Rede der Kulturstaatsministerin anlässlich der Ersten Lesung des Bundeshalts 2016

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- Es gilt das gesprochene Wort. -

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

1,28 Milliarden Euro sieht der Haushaltsentwurf der Bundesregierung im Jahr 2016 für Kulturausgaben vor. Das sind 56 Millionen Euro mehr als im Regierungsentwurf des Vorjahres. Ein starkes kulturpolitisches Signal.

Dennoch will ich eine andere Zahl, die uns alle bewegt, in den Mittelpunkt meiner Haushaltsrede stellen. 800 000 Menschen suchen in diesem Jahr Zuflucht in Deutschland, 800.000 Menschen, die ihre Heimat zurückgelassen haben und mit nichts anderem als ihrer Hoffnung auf Frieden und Freiheit, auf ein besseres Leben bei uns ankommen. Das ist die größte politische Herausforderung in diesen Monaten und vielleicht auch Jahren.

Das ist vor allen Dingen auch eine kulturpolitische Herausforderung, zunächst einmal, weil kulturelle Teilhabe eine grundlegende Voraussetzung dafür ist, dass Zuwanderer in der Fremde ihre neue Umgebung verstehen und dass auch sie hier verstanden werden, weil kulturelle Teilhabe eben auch gesellschaftliche Teilhabe ist, aber auch, weil die diffuse Angst vor den Fremden, wie wir sie mancherorts erleben, das große Bedürfnis nach Selbstvergewisserung unserer eigenen kulturellen Identität einmal mehr deutlich offenbart, vor allem aber, weil kulturelle Vielfalt sowie die großartige Welle der Hilfsbereitschaft, die wir aktuell erleben, ganz maßgeblich zu dem Bild eines weltoffenen Deutschlands beiträgt, das wir all denen entgegenhalten müssen, die uns mit ihrer Fremdenfeindlichkeit beschämen.

Kultur ist Brückenbauerin und Türöffnerin, aber auch Spiegel unseres Selbstverständnisses. 1,28 Milliarden Euro für 2016 sind gut angelegtes Geld, um die Kultur genau in dieser Rolle zu bestärken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb bitte ich Sie herzlich um Ihre Zustimmung zum Regierungsentwurf.

Dieser sieht unter anderem mehr Unterstützung für die von meinem Haus geförderten Kultureinrichtungen vor, insbesondere 38 Millionen Euro für zusätzliche Personalausgaben zum Ausgleich von Tariferhöhungen. Der größte Einzelbetrag - 12 Millionen Euro mehr als im Vorjahr - kommt der Deutschen Welle - lieber Herr Dörmann, dafür haben wir gemeinsam viel getan - zugute. Sie ist als Botschafterin unseres demokratischen Rechtsstaats gerade in Krisenregionen und autoritär regierten Staaten für viele Menschen die maßgebliche, für viele aber auch die einzige Verbindung in die freie Welt.

Vom Plus bei den Personalmitteln profitieren aber nicht nur die großen Einrichtungen. Vielmehr ist es erstmals gelungen, 2016 auch kleine und mittlere Häuser, die wir nur dauerhaft über Projekte finanzieren, besserzustellen. Dafür bin ich besonders dankbar, vor allen Dingen auch dem Finanzminister Schäuble, der dazu einen berührenden Brief geschrieben hat.

Vielen ist gar nicht bewusst, wie viel unsere Kultureinrichtungen landauf landab - das heißt, gerade auch jenseits der großen Metropolen - zum Umgang mit kultureller Vielfalt vor Ort beitragen. Wichtig ist es mir aber auch, den Mut zum Experiment zu fördern, den - wie es Habermas einmal gesagt hat - avantgardistischen Spürsinn für Relevanzen, mit der Kunst und Kultur notwendige gesellschaftliche Veränderungsprozesse anzustoßen.

