine rote Linie überschritten, wenn die Separatisten mit russischer Hilfe eine Landverbindung zur Krim herstellen könnten oder Putin die baltischen Staaten angreifen würde?

von der Leyen: Ich halte nichts davon, öffentlich irgendwelche roten Linien zu beschreiben. Aber eine Sache ist vollkommen klar: Innerhalb des Nato-Gebiets gilt Artikel 5, also die Beistandsgarantie des Bündnisses im Falle eines Angriffs auf ein Mitgliedsland, und zwar für alle Nato-Staaten.

Märkische Oderzeitung: Hat Sie eigentlich die Erkenntnis des MAD schockiert, dass es eine nennenswerte Zahl von Soldaten gibt, die sich offenbar von der Bundeswehr für kriegerische Einsätze im Dienst des IS ausbilden lassen?

von der Leyen: Jeder einzelne Fall ist einer zu viel, aber wir müssen die Zahlen in eine Relation stellen und auch darstellen, dass wir genau hinschauen. In den vergangenen fünf Jahren hatten wir rund 140 abgeschlossene Verdachtsfälle. In 70 Fällen gab es Entwarnung, nur in 18 Fällen hat sich der Verdacht bestätigt. In der Regel wurden die Betroffenen vorzeitig entlassen. Bei 54 Überprüften gab es kein eindeutiges Ergebnis in die eine oder andere Richtung, bevor ihre normale Dienstzeit endete. Man muss wissen, dass die Bundeswehr aufgrund ihrer Struktur eine enorme Fluktuation hat. Wir haben 185 000 Soldaten. Jedes Jahr kommen und gehen auf normalem Weg jeweils 25 000 Menschen. Es gibt kein Indiz dafür dass wir in der Bundeswehr ein überproportionales Extremismus-Problem haben, wir werden aber wachsam bleiben und unsere Gegenmaßnahmen permanent überprüfen und anpassen.

Das Interview führten Ulrich Becker und Gunther Hartwig für die

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