Deshalb werde ich künftig, analog zum guten Beispiel in der Kino- und Musikbranche, auch einen Theaterpreis - die Theater sind wirklich die direkteste Verbindung vor Ort mit den Bürgern - und einen Buchhandlungspreis verleihen. Damit ermutigen wir die Überzeugungstäter in den Branchen, die leidenschaftlichen Theatermacher, Literaturliebhaber unter den Buchhändlern, die auch jenseits des Mainstreams, aber flächendeckend zu einem vielfältigen kulturellen Angebot beitragen. In diesem Zusammenhang will ich außerdem die kulturelle Filmförderung stärken.

Ob Poesie, ob Malerei, ob Film, Musik, Theater oder Tanz, Kunst kann gemeinsame Sprache sein, wo unterschiedliche Begriffe sonst Missverständnisse verursachen. Kunst kann gemeinsame Erfahrungen bescheren, wo unterschiedliche Herkunft oft ab- oder ausgrenzt. Kunst kann uns helfen, zu verstehen, was uns ausmacht, wer wir sind, als Individuen, als Deutsche, aber auch und insbesondere als Europäer.

Kunst kann uns aber auch nötigen, einmal die Perspektive zu wechseln und die Welt aus anderen Augen zu sehen. Dazu wird künftig auch das Humboldt-Forum beitragen. Vor kurzem, im Mai, haben wir zwei Jahre nach der Grundsteinlegung Richtfest gefeiert. Das Humboldt-Forum fördert neuartige Kunst- und Kulturerfahrung - das haben wir uns vorgenommen - und verfügt über Wissen - das ist der Kernbestand - über unterschiedliche, aber gleichberechtigte Weltkulturen. Aktueller hätte man dieses größte Projekt der Kultur in der Bundesrepublik nicht planen können.

Dieses Projekt wird unsere kulturelle Identität ganz maßgeblich prägen und natürlich auch zeigen, dass Deutschland sich als Partner in der Welt versteht. Denn allein, dass wir im Herzen der deutschen Hauptstadt nicht uns selbst in den Kulturmittelpunkt stellen, sondern dass die Welt in Berlin ein Zuhause findet, dass Deutschland sich also statt in reiner Selbstbezüglichkeit mit einem Blick nach außen empfiehlt, sagt, denke ich, viel über das Selbstverständnis der Kulturnation Deutschland am Beginn des 21. Jahrhunderts aus.

Mit Neil MacGregor konnte ich einen der weltweit renommiertesten Museumsexperten nach Berlin holen. Ich finde, dass das so ein bisschen etwas wie die schönsten Vorschusslorbeeren ist, die wir uns alle für das Humboldt-Forum wünschen konnten. Um die Bespielung vorzubereiten, möchte ich im kommenden Jahr 3,5 Millionen Euro für die Gründungsintendanz zur Verfügung stellen.

Diese Beispiele illustrieren, wie wir die Mittel im Haushalt - auch meines Hauses - im Sinne eines weltoffenen Deutschlands einsetzen. Kultur und Medien haben allein schon wegen ihrer herausgehobenen Rolle im öffentlichen Diskurs auch und ganz maßgeblich eine echte Verantwortung dafür, wie kulturelle Vielfalt in Deutschland wahrgenommen wird: als fremd oder als vertraut, als einladend oder als trennend, als bedrohlich oder als bereichernd.

"Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde." Das hat einmal der große Philosoph Karl Jaspers gesagt. Ich bin überzeugt, dass Kultur und Medien mit ihrem Beitrag zum Verstehen und Verstanden-Werden denen, die gerade zu Hunderttausenden neu in unser Land kommen, dabei helfen können, zeitweise oder dauerhaft in Deutschland Fuß zu fassen, und denen, die diese gewaltige Entwicklung mit Sorge betrachten, vielleicht helfen können, sie als Chance zur Bereicherung unseres Miteinanders anzunehmen.
In diesem Sinne: Vielen Dank.